Interview

Redaktionsgespräch mit Wolfgang Mansfeld - "Wir sind auf dem Weg zu einem integrierten Markt"

In welcher Verfassung ist die deutsche Fondsindustrie im Herbst 2009?

Der Branche geht es deutlich besser. Gemessen am Jahr 2008 hat sie sich eindeutig stabilisiert. Mit verwalteten Assets von 1,647 Billionen Euro per Ende September 2009 haben wir den starken Einbruch gegen Ende des vergangenen Jahres hinter uns gelassen und die Hälfte des Weges bis zur Marke von knapp 1,7 Billionen Euro aus dem Jahre 2007 geschafft. Besonders wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass Anleger zur Fondsanlage zurückgefunden haben und damit wieder Vertrauen in unsere Produkte signalisieren.

Wird man die Branche aus heutiger Sicht im Rückblick eher zu den Gewinnern oder zu den Verlierern der Finanzkrise rechen müssen?

Im Vergleich zu anderen Anlagekategorien haben wir uns relativ gut gehalten. Das gilt nicht nur mit Blick auf die Zertifikateindustrie, die einen noch stärkeren Rückgang erlitten hat. Auch die Lebensversicherungen, haben - obwohl direkt weniger betroffen - nur in überschaubarem Ausmaß in der Krise Neugeschäft generiert.

Ohne Frage hat die Fondsbranche im Zuge der Finanzmarktkrise unter dem Verfall der Aktienmärkte und der strukturierten und forderungsbesicherten Werte ganz massiv gelitten. Noch mehr hat uns dann bekanntlich die im Prinzip richtige Einlagengarantie der Bundesregierung vom 5. Oktober 2009 geschadet. Der unglückliche

Satz, dass dies nicht für Investmentfonds gelte, hat uns 50 Milliarden Euro an Mittelabflüssen allein im Monat Oktober beschert. Davon haben wir uns immer noch nicht ganz erholt, auch wenn wir in diesem Jahr bisher ein knapp ausgeglichenes Ergebnis bei den Publikumsfonds feststellen können und wichtige Fondskategorien wie Aktien- und Mischfonds wieder gutes Neugeschäft aufweisen. Beim Fondsvermögen beispielsweise hatten wir im Jahr 2008 in Summe durch Mittelabflüsse und insbesondere durch Kursverluste knapp 200 Milliarden Euro verloren, die wir inzwischen nicht zuletzt durch Kursgewinne aber zu mehr als der Hälfte wieder aufgeholt haben. Alles in allem darf die Branche damit wieder zuversichtlich nach vorne schauen.

Sehen Sie das Vertrauensverhältnis Ihrer Branche zur Bundesregierung oder zur Bundespolitik insgesamt noch geschädigt?

Nein, so weit möchte ich nicht gehen. Die Einlagengarantie an sich hat unsere Branche ja immer für einen richtigen und damals notwendigen Schritt gehalten. Der Rest war seinerzeit einfach eine Formulierung, die sicher nicht mit der Absicht abgegeben worden ist, der Fondsbranche zu schaden. Von uns war schnelle und klare Aufklärungsarbeit gefragt. Durch eine Anzeigenkampagne und faire Berichterstattung in den Medien über unsere Argumente haben wir sehr schnell für eine gewisse Beruhigung sorgen können. Auf ihrer Homepage und über andere Kanäle haben der BVI und nahezu sämtliche Mitgliedsunternehmen den Anlegern sofort an prominenter Stelle erklärt, dass es einer Garantie für Investmentfonds gar nicht bedarf, weil deren Vermögen an sich institutionell als Sondervermögen abgesichert ist. Mit diesen Maßnahmen haben wir uns sukzessive Gehör verschafft und die Panik vertreiben können. Geholfen hat uns bei der Krisenbewältigung übrigens das eine Woche nach der Einlagengarantie vorgelegte Sofortprogramm der Bundesregierung zur Finanzmarktstabilisierung. Dieses beinhaltete gerade für die Geldmarktfonds eine Art Zusage zur Sicherung der Liquidität.

Sind diese Erfahrungen auch der Grund für den BVI, für solche Notfälle einen Zugang von Geldmarktfonds zu Zentralbankgeld bei der EZB anzustreben?

Als im Herbst vergangenen Jahres die Liquidität an den Interbankenmärkten zusammengebrochen war, gab es für Geldmarktfonds eine sehr kritische Situation. Unsere Fondsmanager hatten große Schwierigkeiten, Papiere zu veräußern, und gleichzeitig gab es hohe Rückgabewünsche von Anlegern. Seinerzeit konnten wir eine Aussetzung der Rücknahme zwar vermeiden, aber grundsätzlich wäre es sinnvoll, wenn Geldmarktfonds in einer solchen Situation zu diesem Mittel greifen könnten. Deshalb haben wir angeregt, mit der EZB eine Lösung zu suchen, wie sie in den USA praktiziert wird - nämlich den Geldmarktfonds in solchen kritischen Ausnahmesituationen direkten Zugang zu Zentralbankgeld zu eröffnen. Durch Hereingabe von Teilen des Fondsvermögens als Sicherheit könnte kurzfristige Fazilität von der Zentralbank zur Verfügung gestellt werden.

