Gespräch des Tages

Landesbanken II - West LB: Veränderungswillig

In der Aufbereitung der Themen, die ihm besonders wichtig erscheinen, kultiviert Thomas Fischer eine sehr persönliche Form der Kommunikation mit den Medien. Er versteht es außerordentlich gut, solche Dinge derart überspitzt vorzutragen beziehungsweise mit bissigen und unterhaltsamen Randbemerkungen zu würzen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des geneigten Auditoriums an diesen Stellen deutlich über den Normalpegel steigt und damit vermutlich auch die Wahrscheinlichkeit einer Aufnahme in die Berichterstattung. Wenn diese Beobachtung zutreffend ist, dann sollten in der Würdigung des Geschäftsjahres 2006 der West LB das künftige Verhältnis zur Sachsen-LB, die Kooperation rund um die Readybank und die Payback-Karte und der Hinweis auf die Konsortialführung bei Benchmarkanleihen für Baden-Württemberg und Bayern nicht fehlen. Überdies hat der Vorstandsvorsitzende zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit mitfühlenden Redewendungen sein tiefes Verständnis für das ausgeprägte Informationsbedürfnis der Medien zum Verkaufsprozess der Landesbank Berlin artikuliert. Aber er hat dabei ein ums andere Mal unmissverständlich klar gemacht, sich als direkt Beteiligter nicht die geringste Bemerkung erlauben zu können, auch wenn damit "völlig irre Dinge länger in der Welt bleiben, als das sonst der Fall wäre".

Besonderen Stellenwert hat derzeit offenbar die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit der Sachsen-LB beziehungsweise der Sachsen-Finanzgruppe. Quasi als Aufmacher wurde auf die Osteuropa-Initiative der drei Partner für Firmenkunden verwiesen, die eine gemeinsame Betreuung deutscher und einheimischer Unternehmen im Corporate- und Investmentbanking umfasst. Angesichts der optimistischen Erwartungen für das Wachstum der Unternehmenskredite wurden als erste Ziel- beziehungsweise "erweiterte Heimatmärkte" Polen, die Tschechische Republik, Ungarn, Russland und die Ukraine ausgemacht. Die Kundenbetreuung in der Region soll von Leipzig aus gesteuert werden und vor Ort von Warschau, Prag, Budapest, Moskau und Kiew aus erfolgen. Über dieses konkrete Projekt hinaus gibt sich Fischer inzwischen ausgesprochen optimistisch, noch im laufenden Jahr mit den beiden Partnern in Sachsen in eine "noch genau zu formulierende Beziehung" zu treten, die auch für andere Landesbanken interessant sein könnte. Den vom sächsischen Finanzminister Mitte März in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurf zur Umwandlung der Sachsen-LB von einer Anstalt des öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft wertet er in diesem Zusammenhang als ermutigendes Signal der dortigen Entscheidungsträger, die anstehende Konsolidierung im Landesbankenbereich konstruktiv zu begleiten.

Das Thema Payback-Kooperation und Gründung der Readybank als Plattform und Tor zu über 30 Millionen Mitgliedern des Kundenbindungssystems fällt in die strategische Agenda Verbundgeschäft. In Abstimmung mit den Sparkassen in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Kontakt zum DSGV will die West LB diesen Bereich ausbauen und spricht seit dem Start am 1. März 2007 von täglich 1 500 Kartenanträgen für die angebotene Zahlkarte. In drei Jahren will Thomas Fischer mit diesem Projekt Geld verdienen, das von seinem Kollegen Günther Merl nach dem Stand heute als "überschaubare Einrichtung" bewertet wird. Stärkere Impulse in der Zusammenarbeit mit den Sparkassen gehen derzeit in der Tat von anderen Feldern aus, angefangen vom Depot-B-Geschäft mit einem Volumen von 3,5 Milliarden Euro an strukturierten Produkten, gefolgt vom Depot-A-, vom Auslands- und vom Konsortialgeschäft.

Besondere Wachstumschancen verspricht sich die West LB im Geschäft mit öffentlichen Kunden und verweist auf Geschäftsbeziehungen zu 77 Prozent der 396 Städte und Gemeinden in NRW und darüber hinaus zu 200 weiteren Kommunen und kommunalen Unternehmen in ganz Deutschland. Die besonders gefeierte Konsortialführung bei Benchmarkanleihen in Bayern und Baden-Württemberg ermuntert zu einem Ausbau des Vertriebs außerhalb des eigenen Bundeslandes. Für die Zukunft setzt die Bank auf den stärkeren Zugang zum internationalen Kapitalmarktgeschäft. Mit weltweit 28 Standorten, einem Anteil der internationalen Erträge von mehr als der Hälfte, der Fokussierung als Structured Finance House mit sechs Kernsektoren und etwa einem halben Dutzend Kernprodukten sieht man sich bereits ebenso gut positioniert wie in der internationalen Projektfinanzierung. Dort will die Bank innerhalb von drei Jahren dem Volumen nach weltweit von derzeit Rang 9 (3,963 Milliarden Euro) unter die Top fünf vorrücken.

Einem direkten Vergleich der Ertragsrechnung mit den "anderen früheren Landesbanken" ist die West LB für das Berichtsjahr 2006 übrigens insofern entzogen, als sie ein Jahr früher als gefordert zur Bilanzierung nach IFRS übergegangen ist. Und auch die Endkontrolle des vom Aufsichtsratsvorsitzenden vorgegebenen Ergebnisziels 2006 bedarf auf dieser Basis einer Überleitungsrechnung. Das ausgewiesene Ergebnis vor Steuern ist dabei von den 181 Millionen Euro aus dem Verkauf der HSH Nordbank und einem Restrukturierungsaufwand von 193 Millionen Euro beeinflusst, der auch die Cost Income Ratio (71,6 Prozent) nach oben treibt. Bei rückläufigem Zinsüberschuss (minus 14 Prozent auf 1,144 Milliarden Euro), nahezu unverändertem Provisionsüberschuss (325 Millionen Euro), spürbarem Anstieg beim Handels- (plus 34,9 Prozent auf 429 Millionen Euro) und Finanzanlageergebnis (plus 95,4 Prozent auf 551 Millionen Euro) ist die Nettoauflösung der Kreditrisikovorsorge noch einmal um 127 auf 202 Millionen Euro gestiegen. Das dürfte bei erstmals seit 2003 wieder neu aufgebauten Risikoaktiva (plus 10 auf 96 Milliarden Euro) nicht so bleiben. Neue beziehungsweise stärkere Ertragsquellen müssen her.

PS: Mit der bekannt gewordenen Fehlspekulation im Eigenhandel mit VW-Aktien in 100-Millionen-Euro-Höhe ist das Ergebnis 2006 ohnehin zu relativieren und das Jahr 2007 erheblich vorbelastet. Und viel schlimmer noch: Dieser Vorfall muss die Anteilseigner an schlimme frühere Zeiten erinnern und ruft die Chancen und Risiken des neuen Geschäftsmodells wach. Immerhin hat diesmal das Risikocontrolling funktioniert, und die Bank hat schnell reagiert.

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