Aufsätze

IT im Verbund - wie offen muss sie sein?

Die genossenschaftliche Bankengruppe verbessert ihre Leistungsfähigkeit kontinuierlich. Dies belegt auch der Konsolidierte Jahresabschluss des genossenschaftlichen Finanzverbundes 2005. Dennoch prägen ein dynamischer Markt, die schwierige Ertragslage und der zunehmende Kostendruck das Bankgeschäft. Um Wachstum zu erzielen, reicht es nicht aus, sich ausschließlich mit der Kostenseite des Wettbewerbsproblems zu befassen. Auch die Erlösseite braucht neue Impulse. Solche Impulse entstehen durch innovative Technologien und deren wirksame Integration in die Geschäftsmodelle der Finanzdienstleister. Die IT gilt dabei als wesentlicher Produktionsfaktor: IT-Lösungen und technische Architekturen müssen die Geschäftsprozesse bestens unterstützen sowie gleichzeitig effizient und marktgerecht sein.

IT als Produktionsfaktor

Um Wachstum zu erzielen, sind unter anderem differenzierte Kundenbetreuungskonzepte, eine Entlastung der Vertriebskapazitäten, der Einsatz hochwertiger Betreuungsinstrumente zur Kundenbindung sowie der Ausbau der elektronischen Kanäle notwendig. Die Fraunhofer-Studie "Bank und Zukunft 2005" nennt als wichtigstes Handlungsfeld für die Banken die Prozessoptimierung. Neben der internen Optimierung - insbesondere der Arbeitsteilung zwischen Front- und Back-Office wird das Outsourcing von Prozessen immer wichtiger.

Im Zuge der aktuell diskutierten Industrialisierung der Finanzbranche sollen so Kostenstrukturen nachhaltig verändert und interne Ressourcen stärker auf die Kernkompetenzen fokussiert werden. Die Produktion wird künftig Fertigungscharakter haben. Automatisierte Vorgänge unterstützen die flexible Organisation in der Bank. Das Auslagern von Aufgaben - bankintern in Service-Einheiten ebenso wie an externe Partner - muss rasch stattfinden. Durch die Standardisierung der Produkte und einen erhöhten Automatisierungsgrad der Prozesse sind deutliche Kostenreduzierungen möglich.

Mandantenübergreifendes Arbeiten

Die Industrialisierung erfordert ein Aufbrechen der Wertschöpfungskette, unternehmensübergreifende Prozessketten und das automatisierte Abarbeiten von Teilprozessen und ermöglicht der Bank die Konzentration auf die Kerngeschäftsfelder. Dienstleistungsverträge zwischen Banken ermöglichen die Übername von Aufgaben durch einen Dienstleister. Die Querschnittsdienstleister der Banken benötigen daher Zugriff auf die Mandanten. Kooperationsmodelle zwischen Banken erfordern an den Prozessen orientierte mandantenübergreifende Services. Zielsetzung ist deswegen, die Einrichtung von mandantenübergreifendem Arbeiten stark zu vereinfachen. Durch die Mehrmandantenfähigkeit kann eine Bank externe Dienstleister als Outsourcingpartner redundanzfrei und nahtlos in die erforderlichen Geschäftsprozesse einbinden.

Ein Beispiel im Finanzverbund ist die Einbindung der Kreditfabriken in die Kernbankensysteme der beiden genossenschaftlichen Rechenzentralen Fiducia IT AG und GAD eG, die derzeit umgesetzt wird. Die Workflowsteuerung im Kernbanksystem ermöglicht die Kopplung mit der Kreditwerk-Prozessstraße. Damit können Volksbanken und Raiffeisenbanken Standardprozesse an Spezialisten auslagern und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Bank und Kreditwerk greifen beim integrierten Kreditprocessing für Genossenschaftsbanken auf dieselben Datenbestände zu. Doppelerfassungen werden dadurch vermieden.

