Aufsätze

Hybridanleihen - der Renditemotor für institutionelle Anleger

Allen Widrigkeiten zum Trotz liegen Nachranganleihen im Trend. Noch im
ersten Halbjahr 2006 stiegen viele institutionelle Investoren wie
Pensionskassen und Lebensversicherer lieber in den boomenden
Aktienmarkt ein. Seit jedoch die Volatilität an den Börsen in den
letzten Monaten zugenommen hat, wächst das Interesse an
Nachrang-Bonds, die bei vertretbarem Risiko attraktive Renditechancen
bieten. Nachranganleihen sind eine Mischform aus Eigen- und
Fremdkapital und werden deshalb auch als Hybridbonds oder Hybrids
bezeichnet. Die Emittenten bedienen die Papiere im Falle eines
Konkurses nachrangig und bieten Investoren im Gegenzug eine höhere
Verzinsung als vorrangig bediente Bonds.
\
Zinsaufschläge
\
Nachranganleihen erzielen in der Regel je nach Ausgestaltung -
Zinsaufschläge bis zu 260 Basispunkten gegenüber zehnjährigen
Bundesanleihen, die seit Oktober 2004 mit weniger als 4,1 Prozent
rentieren. Lebensversicherer und Pensionskassen etwa können mit
Hybridanleihen relativ verlässlich die benötigten Renditen von mehr
als fünf Prozent einfahren, um Kosten und Garantiezinsen langfristig
zu decken, denn Hybrids haben in der Regel zwar eine unendliche
Laufzeit (Perpetuals), jedoch werden die Unternehmen voraussichtlich
nach fünf oder zehn Jahren von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen,
um nicht ein gutes Standing am Kapitalmarkt zu verlieren.
\
Mit Erträgen von teilweise sogar über sieben Prozent brauchen
Hybridbonds auch einen Renditevergleich mit Aktien nicht zu scheuen.
Am Aktienmarkt etwa werden allgemein langfristige Renditen von
lediglich sechs bis acht Prozent erwartet. Derart niedrige Erträge
spiegeln aber nicht die höheren Risiken wider, die Anleger mit einem
Aktienengagement eingehen würden. Hinsichtlich ihrer
Risikoeigenschaften sind Hybridanleihen ebenfalls eine interessante
Investmentalternative zu High Yield- oder Emerging Markets Bonds.
Derart hochverzinsliche Anleihen bieten zwar mit Hybrids vergleichbare
Renditechancen, sind aber auch stärker ausfallbedroht.
\
Die Risiken eines Totalausfalls waren bei Hybridanleihen bisher
vernachlässigbar gering. Neben dem Ausfallrisiko müssen Investoren
zudem branchen- und emittentenspezifische Risiken wie der Herabsetzung
der Kreditwürdigkeit beachten, die starke Kursschwankungen verursachen
können. Ratingagenturen erwägen zum Beispiel dann eine Herabstufung,
wenn Unternehmen mit einem kreditfinanzierten Übernahmeversuch
konfrontiert werden (Leveraged Buy Out, LBO). Agenturen wie Moody's
oder Standard & Poor's bewerten derartige Manöver kritisch, da die
übernehmende Firma den Schuldendienst in der Regel dem übernommenen
Unternehmen aufbürdet.
\
Kann oder will dieses Unternehmen die Zins- und Tilgungszahlungen
nicht aus den laufenden Einnahmen bestreiten, müssen die neuen
Eigentümer eventuell das Eigenkapital angreifen oder Unternehmensteile
veräußern. Dadurch sinkt tendenziell die Ertragskraft des
Unternehmens, und die Ausfallgefahr oder zumindest die Gefahr, dass
der nachrangige Bonds nicht zum angegebenen Call-Termin getilgt wird,
steigt. Folglich vergeben die Ratingagenturen für die Hybrids ein um
zwei bis drei Stufen niedrigeres Rating. Wer bereits in
Nachranganleihen investiert ist, muss dann mit steigenden
Risikoprämien und entsprechend hohen Kursverlusten rechnen.
