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... Hermann Remsperger - Wie bewertet die Deutsche Bundesbank die diesjährige Jahrestagung des IWF?

Die diesjährige Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) stand ganz im Zeichen der internationalen Finanzmarktkrise. Die Wiederherstellung von Stabilität und Vertrauen auf den Finanzmärkten dominierte die Diskussionen in allen Gremien. Nachdem wichtige Zentralbanken bereits Maßnahmen zur Liquiditätsversorgung der Banken unternommen hatten, die zum Teil weltweit abgestimmt worden waren, wurde der von den G7 auf der Jahrestagung beschlossene Aktionsplan vom internationalen Währungs- und Finanzausschuss des IWF (IMFC) unterstützt und als ein weiterer notwendiger Schritt zur koordinierten Krisenbewältigung ausdrücklich begrüßt.

Zugang zu Liquidität und Kapital

Mit dem Aktionsplan verpflichten sich die G7, das Überleben aller für das Finanzsystem wichtigen Finanzinstitute sicherzustellen. Ihr Zugang zu Liquidität und Kapital aus privaten und öffentlichen Quellen soll das Marktvertrauen wiederherstellen und die verstopften Geld- und Kapitalmärkte wieder funktionsfähig machen. Gleichzeitig sollen die Einlagen garantiert werden, um das Vertrauen der Sparer aufrechtzuerhalten.

Falls erforderlich, sollen darüber hinaus Maßnahmen zur Wiederbelebung des Sekundärmarktes für Hypothekenkredite durchgeführt werden. Dabei wird zugleich betont, dass bei der Implementierung dieser Maßnahmen die Interessen der Steuerzahler zu berücksichtigen sind und andere Länder nicht in Mitleidenschaft gezogen werden sollen.

Im Einklang mit dem G7-Aktionsplan

Der von den Eurostaaten während der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds verabschiedete Aktionsplan zur Sicherung der Liquidität und Eigenkapitalposition von Finanzinstitutionen im Eurogebiet steht im Einklang mit dem G7- Aktionsplan und bildet die Basis für ein koordiniertes, jedoch den nationalen Strukturen angepasstes Vorgehen der Regierungen in der aktuellen Krise.

Im Kontext der Diskussionen über die globalen Auswirkungen der Finanzmarktkrise wurde insbesondere erörtert, welche Rolle der IWF im Rahmen der aktuellen Krisenbewältigung und der zukünftigen Krisenvermeidung spielen kann und soll. Hier standen die Überwachung der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik der Mitgliedsländer durch den IWF (Surveillance) sowie seine Finanzierungsrolle in Krisenzeiten im Mittelpunkt.

IWF-Surveillance

Im Rahmen seiner bilateralen, regionalen und multilateralen Surveillance überprüft der IWF die Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik seiner Mitgliedstaaten und unterstützt sie bei der Formulierung und Implementierung notwendiger Politikmaßnahmen zur Bekämpfung makroökonomischer Ungleichgewichte.

Die ökonomischen und operativen Prioritäten der Surveillance sowie die Verantwortlichkeiten von IWF-Stab und Geschäftsführung bei der Implementierung der Surveillance sind nun erstmals in einem Statement of Surveillance Priorities bis 2011 festgelegt worden. Die Bewältigung der aktuellen Finanzmarktkrise sowie die Stärkung des globalen Finanzsystems sind hier neben der Notwendigkeit makroökonomischer Anpassungen an Veränderungen der Rohstoffpreise sowie der Reduktion der globalen Ungleichgewichte als ökonomische Prioritäten der Surveillance aufgeführt. Diese sollen im Bedarfsfall aktualisiert und ihre Umsetzung regelmäßig überwacht werden.

Im Einklang mit den Prioritäten stand eine effektivere Finanzsektorsurveillance durch den IWF zur zukünftigen Krisenprävention im Vordergrund der Jahrestagung. Das Ausmaß der aktuellen Krise, die internationalen Ausstrahlungseffekte und die Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind lange Zeit unterschätzt und Politikempfehlungen oftmals zu allgemein gehalten worden.

Stärkere Beachtung der Analyse von Wechselwirkungen

Der Analyse von Wechselwirkungen zwischen dem Finanz- und dem realwirtschaftlichen Sektor sowie länderübergreifenden Übertragungseffekten soll in Zukunft daher wesentlich stärkere Beachtung im Rahmen der Surveillance des IWF zukommen. Außerdem wird eine bessere Integration der Erkenntnisse aus den Finanzsektorbewertungsprogrammen des IWF (Financial Sector Assessment Programs, FSAPs) in die Artikel IV Konsultationen sowie eine stärkere regionale Ausrichtung der FSAPs angestrebt. Auch wird im Rahmen der Szenario-Analysen des IWF künftig mehr Gewicht auf Abwärts- und Aufwärtsrisiken sowie die Gefahr seltener Ereignisse mit großen Auswirkungen gelegt werden.

