Aufsätze

Kreditinstitute sind keine Spielbanken

Banken sind keine Spielbanken? Das hört sich vielversprechend an, was aber bedeutet das konkret? Näheres ist dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu entnehmen, in dem unter §§ 762, 763 und 764 BGB die Themen Spiel und Wette abgehandelt werden.

Wette und Spiel im BGB

"Eine Wette liegt vor, wenn man durch einen Geldeinsatz eine bestimmte Behauptung bekräftigt."1) Das klingt sehr akademisch. Man muss aber nicht lange suchen, um unter den sogenannten "Produkten", die den Bankkunden von den Geldinstituten angeboten wurden und immer noch angeboten werden, sogenannte "Derivate" zu finden, die selbst gar keine klassischen Wertpapiere mehr sind, sondern verbriefte Bündel von ausgewählten Kursen, etwa der börsennotierten Dax- oder Stoxx-Unternehmen und dergleichen mehr. Das würde vielleicht noch angehen, solange sie nicht regelrechte Wetten auf die künftige Kursentwicklung zum Gegenstand haben.

So hat am 4. Mai 2009 die Bayerische Börse in München den ersten europäischen Handelsplatz mit CFD-Papieren eröffnet, der den fantasieträchtigen Namen "Cortex" trägt. Die Abkürzung CFD steht für "contract of differenz". Cortex ist also eine regelrechte Börse für Differenzgeschäfte. "Der Vorteil eines CFD ist, dass Investoren die Positionen nicht selbst besitzen müssen", erklärte der Chef des Börsenvorstands. Es müsse nur ein geringer Teilbetrag besichert werden. Wegen dieses Hebeleffekts könne man mit nur 5 000 Euro Spekulationen in einer Größenordnung von 100 000 Euro in Bewegung bringen. Die Börse rechnet mit enormen Zuwachsraten im CFD-Geschäft. Das gehebelte Volumen sei im Jahr 2008 deutschlandweit um 49 Prozent auf eine halbe Billion Euro gestiegen.2)

Der Wirtschaftsexperte Bert Rürup, der inzwischen für einen privaten Finanzberater tätig ist, hat nach Presseberichten eingeräumt, dass auch er, veranlasst durch Lehman Brothers, Wetten auf Börsenkurse eingegangen sei und dabei einen fünfstelligen Euro-Betrag verloren habe, den er natürlich nicht mehr zurückfordern könne. Nichts gegen solche Wetten. Man kann ungestraft auf Pferde- und Hunderennen wetten. Statt Aktien zu kaufen, die natürlich mit Kursrisiken behaftet sind, kann man aber auch auf Börsenkurse wetten. Nur sind das dann nicht mehr Bank-, sondern Buchmachergeschäfte. Und das ist der alles entscheidende Unterschied.

Buchmachergeschäfte haben in Banken nichts verloren. Sie können von Banken nicht ohne Zulassung angeboten werden. Für gewerbsmäßige Wetten gilt das Rennwett- und Lotteriegesetz. Rennwetten bei amtlich nicht zugelassenen Buchmachern sind sogar strafbar. Das muss mutatis mutandis auch für Aktienwetten durchgesetzt werden.

Gewiss, man kann beim Toto und beim Lotto mitmachen. Man kann auch Roulette spielen oder sein Glück einfach vor einem Spielautomaten probieren. Alles schön und gut. Auch Differenzgeschäfte, die ja in der Absicht geschlossen werden, dass der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Börsen- oder Marktpreis zur Lieferungszeit vom verlierenden an den gewinnenden Vertragspartner gezahlt werden soll, sind laut § 764 BGB als Spiel anzusehen. Das steht so im Gesetz!

Aufklärungspflichten

Doch Spiele gehören grundsätzlich nicht in die Hände der Banken, sondern der Spielbanken. Allerdings ist für Börsentermingeschäfte in § 52 ff BörsG eine Ausnahme gemacht worden, nämlich dass solche Spiele unter Kaufleuten im Sinne des HGB uneingeschränkt zulässig sind. Denn sie wissen, worauf sie sich einlassen und müssen deshalb nicht unter den Schutz der Gesetze gestellt werden.

