Aufsätze

Finanzkrise - Existenzgefährdung durch falsche Ergebnisinformationen

Unter einem nahezu identischen Titel haben vor 25 Jahren Droste, Fassbender und andere einen bedeutenden Beitrag zur Banksteuerung veröffentlicht.1) Jetzt hat die sogenannte Banken- und Finanzkrise wieder Zusammenhänge in das Bewusstsein gebracht, die in hoch entwickelten Finanzmärkten überwunden schienen.

Die Annahme war, dass sich effiziente Geld- und Kapitalmärkte durch Breite und Tiefe mit vielen Marktteilnehmern, hohe Volumina, tief gestaffelte Laufzeiten und niedrige Transformations- und Informationskosten auszeichnen. Geringe Liquiditätsprämien und weitgehend homogene Risikoprämien der agierenden Finanzinstitute führen zu schmalen Geld-/Brief-Spannen. Dass die Annäherung an diese Idealbedingungen effizienter Märkte immer weiter gelingen würde, war eine der zentralen Rahmenbedingungen bei der Konzipierung der Marktzinsmethode im Jahr 19822), in deren Folge der Beitrag von Droste et alii entstand.

Weiterentwicklung in Richtung eines Transferpreissystems

Seitdem hat sich dieser Steuerungsansatz in der bankbetrieblichen Praxis weitgehend durchgesetzt, wie neueste empirische Untersuchungen zeigen.3) Allerdings war schon vor der Finanzkrise deutlich geworden, dass es den einheitlichen Marktzins nicht gibt. Swapmärkte, Pfandbriefmärkte, Märkte für Staatsanleihen und der Unterschied zwischen gedeckter und ungedeckter Refinanzierung machten es notwendig, die Marktzinsmethode weiterzuentwickeln in Richtung eines Transferpreissystems mit adäquaten Preisen zwischen "Einkauf" und "Verkauf" in Banken.

Die Anforderungen an eine wertorientierte bankbetriebswirtschaftliche Steuerung konnten bis zum Beginn der Krise in befriedigender Form erfüllt werden, doch machen die nun aufgetretenen Probleme eine grundlegende Überarbeitung notwendig; hierzu hat zum Beispiel B. Reichert erste Überlegungen angestellt.4) In der Krise wurde plötzlich deutlich, - dass die Märkte keineswegs sicherstellen, dass Liquidität immer zu erhalten ist und allenfalls geringe Prämien für einzelne Marktteilnehmer anfallen.

- Weiterhin führte dies und die reduzierte Breite und Tiefe des Handels an den Märkten zu deutlich ausgeweiteten Geld-Brief-Spannen, welche die Marktaktivitäten dann weiter einschränkten.

- Während vor der Krise das Gros der Banken zu weitgehend homogenen Prämien hinsichtlich der Bonität bewertet wurde, trat die eigene Institutsbonität bei der Refinanzierung immer deutlicher in den Vordergrund.

Marktzinsmethode ohne Marktzins?

Im Folgenden soll sich die Argumentation mit diesen Effekten beschäftigen und nicht mit den krisenhaften Zuspitzungen in verschiedenen Teilsegmenten der Interbankenmärkte, die überwiegend nur noch mit Hilfe der Notenbanken funktionieren oder sogar zu "nicht mehr aktiven Märkten" erklärt werden mussten. Diese extremen Verwerfungen werden mit der Überwindung der Krise auch wieder zurückgehen, die vorstehend genannten Effekte werden aber die Märkte auf Jahre charakterisieren.

Neben den durch die Krise ausgelösten strategischen Fragestellungen hinsichtlich Geschäftsmodell, nachhaltiger Refinanzierungspolitik und Risikotragfähigkeit stellen sich für das Bankmanagement damit elementare Fragen in der risiko-/rentabilitätsorientierten Steuerung: Was bedeuten diese Entwicklungen für stabile Preisunterbeziehungsweise -obergrenzen, um weiterhin im Wettbewerb nachhaltig und für Kunden verlässlich bestehen zu können, für die Risk-/Return-Position der Aktiv- und Passivprodukte, für die in Zukunft besonders wichtige Erfolgsquellenanalyse, wenn die Verfassung und Volatilität an den Märkten vermeintlich vorteilhafte Positionen schlagartig verändern können?

