Aufsätze

Zur nachhaltigen Ertragskraft der deutschen Großbanken

Die Ertragskrise der deutschen Banken ist nach der öffentlichen Wahrnehmung überwunden. Gleichwohl warnt etwa die Bundesbank immer noch davor, dass die Ertragssituation der deutschen Banken unzureichend ist. In diesem Beitrag wird das nachhaltige Ergebnis der deutschen Großbanken im Jahr 2006 analysiert.

Nachhaltige Ertragskraft als primäres Ziel der Bankbilanzanalyse

Ziel der erfolgswirtschaftlichen Analyse ist es, die wichtigsten Erfolgsquellen herauszufiltern, um Aussagen über die künftigen Erfolgsbeiträge, kurz die Ertragskraft, zu gewinnen. Hierbei wird durch eine Erfolgsspaltung die Zerlegung des Erfolges in seine einzelnen Bestandteile vorgenommen.1) Damit werden die einzelnen Erfolgsquellen getrennt, um genauer analysiert werden zu können. Als wichtigste Kriterien für die Erfolgsspaltung nennt Baetge2) die Nachhaltigkeit, Betriebszugehörigkeit und Periodenbezogenheit des Unternehmenserfolges. Als "nachhaltig" werden Erfolge angesehen, die "voraussichtlich auch künftig in ähnlicher Höhe auftreten werden". Sie werden als ordentlich definiert, während der verbleibende Rest als außerordentlich zu betrachten ist (vergleiche Baetge 1998, Seiten 342 und 343).

Die Nachhaltigkeit ist der zentrale Begriff der Bilanzanalyse. Er wird in der Literatur allerdings kritisch betrachtet. So vermisst beispielsweise Moxter eine Messvorschrift für eine Nachhaltigkeit in dem hier gemeinten Sinne.3) Damit ist eine gewisse Willkür bei der Definition von Nachhaltigkeit gegeben. Mit der Betriebszugehörigkeit von Erfolgen wird auf die eigentliche betriebliche Tätigkeit abgestellt. Sie ist dadurch charakterisiert, dass ihr Fehlen unmittelbar die gewöhnliche Geschäftstätigkeit beeinträchtigt (vergleiche Baetge 1998, Seite 344). Baetge selbst erwähnt, dass nicht immer eindeutig geklärt werden kann, ob Erfolgsbeiträge betrieblich oder nicht betrieblich sind (vergleiche Baetge 1998, Seite 344).

Unter der Periodenbezogenheit wird die Zuordnung nur solcher Vorgänge verstanden, die in einer Periode verursacht wurden. Damit sollen periodenübergreifende Erfolgsverlagerungen vermieden werden (vergleiche Baetge 1998, Seite 344). Nicht der Periode zugehörige Vorgänge werden als außerordentlich eingestuft.

Die erfolgswirtschaftliche Analyse basiert auf dem Grundgedanken der Ermittlung eines Periodengewinns, der dem dynamischen Bilanzdenken Schmalenbachs entspringt.4) Problematisch ist bei diesem Ansatz, dass mit dem Periodengewinn zukünftige Entnahmeerwartungen approximiert werden sollen. Die Bilanz als Rechenschaftsinstrument verlangt aber nach Objektivierung, um sie nicht in das Belieben des Bilanzierenden zu stellen. Objektivierung bedeutet dabei sowohl die Orientierung an Vergangenheitswerten als auch die Normierung bei der Behandlung von Sachverhalten. Beide, Vergangenheitsorientierung und Normierung, stehen einer Prognose von Entnahmeerwartungen entgegen (vergleiche Moxter 1976, Seite 255 ff.). Eine solche Prognose verlangt nach Subjektivität und Flexibilität. Dieses Dilemma kann die Bilanzanalyse nicht lösen.

Trotz der gravierenden Probleme, die mit einer externen Bilanzanalyse verbunden sind, soll mit den vorhandenen IFRS-Jahresabschlüssen das nachhaltige Ergebnis der deutschen Großbanken ermittelt werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass Bilanzen die bei weitem wichtigste, nicht selten die einzige Informationsquelle für Anteilseigner und potenzielle Investoren darstellen und die Rechnungslegungsnormen, insbesondere IFRS und US-GAAP, primär diese Adressaten als Hauptzielgruppe definieren. Da die IFRS Untersuchungsgegenstand sind, wird die Deutsche Bank nicht analysiert, da sie nach US-GAAP abschließt.

Analyse deutscher Großbanken

Die Commerzbank hat in 2006 ein Ergebnis vor Steuern von 2,375 Milliarden Euro erzielt. Darin sind folgende außerordentliche Faktoren enthalten.

