Aufsätze

Kapitalmarktorientierte Preisbildung für illiquide Mittelstandskredite

Das gegenwärtige Marktumfeld für Collateralised Loan Obligations (CLOs) ist gekennzeichnet durch historisch niedrige Risikoprämien. Durch die Platzierung von Equity- und Mezzanine-Tranchen von CLOs wird es Banken ermöglicht, Kreditrisiken an den Kapitalmarkt zu übertragen und gleichzeitig Freiraum für neues Kreditgeschäft zu schaffen. Auf diese Weise entsteht zusätzlicher Wertbeitrag für die Banken.1) Dies wirft die Frage auf, wie Neukredite zu bepreisen sind: Es muss sichergestellt sein, dass das Neugeschäft mindestens kostendeckend ist in dem Sinne, dass sowohl der Verwaltungsaufwand für die Bank als auch die an die CLO-Investoren gezahlten Risikoprämien gedeckt sind. Im Folgenden wird ein Verfahren vorgestellt, wie diese Risikoprämien ermittelt werden können.

Keine direkt beobachtbaren Marktpreise

Für Mittelstandskredite gibt es in aller Regel keine direkt beobachtbaren Marktpreise wie zum Beispiel Preise für Unternehmensanleihen oder Credit Default Swaps. Beobachtbar ist lediglich die durchschnittliche Risikoprämie für ein Portfolio von Krediten, dessen Risiko mittels eines CLOs an den Kapitalmarkt übertragen worden ist. Diese Durchschnittskosten sind nun auf die einzelnen Kredite des verbrieften Portfolios zu verteilen. Ein solcher Verteilalgorithmus sollte die folgenden Eigenschaften haben:

1. Kredite mit besserem Rating sollten billiger sein als solche mit schlechterem Rating.

2. Kredite kürzerer Laufzeit sollten billiger sein als langlaufende Kredite.

3. Ein höherer Besicherungsgrad sollte sich preismindernd auswirken.

Hier wird ein dreistufiges Verfahren beschrieben, das die genannten Eigenschaften hat und sich an Kapitalmarktbeobachtungen orientiert.

1. Schritt - Ableitung der Datenpunkte aus den CLO-Transaktionen: Für einen

gegebenen CLO seien die Equity- und Mez-zanine-Tranchen platziert worden. Der Spread etwaiger nicht platzierter Senior-Tranchen kann in der Regel anhand vergleichbarer CLOs zuverlässig geschätzt werden (siehe Tabelle).

Somit kann die durchschnittliche Risikoprämie in Basispunkten berechnet werden - unter der Annahme einer Platzierung aller Tranchen, sodass für die Bank kein Risiko bestehen bleibt. Ferner seien das Durchschnittsrating und die Durchschnittslaufzeit der verbrieften Kredite bekannt, ebenso wie der Expected Loss (EL), der etwa anhand eines internen Kreditrisikomodells bestimmt werden kann.

Benutzung eines Kreditrisikomodells

Beispielsweise liege ein Durchschnittsrating von BBB- vor, das einer jährlichen Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD) von 40 Basispunkten (bp) entspreche.2) Der Expected Loss sei 20 bp. Im Rahmen des internen Kreditrisikomodells mögen unbesicherte Kredite mit einer LGD (Loss Given Default, Ausfallschwere) von 60 Prozent gerechnet werden, vollständig besicherte mit einer LGD von null Prozent. Letzteres ist eine Vereinfachung, die die Liquidationskosten von Sicherheiten unberücksichtigt lässt. Die LGD des verbrieften Portfolios ist nun 50 Prozent, denn EL = PD * LGD, also 20 bp = 40 bp * LGD und somit LGD = 50 Prozent. Durch die LGD von 50 Prozent kommt zum Ausdruck, dass verbriefte Mittelstandskredite in der Regel (teil-)besichert sind.

