Aufsätze

Mittelstandsanleihen als nachrangige Finanzierungsinstrumente

Mit dem Start des Börsensegments Bondm im Mai 2010 nahm die Börse Stuttgart die Vorreiterrolle für die Emission und den Handel mit Anleihen mittelständischer Unternehmen ein. Diese Handelsinitiative bot Investoren erstmals die Möglichkeit, über Börsen in Anleihen mittelständischer Unternehmen zu investieren. Die geringe Stückelung von 1 000 Euro erschließt zudem Privatpersonen als mögliche Investorengruppe. Gleichzeitig machte sie das Emittieren von Anleihen mit einem Volumen kleiner als 100 Millionen Euro für Unternehmen erstmals rentabel. Dies war vorher aufgrund der hohen Emissionskosten nur bei großen Emissionsvolumina eine preislich attraktive Form der Fremdkapitalaufnahme für Unternehmen. Anstoß für weitere Anbieter Der Erfolg von Bondm veranlasste in der Folge nahezu alle deutschen Börsen zur Gründung von ähnlichen Handelssegmenten. Aktuell gibt es an den Börsen in Düsseldorf (der Mittelstandsmarkt), Frankfurt (Entry Standard für Anleihen), Hamburg/ Hannover (Mittelstandsbörse Deutschland), München (m:access bonds) und Stuttgart (Bondm) die Möglichkeit, Mittelstandsanleihen zu emittieren und zu handeln. Für Investoren bietet die Anlage in Mittelstandsanleihen einen attraktiven Kupon. Im Median der bis 31. Januar 2013 begebenen Anleihen wird ein Kupon von 7,25 Prozent bei einer Spanne zwischen 5,875 Prozent und 11,50 Prozent offeriert. Somit bieten sie im aktuellen Niedrigzinsumfeld eine deutlich höhere Rendite als die von risikolosen Bundesanleihen oder vergleichbarer Unternehmensanleihen großer Emittenten. Gleichzeitig gewährt die Emission von Anleihen kleinen und mittleren Unternehmen die Option, ihre Finanzierung unabhängiger von Banken zu gestalten. Traditionell ist die Finanzierung deutscher Mittelständler stark bankenfokussiert.1) Die Risiken dieser Finanzierungsstrategie bekamen die Unternehmen während der Finanzkrise zu spüren. In Folge der zunehmenden Regulierung durch Basel III und den noch anhaltenden Auswirkungen der globalen Finanz- wie auch der Eurokrise wird die Fähigkeit zur Kreditvergabe durch Banken weiter eingeschränkt beziehungsweise werden die Kosten für Kreditfinanzierungen steigen.2) Mit den gestiegenen Erfordernissen der Bankenregulierung sind in den letzten Jahren nicht nur die Kosten für die Kreditfinanzierung gestiegen, sondern auch die Anforderungen an die Berichterstattung der Kreditnehmer. Dies bedeutet für die mittelständischen Unternehmen neben gestiegenen Zinsaufwendungen vor allem höhere Anforderungen an das Management und das Controlling, was in der Regel ebenfalls mit höheren Kosten verbunden ist. Dies alles wird den deutschen Mittelstand in den nächsten Jahren dazu zwingen, seine Finanzierungsstrategie zu überdenken und die Finanzierungspartner zu diversifizieren.3) Möglichkeit der Erstzeichnung An den genannten Börsensegmenten waren bis zum 31. Januar 2013, dem Betrachtungszeitraum der folgenden Analyse, 69 Anleihen mit einem Emissionsvolumen von 3,3 Milliarden Euro gelistet. Mit einem Volumen von 1,7 Milliarden Euro ist Bondm der Marktführer, gefolgt vom Entry Standard mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro.4) Eine Besonderheit der neuen Segmente ist, dass sie sowohl Primär- als auch Sekundärmarktfunktionen vereinen. Sind Börsen in der Regel nur Sekundärmarktplattformen, das heißt können Investoren ihre Wertpapiere nur an ihnen handeln, besteht an den Mittelstands segmenten die Möglichkeit der Erstzeichnung.5) Der folgende Artikel konzentriert sich auf die Ausgestaltung der Anleihebedingungen aller 69 Schuldverschreibungen, die zum 31. Januar 2013 an den genannten