Aufsätze

Pensionskonzept "LDI": in Europa auf dem Vormarsch, in Deutschland vernachlässigt

Das Konzept "LDI" (Liability-Driven Investment) ist in ganz Europa in aller Munde. Zwei Drittel aller Pensionsmanager halten diese Anlagestrategie, die an den künftigen Verbindlichkeiten orientiert ist und bei der Anlage- und Auszahlungsfristen aneinander angepasst werden, für sinnvoll. In Deutschland ist diese Strategie allerdings regulationsbedingt noch wenig verbreitet.

Europaweite Studie

Um die Hintergründe der unterschiedlichen Verbreitung zu beleuchten und aktuelle Trends und Meinungen zu identifizieren, hat JP Morgan Asset Management die europaweite Studie "JP Morgan Liability-Driven Investment (LDI) Survey - A survey into trends in risk management among Europe's Defined Benefit Pension Schemes" initiiert. Insgesamt 214 Verantwortliche für Pensionspläne mit festen Leistungszusagen (Defined Benefit) aus 14 Ländern haben an der Befragung teilgenommen.

Die Ergebnisse der Erhebung zeigen, dass das Maß wie das Konzept in den unterschiedlichen Ländern angenommen wird und was es beinhalten sollte, sehr stark variiert. Auch wenn die individuelle Bereitschaft zur Adaption des Konzepts noch nicht bei jedem Pensionsfonds gegeben ist: Insgesamt gaben über zwei Drittel der Befragten an, dass eine LDI-Strategie für jeden Pensionsplan sinnvoll ist, unabhängig davon, ob dieser ein Defizit oder einen Überschuss in der Deckung hat.

Aufgrund des regulatorischen Umfelds in Deutschland mit strengen Richtlinien, welcher Anteil des Vermögens in riskante Anlagen investiert werden darf, sind LDI-Konzepte hierzulande noch nicht begünstigt. Entsprechend sind die Anforderungen an die Kapitaldeckung nicht am Marktwert der Verpflichtungen orientiert. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, dass das Konzept LDI hier bisher weniger Beachtung findet. Der Trend zum Umdenken ist aber bereits ablesbar: Immerhin geben 26 Prozent der Befragten in Deutschland an, eine LDI-Strategie gerade einzuführen oder zumindest in Erwägung zu ziehen (Abbildung 1).

Europaweit ist LDI inzwischen bei 47 Prozent der europäischen institutionellen Investoren ein fester Bestandteil des Pensionsmanagements. Fast jeder fünfte europäische Pensionsfonds (19 Prozent) nutzt die Anlagestrategie bereits, weitere sieben Prozent führen sie zurzeit ein. Und 21 Prozent ziehen den Einsatz einer LDI-Strategie zumindest in Betracht. Lediglich zehn Prozent sind der Meinung, LDI sei ein kurzfristiger Trend ohne substanzielle Bedeutung. Die Niederlande, Dänemark, Schweden und Großbritannien sind derzeit führend bei LDI. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das regulatorische Umfeld in diesen Ländern solche Konzepte begünstigt. LDI-Strategien werden nämlich signifikant häufiger umgesetzt, wenn es erforderlich ist, die Pensionsverpflichtungen zu Marktkonditionen zu bewerten. Entsprechend findet LDI in den Niederlanden am stärksten Akzeptanz: 66 Prozent der Befragten nutzen diese Strategie bereits oder wollen diese einführen. Dänemark und Schweden folgen mit 53 Prozent, gefolgt von Großbritannien mit 44 Prozent.

Erste Auswirkungen: Trend zur Erhöhung der Duration

Erste spürbare Auswirkung des Trends zu LDI ist eine Verlängerung der Duration, also der mittleren Kapitalbindung: Mehr als die Hälfte der Befragten hat ihr Anleihenportfolio bereits entsprechend modifiziert oder plant dies. Beträgt die durchschnittliche Duration der Portfolios in europäischen Pensionsplänen aktuell 9,3 Jahre, so wird kurzfristig eine Steigerung um knapp zwei Jahre auf 11,1 Jahre erwartet. Da die durchschnittliche Duration der Pensionsverpflichtungen 21 Jahre beträgt, ist hier nach wie vor ein Ungleichgewicht festzustellen (Abbildung 2).

