Aufsätze

Die Interinstitutionelle Überwachungsgruppe für Finanzdienstleistungen (IIMG) - kurz vor dem Abschlussbericht

Das Lamfalussy-Verfahren (siehe Abbildung) stellt eine spezielle Form der Komitologie in der Finanzmarktgesetzgebung zur Weiterentwicklung des Mitentscheidungsverfahrens dar. Anfang 2002 wurde dieses vierstufige Verfahren eingeführt, um die Ausarbeitung, Verabschiedung und Umsetzung neuer Rechtsvorschriften für die Integration der Finanzmärkte effizienter gestaltet zu können. Die vier Stufen des Verfahrens entsprechen jeweils einem Stadium des Regulierungsprozesses.

Mitentscheidung in vier Stufen

Auf Stufe 1 wird im Mitentscheidungsverfahren festgelegt, welche wesentlichen Prinzipien der Regulierung zugrunde liegen sollen (Rahmengesetzgebung). Auf Stufe 2 bestimmt die Europäische Kommission mit Unterstützung von Komitologiefachausschüssen und Ausschüssen aus Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden, wie die auf Stufe 1 beschriebenen Prinzipien im Einzelnen umzusetzen sind (Durchführungsbestimmungen). Stufe 3 soll durch eine intensivere Zusammenarbeit und Anpassung im Aufsichtsbereich eine konsequente und einheitliche Umsetzung der neuen Regeln gewährleisten (Konvergenz der Aufsichtspraktiken). Und Stufe 4 des Verfahrens befasst sich schließlich mit der Anwendung und Durchsetzung des EU-Rechts.

In der zweiten Jahreshälfte 2005 wurde von den europäischen Gesetzgebungsorganen (Kommission, Rat und Parlament) die sogenannte Inter-institutional Monitoring Group (IIMG) neu konstituiert. Sie setzt sich aus sechs unabhängigen Sachverständigen1) - je Organ zwei Vertreter zusammen.

Gemäß dem von Parlament, Rat und Kommission vereinbarten Mandat bewertet die IIMG zum einen die bei der Umsetzung des Lamfalussy-Verfahrens zur Sicherstellung eines effizienteren Regulierungssystems für Finanzdienstleistungen (Wertpapier-, Banken- und Versicherungsdienstleistungen) erzielten Fortschritte. Zum anderen besteht die Aufgabe dieses Gremiums darin, gegebenenfalls auftretende Engpässe (sogenannte Bottlenecks) innerhalb des Verfahrens zu identifizieren. Die Interinstitutionelle Überwachungsgruppe erstattet den EU-Organen jährlich Bericht und veröffentlicht die Ergebnisse im Internet (http://ec.europa.eu/internal_market/securities/monitoring/index_en.htm).

Stand der Untersuchungen des Lamfalussy-Verfahrens

Ende Januar dieses Jahres wurde der zweite Zwischenbericht der IIMG veröffentlicht. Seine Ergebnisse werden auch eine wichtige Grundlage für den Abschlussbericht der Gruppe im Oktober 2007 bilden.

Die IIMG hat sich darauf verständigt "selbst auferlegte Zurückhaltung" (Regulatory Self-Constraint) bei Regulierungen anzumahnen und warnt vor der Gefahr überzogener Detailregelungen, denn die Gefahr von Überregulierung ist auf allen Ebenen des Verfahrens vorhanden. Dies ist nicht im Sinne einer Fundamentalkritik am gesamten Lamfalussy-Verfahren zu verstehen. Allerdings ist wichtig, der Versuchung zu widerstehen, alles regeln zu wollen, was geregelt werden kann. Konkret wird in diesem Zusammenhang auch die Forderung erhoben, dass sich die Regulierer auf den Stufen 2 und 3 des Verfahrens strikt an den von Stufe 1 vorgegebenen Rahmen halten und nicht versuchen, darüber hinausgehen, wie dies durchaus geschehen ist.