Börsensegmenten gelistet waren. Ziel ist es, zum einen zu überprüfen, ob sich die Emittenten an die von DVFA/BVI geforderten Standards für Unternehmensanleihen nach dem Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) halten und zum anderen, ob die Gestaltung der Anleihebestimmungen Investoren der Anleihen gegenüber Dritten benachteiligen. Falls Anleihegläubiger durch die Anleihebedingungen in einen strukturellen Nachrang geraten, muss in Frage gestellt werden, ob Ratings und Renditen von Mittelstandsanleihen risikoadäquat sind. Erinnert seien hier an die Standard-Mezzanine-Programme, deren Zinssätze sich für eine nachrangige Finanzierung in ähnlichen Bandbreiten bewegten. Während der Laufzeit der Programme zeigte sich, dass das ausgereichte Mezzanine-Kapital nicht seinem Risiko entsprechend geratet und verzinst wurde.6) Rechtliche Betrachtung der Anleihen Alle 67 nach deutschem Recht emittierten Anleihen verbriefen gemäß § 793 Abs. 1 BGB Gläubigerrechte, was die Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Emittenten ausschließt. Dies benachteiligt die Investoren insofern, als dass sie nicht über das durch die Geschäftsführung eingegangene Risiko mitbestimmen können. Durch die Begebung einer Anleihe verspricht der Schuldner dem Gläubiger eine Leistung in der Form, dass er sich verpflichtet, den vereinbarten Zins und am Laufzeitende den Nennbetrag zu zahlen.7) Der Gläubiger trägt mithin nur das Ausfallrisiko. Alle emittierten Mittelstandsanleihen lauten auf den Inhaber. Dadurch ist gewährleistet, dass ein Verkauf der Anleihe am Sekundärmarkt auf Grundlage von § 292 BGB durch Einigung und Übergabe der Sache formlos erfolgen kann. Dies ist Voraussetzung, um Schuldverschreibungen an Börsen handeln zu können. Da alle Anleihen nach dem 5. August 2009 begeben wurden, fallen die 67 nach deutschem Recht emittierten Schuldverschreibungen unter das neue Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) von 2009. Es kann aber nur angewendet werden, wenn der Emittent das SchVG für anwendbar erklärt. Schließt der Emittent dies bei Platzierung der Anleihe aus, ist eine nachträgliche Optierung zum SchVG nicht möglich.8) Die wichtigste Neuerung des SchVG ist die Möglichkeit, dass Gläubiger ermächtigt werden, die Anleihebedingungen per Mehrheitsbeschluss zu ändern. Vor Überarbeitung des Gesetzes war dies nur möglich, wenn der Schuldner mit jedem einzelnen Gläubiger eine Änderung der Bedingungen vereinbart hatte. Diese Option kann eine anstehende Restrukturierung entscheidend vereinfachen und die Freerider-Problematik neutralisieren. Als Instrument, Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten zu mindern, besteht die Möglichkeit, einen gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger zu berufen. Dieser kann mit speziellen Informationsrechten ausgestattet werden.9) Sowohl DVFA als auch BVI fordern, dass Emittenten beide Möglichkeiten in den Anleihebedingungen einräumen, da der gemeinsame Vertreter die Investoren in die Lage versetzt, ihr Investment regelmäßig und effizient zu analysieren.10) 62 der 69 Emittenten lassen eine Änderung der Anleihebedingungen durch Gläubigerbeschluss zu. Davon orientieren sich 59 der Unternehmen an den DVFA/BVI-Standards und verlangen für wesentliche Änderungen eine Dreiviertelmehrheit, für sonstige Änderungen eine einfache Mehrheit. Drei Emittenten weichen davon ab und verlangen für eine wesentliche Änderung 85 Prozent Zustimmung.11) Einen gemeinsamen Investorenvertreter lassen 81 Prozent der Anleiheschuldner zu. Abweichend von den Forderungen von DVFA/BVI wird dieser nicht bereits bei Erstemission der Anleihe berufen, sondern muss von den Gläubigern nachträglich