Eine besondere Herausforderung für die Preisgestaltung wird in Zukunft der Umgang mit den durch die staatlichen Stützungsmaßnahmen auftretenden Preisverzerrungen sein. Das Verbot von "Kampfkonditionen" - wie es im Rahmen des Rettungspaketes für die Commerzbank durch die EU-Kommission ausgesprochen

wurde - bleibt wegen praktisch ausbleibender Überprüfbarkeit nur eine Beruhigungspille für die noch freien Wettbewerber. Allerdings sind sich die Autoren darüber im Klaren, dass öffentlich getragene Marktteilnehmer auch schon in der Vergangenheit zu Wettbewerbs- und Preisverzerrungen geführt haben.

Funding als Wettbewerbsfaktor

Betrachtet man zunächst die in der Krise besonders in den Vordergrund gerückte Refinanzierungsseite, so ist heute schon klar, dass nur Geschäftsmodelle erfolgreich sein werden, die eine Refinanzierung über stabile Kundeneinlagen und langfristige Geldaufnahmen mit für die Gläubiger besonderen Sicherheiten aufweisen. Auch wenn gegenwärtig der Covered-Bond-Markt und hier als besonders gut reguliertes Segment der Pfandbriefmarkt stark durch die Probleme einzelner großer Pfandbriefemittenten belastet ist, so wird dieses Konstrukt der besonders sicheren, von der Bonität des Emittenten nur bedingt beeinflussten Finanzmittelbeschaffung eine Renaissance erleben. Umso wichtiger wird es, auf diesen in Zukunft hart umkämpften Märkten mit einer eigenen Fundingstrategie präsent zu sein, mit entsprechenden Potenzialen für die Preisgestaltung.

Auf der Aktivseite wird die Steuerung der mit dem Geschäft verbundenen Adressausfallrisiken das überragende Thema sein. Dabei sind nicht nur die kundenindividuellen Risikoprämien von besonderer Problematik geprägt, sondern in die Preisfindung muss der gesamte Effekt des für die Bank mit dem Geschäft verbundenen Wechsels der Risikoklassen erfasst werden.

Es leuchtet im Übrigen nicht ein, warum nur das sogenannte Kreditersatzgeschäft barwertig bewertet wird, während das originäre Kreditgeschäft, dessen Risikoprämien eigentlich auch gestiegen sein müssten, sich der Marktbewertung entziehen sollte. Eine Mortgage Backed Security (MBS), die mit deutschen Hypothekendarlehen besichert ist, wird abgewertet; ein Portfolio von deutschen Hypothekendarlehen bleibt stabil? Auf diese Weise ist eine aktive Steuerung der Kreditrisiken nicht mehr möglich, weil nur einheitliche Bewertungskriterien unabhängig von der Produktwahl (Wertpapier oder Kredit) und von Bilanzierungskriterien richtige Steuerungsimpulse generieren.

Preisfindung und Erfolgsquellenanalyse

In Märkten mit sich dramatisch verschärfendem Wettbewerb, deutlich erhöhten Risikokosten und volatilen Preisbewegungen wird nur eine zutreffende Erfolgsquellenanalyse, so zum Beispiel zwischen Kundenergebnis und Beitrag der eingegangenen Marktpreisrisiken, nachhaltig die Existenz sichern können. Außerdem ist auch für die Preisfindung und die Verlässlichkeit gegenüber dem Kunden sicherzustellen, dass vor Eingehen des Geschäfts der richtige Impuls gesetzt wird.

Für das Risikomanagement stellt sich die Frage: Werden die eruptiven Ereignisse in den Erfahrungshorizont der Risikoverfahren mit einbezogen? Dadurch würden die im bisher angesetzten Konfidenzintervall erfassten Verluste viel größer, was entsprechend höheres Risikokapital erfordern und bei unveränderten Erlösen die Rentabilität deutlich reduzieren würde. Andererseits wird die Aufsicht eine Vernachlässigung der Erkenntnisse der Krise sowie ein Herunternehmen der Konfidenzintervalle wohl kaum zulassen.