Ferner wurde die Zusammenarbeit der Stufen 1 und 2 bewertet und Vor- und Nachteile einer Parallelarbeit der beiden Stufen erörtert. Grundsätzlich befürwortet die IIMG eine gewisse Parallelarbeit auf den Stufen 1 und 2. Vorteile sieht sie darin, das Gesetzgebungsverfahren so zügig wie möglich zu gestalten und die Gefahr zu weit reichender Detailregelungen bei der Rahmengesetzgebung auf Stufe 1 zu minimieren. Allerdings darf die Parallelarbeit nicht dazu führen, dass Durchführungsbestimmungen die politischen Grundsatzentscheidungen vorherbestimmen. Diese Entscheidungen dürfen nur von denjenigen Instanzen getroffen werden, die hierzu politisch legitimiert sind (also Rat und Parlament auf Stufe 1 des Lamfalussy-Verfahrens). Es ist wichtig, auf diese Gefahr hinzuweisen und sich ihrer bewusst zu sein.

Darüber hinaus hat sich die IIMG kritisch mit der Frage befasst, welchem Rechtsetzungsinstrument - Richtlinie oder Verordnung - auf europäischer Ebene der Vorrang gegeben werden sollte. Nach gründlicher Abwägung aller Vor- und Nachteile weist die Gruppe im Ergebnis darauf hin, dass Einzelfallentscheidungen auch künftig unentbehrlich bleiben. Entgegen der manchmal spürbaren Euphorie zugunsten von mehr Verordnungen wird demnach keinem der Instrumente ein Vorrang eingeräumt.

Verordnungen tragen gewiss auch Vorteile, sollten aber nicht als "Default" betrachtet werden. Zumal einige der behaupteten Vorteile so eindeutig in der Realität nicht sind. Zwar mag es bei oberflächlicher Betrachtung zunächst einleuchten, dass Verordnungen zu einheitlichen Regelungen von allgemeiner Geltung führen, die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten. Doch sind diese Argumente in letzter Konsequenz nicht schlüssig. EU-Gesetzgebung entsteht nicht auf der grünen Wiese, sondern stößt auf bereits gewachsene nationale Regelungen.

Interpretative Entscheidungen

Widersprüche und Unklarheiten erfordern sodann interpretative Entscheidungen, bis zu deren Klarstellung eine Phase der Rechtsunsicherheit entstehen kann. Mit Richtlinien haben die Mitgliedstaaten indes die Möglichkeit, das neue Recht harmonisch in das bereits bestehende nationale Recht einzupassen. Die IIMG hat darüber hinaus in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Subsidiaritätsprinzip ein starkes Argument zugunsten der Richtlinie als Gesetzgebungsinstrument ist. Übrigens wurden die genannten Punkte auch vom Zentralen Kreditausschuss (ZKA) in seiner Stellungnahme zum zweiten Zwischenbericht der IIMG eindeutig unterstrichen.

Des Weiteren stellt sich die Gruppe eindeutig hinter die mit dem Lamfalussy-Verfahren verbundenen Konsultationsprozesse mit den Marktteilnehmern und der interessierten Öffentlichkeit. Diese systematisierten Konsultationsprozesse sind ein wesentliches und sehr starkes Argument für das Lamfalussy-Verfahren, da sie allen Stakeholdern prinzipiell die Möglichkeit geben, sich in den Konsultationsprozess einzubringen. Die Qualität der Gesetzgebung profitiert erheblich davon. Dies gilt auch für Impact Assessments (Folgenabschätzungen), wenn sie seitens der Europäischen Institutionen klar und transparent durchgeführt werden.

Geschwindigkeit in der Gesetzgebung darf kein Selbstzweck sein. Es drängt sich manchmal der Eindruck auf, man begebe sich gern in einen Geschwindigkeitsrausch. In dem zweiten Zwischenbericht hat die IIMG klargestellt, wann Geschwindigkeit in der Anpassung des Regelwerks wichtig ist und wann nicht. Terminsetzungen im Lam-falussy-Verfahren müssen realistisch bleiben.