- Im Handelsergebnis: Ergebnis aus der Anwendung der Fair-Value-Option von 53 Millionen Euro; nach der Fair-Value-Option können Banken einzelne Finanzinstrumente zum Marktwert bewerten, wobei die Wahl subjektiv erfolgt. Es können also nur diejenigen Positionen zum Marktwert bewertet werden, bei denen ein Wertanstieg vorliegt. Deshalb ist diese Position außerordentlich.

- Ergebnis aus Beteiligungs- und Wertpapierbestand: Veräußerungs- und Bewertungsergebnis aus Beteiligungen, Beteiligungen an assoziierten Unternehmen und Anteilen an Tochterunternehmen von 625 Millionen Euro. Diese Position ist außerordentlich, da sie nicht wiederholbar (Veräußerungsergebnis) beziehungsweise durch Wertminderungen entstanden ist (Bewertungsergebnis).

- Sonstiges Ergebnis: Auflösungen von Rückstellungen von 93 Millionen Euro und Erträge aus der Veräußerung von Sachanlagen von 15 Millionen Euro sind außerordentlich, da periodenfremd beziehungsweise nicht wiederholbar. Übrige sonstige Aufwendungen/Erträge (saldiert) von neun Millionen Euro sind außerordentlich, da nicht erläutert.

- Restrukturierungsaufwendungen von 253 Millionen Euro sind wegen der Integration der Eurohypo außerordentlich.

- In der Risikovorsorge sind laut Commerzbank 293 Millionen Euro Einmalfaktoren enthalten. Allerdings ist die Risikovorsorge laut GuV für die nachhaltige Risikovorsorge ungeeignet, da sie über einen Konjunkturzyklus hinweg weit unterschiedliche Werte annimmt. Besser geeignet ist ein Durchschnittswert über einen längeren Zeitraum. Da die Nettozuführung bilanzpolitisch stärker beeinflussbar ist als die tatsächlichen Ausfälle, werden die Ausfälle als Basis für die nachhaltige Risikovorsorge verwendet.

Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der Ausfallquote der Commerzbank als Verhältnis von Ausfällen zu Kreditvolumen. Sie beträgt durchschnittlich 0,34 Prozent. Nachhaltig wäre damit eine Risikovorsorge von 0,34 Prozent × 316 472 Millionen Euro = 1 076 Millionen Euro anzusetzen. Statt 585 Millionen Euro - wie die Commerzbank selbst angibt - sind damit 1 076 Millionen Euro nachhaltig zu erwarten. Das nachhaltige Ergebnis vor Steuern der Bank liegt bei 1 635 Millionen Euro. Bei einem Eigenkapital von 15,3 Milliarden Euro beträgt die Eigenkapitalrendite vor Steuern 10,7 Prozent.

HVB Group (Hypovereinsbank)

Die HVB Group hat in 2006 ein Ergebnis vor Steuern von 1 618 Millionen Euro erzielt. Darin sind folgende außerordentliche Faktoren enthalten:

- Im Handelsergebnis: Ergebnis aus der Anwendung der Fair-Value-Option von 27 Millionen Euro. Realisierungserfolge aus Privat Equity sind mit 38 Millionen Euro enthalten und nicht als in jedem Fall wiederholbar einzustufen.

- Saldo sonstige Aufwendungen/Erträge: Restliche sonstige Erträge von 105 Millionen Euro sind mangels Erläuterungen als außerordentlich anzusehen.

- Restrukturierungsaufwendungen aus der Integration in die Unicredit von 60 Millionen Euro sind als außerordentlich anzusehen.

- Finanzanlageergebnis: Realisierungser folge von 919 Millionen Euro sind nicht wiederholbar. 130 Millionen Euro Abschreibungen auf Immobilien sind außerordentlich.

Andere nicht operative Aufwendungen enthalten 153 Millionen Euro aus der Anwendung der Fair-Value-Option. Tabelle 2 zeigt die Entwicklung der Ausfallquote der Hypovereinsbank als Verhältnis von Ausfällen zu Kreditvolumen.

Damit beträgt die Ausfallquote der Hypovereinsbank durchschnittlich 0,64 Prozent. Nachhaltig wäre damit eine Risikovorsorge von 0,64 Prozent × 210 072 Millionen Euro = 1 344 Millionen Euro anzusetzen. Statt 933 Millionen Euro sind damit 1 344 Millionen Euro nachhaltig zu erwarten. Das nachhaltige Ergebnis vor Steuern der Hypovereinsbank liegt damit bei 331 Millionen Euro. Bei einem Eigenkapital von 20 Milliarden Euro beträgt die

Eigenkapitalrendite der Bank damit vor Steuern 1,7 Prozent.