Trotz all dieser geplanten Verbesserungen sollten die Erwartungen an die IWF- Finanzsektor-Surveillance aber realistisch bleiben. Angesichts der Komplexität des Finanzsystems wird auch in Zukunft kein lückenloser Schutz vor Finanzmarktkrisen möglich sein und auch bei noch so gründlicher Analyse können Fehlurteile nicht ausgeschlossen werden.

Wiederherstellung von Marktvertrauen und Stabilität

Im Zuge der aktuellen Krisenbewältigung ist der IWF vom IMFC aufgefordert worden, im Rahmen seines Mandates eine führende Rolle bei der Entwicklung von Lehren aus der Krise und der Empfehlung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Marktvertrauen und Stabilität zu übernehmen. Begründet wird dies mit der universellen Mitgliedschaft des IWF, seiner Expertise in der makroökonomischen Analyse und seines Mandates zur Förderung der internationalen Finanzstabilität. Aufgabe des IWF soll es sein, die Diskussion zu fokussieren und die Kooperation mit dem Forum für Finanzstabilität (FSF), den G20 sowie weiteren Gremien zu verbessern.

Dabei sollten möglichst viele Perspektiven in der Debatte berücksichtigt werden. Allerdings liegt es nicht im Verantwortungsbereich des IWF, internationale Finanzmarktstandards zu setzen. Hier hat das FSF, in dem neben Finanzministerien, Zentralbanken, Aufsichts- und Regulierungsbehörden auch der IWF Mitglied ist, eine wichtige Koordinierungsfunktion. Sie darf nicht geschwächt werden.

Auch kann der IWF kein globaler Aufseher werden, der die Aufsicht über einzelne Banken übernimmt. Hierfür sind die nationalen Aufsichtsbehörden verantwortlich. Gleichwohl sollte der IWF im Rahmen seiner Surveillance die Mitgliedsländer bei der Implementierung international vereinbarter Finanzmarktstandards unterstützen.

IWF-Kreditvergabe

Der IWF steht - wie bereits in zurückliegenden Krisen - auch in der aktuellen Finanzmarktkrise mit der gebotenen Flexibilität und Schnelligkeit bereit, finanzielle Ressourcen für Länder mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten zur Verfügung zu stellen. Der IWF sollte jedoch keine originären Zentralbankaufgaben übernehmen, wie zum Beispiel den Abschluss von Swap-Vereinbarungen. Die Funktion eines Lender of Last Resort kann der IWF auch in der aktuellen Krise nicht erfüllen. Hierfür würde er unbegrenzte Liquiditätszusagen seiner Anteilseigner benötigen, die diese realistischerweise nicht im Vorhinein geben können.

Im Kontext der allgemeinen IWF-Reformbestrebungen und im Lichte der aktuellen Krise ist eine umfassende Überprüfung der Kreditvergabe des IWF vorgesehen. Im Rahmen dieser Überprüfung sollen unter anderem der analytische Rahmen für die Kreditvergabe, die eventuelle Schaffung eines neuen Liquiditätsinstruments, die Auflagenpolitik des IWF sowie eine Erhöhung der Zugangsgrenzen zu IWF-Krediten diskutiert werden.

Wichtig ist hierbei, dass die Überprüfung der Finanzierungsrolle des IWF im Ergebnis zu einem kohärenten und konsistenten Kredit-Rahmenwerk des IWF führt. Die Einhaltung von Kernprinzipien bei der Kreditvergabe des IWF, wie die Orientierung am Zahlungsbilanzbedarf, Konditionalität und Gleichbehandlung der IWF-Mitglieder, sollte dabei nicht in Frage gestellt werden.

Zahlungsbilanzposition als Orientierungsmarke

Die Orientierung der IWF-Kreditvergabe am Zahlungsbilanzbedarf eines Landes ist der Dreh- und Angelpunkt für die Existenz des IWF. Die Zahlungsbilanzposition hat auch durch die Globalisierung der Finanzmärkte nicht an Bedeutung verloren. Deswegen kommt ihr ja auch im Rahmen der Wechselkurssurveillance eine herausgehobene Rolle zu. Dies ist erst im Juni 2007 in einer neuen Surveillance Richtlinie ausdrücklich betont worden.

Die Bindung von IWF-Krediten an Auflagen (Konditionalität) dient dem IWF als Sicherheit, dass Maßnahmen zur Anpassung eines Leistungsbilanzungleichgewichts durchgeführt und seine Kredite zurückgezahlt werden können. Ein Verzicht auf Konditionalität wäre daher mit hohen finanziellen Risiken für den IWF verbunden.

Die Zwischenüberschriften sind von der Redaktion eingefügt.

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