Gespräch des Tages

IWF III - Ein "geordneter" Abbau globaler Ungleichgewichte

Der Internationale Währungsfonds (IWF) könne zwar seine Mitglieder zum Wasser führen, trinken müssten sie aber selbst, sagte Raghuram G. Rajan, der Chefökonom des IWF, kürzlich in Ausführungen über die zukünftige Rolle des Fonds vor der Arison School of Business und meinte damit die Nutzung verschiedener Angebote des IWF durch seine Mitgliedsstaaten. In unzähligen Reden und Veröffentlichungen beschäftigt sich der IWF seit zwei Jahren mit seiner eigenen zukünftigen Rolle. In der Diskussion um die Medium-Term-Strategie der Organisation geht es darum, die wahrgenommenen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts größere wirtschaftliche Verflechtung, zunehmende Kapitalströme und die Herausforderungen komplexer integrierter Finanzmärkte - in die Politik des IWF aufzunehmen. Das betrifft im Wesentlichen die Stärkung von zwei Aufgabenbereichen des IWF: der Überwachung, das so genannte "Surveillance", und die Krisenprävention. Das was unter dem Begriff der "Surveillance" subsumiert wird, ist vielseitig. Dazu gehört die zweimal jährliche Publizierung des World Economic Outlook und des Global Financial Stability Report ebenso wie das auf jeweils ein Mitgliedsland bezogene Financial Sector Assessment Program (FSAP). Das Mandat für diese Surveillance-Aufgaben resultiert aus Artikel IV der Articles of Agreement, er wurde 1977 ergänzt um eine explizite Nennung der Überwachungsaufgabe über die Wechselkurspolitik der Mitgliedsstaaten.

Auf der Frühjahrstagung wurde dem IWF durch den Gouverneursrat und das International Monetary and Financial Committee (IMFC) der Auftrag erteilt, einen multilateralen Konsultationsprozess mit dem Fokus auf die globalen Ungleichgewichte in Gang zu setzen. Der Notwendigkeit eines solchen Prozesses liegt die Einsicht zugrunde, dass das Doppeldefizit der USA, vor allem das Handelsbilanzdefizit mit 6,5 Prozent des BIP, das fast 70 Prozent der weltweiten externen Ersparnisse absorbiert, auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten ist. Dabei geht es weniger darum, dass ausländische Investoren über Nacht den Geldhahn zudrehen als vielmehr darum, dass sie plötzlich Gefahren ausmachen und einen höheren Risikozuschlag verlangen, was zu einer weltweiten Konjunkturabschwächung führen würde.

Auf der anderen Seite hat die Finanzierung des amerikanischen Defizits eine erhebliche Reservenbildung vor allem der asiatischen Staaten zur Folge: Allein China verfügte Ende Juni über 920 Milliarden US-Dollar an Währungsreserven. Dies scheint nun selbst die Hüter der chinesischen Währung zu verunsichern, denn es wird neuerdings offen darüber diskutiert, wie die Währungsreserven in den volkswirtschaftlichen Kreislauf zum Beispiel in Form von Importen von Rohstoffen und "Hightech-Geräten zur Modernisierung von Staatsbetrieben" eingebracht werden könnten. Wie genau sich die Währungsreserven zusammensetzen, ist nicht bekannt; allerdings gehen Währungsexperten davon aus, dass rund 70 Prozent in Dollar notiert sind, rund 20 Prozent in Euro und der Rest vor allem in japanischen Yen. Indirekt wird mit dieser Verteilung der Dollar gestützt und der Yuan gemessen an den realwirtschaftlichen Entwicklungen niedrig gehalten. Zurückhaltend wird in China auch davon gesprochen, die Währungsreserven zu "diversifizieren", zum Beispiel einen größeren Teil neuer Anlagen in Euro vorzunehmen, den man neben dem Dollar als zweitwichtigste Reservewährung der Welt anerkennt. Trotz der Lockerung des "peg", der Bindung des Yuan an den Dollar, wertete seit Juli vergangenen Jahres der Yuan nur um 3,8 Prozent auf.