Das Mehrmandantensystem regelt von der Beratung bis zur Abwicklung die jeweiligen Zugriffsrechte, Kompetenzen und den Workflow, in den die Kreditwerk-Prozessstraße zur Automatisierung einzelner Prozesse und zur Steuerung der fabrikorientierten Abwicklung integriert wird. Auf diese Weise können Genossenschaftsbanken ohne doppelte Bestandsführung und neue Arbeitsumgebungen von der Kreditfabrik profitieren. Alle beteiligten Mitarbeiter können den Bearbeitungsstand eines Kreditantrags jederzeit einsehen.

Um die Prozesse zu optimieren, ist eine weitere wesentliche Aufgabe der IT, ein
offenes System mit Schnittstellen für andere Anwendungen zu schaffen. Dies beinhaltet für die Banken zum Beispiel künftig die Möglichkeit, durch Konfiguration beliebige eigene Anwendungen anzubinden oder den Zugriff über eine normierte Service-Schnittstelle auf Bestände der Rechenzentralen zu schaffen. So kann ermöglicht werden, dass eine Bank beispielsweise einen Einzelkunden-Datensatz herunterlädt oder auch verändernd zurückschreibt. Banken können eigene Benutzerschnittstellen, so genannte GUIs, verwenden und somit ihre Verarbeitung vollständig oder auch nur in Teilen an den IT-Dienstleiter übergeben.

Öffnung des Kernbanksystems für die Integration von Verbundanwendungen

Eine weitere wichtige strategische Ausrichtung, die die beiden genossenschaftlichen Rechenzentralen GAD eG und Fiducia IT AG verfolgen, ist die Integration der Verbundanwendungen in die Bankanwendungen. Diese Integration wird im Auftrag der Banken von den genossenschaftlichen Rechenzentralen sichergestellt. Auf dem Weg zur Vereinheitlichung der IT-Landschaft wurden beispielsweise bereits die Integration wichtiger Anwendungen - wie beispielsweise der R+V Versicherung, der Bausparkasse Schwäbisch Hall oder auch der DZ Bank - vorgenommen. Komponenten und Verbundprodukte mit ihren Konditionen sind dabei in den Bankenverfahren der jeweiligen Rechenzentrale integriert. Damit unterstützen die Rechenzentralen einen bundesweit einheitlichen Beratungs- und Verkaufsprozess effektiv.

Die gemeinsam von GAD und Fiducia vorangetriebene technische Umsetzung des so genannten Vertriebsarbeitsplatzes in die Kernbanksysteme leistet einen entscheidenden Beitrag dazu, die Vertriebskraft und Produktivität der Volksbanken und Raiffeisenbanken zu stärken und durch exzellente Services erhebliche Marktanteile hinzuzugewinnen. Der Bankkunde profitiert von einer professionellen Beratung und von einem Produktpaket, das exakt auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Dies ist angesichts der aktuellen Marktentwicklungen besonders wichtig, denn Kunden erwarten heute von ihrer Bank immer höhere Qualität zu einem günstigen Preis. Sie informieren sich intensiver und suchen Finanzpartner, Vertriebswege und Produkte, die zu ihrem Bedarf passen. Die Verbindung von Finanz- und Lebensplanung wird immer enger. Die Kunden wollen zunehmend komplette Dienstleistungsbündel von ihrer Bank, die über die heute bekannten Bank- und Verbundprodukte hinausreichen.

Virtueller Vertrieb:

Öffnung aller Vertriebskanäle

Das Angebot von Fremdprodukten anderer Dienstleister sowie die Bereitstellung der eigenen Produkte zum Vertrieb durch Drittvermarkter nehmen zu. Banken müssen auch diesem Bedarf entsprechen. Im Vertrieb müssen alle Kundenkontaktkanäle durchgängig und automatisiert gekoppelt sein. Für eine hohe Kundenorientierung sollten alle relevanten Informationen einer Geschäftsbeziehung bundesweit berücksichtigt werden.

