Sparkassen-Finanzgruppe 2011

Gesucht wird: der sachkundige Bürger

Bieder und langweilig - diese und andere süffisante Bemerkungen ließen einige Wettbewerber über das Geschäftsmodell der deutschen Sparkassen vor dem Ausbruch der Finanzkrise fallen, sobald sie auf die öffentlich-rechtlichen Institute angesprochen wurden. Diese Meinung hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung in den vergangenen Jahren positiv zugunsten der in kommunaler Trägerschaft stehenden Institute geändert. Das Vertrauen der Deutschen in ihre Sparkassen ist seit der Insolvenz von Lehman Brothers kontinuierlich gestiegen; die Institute gelten landläufig als "Hort der Stabilität und des gemeinwohlorientierten nachhaltigen Wirtschaftens".

Enge Bindung

Der Erfolg der öffentlich-rechtlichen Sparkassen liegt in erster Linie in ihrer Dezentralität und ihrer engen Ausrichtung auf ihr Geschäftsgebiet begründet. Das Regionalprinzip bedingt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Sparkasse und dem beständigen Vorwärtskommen ihrer Region besteht.

Entscheidungen werden "vor Ort" unter den vorherrschenden lokalen Bedingungen getroffen. In den Verwaltungs- und Aufsichtsgremien der Sparkassen sitzen Manager und Kontrolleure, die die jeweiligen spezifischen Anforderungen des Geschäftsgebietes - mit seinen Bürgern und Unternehmen - und ihrer Sparkasse sehr genau kennen.

Die Verwaltungsräte der öffentlich-rechtlichen Institute setzen sich dabei einerseits aus Vertretern ihrer kommunalen Träger sowie andererseits aus Arbeitnehmern der Sparkassen zusammen. Bei der Auswahl der kommunalen Vertreter greifen die Träger sowohl auf versierte Kommunalpolitiker mit ökonomischem Know-how als auch auf in Wirtschaftsfragen erfahrene Persönlichkeiten zurück, die nicht der Kommunalvertretung angehören. Die Erfahrungen aus der bisherigen Mandatsvergabe sowie die wirtschaftliche Entwicklung der hiesigen Sparkassen belegen, dass die kooperative und enge Zusammenarbeit von Vorstand und Verwaltungsrat zum Wohle des Kreditinstituts und der Region sehr erfolgreich verläuft.

Konkrete gesetzliche Anforderungen an die Sachkunde

Das im Sommer 2009 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht und die im darin geänderten Kreditwesengesetz enthaltenen Anforderungen an künftige Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen hinsichtlich ihrer fachlichen und persönlichen Eignung hat die bisherige Praxis der Mandatsvergabe bei den rheinischen Sparkassen nur unwesentlich beeinflusst. Ursächlich für diesen Umstand ist die Tatsache, dass bereits seit Jahrzehnten in den Sparkassengesetzen der Bundesländer der fachlichen Qualifikation und persönlichen Eignung der Kontrolleure eine hohe Bedeutung eingeräumt wird. Die geschaffenen Regelungen im Rahmen des Kreditwesengesetzes auf Bundesebene orientieren sich explizit an den bereits existierenden Vorschriften innerhalb des nordrhein-westfälischen Sparkassengesetzes (SpkG NRW) und stellen somit keine Neuerungen für die rheinischen Sparkassen dar.

In Nordrhein-Westfalen können gemäß § 12 Abs. 1 SpkG NRW ausschließlich "sachkundige Bürger" Mitglied des Verwaltungsrates einer Sparkasse werden. An diese Sachkunde stellt das Gesetz folgende konkrete Anforderungen: Sachkunde bedeutet, dass die für den Verwaltungsrat vorgesehenen Personen eine fachliche Eignung zum Verständnis der wirtschaftlichen und rechtlichen Abläufe im Tagesgeschehen einer Sparkasse besitzen. Damit soll sichergestellt werden, dass das Gremium über eine einschlägige fachliche Expertise, insbesondere in kaufmännischer, juristischer und verwaltungsnaher Hinsicht verfügt.

Bei der Nominierung dieser sachkundigen Bürger durch die Vertretung des Trägers haben die in der jeweiligen Trägervertretung vertretenen Fraktionen ein maßgebliches Mitspracherecht. Dies ist kein Anachronismus, sondern folgerichtig, da die öffentlich-rechtlichen Institute von Kommunen getragen werden. Die Kommunen wiederum werden von gewählten Parlamentariern vertreten und haben folglich auch im Rahmen eines demokratisch legitimierten Prozesses über die Besetzung von Verwaltungsratsmandaten in ihrer Sparkasse zu entscheiden.

Diese Verfahrensweise steht nicht im Widerspruch zu den im Kreditwesengesetz beschriebenen Anforderungen an die Sachkunde und persönliche Eignung der Kontrolleure.