Zulässig sind Börsentermingeschäfte aber auch für Privatleute, allerdings nur dann, wenn sie über die hohen Risiken dieser stark vom Glück abhängenden Spiele ausreichend aufgeklärt wurden. Die Aufklärung bedarf der Schriftform. Sie muss zutreffend, vollständig, gedanklich geordnet und auch von der Gestaltung her geeignet sein, einem unbefangenen, mit Börsenbeziehungsweise Waren-Termingeschäften nicht vertrauten Leser einen realistischen Eindruck von den Eigenarten und Risiken solcher Geschäfte zu vermitteln. So die geltende Rechtsprechung.3)

Werden in Bankhäusern statt der klassischen Geld- das heißt Zinsgeschäfte sowie der Aufträge zur Beschaffung, Verwahrung beziehungsweise Veräußerung von Wertpapieren oder Bankbürgschaften, auch Spiele veranstaltet, werden sie jedenfalls der Sache nach zu Spielbanken. Und hier muss man "den Hobel ansetzen". Privatleute sind von den Geldinstituten in den jeweiligen Verträgen in Schriftform unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass sie sich auf ein vom Glück abhängiges Spiel einlassen (schriftliches Glücksspiel-Einverständnis). Weiter müssen sie für die von ihnen veranstalteten "Börsenspiele" eine gesonderte staatliche Genehmigung haben und natürlich in ihrer Firmenbezeichnung den Zusatz "Spielbank" tragen. Wer eine konzessionierte Spielbank betritt, weiß, worauf er sich einlässt. Und mit diesen Auflagen kann man es gut sein lassen.

Glücksspiele sind volkswirtschaftlich in keiner Weise systemrelevant. Niemals kann es daher Sache des Staates sein, eine Spielbank bei einem Börsencrash mit Hilfe von Steuergeldern aus der Insolvenz zu retten.

Aktien in die Hand natürlicher Personen

Um den gesellschaftspolitischen Grundgedanken der Marktwirtschaft auch an den Wertpapierbörsen in vollem Umfang durchzusetzen, muss noch tiefer gepflügt werden. Die Erfindung der Aktie war eine geniale Idee: "Der soziale und gesellschaftliche Sinn der Aktie liegt gerade darin, dass einer Vermögenskonzentration in den Unternehmen, die zur Bewältigung wirtschaftlicher Großaufgaben erforderlich ist, durch die Möglichkeit der Stückelung bei der Kapitalaufbringung eine entsprechende Dezentralisierung der Kapitalanteile in den Händen einer Vielzahl von Anteilseignern gegenübergestellt werden kann."4)

Durch Beteiligung breiter Schichten des Volkes an der gestückelten Kapitalaufbringung großer Unternehmen, die auch limitiert werden kann, können Vermögenskonzentrationen und Eigentumsstreuung gleichzeitig miteinander verbunden werden (Volkskapitalismus). Wenn es die Stückelung bei der Kapitalaufbringung nicht gäbe, müsste diese Möglichkeit der Versöhnung von Mittelstand und Großunternehmen schnellstens erfunden werden. "Gesetzgeber und Schrifttum sind ursprünglich mit der größten Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass die Aktiengesellschaft ein Verein ist, dessen Mitglieder natürliche Personen sind."5)

Wer aber kann es sich schon leisten, an der gemeinschaftlichen Kapitalaufbringung industrieller Großprojekte etwa im Auto- oder im Flugzeugbau mitzuwirken, wenn er die gesamtschuldnerische Haftung für die dabei eingegangenen Verbindlichkeiten übernehmen müsste. Die Beschränkung der Haftung auf die Einlage ist deshalb nicht nur erwünscht, sie ist unverzichtbar, wenn das Ganze funktionieren soll. Die sogenannte "Fungibilität", dass nämlich die gestückelten Kapitalanteile als Wertpapiere verdinglicht und so an den Börsen gehandelt werden können, ist ein weiterer Vorteil, der nicht hoch genug veranschlagt werden kann.