Zügige Gesetzgebung ist aus Effizienzgründen wichtig. Zügigkeit darf aber nicht mit Geschwindigkeit (Speed) um jeden Preis verwechselt werden. Zügigkeit bedeutet, nicht unnötig Zeit zu verlieren, trägt aber den Forderungen nach Qualität, Transparenz und Öffentlichkeit der Gesetzgebung Rechnung. Terminsetzungen im Lamfalussy-Prozess (bis hin auch bezüglich der Terminsetzungen für Transposition in den Mitgliedstaaten und zur Umsetzung in der Wirtschaft) müssen dabei realistisch bleiben.

Während in den vergangenen zwei Zwischenberichten bereits ausführlich zu Stufe 1 und 2 des Lamfalussy-Prozesses Stellung genommen wurde, wird der Fokus des Abschlussberichts darauf liegen, die Funktionsfähigkeit der Level 3-Ausschüsse (CESR, CEBS, CEIOPS) zu beurteilen. Die Ausschüsse auf Stufe 3 beraten die EU-Kommission, vor allem beim Entwurf von Stufe 2-Durchführungsbestimmungen. Dabei können die Level 3-Ausschüsse die EU-Kommission in diesem Bereich sowohl auf Verlangen als auch aus eigenem Antrieb beraten.

Schlüsselrolle der 3L3-Ausschüsse

Die 3L3-Ausschüsse setzen sich aus hochrangigen Vertretern der nationalen Ban-ken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsbehörden zusammen. Die aktive Mitarbeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank in diesen Arbeitsgruppen ermöglicht es, deutsche Interessen und Erkenntnisse in die europäische Rechtsetzung und Praxis mit einzubringen.

Hierbei steht die konsistente Implementierung der regulatorischen Aufsichtsstandards in Europa im Vordergrund. Die Aufgabenschwerpunkte der 3L3 im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens sind, neben Empfehlungen und Auslegungsfragen, der Entwurf von Leitlinien und gemeinsamen Standards. Infolge der verschiedenen Entwicklungsstufen sektoraler Gesetzgebungsprojekte arbeiten die 3L3-Ausschüsse auf unterschiedlichen Stufen des Lamfalussy-Verfahrens. Dabei besteht der Auftrag des Committee of European Banking Supervisors (CEBS) in erster Linie in der Sicherstellung einer konsistenten Implementierung der Capital Requirements Directive (CRD).

Gegenwärtig ist das Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS) - ein unabhängiger Ausschuss für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung - hauptsächlich daran beteiligt, auf den Stufen 1 und 2 die Europäische Kommission zu den Umsetzungsinitiativen, verbunden mit Solvency II, zu beraten. Das Committee of European Securities Regulators (CESR) der Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden und Nachfolger des Forum of European Securities Commissions (FESCO) - hat bis kürzlich seinen Schwerpunkt auf die konsistente Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) gelegt.

Eine maßgebliche Beförderung der Konvergenz

Insgesamt haben die 3L3-Ausschüsse seit ihrer Gründung maßgeblich die Konvergenz der Aufsichtspraxis in Europa befördert. Zudem bringen sie durch sektorenübergreifende Kooperationen den evolutionären Prozess einer gemeinsamen europäischen Aufsichtskultur, trotz aller Probleme, die es dabei im Detail sicherlich gibt, weiter voran.

