Leitartikel

Ein Rahmen für Veränderungen

Wer der deutschen Fondsbranche rasche und gravierende Strukturveränderungen auf der Anbieterseite voraussagt, sollte allen Erfahrungen nach in längeren Zeiträumen denken. Denn zu oft haben sich die Prognosen über Konsolidierungstendenzen allenfalls der Tendenz nach bestätigt und sich längst nicht in der angesagten Geschwindigkeit vollzogen. So ist die erwartete Konzentration auf einerseits große Fondsgesellschaften mit breitem Produkt- und Dienstleistungsspektrum und andererseits kleinen, flexiblen Fondsboutiquen mit Spezialangeboten weniger ausgeprägt als das vor zwei Jahrzehnten erwartet wurde.

Denn überdeckt wurden und werden solche grundsätzlichen Entwicklungen bei gleichzeitiger Ausdünnung der mittleren Unternehmensgröße von den unverändert anhaltenden Wachstumstendenzen. In einer Branche mit einem rasanten und recht kontinuierlichen Anstieg der Fondsvolumina von knapp 1,2 Milliarden Euro Ende des Jahres 1959 über 208,2 Milliarden Euro Ende 1992 auf gut 2 084 Milliarden Euro per Ende Oktober 2013 lassen sich notwendige strukturelle Veränderungen durch das allgemeine Marktwachstum lange überdecken. Allein für das vergangene Jahrzehnt weist die Statistik des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI) trotz allem Wettbewerbsdruck durch Ausnutzung von Skalenvorteilen und sonstigen Zwängen zu Effizienz durch die diversen Widrigkeiten der Finanzkrise noch einmal nahezu eine Verdopplung des Vermögensbestandes aus.

Dennoch beleuchtet diese Erfolgsskizze der deutschen Fondsbranche seit Sommer 2013 eigentlich nur einen Ausschnitt. Denn seither muss man mit Blick auf neue Rahmenbedingungen durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) auch das Volumen und das Mittelaufkommen der geschlossenen Fonds hinzurechnen. Von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt sind nämlich seit Ende Juli vergangenen Jahres beide Fondskategorien unter dem gemeinsamen gesetzlichen Oberbau des KAGB geregelt. Von den reinen Zahlen her bewegen sich die Volumina der geschlossenen Fonds allerdings in viel bescheideneren Größenordnungen. Von einem Fondsvolumen von 7,38 Milliarden Euro, davon 4,5 Milliarden Euro an platziertem Eigenkapital, spricht der zuständige Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen und liegt damit weit unter dem Höchststand von 21,34 Milliarden Euro mit 11,03 Milliarden Euro Eigenkapital zum Jahresende 2005.

Gleichwohl skizzieren die Beiträge dieses Heftes die Veränderung der Rahmenbedingungen durch das KAGB als grundlegendste Veränderung der Fondsregulierung seit den zarten Anfängen der hiesigen Investmentbranche Ende der fünfziger Jahre. Respektvoll schreibt der Verband dieser Neuerung das Potenzial zu, die Fondsbranche grundlegend umzugestalten. Zwar darf der BVI als Branchenverband der offenen Fonds dabei erst einmal dezent darauf hinweisen, dass nun auch die Verwalter geschlossener Fonds erstmalig gesetzliche Vorgaben erfüllen müssen, "die für offene Fonds bereits seit Langem gelten", doch dürften sich mit dieser selbstbewussten Aussage gleichzeitig Hoffnungen und Befürchtungen verbinden. Denn auf der einen Seite eröffnen sich diesem Teil der Fondsbranche Chancen, seriöse Anbieter aus dem Umfeld der geschlossenen Fonds in den eigenen Wirkungskreis einzubeziehen. Aber auf der anderen Seite dürfte es auf absehbare Zeit für den BVI ein ebenso großes Anliegen sein, den zuweilen zweifelhaften Ruf einiger geschlossener Fonds nicht in die Reihen der eigenen Mitglieder zu übertragen.

