Leitartikel

Ein Blick auf große Banken

Für die deutsche Kreditwirtschaft neigt sich die Bilanzsaison allmählich dem Ende zu. Anders als in Normaljahren ist damit die Hochphase der Rechenschaftslegung aber längst nicht vorbei. Zumindest die größeren Häuser, sprich jene 24 hiesigen Institute, die von der EZB in den laufenden Asset Quality Review (AQR) einbezogen werden, erfreuen sich einer ungebrochenen Aufmerksamkeit der Aufsicht. Und die Betriebsamkeit vieler Mitarbeiter aus der Wirtschaftsprüferszene, die die laufenden Erhebungen vor Ort unterstützen, bindet weiterhin viele Personalkapazitäten in den Banken.

Wenn diese ZfgK-Ausgabe erscheint, haben mit der Nord-LB und der Rentenbank zwei weitere AQR-Institute ihre Bilanzberichterstattung 2013 vorgelegt, bevor Anfang Mai die L-Bank den Veröffentlichungsreigen beschließt. Eine wirkliche Vergleichbarkeit der Zahlen ist damit allerdings nicht hergestellt. Denn mit der Apo-Bank, der Haspa-Holding, der L-Bank, der Münchener Hypothekenbank und der NRW-Bank berichten fünf Institute weiter nach HGB, einige fahren aus Gründen der hauseigenen Steuerung zweigleisig (Rentenbank, WGZ-Bank, W&W) und der große Rest orientiert sich an IFRS. Selbst unter Einbeziehung weiterer Kennzahlen der Bilanzberichterstattung darf man sich als Außenstehender auch unter dem IFRS-Regime keine Illusionen machen, wirklich belastbare Erkenntnisse über die Risikostrukturen beziehungsweise das Gefährdungspotenzial zu gewinnen, das von den einzelnen Häusern ausgeht. Dazu sind die Geschäftsmodelle mit ihren unterschiedlichen Anforderungen an die Refinanzierung, die Liquiditätsversorgung und die Einbindung in die weltweiten Finanzgeschäfte viel zu differenziert. Die DZ Bank und die W&W als klassische Allfinanzkonzerne haben zum Beispiel ganz andere Risikostrukturen als die einbezogenen Förderbanken. Und an welchem Maßstab will man das Investmentbanking einer Deutschen Bank messen?

Zwei Aussagen und Beobachtungen zu Bilanz und Ergebnisentwicklung lassen sich gleichwohl schon mit den Eckdaten zu Bilanz und GuV festhalten (siehe Übersicht). Mit Blick auf die Bilanzsumme haben die großen deutschen Banken der Tendenz nach im Berichtsjahr 2013 den Prozess des Deleveraging fortgesetzt, der nach 2008 mehr oder weniger ausgeprägt eingesetzt hat. Die Ergebnisentwicklung der 24 Institute mag 2013 nicht berauschend gewesen sein, aber im Umfeld der Bilanzberichterstattung hat es weder unüberhörbare Andeutungen der Aufsicht noch eine öffentliche Geräuschkulisse seitens der Analysten gegeben, die eines der hiesigen Institute mit Blick auf den AQR in einer misslichen Lage sehen.

Dass die Commerzbank ebenso wie einige Landesbanken noch heftig daran arbeiten muss, den Abbau der als Nicht-Kerngeschäft abgetrennten Portfolios voranzutreiben, ist ebenso offensichtlich wie die sportlichen Herausforderungen der HSH-Nordbank und der Nord-LB bei der Abwehr negativer Auswirkungen des Schiffsportfolios auf die GuV-Rechnung. Und die von Rückstellungen für allerlei Rechtsrisiken gebeutelte Deutsche Bank ist unter den Widrigkeiten der Vorbereitungen auf eine wie auch immer geartete Leverage Ratio und anderer regulatorischer Szenarien auf ihrem Weg zu einer besseren Unternehmenskultur längst nicht in ihre angestrebten Ergebnissphären vorgedrungen. So rangiert diesmal die DZ Bank mit einem Konzernergebnis von 2,2 Milliarden Euro vor Steuern mit weitem Abstand vor den anderen Instituten - eine Momentaufnahme, die in der genossenschaftlichen Gruppe als Auszeichnung für die Tragfähigkeit ihres Geschäftsmodells empfunden wird.