Kreditinstitute für jeden Bürger

Darüber hinaus erfordern die Aufgaben im Aufsichtsorgan eines öffentlich-rechtlichen Instituts aber auch Persönlichkeiten, die zusätzlich über Erfahrungen jenseits der beschriebenen Anforderungen verfügen. Bewusst verwendet der nordrhein-westfälische Gesetzgeber die Wortwahl "sachkundiger Bürger" im hiesigen Sparkassengesetz. Es ist politisch erwünscht, dass neben ausgeprägten Spezialisten auch bankfachlich weniger erfahrene - jedoch gleichwohl sachkundige - Bürger mit der Kontrollfunktion von Sparkassen betraut werden, damit deren Geschäftspolitik und strategische Ausrichtung durch ein "Spiegelbild der Gesellschaft" nachhaltig geprägt und legitimiert wird. Sparkassen waren und sind Kreditinstitute für jeden Bürger sowie aufgrund der Trägerschaft durch die Kommunen auch Institute der Bürger. Diese geschäftspolitische Grundausrichtung spiegelt sich folgerichtig auch in deren Aufsichtsorganen wider.

In diesem Kontext müssen bei der Beurteilung der Sachkunde neben der klassischen Denkweise in schulischer beziehungsweise beruflicher Expertise auch andere Aspekte in den Blick genommen werden. Für das Mandat in einem Verwaltungsrat einer Sparkasse ist man als sachkundiger Bürger prädestiniert, indem man zusätzlich zu einem grundlegenden Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge die Charaktereigenschaften Integrität, Engagement, Verbundenheit zur Region und der dort lebenden Menschen, Verantwortungsbereitschaft und insbesondere Courage auf sich vereinen kann.

In diesem Kontext ist auch die Aussage eines hochrangigen Managers des internationalen Bankgewerbes zu interpretieren: "Fachwissen kann man sich jederzeit aneignen, Persönlichkeit hingegen nicht." Insofern kann der gelegentlich zu hörende Vorwurf, in den Verwaltungsräten der Sparkassen würde "Popularität vor Qualität gehen", nicht aufrechterhalten werden.

Die Eignung eines Verwaltungsratsmitgliedes ist nicht nur anhand seines tabellarischen Lebenslaufes zu betrachten, sondern bedarf einer detaillierten und umfassenderen Begutachtung der Person. Dazu gehört selbstverständlich, dass die Kontrolleure von Kreditinstituten über einen tadellosen Leumund verfügen müssen. Nach § 13 Abs. 2 SpkG NRW liegt eine Unvereinbarkeit mit der persönlichen Eignung unter anderem bereits dann vor, wenn gegen die betreffende Person wegen eines Verbrechens oder eines Vermögensvergehens ein Strafverfahren rechtshängig ist. Bemerkenswert ist die Schärfe des Sparkassengesetzes, da schon mit Eröffnung des gerichtlichen Strafverfahrens das Mandat im Verwaltungsrat erlischt beziehungsweise nicht mehr möglich ist, obwohl die strafrechtliche Unschuldsvermutung gilt und es noch zu keiner rechtskräftigen Verurteilung gekommen ist.

Umfangreiches Seminarprogramm

Zur Erlangung und Vertiefung des für Verwaltungsräte erforderlichen fachspezifischen Wissens bietet unter anderem die Rheinische Sparkassenakademie den Kontrolleuren ihrer Mitgliedsinstitute ein umfangreiches Seminarprogramm an. Dabei werden neben einer Grundlagenschulung spezielle Seminare beispielsweise zum Risikomanagement, Kreditgeschäft und zur Jahresabschlussanalyse offeriert. Mit nahezu 1 000 Teilnehmern stieß die Rheinische Sparkassenakademie im vergangenen Jahr auf ein reges Interesse bei den hiesigen Verwaltungsräten.

Für 2011 wurde das Weiterbildungsangebot durch attraktive Vertiefungsseminare ergänzt; die Resonanz auf dieses angepasste Fortbildungsangebot ist nach wie vor groß. Die Verwaltungsratsmitglieder in den rheinischen Sparkassen kommen damit gewissenhaft den ihnen aus den gesetzlichen Regelungen erwachsenen Pflichten zur Weiterbildung und im Besonderen ihrem persönlichen Anspruch auf eine ordnungsgemäße und verantwortungsbewusste Ausübung ihres Mandates nach.

Als gelebte Praxis bewährt

Es bleibt somit festzustellen, dass die im Rheinland gelebte Praxis bei der Vergabe der politischen Mandate in den Verwaltungsräten der Sparkassen mit den gesetzlichen Regelungen und unter besonderer Berücksichtigung der engen Verbundenheit der Bürger mit ihren kommunalen Instituten in Einklang steht. Dies ist nicht erst seit Einführung der bundesgesetzlichen Regelungen zur persönlichen und fachlichen Eignung festzustellen, sondern wird aufgrund der einschlägigen Regelungen des nordrhein-westfälischen Sparkassengesetzes seit Langem so gepflegt.

Es überrascht daher wenig, dass bis heute im Verbandsgebiet des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes kein Fall bekannt geworden ist, der zu einer Nichtbestellung beziehungsweise Abberufung eines Verwaltungsratsmitgliedes geführt hat, weil die erforderliche Sachkunde beziehungsweise persönliche Eignung nicht attestiert werden konnte. Die Verwaltungsratsmitglieder in den Sparkassen sind sich durchweg ihrer verantwortungsvollen Aufgabe bewusst. Sie verrichten ihre wichtige Arbeit mit viel Engagement und großer Professionalität - zum Wohle der Sparkassen, der Träger, der Allgemeinheit und jedes einzelnen Bürgers. Dafür gebühren ihnen Respekt und Wertschätzung.

Michael Breuer , Präsident, Rheinischer Sparkassen- und Giroverband (RSGV), Düsseldorf
Noch keine Bewertungen vorhanden


X