Die IT ermöglicht eine individuelle Kundenansprache und die systematische Nutzung aller Vertriebskanäle. Die Virtuelle Filiale im Internet ist bereits jetzt neben der klassischen Bankstelle und dem SB-Bereich wichtiges Standbein im Bankvertrieb. Mit individuellem Angebot und einem auf den Kunden zugeschnittenen Bereich bietet die Virtuelle Filiale künftig eine stärkere und persönlichere Kundenansprache.

Multikanalfähigkeit, das bedeutet die Bereitstellung der fachlichen Services auf allen Kanälen, ist eine der IT-Anforderungen, die die Fiducia für die Banken umsetzt. Beratung und Vertrieb werden in das E-Banking übernommen. Umfangreiche Produktrechner, interaktive Produktberatung und der Produktabschluss werden integriert. Das Angebot für Firmenkunden wird deutlich erweitert werden. Die SB-Infrastruktur wird stärker für die personalisierte Ansprache, den aktiven Verkauf und zusätzliche Ertragschancen genutzt werden.

Mehrwertdienste forcieren

Ziel ist, die Kundenansprache auf allen Kontaktkanälen und mit allen Dienstleistungen auszubauen. Mehrwertdienste wie das "Pre-Paid"-Laden von Karten oder Werbung sowie der Ticketverkauf am SB-Gerät werden an Bedeutung gewinnen. Mit diesen und weiteren markt- und kundengerechten Produkten wie beispielsweise Giropay, das Fiducia und GAD im Auftrag der Volksbanken und Raiffeisenbanken zusammen mit der Postbank und den Sparkassen umgesetzt haben, mit VR-Web und VR-Web-Phone entsteht ein sehr interessantes Potenzial für zusätzliche Deckungsbeiträge in der Bank, das durch die IT unterstützt wird.

Die Analyse von Vertriebswege-Frequenzen, Potenzialen und Produkt-Profitabilität prägt die marktstrategischen Entscheidungen der Bank. Die Banksteuerung benötigt daher ein Vertriebswege-Management für Produkte und Aktivitäten sowie ein erweitertes Erfolgscontrolling. Im Banksystem muss die Aktivberatung ebenso wie die Verzahnung der Vertriebskanäle folgen. Die Beratung und Bündelung mit anderen Finanzprodukten und Lösungen müssen ohne Medienbrüche und verbundübergreifend erfolgen. Eine Steuerung der Ressour-cen-Auslastung und der Bankprozesse soll die Kostenstrukturen optimieren. Als weitere Anforderungen an die IT ergeben sich daher sämtliche Aufgaben einer Bank - Beratung, Vermittlung von Produkten optimal zu unterstützen. Das CRM muss stärker ausgebaut werden, um weitere Potenziale im Vertrieb zu erschließen und die lückenlose Dokumentation der Kunden-kontakt-Historie zu gewährleisten. Diese Themen werden derzeit umgesetzt.

Damit die Banken auch bei den Kundenkontakten die Effizienz steigern und höhere Erträge erzielen können, bietet die Fiducia eine spezielle Call-Center-Lösung mit einem unternehmensweiten Call-Center und patentierten Techniken zur Personaleinsatzplanung. Durch die verbesserte Zuordnung von Mitarbeitern zu den Anrufern erhöht sich die Gesamtleistung der Banken, und die Kosten sinken. Neben standardisierten Lösungen für kleine und mittlere Call-Center sind auch individuelle Konfigurationen möglich. Da die Call-Cen-ter-Lösung zentral zur Verfügung gestellt wird, kann sich die Bank auf die inhaltlichen Anforderungen konzentrieren und auf Basis von Service-Level-Vereinbarungen die Funktionen nutzen. Jede Standardlösung lässt sich dabei in Teilschritten zu einer bedarfsgerechten individuellen Lösung ausbauen.