Transferpreise in der Banksteuerung kein akademisches Problem

In der Marktzinsmethode stellen marktpreisbasierte Transferpreise - in der Bankenpraxis für den Zinsbereich oft als Bewertungszinsen bezeichnet - die Antwort auf die Anforderungen an eine ertrags-/risikobasierte Steuerung dar.5) Ihnen kommt damit in Zukunft - noch stärker als in der Vergangenheit - eine Schlüsselrolle für die Steuerung des Geschäftes und der einzelnen Bank zu. Die Verfasser möchten an dieser Stelle betonen, dass vereinzelt am Markt zu beobachtende Tendenzen, bestimmten Passivpositionen wieder wie in den siebziger Jahren bestimmte Aktivpositionen zuzuordnen, eine unabhängige Produkt- und Geschäftsfeldsteuerung nicht zulassen und deshalb in der Mottenkiste der Banksteuerung bleiben sollten.

Neben Überlegungen zum Umgang mit den dargestellten Problemen treten auch grundsätzliche Fragen zur Konzeption auf: Gesetzt den Fall, eine Bank hat Bedarf an Fundingmitteln im Fünf-Jahresbereich, muss sie die Einwerbung von Kundeneinlagen dieser Zinsbindung mit dem "risikofreien" Anlagesatz bewerten (Gegenseitenkonzept) oder mit der alternativen Geldaufnahme am Kapitalmarkt (Opportunitätsansatz)?6) Zwischen diesen beiden Sätzen liegen seit Beginn der Finanzmarktkrise erhebliche Differenzen, die aufgrund der genannten Gründe auch in Zukunft Bestand haben werden.

Für die dargestellte Situation ist die Frage scheinbar einfach zu beantworten: Die Bank hat Bedarf; also Opportunitätsansatz. Was ist aber, wenn sich die Situation ändert zum Beispiel durch eine Entscheidung des Treasurers, der Fünf-Jahresgeld aufgenommen hat und auf steigende Zinssätze wartet? Dann plötzlich Gegenseitenkonzept, weil die Bank die Mittel derzeit nicht gebrauchen kann? Damit ausgelöste Steuerungsimpulse werden eine effektive Vertriebssteuerung nicht zulassen mit der entsprechenden Gefährdung der Kundenbeziehung.

Opportunitätsansatz und Gegenseitenkonzept

Der Entscheid zwischen dem Opportunitätsansatz und dem Gegenseitenkonzept wird zur Überlebensfrage und muss auch der Tatsache Rechnung tragen, dass bei Funktionsstörungen der Märkte die Sicherstellung der Liquidität nur durch eigenen Zugang zu Zentralbankgeld und eigene Liquiditätsreserven mit sicherer Selbstliquidation und Shiftability - in Zentralbankgeld - dargestellt werden kann. Durch die so verschärften Anforderungen an das Liquiditätsmanagement, zusammen mit der Neuorientierung einer langfristigen Fundingstrategie, muss folgerichtig weiterhin das Gegenseitenkonzept zur Anwendung kommen.

Nur so können immer wieder Anlage- beziehungsweise Funding-Steuerungsimpulse erzeugt werden, die Dispositions-Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Er-trags-Risiko-Position auslösen und dann in der Treasury umgesetzt werden. Der in der jüngsten Zeit diskutierte Lösungsansatz, das Gegenseiten- und Opportunitätsprinzip durch eine situativ engpassbasierte Bewertung abzulösen, wird wegen der aufgezeigten damit verbundenen Probleme keine Lösung sein, wie auch K. Wimmer zeigt.7)

Kreditvergabebremsen und Einlagenabflüssen vorbeugen

Insbesondere müssen die Effekte des mit den Geschäften verbundenen impliziten Adressrisikotransfers heraus gerechnet werden. Wird beispielsweise eine Bewertung eines Aktivgeschäftes an einen Kunden in einer bestimmten Risikoklasse vorgenommen, so sind die Effekte des Risikoklassenwechsels durch das kongruente Gegenseitengeschäft in der Risikoklasse der Refinanzierung der Bank zu berücksichtigen. Ein implizites Überwälzen dieser Effekte kann zu Doppel- oder Nichtberücksichtigung führen und falsche Steuerungsimpulse auslösen, die erhebliche Konsequenzen im Kundengeschäft haben. Hier könnte auch eine Lösung der unbestrittenen Nachteile des Gegenseitenkonzeptes liegen.