Der Kapitalmarktpreis für einen unbesicherten Kredit mit Rating BBB- und LGD = 60 Prozent ist nun 58 bp * 60 Prozent / 50 Prozent = 70 bp. Auf diese Weise ist ein Datenpunkt für die Risikoprämie für BBB-, LGD = 60 Prozent, gefunden, die zugehörige Laufzeit ist die durchschnittliche Laufzeit der in dem CLO verbrieften Kredite. Die Kosten für die Strukturierung und Platzierung des CLOs, wie zum Beispiel Gebühren für Ratingagenturen und Anwaltskanzleien, sollten nicht unberücksichtigt bleiben. Betragen diese, verteilt auf die Laufzeit des CLOs, zum Beispiel 5 bp p.a., so ist der endgültige Datenpunkt für BBB-, drei Jahre, 75 bp.

2. Schritt - Erzeugung der Spread-Kurven für unbesicherte Kredite: Gesucht sind nun die Datenpunkte für andere Ratings und andere Laufzeiten, zunächst für unbesicherte Kredite, das heißt LGD = 60 Prozent. Zur Lösung dieses Problems kann man nun auf Kapitalmarktbeobachtungen zurückgreifen. Man betrachtet die Kapitalmarktpreise für liquide, unbesicherte Kreditrisiken in Form von Prämien für Credit Default Swaps (CDS). Für gegebenes Rating und gegebene Laufzeit erhält man so eine Menge von Datenpunkten. Um Ausreißer in den Beobachtungen nicht zu stark zu gewichten, bietet es sich an, den Median der Beobachtungen zu nehmen und nicht das arithmetische Mittel.

Marktkurven für liquide Kreditrisiken

Idealerweise haben die so ermittelten Kurven schon die eingangs erwähnten Eigenschaften (Risikoprämie steigt mit der Laufzeit und mit schlechterem Rating). Dies ist jedoch mitnichten selbstverständlich. Beispielsweise sollte theoretisch die Kurve für BBB- (als Funktion der Laufzeit) stets oberhalb der Kurve für BBB liegen, in der Praxis können sich die Kurven jedoch schneiden. Hier müssen nun die Kurven mittels eines Algorithmus abgeändert werden, um derartige Überschneidungen der Kurven zu verhindern. Ein solcher Algorithmus enthält notwendigerweise einige subjektive Elemente.

Die so erhaltenen Marktkurven für liquide Kreditrisiken liegen nun nicht auf dem Niveau der CLO-Datenpunkte, sondern darunter. Dies verdeutlicht, dass für illiquide Risiken ein Illiquiditätsaufschlag zu zahlen ist. Dieser Illiquiditätsaufschlag und damit die Spread-Kurven für illiquide Mittelstandskredite lassen sich nun durch Skalieren bestimmen.

Liegt der Datenpunkt für liquide Risiken für BBB-, drei Jahre, etwa bei 50 bp, so kann man alle liquiden Kurven mit dem Faktor 1,5 = 75 bp / 50 bp skalieren. Dieses Verfahren hat jedoch den Nachteil, dass es nicht mehr funktioniert, falls mehrere CLO-Datenpunkte gegeben sind (zu verschiedenen Laufzeiten oder zu verschiedenen Ratings). Ferner ist der prozentuale Illiquiditätsaufschlag notwendigerweise für alle Ratingklassen gleich. Ein Illiquiditätsaufschlag von 50 Prozent bedeutet aber bei 10 bp lediglich 5 bp Aufschlag, bei 200 bp dagegen 100 bp. Möglicherweise ist damit der Illiquiditätsaufschlag in den schlechteren Ratingkategorien zu hoch. Diese Nachteile vermeidet das im Kasten (Illiquiditätsaufschlag) angegebene Verfahren.

3. Schritt - Berücksichtigung von Sicherheiten: Sicherheiten sind für das deutsche Mittelstandsgeschäft typisch und müssen daher angemessen im Pricing berücksichtigt werden. Beispielsweise ist das Risiko eines vollständig durch eine Grundschuld besicherten Kredites gering, eines unbesicherten Kredites mit ansonsten gleichen Eigenschaften jedoch relativ hoch. Es bietet sich an, Sicherheiten durch Adjustierung der LGD abzubilden.