Hypo Real Estate

Die Hypo Real Estate hat in 2006 ein Ergebnis vor Steuern von 571 Millionen Euro erzielt. Darin sind folgende außerordentliche Faktoren enthalten.

- Finanzanlageergebnis: 86 Millionen Euro Veräußerungs- und Bewertungsergebnis ist nicht wiederkehrend.

- Sonstige betriebliche Erträge: Zehn Millionen Euro sind außerordentlich, da Auflösungen von Rückstellungen oder nicht erläutert.

Die Restrukturierungsaufwendungen der Hypo Real Estate werden wegen des wiederkehrenden Charakters nicht als außerordentlich eingestuft. Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der Ausfallquote der Hypo Real Estate als Verhältnis von Ausfällen zu Kreditvolumen.

Die Daten der Hypo Real Estate zeigen ein Dilemma der externen Analyse. Da die Bank durch die "Altlasten" der Hypovereinsbank eine sehr hohe Ausfallquote in 2004 aufwies, wird der Durchschnittswert massiv in die Höhe gezogen. Gleichzeitig liegen erst vier Jahreswerte des Institutes vor, sodass ein glättender Einfluss noch nicht vorliegt. Deshalb wird der Durchschnittswert ohne 2004 heranzogen. Dies ist zwar zu kritisieren, da die Objektivität nicht gewahrt wird. Es wird aber die Hoffnung vertreten, dass die Hypo Real Estate die "Fehler" der Vergangenheit nicht mehr begehen wird.

Damit beträgt die Ausfallquote der Hypo Real Estate durchschnittlich 0,26 Prozent. Nachhaltig wäre damit eine Risikovorsorge von 0,26 Prozent × 94 828 Millionen Euro = 247 Millionen Euro anzusetzen erwarten. Statt 159 Millionen Euro sind damit 247 Millionen Euro nachhaltig zu erwarten. Das nachhaltige Ergebnis vor Steuern der Hypo Real Estate liegt damit bei 387 Millionen Euro. Bei einem Eigenkapital von 3,4 Milliarden Euro beträgt die Eigenkapitalrendite damit vor Steuern 11,4 Prozent.

Postbank

Die Postbank hat in 2006 ein Ergebnis vor Steuern von 941 Millionen Euro erzielt. Darin sind folgende außerordentliche Faktoren enthalten.

- Ergebnis aus Finanzanlagen: 292 Millionen Euro Veräußerungs- und Bewertungsergebnis ist nicht wiederkehrend.

- Verwaltungsaufwendungen: 15 Millionen Euro außerplanmäßige Abschreibungen auf Sachanlagen.

- Sonstige betriebliche Erträge: 53 Millionen Euro Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen, fünf Millionen Euro Buchgewinne aus dem Sachanlagevermögen, 20 Millionen Euro Erstattungen aus Sozialbereichen, 95 Millionen Euro Übrige sind außerordentlich, da nicht wiederkehrend beziehungsweise nicht erläutert. Tabelle 4 zeigt die Entwicklung der Ausfallquote der Postbank als Verhältnis von Ausfällen zu Kreditvolumen.

Damit beträgt die Ausfallquote der Postbank durchschnittlich 0,14 Prozent. Nachhaltig wäre damit eine Risikovorsorge von 0,14 Prozent × 105 506 Millionen Euro = 148 Millionen Euro anzusetzen. Statt 337 Millionen Euro sind damit 148 Millionen Euro nachhaltig zu erwarten. Das nachhaltige Ergebnis vor Steuern der Postbank liegt damit bei 650 Millionen Euro. Bei einem Eigenkapital von 5,2 Milliarden Euro beträgt die Eigenkapitalrendite damit vor Steuern 12,5 Prozent.

Einfluss der außerordentlichen Erträge

Die Analyse der vier Großbanken hat als primäres Ergebnis erzielt, dass die Eigenkapitalrenditen bei allen vier untersuchten Banken unzureichend sind. Sie liegt zwischen 1,7 Prozent und 12,5 Prozent vor Steuern. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die hohen Ergebnisse in 2006 teilweise durch außerordentliche Erträge erzielt wurden, die sich in der Zukunft nicht wiederholen lassen. Es stellt sich damit die Frage, ob die Banken einen erneuten Konjunktureinbruch verkraften könnten.

Fußnoten

1) Vergleiche Coenenberg, Adolf G. (2001) "Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse", 18. Auflage, Landsberg/Lech, Seite 337 ff.).

2) Vergleiche Baetge, Jörg (1998), "Bilanzanalyse", Düsseldorf, Seite 343.

3) Vergleiche Moxter 1976a, "Bilanzlehre", 2. Auflage, Wiesbaden, Seite 156.

4) Vergleiche Schmalenbach, Eugen (1962), "Dynamische Bilanz", 13. Auflage, Köln.

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