In den Niederlanden und Großbritannien wird die Steigerung der Duration am höchsten sein (von 10,5 auf 13,8 Jahre beziehungsweise von 15,1 auf 17,1 Jahre). Insgesamt gaben mehr als 70 Prozent der Befragten an, die Erhöhung der Duration aufgrund der Verpflichtungen und nicht etwa aufgrund Veränderungen an den Kapitalmärkten zurückführen.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz lassen sich trotz relativ geringer Beteiligung folgende Trends feststellen: in Deutschland und Österreich ist die Entwicklung zur Durationssteigerung auf niedrigem Niveau ebenfalls gegeben. In der Schweiz lässt sich dagegen ein gegenläufiger Trend beobachten - hier haben einige der Befragten sogar die Duration verringert.

Verstärkte Derivatenutzung zur Durationsverlängerung

Zur Schließung der Durationslücke zwischen Anlagen und Verpflichtungen haben Emittenten in Kontinentaleuropa inzwischen ein Volumen von rund 400 Milliarden Euro in Rentenpapieren mit einer Laufzeit von 20 Jahren und mehr aufgelegt. Dies ist aber nur eine minimale Abdeckung des Volumens der europäischen Pensionsfonds in Höhe von 2,396 Milliarden Euro.*

Um das nicht vorhandene physische Volumen zu erzielen, ist der Einsatz von Derivaten wie Swaps hilfreich: Durch den Austausch von Schuldtiteln lassen sich die Cash-Flows an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmer anpassen.

Mit Implementierung einer LDI-Strategie geht deshalb eine verstärkte Derivatenutzung (Swaps, Futures, Forwards, Options oder Swaptions) einher. So setzen bereits 68 Prozent der Befragten Swaps ein oder planen dies in naher Zukunft. Während in Großbritannien die wenigsten Pensionspläne zum Derivateeinsatz bereit sind, haben diese Instrumente in Dänemark, Schweden und den Niederlanden bereits großen Anklang gefunden. Dies kann aber auch daran liegen, dass die sogenannten Over the Counter Transaktionen nicht von jedem Träger eines Pensionsplans umgesetzt werden kann. So präferiert fast jede zweite befragte Institution, dass ein Asset Manager diese Geschäfte für sie tätigt.

Einfluss auf das europäische Zinsniveau

Eine Zusammenarbeit mit einem Asset Management ist insbesondere dann sinnvoll, wenn "LDI" mehr sein soll als lediglich ein Abgleich der Durationen. Nicht zuletzt weil von den Pensionsträgern auch laufende Kosten zu decken sind, steigt die Notwendigkeit zusätzlicher Erträge. Deshalb sollte in jedem LDI-Konzept auch eine Strategie zur Alpha-Generierung enthalten sein. Asset Manager erarbeiten derzeit Konzepte mit langlaufenden Durationen (beispielsweise 15 oder 30 Jahren), die einen Zusatzertrag bereits beinhalten. Durch die Auflage als Publikumsfonds ist das Durations- und Konvexitätsmanagement ebenso wie eine effiziente Umsetzung durch die Vermeidung einzelner Handelspositionen oder Eigenhandel möglich.

Insgesamt wird durch LDI ein signifikanter Einfluss auf das Portfoliomanagement spürbar: Neben der Nutzung von Derivaten kommen auch andere "neuartige" Instrumente wie Total Return Strategien oder Produkte mit asymmetrischem Auszahlungsprofil stärker zum Einsatz. Letztlich werden sich sogar die europäischen Zinsniveaus verändern, denn die Zinskurve wird signifikant durch Strategien zur Durationsverlängerung beeinflusst.

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