Aktionäre werden zwar kein Miteigentümer, sondern bleiben Vereinsmitglieder, sie sind daher weder Mitunternehmer im Sinne des Steuerrechts noch Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsrechts. Dennoch schaffen sie gemeinsam mit anderen Aktionären Arbeitsplätze. Daran kann es keinen Zweifel geben. Im rechtlichen Sinne des Wortes Kapitalgeber finanzieren die Aktionäre als Geldgeber gleichwohl die Arbeitsplätze "ihres" gemeinsamen Unternehmens. Und dass Geldgeber jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis auch Arbeitgeber sind, wird im Falle der Opel-Werke zurzeit besonders augenfällig, die zur Rettung der Arbeitsplätze so dringend nach neuen "Investoren" suchen, die mit ungewissem Ausgang "fresh money" in das hohe unternehmerische Risiko stecken sollen und wollen. Mit Kurswetten auf Opel-Aktien oder Börsenspielen können dagegen keine Arbeitsplätze gerettet werden. Ihnen fehlt deshalb die Schutzwürdigkeit.

Daher ist jede steuerliche Benachteiligung der Aktie, etwa bei der Anfang 2009 neu gefassten Erbschaftsteuer, zu unterlassen und kann auch vor der Verfassung keinen Bestand haben. Auch darf die Körperschaftsteuer niemals als Sondersteuer neben die Einkommensteuer treten. Selbst die steuerliche Bevorzugung der sogenannten Belegschaftsaktien bleibt eine systemwidrige und sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Wenn man den Aktienbesitz von Geringverdienern steuerlich begünstigen will, muss man die Steuerverschonung von der Höhe des Einkommens abhängig machen und darf schon aus Gründen der Risikostreuung! das arbeitgebende Unternehmen dabei wenigstens nicht bevorzugen.

Das Schlagwort von der Volksaktie ist oft genug beschworen worden.6) Und welche Risiken der Volksaktionär übernimmt, hat zum Beispiel der Börsengang der Telekom gezeigt: An der Börse werden nicht nur Gewinne, sondern auch handfeste Verluste gemacht. Auch über den geplanten Börsengang der Deutschen Bahn ist dazu das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Eines muss allerdings klar sein: Gesellschaftspolitisch gehört die Volksaktie nicht in die Hand der Banken oder anderer Unternehmen, sondern in die Hand der Volkes. Der Volkskapitalismus darf nicht ausgehöhlt und zum Banken-Kapitalismus umfunktioniert werden. "Dies ist ein Missbrauch, dem mit gesetzgeberischen Mitteln entgegenzuwirken ist."7)

Volkskapitalismus als Leitbild

Macht man mit dem Volkskapitalismus als gesellschafts- und ordnungspolitischem Leitbild ernst, kann es keinen mit Kundeneinlagen finanzierten "Eigenhandel" der Banken mehr geben, an dem die fälschlich sogenannten Investmentbanken "das große Geld" verdienen und deshalb an einer ausreichenden Eigenkapitaldecke gar kein Interesse mehr haben. Ohne diesen "Eigenhandel" mit fremden Mitteln, können jedenfalls die Banken auch keine Leerverkäufe mehr in die Welt setzen. Es wären dann zwei Fliegen mit einer Klappe getroffen. Bleibt es dagegen den Aktiengesellschaften weiterhin gestattet, selbst Aktionär zu werden, dann werden die sogenannten Publikumsaktionäre Schritt für Schritt aus dem Markt gedrängt und statt der Eigentumsstreuung entsteht eine krisenträchtige "Akkumulation des Kapitals", die von Karl Marx - völlig zu Recht - in Grund und Boden verdammt wurde.8)

Anlagehungrigen Versicherungen verbleiben die Schuldverschreibungen des Staates oder der Industrieunternehmen. Auch kann man für sie unter bestimmten Auflagen wie längeren Haltefristen und gewissen Limitierungen Ausnahmen zulassen. Können Aktien und GmbH-Anteile sonst nur von natürlichen Personen erworben werden, hat das eine segensreiche Nebenwirkung: Allen anrüchigen "Ausgliederungen" hochriskanter oder sogar dubioser Geschäfte, etwa in irgendwelchen Steuerparadiesen, wird von vorne herein der Weg versperrt. Und das haben die G20-Länder auf ihrem Gipfeltreffen in London zur gemeinsamen "Chefsache" gemacht. Ob die 20 Staatschefs auf dem Gruppenbild des Gipfeltreffens ihren Beschlüssen auch zielführende Taten folgen lassen? Bisher ist das nicht zu erkennen.