Sachsicherheiten und Garantien

Zunächst einmal ist zu unterscheiden zwischen Sachsicherheiten und Garantien. Bei Sachsicherheiten gibt es solche, deren geschätzter Liquidationswert im zeitlichen Verlauf als konstant angenommen werden kann, wie zum Beispiel bei Grundschulden. Sachsicherheiten, deren geschätzter Liquidationswert im zeitlichen Verlauf abnimmt, sind zum Beispiel Sicherungsübereignungen von Maschinen. Wird ein Tilgungskredit durch eine Sachsicherheit besichert, deren Liquidationswert im Laufe der Zeit abnimmt, so ist die Herabsetzung des Liquidationswertes, die in den Kreditsystemen vorgenommen wird, auch beim Pricing zu berücksichtigen: Der jeweils noch ausstehende Kreditbetrag wird in einen besicherten und unbesicherten Anteil zerlegt und auf diese Weise die LGD des noch ausstehenden Kreditbetrages bestimmt.

Bei einer Garantie ist zu unterscheiden, ob diese von einem Garantiegeber innerhalb oder außerhalb der Kreditnehmergruppe kommt. Gehört der Garantiegeber derselben Gruppe an, ist eine derartige Garantie möglicherweise schon im Rating des Kreditnehmers berücksichtigt, zum Beispiel wenn der Bürge für sämtliche Verpflichtungen des Kreditnehmers haftet. Ist die Garantie bereits im Rating berücksichtigt, so darf nicht noch zusätzlich die LGD herabgesetzt werden, um eine Doppelzählung zu vermeiden. Ist die Garantie dagegen noch nicht im Rating des Kreditnehmers erfasst, so ist von einer hohen Ausfallkorrelation zwischen Kreditnehmer und Garantiegeber auszugehen, da diese eng wirtschaftlich miteinander verbunden sind. In der Praxis bietet es sich an, die Ratings von Kreditnehmer und Bürgen zu vergleichen und das bessere der beiden für das Kreditpricing zu verwenden.

Gehört der Bürge nicht derselben Gruppe an (zum Beispiel bei Haftungsfreistellungen durch die KfW), so ist die Ausfallkorrelation zwischen Kreditnehmer und Garantiegeber gering. Im Rahmen eines internen Kreditrisikomodells kommt für die Berechnung des Expected Loss hier typischerweise die gemeinsame Ausfallwahrscheinlichkeit von Kreditnehmer und Bürge zum Tragen (sogenannte Joint Default Probability). Insbesondere fließt das Rating des Bürgen in die Risikobetrachtung ein. In dem Maße, in dem der Expected Loss durch die Garantie verringert wird, kann daher auch die LGD herabgesetzt werden, die für das Pricing verwendet wird.

Einen Sonderfall stellt das Pricing von Krediten an Kommunen (regulatorisches Risikogewicht null Prozent) und an kommunalnahe Betriebe (Risikogewicht 20 Prozent) dar. Hier kann durch eine entsprechende Absenkung der LGD, differenziert nach diesen beiden Kundengruppen, dem risikoarmen Charakter dieses Geschäftes

Rechnung getragen werden. Demgegenüber sind Versorgungsbetriebe mit Risikogewicht 100 Prozent wie normale Firmenkunden zu bewerten. Ein möglicherweise niedrigeres Risiko dieser Kundengruppe ist hier bereits im Rating und damit in der Ausfallwahrscheinlichkeit berücksichtigt; es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass für diese Kundengruppe eine niedrigere LGD empirisch belegbar ist.

Mark-to-Market-Bewertung des Kredites

Nach diesen methodischen Vorbereitungen kann nun der Preis für den Kredit in einem Pricer berechnet werden. Die dem Kundenrating zugeordnete Spread-Kurve ermöglicht es, für jeden Zeitpunkt in der Zukunft die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, dass der Kunde noch nicht ausgefallen ist (sogenannte Überlebenswahrscheinlichkeit). Der vertraglich zu einem gewissen Zeitpunkt vereinbarte Cash-Flow, multipliziert mit der jeweiligen Überlebenswahrscheinlichkeit, ergibt nun den erwarteten Cash-Flow, der entsprechend zu diskontieren ist.

