Leitartikel

Dax - Potenzial in den Vorhöfen der Kapitalmärkte

Dieses Heft ist dem 25-jährigen Jubiläum des Dax gewidmet. Namhafte Autoren berichten über die Erfolgsgeschichte, die Marke, die Investoren, die Aktienkultur und viele andere Aspekte des deutschen Aktienindex. Es sind Gedanken und Überlegungen, die wir zu einem Strauß zusammengebunden haben und unseren Lesern zum Jubiläum überreichen. Feiern Sie bei der Lektüre mit uns. Der Dax hat es verdient. Er hat sich in all den Jahren von einem Mauerblümchen zu einem weltweit beachteten und geschätzten Index entwickelt.

Zu seinem Jubiläum steht er an einer Wegmarke. Zweimal ist er bisher an die 8000-Punkte-Marke herankommen, einmal vor seinem zwölften Geburtstag im Jahr 2000 und einmal vor dem neunzehnten im Jahr 2007. Jedes Mal ging es danach kräftig bergab. In den Sturm- und Drangzeiten eines Teenagers mag man diese Eskapaden verstehen. Jetzt sind wir wieder über 8000. Anders als früher steht der Dax inzwischen aber im vollen Saft eines jungen Mannes, der die Jugendsünden hinter sich gelassen haben müsste. Wird er es diesmal schaffen, die Hürde zu überwinden und in neue Gefilde ausbrechen?

Viele Anleger in Deutschland sind nach wie vor vorsichtig. Die Zahl der Aktionäre ist zurückgegangen. Im Jahr 2000 gab es 6,2 Millionen Aktionäre in Deutschland, 2012 waren es nur noch 4,5 Millionen. Im Jahre 2000 machten Aktien 14 Prozent des Geldvermögens der privaten Haushalte aus, heute sind es nur noch fünf Prozent. In letzter Zeit verändert sich das Denken der Menschen jedoch. Aktien gelten nicht mehr als so abwegig und risikoreich wie noch vor ein paar Jahren. Angesichts der niedrigen Zinsen und fehlender Anlagealternativen schauen sich immer mehr private und institutionelle Investoren Dividendenpapiere an. Wenn auch nur ein Teil von ihnen sich zu Investitionen entschließt, liegt hier ein immenses Wachstumspotenzial für den Dax.

Gefühle und Ängste sind das eine, volkswirtschaftliche und fundamentale Überlegungen das andere. Der Aufschwung der Aktienkurse in den letzten gut vier Jahren wurde von vier Faktoren getragen: der Konjunktur, der Liquidität, dem Abbau der Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft und - gerade in den letzten zwölf Monaten - von der Entspannung in der Eurokrise. Überall macht sich derzeit Ernüchterung breit.

Die Konjunktur hat - jedenfalls was Deutschland betrifft - als Kurstreiber vorerst ausgedient. Im letzten Jahr betrug das reale Wirtschaftswachstum nur noch 0,7 Prozent. In diesem Jahr wird es kaum mehr als eine "schwar ze Null" bringen. Alle hoffen, dass es im zweiten Halbjahr und dann vor allem im nächsten Jahr wieder besser werde. Aber das haben wir auch vor zwölf Monaten so gedacht und dann kam es doch anders. Die deutschen Exporteure, in der Nachkriegszeit immer die Speerspitze bei konjunkturellen Aufschwüngen, leiden darunter, dass zwei ihrer drei wichtigsten Märkte schwächeln. In Europa herrscht Rezession. Selbst wenn sich die Situation in den Peripherieländern verbessern sollte, wird es dort doch nicht so schnell zu großem Wachstum kommen. In den Schwellen- und Entwicklungsländern hat die Dynamik nach gelassen. Das gilt für die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Süd afrika) ebenso wie für den Großteil der vielen kleineren Staaten. Nur in den USA brummt die Konjunktur.

Die Liquidität ist nach wie vor hoch, sie verliert aber an Kraft für die Aktienmärkte. Angefangen hat es in den USA, wo die Federal Reserve schon seit Monaten über das "Tapering", das Auslaufen der ultralockeren Politik spricht. Lange Zeit haben die Märkte das nicht ernst genommen. Jetzt nehmen sie es, wenn man es recht sieht, etwas zu ernst. Es ist nicht vorstellbar, dass die amerikanische Notenbank in Sachen Liquidität einen "U-Turn" macht und voll auf Restriktion schaltet. Sie will die Geldversorgung der Wirtschaft normalisieren, ja, aber sie will das moderat tun, ohne den Märkten und der Wirtschaft zu schaden.

Anders die Gedanken der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Sie lässt es zu, dass sich die Basisgeldmenge durch die Rückzahlungen aus ihrem langfristigen Tendergeschäft verringert (im letzten halben Jahr schon um über 500 Milliarden Euro). Sie tut aber alles, dass daraus nicht der Eindruck einer restriktiven Politik entsteht. Dazu hat sie die Zinsen noch einmal gesenkt und den Banken versprochen, wenigstens bis Mitte nächsten Jahres alle Anträge bei den Tendern voll zu bedienen. In Japan ist schon gar nichts von Restriktion zu spüren. Dabei kann man sich an keine Zeit erinnern, in der die Bank of Japan so expansiv war.

Der Abbau der Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft ist zuletzt ins Stocken geraten. Die Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz steigen wieder an. Die Geldzuflüsse in die Schwellen- und Entwicklungsländer werden geringer. Zum Teil ziehen Investoren auch Kapital ab. China verknappt die Liquidität, um mehr Disziplin in der Kreditversorgung zu erreichen. Es gibt verstärkte Wechselkursschwankungen. Der Protektionismus nimmt zu. Das alles ist für sich genommen noch nicht dramatisch. Aber es sind Warnzeichen. Last but not least gehen von der Eurokrise gemischte Signale auf die Märkte aus. Die Spannungen haben sich verringert. Fluchtgelder kehren in ihre Heimatländer zurück, was sich in der vorsichtigen Rückbildung der Targetsalden zeigt. Andererseits stockt die Umsetzung von Reformen auf den Arbeits-, Güter- und Dienstleistungsmärkten. Der Zenit der Krise scheint überschritten. Aber jeder weiß, dass Europa hier noch einen langen Weg vor sich hat.

Die Schlussfolgerung: Die Zeiten werden auch für den Dax schwieriger. Die Euphorie, die die Märkte in den letzten Jahren getrieben hat, wird geringer. Die Schwankungen nehmen zu. Aber das ist natürlich, wenn die Kurse mehr als vier Jahre hintereinander ohne Unterbrechung gestiegen sind. Wirkliche Stoppsignale leuchten noch nicht auf. Umso wichtiger wird jetzt das Potenzial, das in den Vorhöfen der Kapitalmärkte lagert und das für Aktieninvestments gewonnen werden muss. Das wird kein Spaziergang, bringt aber große Chancen mit sich. Wir können das Jubiläum des Dax noch mit Zuversicht feiern. Ad multo sannos. Wir wünschen dem Dax weiter gute, wenn auch nicht schwankungsfreie Jahre.

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