bestellt werden.12) Struktureller Nachrang von Mittelstandsanleihen Entsprechen ein Großteil der emittierten Mittelstandsanleihen bei den Mitsprache- und Informationsrechten der Investoren noch den Forderungen von DVFA/BVI, ist das Ergebnis der detaillierten Analyse der Anleihebedingungen und der Jahresabschlüsse im Jahr vor Erstemission einer Anleihe, dass Anleihegläubiger mit einer Investition in Mittelstandsanleihen ein nicht unerhebliches Risiko eingehen. Fehlende Besicherung: Obwohl alle Emittenten ihre ausgegebenen Schuldverschreibungen als nicht nachrangig bezeichnen, zeigt die Auswertung der Anleihebedingungen, dass es sich aus Sicht der Anleihegläubiger jedoch um ein strukturell nachrangiges Investment handelt. 61 der emittierten Anleihen wurden unbesichert begeben. Für die Emittenten ist dies von Vorteil, da keine Sicherheiten belastet werden und diese somit zur Besicherung weiterer Bankkredite zur Verfügung stehen. Andererseits erhöht die fehlende Besicherung das Risiko für die Anleihegläubiger. Bei den acht besicherten beziehungsweise mit einer Garantie ausgestatteten Anleihen zeigt sich, dass selbst dies nicht zwangsweise zu einer Risikominderung führt. Eine Besicherung erfolgt mit Aktien einer Tochtergesellschaft, ohne dass ein Wertgutachten über diese Aktien vorliegt. Eine Beurteilung über die Werthaltigkeit der Sicherheit ist für die Anleihegläubiger somit nicht ohne Weiteres möglich. Eine weitere Anleihe ist mit einem Kreuzfahrtschiff besichert. Hier muss die Verwertbarkeit der Sicherheit bei Insolvenz des Emittenten in Frage gestellt werden. Weitere fünf Anleihen sind mit Immobilien besichert. Eine Immobilie muss erst durch den Emissionserlös entlastet werden, bevor sie zugunsten der Anleihegläubiger belastet werden kann.13) Gleichzeitig geraten Investoren in einen strukturellen Nachrang gegenüber den Banken. Diese lassen sich Bankkredite regelmäßig besichern. Im Insolvenzfall sind die Anleihegläubiger somit gegenüber den kreditgewährenden Banken benachteiligt, da ihre Ansprüche nur aus den verbleibenden, nicht Sicherheitszwecken dienenden Vermögensgegenständen befriedigt werden können. Unzureichende Covenants Werden Bankkredite regelmäßig nur gewährt, wenn zahlreiche Covenants vereinbart werden, belegt die Analyse, dass bei Mittelstandsanleihen auf diese weitgehend verzichtet wird oder diese nur eingeschränkt zugebilligt werden. Im Falle, dass keine Sicherheiten gewährt werden, ist es üblich, eine Negativerklärung abzugeben. Sie schließt aus, dass Sicherheiten gewährt werden, ohne dritten Gläubigern dieselben Rechte einzuräumen. Bei der Auswertung der Bedingungen zeigt sich, dass 52 Emittenten eine Negativerklärung abgeben. Mit einer Ausnahme wird diese aber nur für Kapitalmarktverbindlichkeiten gewährt. Somit sind Anleihegläubiger, trotz Negativerklärung der Emittenten, gegenüber Banken schlechter gestellt. Betrachtet man die Jahresabschlüsse im Jahr vor der Emission, geben 42 Emittenten an, Verbindlichkeiten besichert zu haben. In neun Fällen werden in den Jahresabschlüssen hierzu keine Angaben gemacht. Darüber hinaus wird die bei Krediten übliche Drittverzugsklausel (Cross-Default) nur von 30 Emittenten zugestanden. Diese gesteht ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, wenn Verbindlichkeiten gegenüber Dritten nicht bedient werden. Das Nicht-Einräumen der Cross-Default-Klausel hat ebenfalls einen strukturellen Nachrang der Anleihegläubiger zur Folge. Diese Benachteiligung unbesicherter Gläubiger im Insolvenzfall gegenüber besicherten Gläubigern wird als "Asset Encumbrance" bezeichnet. Sie beschreibt das vorrangige Bedienen von Verbindlichkeiten, sollte ein Emittent wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden müssen. Umso höher die Asset Encumbrance ist, desto geringer fällt die Insolvenzmasse aus, die zur Befriedigung der Ansprüche der unbesicherten Gläubiger zur Verfügung steht. Als Indiz, dass diese Problematik am Markt noch nicht effizient bepreist wird, kann auch der geringe Spread von Credit Default Swaps auf besicherte und unbesicherte Bankanleihen gesehen werden.14) Risiken aus der Unternehmensstruktur: Neben dem Fehlen von Sicherheiten und üblichen Covenants in den Anleihebedingungen erhöht die Unternehmensstruktur der Emittenten das Risiko der Investoren. 56 Anleihen wurden von Holding- oder Konzernmuttergesellschaften emittiert. Diese sind regelmäßig vom Erfolg ihrer Tochtergesellschaften abhängig und in der Regel nicht selbst operativ tätig. Die Finanzierung der verbundenen Unternehmen erfolgt meist über die Muttergesellschaft, welche Darlehen aufnimmt und diese an ihre Tochtergesellschaften weiterreicht ("down-stream"-Finanzierung).15) Die den Töchtern gewährten Kredite sind gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO als nachrangig gegenüber dritten Gläubigern einzustufen. Im Insolvenzfall einer Tochtergesellschaft ist die Rückgewähr der Darlehen also nicht garantiert, sondern erfolgt erst nach Befriedigung der Ansprüche nicht nachrangiger Gläubiger. Außerdem ist die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen gemäß § 133 und § 135 InsO durch Dritte anfechtbar.16) Zudem haben die Anleihegläubiger bei Insolvenz der Muttergesellschaft keinen Zugriff auf die Vermögenswerte der Tochtergesellschaften. Gemäß § 241 Abs. 1 BGB erwirbt der Schuldner mit der Anleihe lediglich Ansprüche gegenüber dem Emittenten. Dies ist umso kritischer, wenn die Obergesellschaft als reine Holding fungiert und selbst keine Vermögenswerte mit Ausnahme der Unternehmensanteile besitzt. Besonders kritisch wird diese Unternehmensstruktur, wenn Tochtergesellschaften Insolvenz anmelden und den Verbindlichkeiten der Holding keine Vermögenswerte mehr gegenüberstehen. Weiterhin besteht bei sechs Emittenten ein Ergebnisabführungsvertrag mit der Konzernmutter beziehungsweise Gesellschaftern. Bei dieser Konstellation wäre zu erwarten, dass die Anleihe eine Garantie der Muttergesellschaft beziehungsweise umfassende Schutzklauseln zugunsten der Gläubiger enthält. Die Auswertung der Wertpapierprospekte zeigt, dass nur eine der betroffenen Anleihen nachrangig besichert wurde beziehungsweise zwei Anleihen eine Cross-Default-Klausel besitzen. In fünf Fällen werden Negativerklärungen für Kapitalmarktverbindlichkeiten ausgesprochen. Dies führt wie bereits beschrieben zu einem strukturellen Nachrang. Zwei der betroffenen Anleihen wurden mit Financial Covenants ausgestattet, welche in einem Fall die Verschuldung begrenzen und im anderen die Mindesteigenkapitalquoten der Holding und des Emittenten festlegen.17) Ein nicht unerhebliches Risiko für Investoren ergibt sich aus dem Rating der Mittelstandsanleihen. Keine der per 31. Januar 2013 notierten Anleihen besitzt ein Rating von einer der drei großen Ratingagenturen (Standard & Poors - S& P, Moody's, Fitch). 