\
Kurse von Hybridanleihen günstig bewertet
\
Neben dem insgesamt vorteilhaften Chance-Risiko-Profil spricht ferner
das derzeit günstige Einstiegsniveau für eine Anlage in
Nachranganleihen sowie die erwähnte Rückkehr der Volatilität am
Aktienmarkt. Hybridanleihen weisen attraktive Bewertungen auf, da der
steigenden Nachfrage aktuell ein höheres Angebot gegenübersteht.
Gründe dafür sind zum einen die langwierigen internen
Genehmigungsprozesse, die auf Seiten der professionellen Nachfrager
das Engagement für die relativ neue Anlageklasse bremsen. Andererseits
geben Banken und Versicherer schon seit Jahren Hybrids aus, um ihr
Eigenkapital zu erhöhen.
\
In der jüngeren Vergangenheit drängen aber auch verstärkt
Industrieunternehmen auf den Markt, um Pensionsverpflichtungen zu
decken oder Übernahmen zu finanzieren. Der Charme der Nachranganleihen
liegt für die Corporates in relativ niedrigen Couponzahlungen, die
zudem steuerlich abgesetzt werden können, und in regulatorischen
Vorteilen. So erhöht die Ausgabe von Hybridanleihen das Eigenkapital
der Emittenten und verringert damit die Ausfallwahrscheinlichkeit der
übrigen Anleihen. Die bessere Kapitalstruktur kann sich in einem
günstigeren Rating niederschlagen, das wiederum die Aufnahme von
Fremdkapital verbilligt.
\
Hybrids von Finanzdienstleistern mit geringstem Ausfallrisiko
\
Ob und inwieweit sich das Rating verbessert, hängt von Art und Umfang
der Hyb-rid-Risiken ab, die sich aus den Ausstattungsmerkmalen der
Nachranganleihen und der jeweiligen Branche ergeben. Bei
Finanzinstituten etwa sind die Risiken eines Totalausfalls oder eines
hohen Wertverlustes gering. Banken zum Beispiel haben nur ein
Eigenkapital von zirka fünf bis acht Prozent der Bilanzsumme und wenig
"produktives" Vermögen, das nach einer kreditfinanzierten Übernahme
leicht zu veräußern wäre. Dass Nachranganleihen von Banken zudem kaum
ausfallbedroht sind, liegt wesentlich in der guten Bonität der
Emittenten und in der starken Regulierung der Branche begründet.
\
Dafür allerdings bieten etwa von Großbanken begebene Tier-1-Anleihen
auch nur Spreads von 90 bis 110 Basispunkten über zehnjährige
Bundesanleihen (mit Tier 1 wird das Kernkapital von Banken als Teil
des Eigenkapitals bezeichnet). Dennoch sind Tier-1-Anleihen sehr
beliebt und besitzen momentan einen Marktwert von knapp 50 Milliarden
Euro.
\
Große Versicherer weisen ebenfalls ein geringes Ausfall- und
Übernahmerisiko auf. Deren Hybrids haben einen Marktanteil von etwa 30
Milliarden Euro und bieten ähnlich interessante Spreads wie
Nachranganleihen von Banken. Höhere Zinsaufschläge zwischen 150 und
300 Basispunkten werden insbesondere von mittelgroßen Versicherern in
Deutschland gezahlt, die über kein externes Credit-Rating verfügen,
das Auskunft über ihre Bonität geben könnte. Nachranganleihen von
Finanzdienstleistern insgesamt sollten weiterhin attraktiv bleiben -
solange keine größeren Inflationsgefahren zu erwarten sind, die mit
starken Zinserhöhungen und entsprechenden Kursverlusten einhergehen.