Höchst interessant wird deshalb in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung der jeweiligen Branchenverbände sein, die beide schon auf die Zukunft unter einem gemeinsamen Gesetzesdach reagiert haben. So lässt der BVI seit Herbst 2013 nicht zuletzt unter der perspektivischen Ausrichtung des Gesetzgebers auf einen gemeinsamen europäischen Fondsmarkt auch ausländische Fondsgesellschaften und Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) für geschlossene Fonds als Vollmitglieder zu. Und der frühere Verband für geschlossene Fonds firmiert seit Mitte 2013 als bsi Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen (siehe auch Kreditwesen 21-2013) und fühlt sich mit den gleichen Spielregeln für alle Marktteilnehmer und unter anderem der Möglichkeit einer BaFin-Zulassung künftig "auf Augenhöhe mit anderen Kapitalanlagen wie offenen Investmentfonds".

Vor diesem Hintergrund darf man also gespannt sein, auf welchen Feldern künftig der bsi und auf welchen der BVI seine Akzente zu setzen sucht und in welchen Sachfragen beide Interessengruppen zu gemeinsamen Positionen gegenüber der Politik finden werden. Für die Übergangszeit des endgültigen Inkrafttretens des KAGB Ende Juli dieses Jahres und sicher auch noch für eine Reihe von Jahren während eines Anpassungsprozesses zwischen den beiden Teilbranchen gibt es hinreichend Partikularinteressen zu vertreten. Aber auf lange Sicht könnte es durchaus zu einem Zusammenwachsen kommen.

Eine erste zaghafte Angleichung zwischen den Usancen beider Verbände gibt es übrigens bereits auf dem Feld der Berichtskultur. Beim BVI findet man traditionell Anfang Februar eine zeitnahe Berichterstattung über die Bestände und das Mittelaufkommen der Branche im Vorjahr. Diese wird dann monatlich fortgeführt und bis auf die Zahlen der Mitgliedsinstitute aufgeschlüsselt und veröffentlicht. Beschränkte sich der bsi bisher ebenfalls im Februar auf eine jährliche Präsentation der Marktdaten für geschlossene Fonds, sollen künftig auch dort von allen Mitgliedern sowie allen relevanten Anbietern im Bereich der Sachwertinvestitionen unterjährige Marktdaten abgefragt und veröffentlicht werden.

Nicht nur in der Berichterstattung, sondern generell bringt das neue KAGB die größeren Änderungen eindeutig für die bisher nicht oder nur schwach regulierten Anbieter von Kapitalanlagen. Sie reichen von der Erlaubnis- oder Registrierungspflicht für Fondsmanager beziehungsweise Kapitalverwaltungsgesellschaften über organisatorische Anforderungen an den Geschäftsbetrieb und die Geschäftsführung bis zum Aufbau eines verbesserten Risiko- und Liquiditätsmanagements sowie vielfältigen Berichtspflichten hinsichtlich der Produkt- und Vertriebspolitik. Welche Auswirkungen das haben könnte, wird in den Beiträgen dieses Heftes skizziert. Einige Anbieter dürften sich angesichts der neuen Anforderungen aus dem Geschäft der Neuauflage von Fonds zurückziehen und auf die Verwaltung bestehender Vermögen konzentrieren. Und andere dürften dazu neigen, den erhöhten Administrations- und Berichtsaufwand an externe Service-Gesellschaften zu übertragen.

Zu den Gewinnern der KAGB-Regelungen gehören die Verwahrstellen beziehungsweise Depotbanken. Denn alle Anbieter geschlossener Fonds müssen sich künftig nicht nur eine Depotbank suchen, sondern angesichts deren erweiterten Haftungsregelungen bezüglich der verwahrten Vermögensgegenstände sowie den umfangreichen Kontroll- und Dokumentationspflichten im Sinne des Verbraucherschutzes wird sich für viele die grundsätzliche Frage stellen, entweder die notwendigen Investitionen in die notwendige Infrastruktur zu tätigen oder diese Dinge an Spezialisten zu übertragen. Gerade über diese Schiene werden sich viele strategische Anpassungsprozesse der Branche vollziehen und wahrscheinlich zu Konsolidierungsprozessen führen.

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