Unbestrittene Fortschritte haben die Institute im Berichtsjahr bei der Festigung ihrer Kapitalausstattung gemacht, auch wenn sie sich in ihrer Berichterstattung teils auf die geforderten Standards per Ende 2013 beschränken und teils schon stolz auf die Fully-loaded-Anforderungen nach Basel III abstellen. Im Übrigen darf man davon ausgehen, dass Bundesbank und BaFin in ihrer aufsichtsrechtlichen Begleitung der Bilanzsaison 2013 im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hingewirkt haben, die relevanten Institute in einer erträglichen Verfassung in die AQR-Prüfung zu geleiten. Gerade diese Orientierung der geschäftspolitischen Zukunftsausrichtung der Banken an den schon bestehenden oder absehbaren regulatorischen Vorgaben hat allerdings eine gewisse Brisanz. Wenn sich nämlich alle Institute in ihrer Produkt- und Dienstleistungspolitik an den aufsichtsrechtlichen Kriterien ausrichten, droht eine Konformität der Branche statt Wettstreit um die beste Lösung im Wettbewerb. Die regulatorische Bevorzugung des Mittelstandsgeschäftes auf der einen Seite wie auch die Benachteiligung des Verbriefungsgeschäftes in die andere Richtung sind Entwicklungen der vergangenen Jahre, die auch die Aufsicht kritisch hinterfragt.

Mit Blick auf die Verbriefung haben die Bank of England und die EZB erst kürzlich neue Überlegungen für einen neuen transparenten Verbriefungsmarkt angestoßen, die auch bei der IWF- und Weltbanktagung auf Resonanz stießen. Kurzum: Man wird seitens der Regulatoren und der Politik sorgsam darauf achten müssen, die geschäftspolitischen Freiräume der Banken nicht ungebührlich einzuschränken. Wie werden bei dem anstehenden Stresstest die Staatsanleihen behandelt? Welche Kriterien sollen für die Bewertung der Schiffsportfolios herangezogen werden? Gerade diese beiden Beispiele zeigen anschaulich, wie stark die Festlegung der Stresskriterien beeinflussen wird, welche Institute oder Bankengruppen als besonders gefährdet angesehen und damit möglicherweise mit Anpassung ihrer Geschäftsstrategie reagieren werden. Man sollte andererseits aber auch die positiven Wirkungen nicht ausblenden. Wenn nach dem AQR eine europaweite Überprüfung von knapp 60 Prozent der ausgereichten Kreditportfolios unter einheitlichen Kriterien vollzogen wird, bedeutet das bei allen momentanen Auslegungsschwierigkeiten des AQR-Handbuches und damit sicher auch allen Unschärfen der Ergebnisse einen Standard, der in der Vergangenheit nicht annähernd erreicht wurde. Schon auf dieser Zwischenetappe wird sich zeigen, wo möglicherweise Kapitalbedarf besteht, und es wird zu klären sein, von wem er gegebenenfalls behoben wird. Wenn auf dieser Basis die AQR-Ergebnisse quasi als Puffer in den Stresstest einfließen, wäre dieser im Idealfall nur noch die Kür für einen differenzierten Blick auf mögliche Gefahrenherde, ohne die befürchteten Nebenwirkungen einer Fehlinterpretation seiner Ergebnisse durch die Märkte. Mit einer Harmonisierung des Berichts- und Meldewesens in den nächsten Jahren und einer eingehenderen Untersuchung der internen Risikomodelle, wie sie die europäische Bankenaufsicht schon für 2015 ins Auge gefasst hat, bleibt dann immer noch sehr viel Potenzial für eine weitere Verbesserung der Aufsichtsqualität in der Zukunft.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X