Damit wird auch deutlich, dass neue organisatorische Fragen auftreten, da zentrale Stellen die liquiditätsbasierte Fundingstrategie, die stabile Festlegung von Transferpreisen und den dauerhaft mit dem Geschäft verbundenen Risikotransfer steuern müssen. Die Erfüllung dieser Aufgabenstellungen ist im Übrigen größenklassenunabhängig sicherzustellen und in ihrer Ausgestaltung nur von der Komplexität des betriebenen Geschäftes abhängig.

Die zielorientierte Anpassung der Steuerungsinformationen an die geänderten Marktbedingungen ist auch eine der wichtigen Voraussetzungen für die Sicherstellung einer permanenten Überprüfung der Ertrags-Risiko-Position der Erfolgsquellen der Bank. Die Märkte der Zukunft mit den schon erwähnten verschärften Wettbewerbsbedingungen aufgrund der Konzentration der Marktteilnehmer auf wenige Geschäftsmodelle und dem damit verbundenen Verdrängungswettbewerb werden präzise Kalkulationsgrundlagen erfordern. Gleichfalls wird das als ökonomisches Kapital in deutlich höheren Beträgen vorzuhaltende Eigenkapital die Anforderungen zur Erreichung einer attraktiven Verzinsung erhöhen. Insbesondere werden Lösungen, die den Eigenkapitalpositionen fiktive Fälligkeiten zuordnen, die dann in Ablaufbilanzen und reduzierte Risikodarstellungen eingehen, der Vergangenheit angehören müssen.

Die Finanzkrise hat nicht nur die Märkte nachhaltig verändert; sie hat dadurch deutlich gemacht, dass Steuerungsimpulse verändert, zumindest verfeinert werden müssen. Wie aufgezeigt, gilt dies für das Risikomanagement, die Erfolgsquellensteuerung (hier insbesondere für das Kundengeschäft), aber auch für Treasury und Credit Treasury (zentrale Steuerung der Kreditrisiken).

In der hier betriebenen Überarbeitung der Gesamtkonzeption sind nur die wichtigsten Fragen aufgeworfen und nur teilweise beantwortet worden. Aber zahlreiche Projekte und angestoßene Diskussionsprozesse, zu denen auch dieser Beitrag gehören soll, können relativ rasch zu befriedigenden Ergebnissen führen. Für Banken in Zeiten der Krise und danach wird dies überlebenswichtig sein.

Fußnoten

1) Droste, K. D., Fassbender, H. et alii, Falsche Ergebnisinformation - Häufige Ursache für Fehlentwicklungen in Banken, Die Bank, (1983), Seiten 313 ff.

2) Flechsig, R., Flesch, H. R. Die Wertsteuerung - Ein Ansatz des operativen Controlling im Wertbereich, Die Bank, (1982), Seiten 454 ff.

3) Schwarze, F., Wüllenweber, K. et alii, Moderne Banksteuerung, Norderstedt 2007.

4) Reichardt, R., Kapitalmarktorientierte Risikosteuerung in Banken: Marktwertsteuerung statt Marktzinsmethode. Working Paper Series: Finance & Account, No. 159. Johann Wolfgang Goethe-Universität. Oktober 2005.

5) Schierenbeck, H., Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 1, Grundlagen, Marktzinsmethode und Rentabilitätscontrolling. Gabler, Wiesbaden, 8. Auflage.

6) Sievi, C., Kalkulation und Disposition. Bretten 1995, Seiten 59 ff.

7) Wimmer, K., Aktuelle Herausforderungen für die Vertriebssteuerung. Betriebswirtschaftliche Blätter, 04/ 2009, Seiten 210 ff.

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