Es ist kaum zu übersehen, dass auf diesem Weg das gesamte "Konzernrecht" trockengelegt würde. Und in der Tat, so ist es. Neben der Haftungsbeschränkung für natürliche Personen bedarf es keiner weiteren Haftungsgliederung für juristische Personen. Die Konzernbildung ist kein schutzwürdiges Rechtsgut. Im Gegenteil! Gesell-schafts-, Steuer-, Bilanz- und Arbeitsrecht, alles wird durch den Publikumsvorbehalt für das Aktieneigentum stark vereinfacht.

Mit Recht hat schon Franz Böhm gefordert, dass "der Leichtigkeit, mit der Unternehmen ineinander verschachtelt werden können, ein ziemlich rücksichtsloser Widerstand in den Weg zu legen" sei.9) Neben dem Haftungsdurchgriff auf juristische Personen und andere Unternehmen bietet allein das Steuerrecht hierfür Mittel genug. Weg mit allen Schachtelprivilegien! Weg mit der steuerlichen Organschaft und dem ganzen "Steuerschnickschnack" für Konzerne! Und der Spuk findet ganz von selbst sein schon lange fälliges Ende.

Festzuhalten ist: Die Aktie wird in ihrer gesellschaftspolitischen Zwecksetzung der Vermögenskonzentration bei gleichzeitiger Eigentumsstreuung vollkommen denaturiert, wenn die natürlichen durch juristische Personen beziehungsweise sonstigen gewerblichen Unternehmen aus den Aktienmärkten hinausgedrängt werden. Auch kann die Konzernbildung nicht Sinn und Zweck der Aktie sein. Banken, andere Aktiengesellschaften und sonstige Unternehmen sollen ihren eigenen Geschäften nachgehen. Es ist nicht ihr Zweck, selbst Aktionäre zu werden. Dies ist ihnen kompromisslos zu verwehren. Und es ist ein Riesenschritt nach vorne, wenn die sogenannten institutionellen Anleger durch den "Eigenhandel" mit fremden Mitteln sich an der Bildung von sogenannten "Blasen" gar nicht mehr beteiligen können.

Zentralbank als "Mutter aller Banken"

Bankenrettung, Finanzmarktsicherungsgesetz, alles schön und gut? Doch dabei wurde das Insolvenzrecht außer Kraft gesetzt. Das ist die Wahrheit. Wer wollte hier noch von Privatwirtschaft und Haftung reden. Natürlich bleibt keine andere Wahl. Das öffentliche Interesse gebietet die Rettung der "systenrelevanten" Banken - und natürlich auch Unternehmen - auch wenn der hoheitliche Eingriff in das Privatrecht den Makel der Willkür nicht mehr abstreifen kann. Man muss aber auch sehen, dass damit ein Systemwechsel vollzogen wurde. Greift der Staat notleidenden Unternehmen mit Bürgschaften, Darlehen, Zuschüssen oder mit der Übernahme von Anteilen, ja sogar mit der völligen Enteignung unter die Arme, um die drohende Insolvenz abzuwenden, bedeutet das eine Verabschiedung vom Prinzip der privatwirtschaftlichen Verantwortung und die Überschreitung der Grenze zur Staatswirtschaft, selbst wenn es "in Trippelschritten" geschieht.

Nach den teuer erkauften Erfahrungen im Falle des Zusammenbruchs der Darmstädter und Nationalbank 1931 oder der Lehman Bank 2008, werden jetzt bei sogenannten "systemrelevanten" Banken drohende Insolvenzen durch den Eingriff der öffentlichen Hand aufgefangen. Bei der Hypo Real Estate (HRE) und anderen Geldinstituten ist das der Fall. Daher gilt die Feststellung, dass jedenfalls die Systembanken und natürlich auch die Landesbanken im Ernstfall gar kein Zweig der Privatwirtschaft mehr bilden. Sie können de jure "in Konkurs" gehen, de facto tun sie es nicht.