Natürlich wird es sehr wichtig sein, zu prüfen, ob nicht weitere Maßnahmen ergriffen werden können, um den Rahmen für das Handeln der L3-Ausschüsse noch effizienter zu gestalten. So spielt in der aktuellen Diskussion die Frage eine große Rolle, ob Standards und Leitlinien der Ausschüsse auf Level 3 nicht grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit, gemessen nach Landes- oder Marktgröße, erlassen werden könnten. Bei dieser Überlegung darf allerdings die nationale Souveränität, insbesondere kleiner Mitgliedstaaten, nicht in den Hintergrund rücken. Der Ausschluss eines Mitgliedstaates könnte zu Widerständen führen und das Verständnis gegenüber dem gesamten Integrationsprozess in Frage stellen.

Der Weg der Einbindung aller nationalen Aufsichtsbehörden in Europa mit gleichem Stimmrecht innerhalb des Gesetzgebungsprozesses sollte weiter beschritten werden. (Einstimmigkeitsprinzip). Auf Level 3 geht es nicht um europäische Gesetzgebung, sondern um Konvergenz von Aufsichtspraktiken, also letztendlich um konkrete Maßnahmen im nationalen Umfeld. Auch wenn es der voraussichtlich langwierigere Weg sein mag: Die Konvergenz von Aufsichtspraktiken ist auch eine Frage der Angleichung von Kulturen. Es wäre schlecht, dies durch einen Top-Down-Ansatz oder durch erzwungenes Beugen unter die Mehrheitsentscheidung anderer herbeiführen zu wollen.

Des Weiteren werden innerhalb der Gruppe auch Überlegungen angestellt, auf welche Weise den (rechtlich) unverbindlichen Level 3-Standards zu noch mehr Wirkung verholfen werden kann. Dabei erfordert eine stärkere Verbindlichkeit insbesondere eine starke politische Unterstützung der Mitgliedstaaten. Das Ziel sollte darin bestehen, eine Balance zwischen der Stärkung der politischen Verbindlichkeit der Level 3-Ausschüsse und einer gleichberechtigten Partizipation aller Mitgliedstaaten zu erreichen. Durch die Einbindung aller Mitgliedstaaten wird den nationalen Spezifika und insbesondere den strukturellen Merkmalen individueller Märkte Rechnung getragen. Die Nähe der nationalen Aufsichtsbehörden, verbunden mit deren Kenntnissen über die nationalen Märkte und Aufsichtspraktiken, sind entscheidende Bestimmungsfaktoren für die Qualität der Aufsicht.

Der Königsweg - Kooperationen zwischen den 3L3-Ausschüssen

Die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der 3L3-Ausschüssen hat sich innerhalb der vergangenen zwei Jahre erheblich weiterentwickelt. 2005 wurde das "Joint Protocol on Cooperation" zwischen CESR, CEBS und CEIOPS unterzeichnet. Seitdem werden alle Themen, in denen die 3L3-Ausschüsse zusammenarbeiten, in jährlichen 3L3-Arbeitsprogrammen verzeichnet. Teilweise werden Aufgaben durch die 3L3 gemeinsam erfüllt, so zum Beispiel die Belange der Interim Working Group on Financial Conglomerates (IWCFC).

Aufgrund der Herausforderungen, die alle Aufsichtsbehörden in der EU gleichermaßen bei der Umsetzung der Finanzkonglomeraterichtlinie betreffen, sowie der Hürden bei der Interpretation und des Abstimmungsbedarfes für eine harmonisierte Umsetzung dieser Richtlinie, wurde im Jahr 2005 diese interimistische Arbeitsgruppe eingerichtet. In diesem Gremium werden offene Fragen abgearbeitet sowie andererseits Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit bei der Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten einer Lösung zugeführt.

