Gespräch des Tages

Insolvenzrecht - Verbessert das ESUG die Sanierungsmöglichkeiten?

Dr. Thorsten Schleich, Rechtsanwalt, Freiburg, schreibt der Redaktion: "Das Gesetzgebungsverfahren im Hinblick auf den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) schreitet voran. Die abschließende Befassung im Rechtsausschuss und im Plenum des Bundestages soll Ende September 2011 stattfinden. Wenn auch die Zielsetzung des Gesetzentwurfes allgemein begrüßt wird, sind aus Praktiker-Sicht große Teile der Regelungsvorschläge zu kritisieren. Dies betrifft vor allem die geplanten Änderungen der Zuständigkeit und der Einführung eines vorläufigen Gläubigerausschusses.

Änderungen der Zuständigkeit: Die Bundesregierung ist der Ansicht, eine professionelle Abwicklung von Insolvenzverfahren setze auf Seiten der Insolvenzgerichte unter anderem eine stärkere örtliche Zentralisierung der Gerichte - nur ein Insolvenzgericht pro Landgerichtsbezirk - voraus.

Bereits heute ist es dem Landesgesetzgeber möglich, pro Landgerichtsbezirk nur ein Amtsgericht zum Insolvenzgericht zu bestimmen. Die Bundesländer haben von dieser Möglichkeit differenziert Gebrauch gemacht. Insbesondere Flächenländer haben aufgrund unterschiedlicher regionaler Wirtschaftsräume zum Teil in einem Landgerichtsbezirk mehr als ein Insolvenzgericht eingerichtet. Dass in Bundesländern mit starker Gerichtskonzentration bei der Verfahrensabwicklung statistisch keine Unterschiede zu Ländern mit dezentralen Strukturen festzustellen sind, hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 15. April 2011 dargelegt. Die angestrebte stärkere Spezialisierung innerhalb der Gerichte wird durch die geplante Rechtsänderung zudem nicht erreicht werden. Sie lässt, abgesehen von dem unterschiedlichen Fallaufkommen der Landgerichtsbezirke vor allem außer Acht, dass in der Gerichtspraxis der Umfang der Befassung mit Insolvenzsachen oft weniger von der Fallzahl der Gerichte als vom konkreten Arbeitskraftanteil der Richter und Rechtspfleger abhängig ist. Abhilfe kann hier nur eine attraktivere Ausstattung der Stellen der Insolvenzrichter und Insolvenzrechtspfleger schaffen.

Aus Bankensicht dürfte kein Interesse an den geplanten Änderungen bestehen, da auch Kreditinstitute wie Sparkassen und Volksbanken auf bestehende regionale Wirtschaftsräume ausgerichtet sind. Vorläufiger Gläubigerausschuss: Das Insolvenzverfahren soll dazu dienen, die Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen. Von daher ist es zu begrüßen, dass dieser Verfahrenszweck durch eine stärkere Gläubigerbeteiligung Berücksichtigung findet. Das Interesse von Gläubigern, insbesondere auch von Banken, richtet sich dabei vor allem auf die Auswahl des maßgeblichen Akteurs im Verfahren, des Insolvenzverwalters. Diesem Gläubigerinteresse trägt die Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses, der den vorläufigen Insolvenzverwalter auswählt oder zumindest an der Auswahl maßgeblich beteiligt ist, Rechnung.

Allerdings ist zu beachten, dass nach Insolvenzantragstellung unverzüglich die Handlungsfähigkeit des insolventen Unternehmens durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters herzustellen ist, um Schäden durch den Stillstand des Geschäftsbetriebes zu verhindern. Auch die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von einzelnen Gläubigerinteressen ist sicherzustellen.

Diesem Zielkonflikt trägt der Gesetzentwurf nicht ausreichend Rechnung, indem er selbst bei kleineren mittelständischen Unternehmen (zwei Millionen Euro Bilanzsumme, zwei Millionen Euro Umsatz, mindestens zehn Mitarbeiter) die Einrichtung des vorläufigen Gläubigerausschusses vorsieht. Die kaum besuchten Gläubigerversammlungen kleinerer Unternehmensinsolvenzverfahren machen bereits heute deutlich, dass das Gläubigerinteresse, das durch eine Kosten-Nutzen-Abwägung bestimmt wird, an diesen Verfahren gering ist. Diese Praxiserfahrungen sollte auch der Gesetzgeber berücksichtigen, indem er die Einrichtung des vorläufigen Gläubigerausschusses, wie vielfach gefordert, auf große Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 Abs. 3 HGB beschränkt.

Die bisherigen Regelungen des Gesetzentwurfes würden die Kreditinstitute zwingen, die Abwicklungsabteilungen auszubauen, um die Mitwirkung in vorläufigen Gläubigerausschüssen einer Vielzahl von Verfahren sicherzustellen. Zu einer Erleichterung bei der Sanierung wird das ESUG vor dem Hintergrund dieser Befunde nicht führen."

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