Zentralisation des Kredits

Über die staatliche Gewährträgerschaft mag man sich trefflich streiten, man kann sie zu Recht als wettbewerbswidrig brandmarken, wenn es "zum Schwur" kommt, muss der Staat für die Banken "in die Bresche springen", ob er will oder nicht. Selbst dort, wo eine solche Gewährträgerschaft des Staates de jure gar nicht vorgesehen war, ist sie de facto zur unübersehbaren Tatsache geworden. Das wird inzwischen allgemein akzeptiert.

Die Verstaatlichung der Banken braucht also gar nicht gefordert zu werden. "Die Zentralisation des Kredits in den Händen des Staates durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol", wie sie Karl Marx im Kommunistischen Manifest von 1848 verlangt hat,10) sie ist inzwischen Realität. Und der Streit um die Beseitigung der staatlichen Gewährträgerschaft, den die EU-Kommission für den Bereich Sparkassen und Landesbanken noch vor einigen Jahren vom Zaun gebrochen hat, er ist heute nur mehr eine Arabeske der Vergangenheit.

Ähnlich wie im Sonnensystem sind die Geschäftsbanken "die Trabanten" der Zentralbank. Nicht die Regierung, sondern die unabhängige Notenbank ist "die Mutter aller Banken". Man muss also das ganze System im Auge haben: Kommen die Geschäftsbanken in Turbulenzen, ist es die bei der Notenbank angesiedelte Bankenaufsicht, die davon lange vor allen anderen und unter dem Siegel der Vertraulichkeit Kenntnis hat. Die geborene Instanz des Staates, die im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen hat, dass die Geschäftsbanken vor dem Zusammenbruch bewahrt werden, ist also die Zentralbank und niemand sonst.

Geld ist keine gewöhnliche Handelsware, sondern ein Titel auf einen von seinem Inhaber frei bestimmbaren Teil des arbeitsteilig erstellten Sozialproduktes. Mit solchen Gutscheinen kann man nur in einem streng geregelten Bereich Geschäfte machen. "Es ist die Kernfunktion der Banken, Geld zu verleihen."11)Geld ist also kein Spielgeld. Das Bankensystem kann in seiner Gesamtheit allein schon wegen seiner Geldschöpfungsmacht keine Veranstaltung des blanken Privatrechts sein. Das Geldwesen ist eine staatliche Einrichtung eigener Art: Nicht der Regierung, sondern der unabhängigen Zentralbank obliegt es, die Banken zu überwachen, vor allem aber zu jeder Zeit und in jedem Umfang für sie geradezustehen. Die Banken sind deshalb auch förmlich aus der privatrechtlichen Insolvenzordnung auszunehmen.

Mindestreserven vermisst

Hier zeigt sich, dass es ein schwerwiegender Fehler war, die Haltung von Mindestreserven bei der Notenbank auslaufen zu lassen. Gewiss ist von diesem Instrument der Notenbankpolitik lange Zeit kein Gebrauch mehr gemacht worden. Umso mehr wird vermisst, dass in der Krise nicht mehr auf diese Reserven in den "Kornspeichern Ägyptens" zurückgegriffen werden kann. Statt der Notenbank soll es der Finanzminister richten, und er türmt gewaltige Schuldenberge auf - 80 Milliarden Euro sollen es in diesem Jahr werden - um die Banken und Opel zu retten.

Das grundlegende Verfassungsprinzip, dass die Ausgaben des Staates seine Einnahmen nicht dauerhaft übersteigen dürfen, wird dabei als erstes über Bord geworfen. Selbst die Stabilitätskriterien des Staatsvertrags von Maastricht werden zur Makulatur. Die Regierung sollte sich von der Geldpolitik jedoch vollkommen fernhalten. So will es jedenfalls das Notenbankrecht.