Sektorenübergreifendes Konsultationsverfahren

Zudem bestehen weitere Projekte, die in enger Zusammenarbeit realisiert werden. Dabei informieren sich die 3L3-Ausschüsse sektorenübergreifend über spezielle Sachverhalte, die von gemeinsamem Interesse sind. Hierbei werden mögliche Lösungsansätze aus einem Sektor auf den anderen übertragen. Die Vorteile dieser Verfahrensweise liegen zum einen darin, dass Doppelarbeiten stark reduziert und zum anderen "Best Practice"-Ansätze von einem auf den anderen Bereich übertragen werden. In der Praxis wurde der Erfolg dieser Vorgehensweise beispielsweise bei der Übertragung des Vermittlungsverfahrens ("Mediation-Procedure") von CESR auf CEBS deutlich. Dieses Verfahren zur konstruktiven Beilegung oder Vermeidung von Konflikten wurde von CESR entwickelt und findet seit Kurzem auch bei CEBS Anwendung. Möglicherweise wird das Verfahren auch künftig bei CEIOPS implementiert.

Innerhalb der gemeinsamen Arbeit der 3L3-Ausschüsse werden auch Fragen der Aufgabenübertragung von einem Sektor auf den anderen diskutiert. Zu diesem Zweck wurde bereits eine gemeinsame 3L3-Arbeitsgruppe etabliert. Darüber hinaus eröffneten die 3L3-Ausschüsse kürzlich ein sektorenübergreifendes Konsultationsverfahren in dem Entwurf für die Rahmenrichtlinien ihrer Folgenabschätzung. Des Weiteren wurde eine 3L3-Steuerungsgruppe beauftragt, Möglichkeiten für einen gemeinsamen Trainingsrahmen zu schaffen, mit dem Ziel, die Konvergenz der Aufsichtspraxis weiter zu befördern. Diese Beispiele belegen, dass die Zusammenarbeit zwischen 3L3-Ausschüssen zunehmend an Momentum gewinnt.

In der Praxis wird die Zusammenarbeit durch regelmäßig stattfindende Treffen der Vorsitzenden und der entsprechenden Sekretariate der drei Sektoren realisiert. Darüber hinaus erarbeitet die "Strategic Policy Task Force" - bestehend aus den jeweiligen 3L3-Vorsitzenden und den Sekretariaten sowie hochrangigen Mitgliedern der 3L3-Ausschüsse - ein mittelfristiges Arbeitsprogramm für die 3L3, das sowohl der weiteren Stärkung der Kooperation als auch der strategischen Ausrichtung der 3L3-Arbeit dienen soll. Es gilt auch künftig den eingeschlagenen Weg der sektorenübergreifenden Kooperation mit dem Ziel einer stärkeren Konvergenz der Aufsichtspraxis weiterzugehen.

Zentralisierung der Europäischen Aufsicht - ein gangbarer Weg?

Die im vorangegangenen Abschnitt angeschnittenen Fragen machen deutlich, wie sehr die Sicherstellung einer ausreichenden Funktionsfähigkeit der 3L3-Ausschüsse auch mit dem Thema geeigneter europäischer Finanzdienstleistungsaufsichtsstrukturen verknüpft ist.

Sowohl in Deutschland als auch in Europa finden derzeit intensive Diskussionen zur Fortentwicklung der Banken- und Finanzmarktaufsichtsstrukturen statt. Auf europäischer Ebene werden verschiedene Modelle, insbesondere die Einführung eines sogenannten Lead-Supervisors und eines europäischen Systems der Aufsichtsbehörden diskutiert. Beiden Modellen ist gemeinsam, dass die zentralen Aufsichtsbefugnisse über europaweit tätige Institute auf eine einzelne Institution, entweder den für die Konzernzentrale zuständigen Heimatlandaufseher (Lead-Supervisor) oder mittelfristig auf eine mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattete neu zu schaffende zentrale europäische Aufsichtsbehörde, übergehen sollen.

Daneben sollen die jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden nur noch unselbstständige "Filialen" der zentralen Aufsichtsbehörde sein und deren Entscheidungen in letzter Konsequenz auf nationaler Ebene ohne eigenen Ermessensspielraum vollstrecken. Lokale oder regionale Institute würden in beiden Modellen weiterhin von den nationalen Aufsehern beaufsichtigt werden.