Das Problem der globalen Ungleichgewichte aber allein auf die USA und China zu projizieren, wäre verfehlt. In Betracht gezogen werden müssen auch die Politiken, die nicht angegangen wurden, und die vielleicht heute zu einer anderen Ausgangssituation geführt hätten. So kann durchaus angenommen werden, dass eine entschiedenere Verfolgung struktureller Reformen Ende der neunziger Jahre in Europa dazu hätte führen können, dass aufgrund des hohen Produktivitätswachstums ein erheblicher Kapitalzufluss in die Euroländer gegangen sei, anstelle in die USA. So verfügen heute die europäischen Länder über einen erheblichen Handelsüberschuss, der sie von dem Nachfrageverhalten anderer abhängig macht. Daher ist es also nur folgerichtig, wenn in den im Juni begonnen multilateralen Konsultationen nicht nur die USA und China, sondern auch Japan, Saudi-Arabien und die EU-Länder vertreten sind.

Der Prozess soll deutlich machen, dass die globalen Ungleichgewichte ein gemeinsames Anliegen sind, und dass es nicht darum gehen kann, bilaterale Forderungen zu stellen - Aufwertung des Yuan versus Verringerung des Doppeldefizits -, sondern nur gemeinsame Aktionen die Weltwirtschaft zu einem geordneten Anpassungsprozess führen können. Gleichwohl gibt es aber in den USA Stimmen aus dem Kongress, die weiterhin chinesischen Produkten mit hohen Einfuhrzöllen drohen und auf der chinesischen Seite in Richtung USA die Feststellung, dass es doch ein preiswertes Vergnügen sei, ein riesiges Handelsbilanzdefizit mit der Gelddruckmaschine zu finanzieren.

Die Bundesbank äußert sich bisher eher vorsichtig und abwartend zu Wechselkurs-Surveillance und multilateralen Konsultationen: "Die Überwachungstätigkeit (Surveillance) ist die wichtigste Aufgabe des Fonds. Dazu gehört ohne Zweifel auch die Wechselkurs-Surveillance. Die Bundesbank begrüßt die Stärkung der Surveillance durch eine stärkere Fokussierung auf Finanzmarktfragen, Wechselkursanalysen und die internationale Transmission von Wirtschafts- und Währungspolitiken. Wir sind der Ansicht, dass der IWF weiterhin die Rolle eines vertrauensvollen Beraters (trusted advisers), aber nicht die eines weisungsgebenden ,Schiedsrichters' einnehmen sollte. Die Surveillance-Diskussion wird sich nach Singapur fortsetzen.

Der Geschäftsführende Direktor hat für länderübergreifende und systemisch wichtige Themen ein neues Multilaterales Konsultationsverfahren initiiert. In der ersten Runde, zu der die USA, Japan, China, Saudi-Arabien und die Eurozone eingeladen worden sind, stehen die globalen Ungleichgewichte im Mittelpunkt. Wir begrüßen den Start der Multilateralen Konsultationen; mit diesen Konsultationen kann die Surveillance-Funktion des IWF gestärkt und das gegenseitige Verständnis für die verfolgten Ziele und ergriffenen Politiken der Teilnehmer verbessert werden. Die Gespräche werden bisher nur auf technischer Ebene geführt. Welche Ergebnisse das Verfahren letztlich bringt, bleibt abzuwarten."

Inwieweit sich die Länder also am Ende des Konsultationsprozesses auf Absprachen einigen können, ist noch zweifelhaft. Bisher sind alle Aufforderungen in den Abschlusskommuniqués multilateraler Treffen wie Rauch zerstoben. Zwei Dinge lassen hoffen: einmal die Zeitschiene, auf der der Konsulationsprozess angelegt ist: Für dieses Jahr sind zwischen den Ländervertretern und dem IWF Treffen angesetzt, Ende des Jahres sollen dann die Ergebnisse zunächst im Executive Board des IWF und anschließend im IMFC zur Diskussion gestellt werden. Bis zum Frühjahr 2007 haben sich dann vielleicht die Parteien mit dem Prozess, in dem sie ein integraler Bestandteil sind, arrangiert. Und der zweite Punkt, der hoffen lässt, ist schlichtweg die Angst: Wie werden die Finanzmärkte reagieren, wenn offensichtlich wird, dass ein solcher Konsultationsprozess so ganz ohne Ergebnis bleibt? Die Gefahren einer marktinduzierten, abrupten und kostspieligen Anpassung sollten nicht unterschätzt werden. Besser also, man trinkt. B.W.

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