\
Extra-Renditechancen bei Corporates
\
Seit kurzem emittieren auch große, bonitätsstarke Industrieunternehmen
Nachranganleihen mit attraktiven Risiko-Er-trags-Profilen. Bereits
jetzt beträgt der Marktwert dieser Hybrid-Papiere etwa sieben
Milliarden Euro. Die Risikoprämien in diesem neuen Markt für
Hybridanleihen sind hoch, da Corporates generell ein größeres Ausfall-
und LBO-Risiko als Finanzdienstleister aufweisen.
\
Relativ sicher und gegen allzu große Kursschwankungen gefeit sind
nachrangig bediente Qualitätsbonds von Unternehmen, deren vorrangig
bediente Anleihen (Senior Bonds) mit mindestens "A" geratet werden.
Investoren trauen Unternehmen mit derart hoher Zahlungsfähigkeit zu,
nicht nur ihre Senior Bonds bei Fälligkeit auszuzahlen, sondern auch
ihre nachrangig bedienten Anleihen (Junior Bonds) zum frühestmöglichen
Zeitpunkt zurückzuzahlen. Anderenfalls würden die Emittenten das
Vertrauen der Marktteilnehmer in ihre eigene Bonität verspielen.
\
Die Nachranganleihe des Chemieunternehmens Henkel ist ein Beispiel für
qualitativ hochwertige Bonds, die hohe Ertragschancen bei niedrigem
Ausfallrisiko bieten. Henkel weist ein stabiles Geschäftsumfeld auf
und muss in absehbarer Zeit keinen Wechsel der Anteilseigner fürchten.
Die Gefahr einer kreditfinanzierten Übernahme ist gering, da sich die
Eigentümer verpflichtet haben, innerhalb der nächsten 15 Jahre keine
Anteile extern zu veräußern.
\
Hybrids gut zur Portfolio-Diversifikation
\
Hybridanleihen weisen nicht nur ein attraktives Risiko-Ertrags-Profil
auf, sondern eignen sich ebenfalls zur Portfolio-Diversifikation.
Aufgrund ihres Eigenkapitalcharakters koppeln sie sich mitunter
deutlich von der allgemeinen Zinsentwicklung ab. Allerdings empfiehlt
sich aufgrund des Kursschwankungsrisikos eine Anlage in Fonds statt in
Einzeltitel. Darüber hinaus entfällt bei einem Fondsinvestment der
hohe Rechercheaufwand, den institutionelle Investoren ansonsten
aufgrund der überaus komplexen und differierenden Ausgestaltungen der
Hybridanleihen leisten müssten.
\
Im Fall eines Fondsinvestments übertragen die Anleger diese Aufgabe
auf spezialisierte Fondsmanager, die eine aktive Vorselektion der in
Frage kommenden Hybridanleihen vornehmen. Dabei achten die
Fondsverwalter besonders darauf, ob das Management überzeugen kann und
ob das Geschäftsmodell stimmig und leicht nachvollziehbar ist. Auch
nach dem Erwerb der Hybrids sorgt die enge Zusammenarbeit des
Researchs und der Fondsmanager für eine Begrenzung des
Einzeltitelrisikos, indem sie die Aktivitäten des ausgebenden
Unternehmens laufend kontrollieren.
\
Damit sollten die Fondsmanager drohende Ratingverschlechterungen von
Nachranganleihen frühzeitig erkennen und die Papiere rechtzeitig
verkaufen können. Dass ihnen die Anlageideen ausgehen, ist indes nicht
zu befürchten: Die Emittenten überraschen immer wieder mit
maßgeschneiderten Neuerungen, wie etwa mit zusätzlichen vertraglichen
Verpflichtungen. Insofern scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu
sein, bis die Nachfrage mit dem Angebot gleichzieht und die
Hybrid-Kurse deutlich in die Höhe treibt.

Christian Müller , Head of Research & Strategy Germany , Savills Investment Management, München
Noch keine Bewertungen vorhanden


X