Für die Bankenrettung beziehungsweise -abwicklung ist allein die unabhängige Zentralbank zuständig, niemand sonst. Hier muss deshalb auch das alte "ceterum censeo" wiederholt werden, nämlich dass die Bundesbankgewinne nicht als Einnahmen in den Staatshaushalt eingestellt werden dürfen.12) Auch sie sind in der Notenbank für die "mageren Jahre" zu thesaurieren. In der gegenwärtigen Finanzkrise werden nicht nur die Mindestreserven, sondern auch die Bundesbankgewinne in der Schatzkammer der Notenbank auf das Schmerzlichste entbehrt!

Staatsschulden: geringer als die investiven Ausgaben

Das Haushaltsrecht ist in seinen Grundzügen unabdingbares Verfassungsrecht und wird vor allem in den Grundgesetzartikeln über das Finanzwesen geregelt. In Art. 115 GG hieß es bisher: "Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Summe für Ausgaben nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts."

In seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 1949 waren aus gutem Grund keinerlei Ausnahmen vorgesehen. Unter dem Einfluss von Lord John Maynard Keynes dass sich der Staat in der Not verschulden müsse, um damit die Wirtschaft anzukurbeln - hat man 1969 den klassischen "Schuldendeckel" durchlöchert und jene fatale Ausnahme geschaffen, dass zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts "der Pfad der Tugend" verlassen werden dürfe. Eine Fehlentscheidung, die erst 1992 durch die Stabilitätskriterien im Vertrag von Maastricht halbwegs korrigiert werden konnte. Nach diesen Kriterien darf die Neuverschuldung die Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten. Auch muss der Schuldenstand unter 60 Prozent der gleichen Bezugsgröße bleiben. Gewiss: pacta sunt servanda. Verträge müssen gehalten werden. Aber werden sie es?

Wohlgemerkt war die Höhe der investiven Ausgaben zwar eine klar umschriebene Kappungsgrenze, gleichwohl ließ sich die Staatsverschuldung im Gleichschritt mit den Investitionen beliebig ausweiten. Die Höhe der investiven Ausgaben bestimmt der Staat durch seinen Haushaltsplan. Die Staatsschulden waren also im gleichen Ausmaß flexibel wie die staatlichen Investitionen. Es gab daher schon 1969 keinen triftigen Grund, irgendwelche Ausnahmen zuzulassen, es sei denn, um in Krisenzeiten den öffentlichen Konsum in die Höhe zu treiben. Und genau das sollte ja verhindert werden.

Der Staat war also schon vor 1969 nicht daran gehindert, in der Krise nach eigenem Ermessen Schulden zu machen und damit in beliebigem Umfang Investitionen zu finanzieren. Die Schulden durften allerdings die investiven Ausgaben niemals überschreiten. Eines durfte der Staat daher nicht: mehr Schulden machen als es Investitionen gab. Er durfte sich also nicht zu dem Zweck verschulden, um zum Beispiel die Ausgaben für Hartz-IV-Empfänger zu steigern. Ausgaben, die dem öffentlichen Konsum dienen, sollten immer durch Steuereinnahmen gedeckt werden. Man konnte also keine "Schalen mit Geld aufstellen", aus denen sich jedermann nach Lust und Laune bedienen kann, was schon Søren Kierkegaard als "Wechselwirtschaft" verspottet hat.13)

Sinnvoller Einsatz der Kredite?

Kredite müssen sinnvoll eingesetzt werden: Um die Krise zu bewältigen, muss man durch öffentliche Investitionen die Beschäftigung steigern. Konsumgutscheine, wie sie 2008 in den USA ausgegeben wurden, sind der falsche Weg. Das Gleiche gilt auch für die Abwrack-Prämie, die sich in der Bevölkerung ebenfalls einer großen Beliebtheit erfreut. Es macht keinen Sinn, dass Autos vorzeitig verschrottet werden, die noch eine ganze Weile fahren könnten. Wer die Krise wirklich beseitigen will, muss dem Ruf nach "Brot und Spielen" widerstehen und sich etwas Besseres einfallen lassen, als sich in Schulden zu stürzen, um Wahlgeschenke zu verteilen. Und wie schlecht das Gewissen der Regierung ist, kann man schon daran sehen, dass die Abwrack-Prämie nach der Wahl natürlich abgeschafft wird!