Gefahr fehlender Marktnähe

An diesen teilweise auch mit einer gewissen Emotion geforderten Modellen sind allerdings erhebliche Zweifel angebracht. Die Etablierung einer europäischen "Super-Behörde" - die sich vorrangig auf eine Beaufsichtigung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen beschränken würde - ist mit der Gefahr einer großen Praxisferne verbunden. Aufgrund der Geschäftsbeziehungen mit den Kreditinstituten und ihrer Präsenz vor Ort sowie generell ihrer Marktnähe, konnten sich die nationalen Bankaufsichtsbehörden über Jahre hinweg weit reichende Vor-Ort-Kompetenzen erarbeiten. Diese erforderliche Marktnähe kann sich eine zentrale europäische Aufsichtsbehörde nicht leisten.

Hier ist Bundesbankpräsident Axel A. Weber zuzustimmen, der sich unlängst wie folgt äußerte: "Der Ruf einiger großer Bankkonzerne nach einem europaweit allein zuständigen , Lead Supervisor' oder gar einer europäischen Finanzaufsicht erscheint verfrüht: Die Anzahl der paneuropäischen Banken ist trotz einzelner Großfusionen noch zu gering, als dass ein derart komplexes und politisch sowie rechtlich weit reichendes Projekt durchsetzbar wäre. Es würde von allen beteiligten Staaten Souveränitätsverzicht bedeuten."2)

Funktionsfähigkeit der Ausschüsse sicherstellen

Die Funktionsfähigkeit der 3L3-Ausschüsse wird einen der Schwerpunkte innerhalb des IIMG-Abschlussberichtes darstellen, der voraussichtlich in der ersten Hälfte des Monats Oktober von der Gruppe verabschiedet wird. Es ist selbstverständlich, dass das gemeinsame Ziel der Angleichung der Aufsichtspraktiken und die Erzielung von Aufsichtskonvergenz einen durchaus langwierigen und aufwendigen Prozess erfordern mögen. Derzeit spricht aber alles dafür, dass der beschrittene Weg erfolgreich sein wird - vorausgesetzt die breite politische Unterstützung, die das Lamfa-lussy-Verfahren bisher erfahren hat, wird unverändert aufrechterhalten.

Das Lamfalussy-Verfahren besitzt das Potenzial, sich zu einem sehr effizienten Gesetzgebungsverfahren zu entwickeln, mit dem eine rasche Anpassung des rechtlichen Rahmenwerks an sich ändernde Marktbedingungen möglich ist. Darüber hinaus schafft es den Rahmen für eine enge Zusammenarbeit zwischen den Institutionen in der Gesetzgebung und der Aufsichtspraxis. Dies ist - zumindest auf absehbare Zeit - der einzige realistische Weg, eine effiziente Aufsicht in Europa sicherzustellen.

Fußnoten

1) Johnny Åkerholm (Finnland), Chairman der IIMG, Präsident und Aufsichtsratvorsitzender der Nordischen Investmentbank (NIB); Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis (Deutschland), Vice-Chairman der IIMG, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes; Freddy Van den Spiegel (Belgien), Chefvolkswirt und Direktor für Öffentliche Angelegenheiten, Fortis Bank; Rainer Masera (Italien), Vorsitzender der RFI Rete Ferroviaria Italiana; Mark Harding (Vereinigtes Königreich), Syndikus (Group General Counsel), Barclays; Pierre de Lauzun (Frankreich), Vorstandsvorsitzender, Französischer Verband der Kapitalanlagegesellschaften (AFEI), und stellvertretender Generaldirektor, Französischer Bankenverband (FBF).

2) Vgl. Zitat Herr Prof. Dr. Axel A. Weber (Bundesbankpräsident), Börsenzeitung 24. Juli 2007.

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis , Geschäftsführendes Vorstandsmitglied , Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., DSGV, Berlin
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