Die Differenz dieser diskontierten Cash-Flows zu pari ergibt den sogenannten "Shortfall" beziehungsweise "Surplus". Auf diese Weise findet letztendlich eine Mark-to-Market-Bewertung des Kredites statt.

Seit 2004 hat die Loan Exposure Management Group (LEMG) innerhalb der Deutsche Bank AG die Aufgabe, das mittel- und langfristige Kreditgeschäft mit deutschen Mittelständlern kapitalmarktorientiert zu bepreisen. Diese Aufgabe ist ab 2006 auch auf das kurzfristige Kreditgeschäft ausgeweitet worden.

Die von LEMG ausgewiesene Soll-Marge hat zwei Bestandteile: die Risikomarge und die zur Deckung des Verwaltungsaufwands erforderliche Marge (sogenannte Fazilitätskosten). Die Fazilitätskosten sind eine Funktion von Rating des Kreditnehmers und Limit beziehungsweise Tilgungsstruktur des Kredits: Kreditnehmer schlechterer Bonität beziehungsweise mit höherem Limit erfordern seitens der Kreditanalyse einen höheren Bearbeitungsaufwand.

Kredit als Ankerprodukt?

Prozessual unterscheidet LEMG zwischen kurzfristigem und mittel- und langfristigem Kreditgeschäft. Für mittel- und langfristiges Kreditgeschäft wird jeder Neukredit vor Kreditabschluss daraufhin geprüft, ob die Kundenmarge unterhalb der berechneten Risikomarge liegt. Ist dies der Fall, notiert der Kredit im Rahmen einer Mark-to-Market-Bewertung unter pari und die Differenz zu pari ist der sogenannte Shortfall. Einen Shortfall von unter 30 000 Euro kann der Kundenbetreuer selbst verantworten, falls er den Kredit als Ankerprodukt innerhalb einer profitablen Kundenbeziehung sieht. Ein Shortfall von über 30 000 Euro bedarf der Genehmigung eines sogenannten Loan Screening Committees: Hier müssen explizit Sponsoren aus anderen Produktbereichen den Shortfall übernehmen, andernfalls kann der Kredit nicht vergeben werden.

Im Kurzfristbuch wird bei Neugeschäft beziehungsweise Erhöhung einer Kreditlinie analog zum Prozess im mittel- und langfristigen Bereich verfahren. Dabei wird für die Schätzung der durchschnittlichen Inanspruchnahme auf die Angaben des Kundenbetreuers zurückgegriffen. Bestehende kurzfristige Kreditzusagen, ebenso wie Kreditzusagen "bis auf Weiteres", werden in einem automatischen monatlichen Prozess nachkalkuliert.

Steigerung der Profitabilität

Hierbei wird die tatsächliche Ausnutzung der Kreditlinie herangezogen. Sicherheiten werden in einem etwas vereinfachten Verfahren berücksichtigt, wobei nur der zum jeweiligen Zeitpunkt maßgebliche Liquidationswert in die Berechnung eingeht. Entsteht auf einer bereits vorhandenen Kreditlinie ein Shortfall, so wird der Kundenbetreuer hierüber in einer quartalsweise verschickten Email unterrichtet. Einen Shortfall von unter 30 000 Euro kann er wiederum selbst freizeichnen, für höhere Beträge ist eine Genehmigung eines Loan Screening Committees erforderlich.

Dieser Prozess hat sich im Laufe der Zeit bewährt, selbst wenn anfangs eine gewisse Skepsis inbesondere seitens der Kundenbetreuer herrschte. Mithilfe dieses Prozesses werden die Kosten der Kreditvergabe transparent, und es ist möglich, implizite Cross-Selling-Erwartungen in einem Loan Screening Committee konkret zu quantifizieren. Mithin hat dieser Pricing-Prozess zu einer deutlichen Steigerung nicht nur der Transparenz, sondern auch der Profitabilität des mittelständischen Kreditportfolios geführt.

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