3 W Power wirbt in ihrem Prospekt zwar mit einem Investment-Grade-Rating von S& P, dieses bezieht sich aber auf das der Garantin der Anleihe. Weiterhin wirbt Dürr im Wertpapierprospekt mit einem S&P Rating von B beziehungsweise B2 von Moody's, diese sind aber nicht aktuell. Begrenzte Aussagekraft der Ratings Betrachtet man die aktuellen Ratingnoten, besitzen 36 Prozent der Schuldverschreibungen ein Rating im Investment-Grade-Bereich, 45 Prozent ein Rating im Non-Investment-Bereich, und 19 Prozent sind ungeratet. Die Ratings stammen zu 88 Prozent von Creditreform, die restlichen Ratings wurden von Euler Hermes beziehungsweise Scope erstellt.18) Vergleicht man die Renditen von Anleihen von Großunternehmen mit denen von Mittelstandsanleihen beziehungsweise entsprechender Indizes, so fällt auf, dass sich bei gleichem Rating die Renditen deutlich unterscheiden: die Investoren verlangen für Mittelstandsanleihen eine höhere Rendite als für Unternehmensanleihen von bekannten Großunternehmen.19) Die Abbildung illustriert diesen Zusammenhang. Ein möglicher Grund für die unterschiedlichen Renditeerwartungen der Investoren bei Mittelstandsanleihen und Blue-Chip-Anleihen kann zum einen die unterschiedliche Sekundärmarktliquidität sein. Mittelstandsanleihen werden regelmäßig nicht durch ein Bankenkonsortium betreut. Anleihen großer Emittenten werden in der Regel durch ein solches am Markt platziert. Darüber hinaus werden die Konsortialbanken als Marketmaker mandatiert, die am Sekundärmarkt Geld- und Briefkurse stellen. Somit können Investoren sicher sein, dass sie ihre Anleihen jederzeit verkaufen können. Bei Mittelstandsanleihen sind Verkäufer darauf angewiesen, dass zum gleichen Zeitpunkt ein Käufer die Anleihe zum angebotenen Preis kaufen will.20) Zum anderen ist aber auch zu berücksichtigen, dass nur bei 18 Prozent der gerateten Mittelstandsanleihen ein Emissionsrating vorliegt. Das in 82 Prozent der Emissionen angegebene Unternehmensrating berücksichtigt nicht die Risiken, die sich aus der Struktur der Anleihe ergeben. Eventuell vorhandene Besicherungen und/ oder Covenants finden keinen Eingang in das Rating, obwohl diese das Risiko der Investoren regelmäßig erhöhen beziehungsweise mindern können. Diese Vorgehensweise kann (vor allem Privat-) Investoren leicht in die Irre führen.21) Als Beispiel ist hier die ausgefallene Anleihe von SIAG zu nennen, welche gleichzeitig die bisher einzige Mittelstandsanleihe mit einem Rating von S& P war. Das Unternehmen wurde mit B- bewertet, wohingegen die Anleihe nur ein CCC+ erhielt und sich tief im spekulativen Bereich befand. Die unterschiedlichen Ratingnoten von Emittent und Anleihe zeigen, dass ein Emittentenrating nicht zu einer risikoadäquaten Bewertung von Anleihen geeignet ist.22) Dass die Asset Encumbrance in den Ratings der Agenturen, die Mittelstandsanleihen beurteilen, nicht berücksichtigt wird, verstärkt die Problematik der mangelnden Aussagefähigkeit der Ratings. Die Ratingnote gibt nur eine Ausfallwahrscheinlichkeit an, nicht aber eine Verlustquote bei Ausfall der Anleihe.23) Chancen und Risiken Scheint die Verzinsung von Mittelstandsanleihen mit Kupons zwischen 5,875 Prozent und 11,50 Prozent im aktuellen Niedrigzinsumfeld auf den ersten Blick noch als attraktive Anlagemöglichkeit, legt die Auswertung der Anleihebedingungen nahe, dass sich hierin auch ein höheres Risiko widerspiegelt. De facto handelt es sich nämlich bei den analysierten Anleihen um nachrangige Finanzierungsinstrumente. Besonders schwerwiegend ist dabei, dass der Nachrang nicht offensichtlich ist, sondern es sich um einen strukturellen Nachrang handelt, der erst bei genauer Analyse der Anleihebedingungen und der Jahresabschlüsse zu Tage tritt. Zudem werden die Emissionscharakteristika in der Regel nicht in den Ratingeinschätzungen berücksichtigt. Dass Mittelstandsanleihen gezielt Privatpersonen als Investoren ansprechen, verstärkt die negativen Aspekte dieses neuen Anleihesegments erheblich. Denn diese Anlegergruppe verfügt in der Regel nicht über ausreichend Erfahrung und Know-how, um diese Besonderheiten zu erkennen. Im Jahr 2012 und 2013 wurde der Schuldendienst bei 14 Anleihen von zwölf Emittenten ausgesetzt, und es wird erwartet, dass weitere Emittenten folgen.24) Um einen weiteren Vertrauensverlust und einen daraus resultierenden Marktzusammenbruch zu vermeiden, erscheint dringend eine Anpassung der Anleihebedingungen und der Ratingpraxis an die im Markt für Unternehmensanleihen üblichen Standards erforderlich. Literaturverzeichnis Bösl, K./Hasler, T. (2012): Mittelstandsanleihen, Ein Leitfaden für die Praxis, 1. Auflage, Wiesbaden. Brüse, M. (2011): Mezzanine-Kapital für den Mittelstand, 1. Auflage, Lohmar. 