Um dem volkswirtschaftlichen Humbug ein Ende zu setzen, ist Art. 115 GG unbedingt wieder in die alte Fassung von 1949 zu bringen.14) Die kreditfinanzierte Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts war schon damals zulässig, wenn durch die Neuverschuldung Investitionen und damit neue Arbeitsplätze finanziert werden, unzulässig aber, wenn sie den staatlichen Konsum ankurbeln soll. Die ursprüngliche Regelung ist so gesehen der Verfassungsänderung, die eben in Bundestag und Bundesrat - gegen die Stimmen der Bundesländer Berlin, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern - beschlossen wurde, weit überlegen.15)

Außerdem kann man das Grundgesetz mit Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat ohnehin jederzeit ändern und im Notfall sowieso jede gebotene Ausnahme von der Regel beschließen. Das muss genügen und genügt ja auch vollkommen!

Anmerkungen

1) Vgl. Däubler, BGB kompakt, 2002, Seite 921.

2) Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 5. Mai 2009: "Neue Börse für Risiko-Liebhaber". Über "Bankenprodukte", die nichts anderes sind als Wetten auf Börsenkurse, berichtete zum Beispiel auch Der Spiegel; Wiso/ZDF; und Frontal 21 (8. April 2008).

3) Vgl. BGH NJW 1992, 1879.

4) Vgl. Hettlage, Die AG 1981, 98.

5) Hettlage, aaO, (Fn 5), Seite 93 mit zahlreichen weiteren Hinweisen

6) Vgl. Rathenau, Vom Aktienwesen, 1917; Heintzeler, Volkskapitalismus, 2. Auflage 1969; Engels, Sablotny, Zickler, Das Volksvermögen, seine verteilungs- und wohlstandspolitische Bedeutung, 1974; ferner Samuelson, Volkswirtschaftslehre, 15. Aufl. 1995, Seiten 215 f.

7) Hettlage, aaO, (Fn 5), Seite 99

8) Vgl. Marx Engels Werke (MEW), Das Kapital, Bd. 23, Seiten 641f, 649, 673 ff.

9) Böhm, Ordo, Bd. 22, 1971, Seiten 21 ff, Referat erstattet vor der Mont Pelerin-Gesellschaft in München 1970.

10) Vgl. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW, aaO. (Fn 9), Bd. 4, Seiten 481, Ziff 5.

11)So der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Jean-Claude Trichet in einem Interview am 29. April 2009.

12) Hettlage, Zur Ausschüttung der Bundesbankgewinne, ZfgK 1982, Seiten 686 ff; derselbe Sündenfall der Bundesbank, ZfgK 1983, Seiten 892 ff.

13) Vgl. Kierkegaard, (1813 bis 1855), Entweder - Oder, in: Gesammelte Werke, 1960 bis 1971.

14) In der 15. Wahlperiode verfügte die CSU über eine Zwei-Drittel-Mehrheit und hätte diese dazu nutzen können, um die Verfassung des Freistaates nach Art. 75 Abs. 2 in der Weise zu ergänzen, dass die Neuverschuldung hinter den investiven Ausgaben des Landes zurückbleiben muss. Sie hat diese einmalige Chance ungenutzt verstreichen lassen, obwohl sie auf ihrem 72. Parteitag vom 28./29. Sept. 2007 ein darauf gerichteten Antrag des Kreisverbandes Freising verabschiedet hatte. Gleichwohl hat die CSU ohne Schirm und Schutz der Verfassung einen rigiden Sparkurs eingeschlagen - und 2008 nicht zuletzt deshalb die absolute Mehrheit verloren.

15) Kritisch dazu auch Prantl, Süddeutsche Zeitung 5. Mai 2009; "Die Verfassung wird dicker, aber nicht besser". Außerdem wird man mit einer Verfassungsklage aus den Reihen der überstimmten Bundesländer wohl zu rechnen haben.

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