Horizon: Anforderungen an die IT definiert

Mit der Strategie "Agree 2008+" und dem 2005 ins Leben gerufenen Projekt "Horizon" hat die Fiducia IT AG die Modernisierung und strategische Weiterentwicklung aller IT-Bereiche bereits definiert und den Volksbanken und Raiffeisenbanken vorgestellt. Ziele sind neben der noch stärkeren Vertriebsunterstützung der Banken spürbare Produktivitätsgewinne für die Banken. Die Weiterentwicklung und Konsolidierung der IT werden in enger Abstimmung mit den Banken, dem BVR, den regionalen Verbänden und den Verbundunternehmen vorgenommen. Aufwand und Nutzen für die Bank sowie mögliche Marktpotenziale werden bei der Planung berücksichtigt.

Die Gesellschaft sieht sich als IT-Partner der Primärbanken in der Verantwortung, mit gezielten fachlichen und technischen Strategien, die Innovation und Investitionsschutz miteinander verbinden, den Banken marktgerechte IT-Lösungen zur Verfügung zu stellen. Bereits umgesetzt hat sie bei ihrem Kernbanksystem Agree eine Plattformflexibilität - eine der wesentlichen Herausforderungen für die IT der Zukunft. Dies bedeutet, Agree läuft sowohl auf der bestehenden Infrastruktur als auch auf zukünftigen Plattformen.

Mit der erfolgreichen Entwicklung und Migration von Agree hat die Fiducia das 2003 gesteckte Fusionsziel - die unterschiedlichen Bankverfahren, die bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken im Geschäftsgebiet im Einsatz waren zu konsolidieren - erreicht. Rund 700 Banken arbeiten bereits mit der Lösung, im kommenden Jahr werden es über 800 Banken sein. Mit dem Kernbanksystem, das bereits bei über 100 000 Arbeitsplätzen im Einsatz ist, stellt die Fiducia das in Deutschland am weitesten verbreitete Bankverfahren. Damit ist ein wesentlicher Meilenstein für die Konsolidierung der IT im Finanzverbund gemeistert, die Grundlage für die Fortsetzung der IT-Strategie, die in Horizon definiert wurde, geschaffen.

Teilprojekte "Kairo" und "Nizza"

Horizon berücksichtigt alle Aspekte der Infrastruktur, die zum Betrieb des Bankverfahrens notwendig sind. Dazu gehören Plattformen, Betriebssysteme, Rechnersysteme, Netze und Datenbanksysteme. Die Aspekte für eine sichere und wirtschaftliche Produktionsabwicklung fließen ebenfalls als wesentlicher Faktor mit ein.

Ein zentrales Horizon-Teilprojekt ist Kairo. Dabei stehen Konto, Analyse, Innovation und Reorganisation im Mittelpunkt - also das Zusammenführen der Kontosparten mit moderner Entwicklungsarchitektur. So können massiv Redundanzen abgebaut und fachliche neue Möglichkeiten geschaffen werden. Neben der reinen Administration der Konten können weitere Dienstleistungen schnell und effektiv angeboten werden. Mit Kairo werden allgemein gültige Lösungen erarbeitet, die für alle folgenden Kontosparten gebraucht werden. Das steigert die Entwicklungsproduktivität und vereinfacht den Betrieb. Der produktive Einsatz ist für das Frühjahr 2007 geplant. Das Projekt schafft die Grundlage für die Konsolidierung aller weiteren Sparten wie Kontokorrent oder Darlehen.

Ein weiteres Horizon-Projekt namens Nizza beschäftigt sich mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs: Es vereinfacht die Strukturen im Zahlungsverkehr und schafft Standardschnittstellen nach außen. Die Abwicklung hin zur Zentralbank, das Clearing und die Leitwegsteuerung sind zentrale Themen. Die Verteilung und Weiterleitung der Zahlungsverkehrsdaten wird entflochten. Mit Nizza geht die Fiducia einen weiteren wichtigen Schritt hin zur Mandantenfähigkeit.

Im Rahmen von Horizon werden notwendige Veränderungen festgelegt, um die Wettbewerbsfähigkeit der Banken nachhaltig zu sichern und spürbare Produktivitätsgewinne zu erzielen. Die strategischen Leitlinien werden so für die für die nächsten Jahre konsequent umgesetzt.

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