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In: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Internetdokument, abrufbar unter: http://www.bafin.de/Shared-Docs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2012/fa_ bj_2012_07_asset-encumbrance.html (Abrufdatum 24. Oktober 2013). o. V. (2012b): Mittelstandsfinanzierung über den Kapitalmarkt?! - Eine Umfrage bei erfolgreichen Emittenten und Mittelständlern, Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft , März 2012, Düsseldorf. o. V. (2013a): Unternehmen begeben verstärkt Schuldscheine, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 34, vom 9. Februar 2013, S. 21. Oulds, M. K. (2012): Restrukturierung nach dem Schuldverschreibungsgesetz und Bundesschuldenwesengesetz, in: Corporate Finance Law, Heft 7/2012, S. 353 bis 363. Römermann, V./Praß, J.-P. (2012): Das neue Sanierungsrecht für Unternehmen, 1. Auflage, Regenburg. Schick, G./Kern, F. (2013): Asset Encumbrance: weiter Handlungsbedarf, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 18, S. 898. Wöhe, G./Bilstein, J./Ernst, D./Häcker, J. (2013): Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, 11. Auflage, München. Fußnoten 1) Vgl. zum Beispiel die seit mehr als zehn Jahren regelmäßig von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durchgeführten Unternehmensbefragungen, KfW (2013) sowie die Analysen der Deutschen Bundesbank (2012). 2) Vgl. Bundesverband Deutscher Banken (2012), S. 3f.; o.V. (2012b), S. 7. 3) Vgl. Cezanne/Schiereck/Streuer (2013), S. 241; Kinateder (2013), S. 190f. 4) Eigene Berechnung anhand der Wertpapierprospekte. 5) Vgl. Bösl/Hasler (2012), S. 293. 6) Vgl. Brüse (2011), S. 342f.; Dentz (2012), S. 44. 7) § 793 Abs. 1 BGB; vgl. Wöhe/Bilstein/Ernst/Häcker (2013), S. 273. 8) Vgl. Oulds (2012), S. 354 ff.; Frank/Siebel (2012), S. 219. 9) Vgl. Frank/Siebel (2012), S. 218 f.; DVFA/BVI (2012), S. 5. 10) Vgl. DVFA/BVI (2012), S. 5. 11) Vgl. DVFA/BVI (2012), S. 13; vgl. Wertpapierprospekte. 12) Vgl. Frank/Siebel (2012), S. 220; vgl. Wertpapierprospekte. 13) Vgl. die Wertpapierprospekte von 3W Power (2010), BKN Biostrom (2011), EYEMAXX Real Estate (2011), EYEMAXX Real Estate (2012), Golden Gate (2011), Hahn-Immobilien (2012), Immobilien-Projekt-Gesellschaft Salamander Kornwestheim (2012), MS "Deutschland" Beteiligungsgesellschaft (2012), Peach Property Group (2011), TRAVEL 24.COM (2012), Uniwheels Holding (Germany) (2011). 14) Vgl. Meusel (2012), S. 2; Schick/Kern (2013), S. 898. 15) Vgl. Kann (2011), S. 19. 16) Vgl. Römermann/Praß (2012), S. 35. 17) Vgl. Wertpapierprospekte. 18) Vgl. Wertpapierprospekte. 19) Vgl. Frömert/Fuchs (2012), S. 75f. 20) Vgl. Wertpapierprospekte. 21) Vgl. Frömert/Fuchs (2012), S. 75. 22) Vgl. Bösl/Hasler (2012), S. 51 f.; o.V. (2013a), S. 21. 23) Vgl. Schick/Kern (2013), S. 898. 24) Vgl. Dentz/Hedtstück/Reifenberger (2014), S. 9. Eine Zusammenstellung der Wertpapierprospekte der betrachteten Mittelstandsanleihen kann auf der Homepage des Verlages unter Eingabe der Autorennamen oder eines Schlagwortes kostenfrei abgerufen werden - unter www.kreditwesen.de

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