Die EZB handelt und argumentiert bislang anders: Sie versorgt die Banken mit Liquidität, die diese dann weiterreichen sollen. In wirklich kritischen Situationen, so haben wir feststellen können, funktioniert dieser Umweg im Zweifel nicht. Die Banken unterliegen in solchen Extremlagen ja selbst bilanziellen Restriktionen. Das bleibt ein Punkt, über den wir und unser europäischer Dachverband EFAMA mit der EZB ohne zeitkritische Fristen im Gespräch bleiben und hoffentlich zu einer Lösung finden werden.

Welche Folgerungen zieht die Branche für ihre künftige Aufklärungsarbeit? Muss die Information über Fondsprodukte über das bisherige Maß hinaus ausgeweitet werden?

Wir müssen in der Tat sehr intensiv erklären, wie der Investmentfonds funktioniert. Es reicht nicht aus, mit dem Anleger nur über neue Produkte und die Wertentwicklung zu sprechen, sondern die elementaren Grundlagen unserer Branche müssen erklärt und verstanden werden. Die verschiedenen Elemente der institutionellen Sicherheit wie die Rolle der Depotbank und das Instrument des Sondervermögens sollten bei den Anlegern so weit verankert sein, dass das Vertrauen in unsere Produkte möglichst auch Extremsituationen wie im vergangenen Herbst standhält. Viele Gesellschaften haben diese Botschaften längst in ihren Vertriebskanälen verankert. Und darüber hinaus überlegen wir uns als Branche, ob wir diese Vorteile in der Öffentlichkeitsarbeit oder über eine Förderung der finanziellen Allgemeinbildung noch stärker positionieren können.

Zurück zur politischen Lobbyarbeit: Was bedeutet der Regierungswechsel für die Branche? Können Sie in der Kontaktpflege auf den vorhandenen Strukturen aufbauen?

Es gibt gleichermaßen Kontinuität wie Neuerung. Im Parlament wie auch im Finanzausschuss werden wir einige neue, aber auch viele bekannte Ansprechpartner finden. Und in den beiden für uns wichtigen Ministerien Finanzen und Arbeit gibt es zwar Änderungen an der Spitze, aber die Fachebene wird durch einen Regierungswechsel erst einmal wenig tangiert.

Inwieweit hat das Arbeitsministerium für die Branche einen so hohen Stellenwert?

Dieses Ressort ist für eine Reihe von wichtigen Branchenthemen von entscheidender Bedeutung, etwa für die betriebliche Altersvorsorge, die Mitarbeiterbeteiligung, für Zeitwertkonten, für die Vermögensbildung und nicht zuletzt für das gesamte Segment der Riesterförderung. Was hat die erste Auswertung des Koalitionsvertrages ergeben? Darf die Fondsbranche zufrieden sein?

Die Finanzmarktpolitik ist auf wenigen Seiten abgehandelt, und ersten Prüfungen nach gibt es keine unliebsamen Überraschungen. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge soll gestärkt werden, die Riester-Rente soll entbürokratisiert, flexibilisiert und auf Selbstständige ausgeweitet werden. All das gefällt uns sehr gut. Als höchst erfreulich werten wir das klare Signal, sich des Themas offene Immobilienfonds annehmen zu wollen. Wir hatten dazu nach den Rücknahmeaussetzungen im vergangenen Herbst schon konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Liquiditätssteuerung unterbreitet (siehe dazu Immobilien & Finanzierung 16-2009 - Red), die die alte Bundesregierung erst einmal zurückgestellt hatte, die nun aber wieder aufgegriffen werden. Sehr hilfreich ist auch die Zusicherung, den Belangen der deutschen Branche bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie über Alternative Investmentfonds - der AIFM-Richtlinie - Rechnung tragen zu wollen. Beim Anlegerschutz schließlich sind die Formulierungen noch zu unkonkret, um sie abschließend bewerten zu können.

Aber die Branche hat gewiss doch noch weitere Wünsche und Anregungen, die nicht explizit im Koalitionsvertrag aufgegriffen werden ...

Besonders wichtig ist uns nach wie vor das Thema Altersvorsorge. Wie schon früher kommuniziert, wollen wir zum einen die Auswirkungen der Abgeltungssteuer auf die Kapitalgewinne bei langfristigen Sparvorgängen geändert, sprich abgemildert wissen. Zumindest für Fondssparpläne sollten die günstigeren Regelungen gelten, die bereits für Lebensversicherungen in Kraft sind. Noch besser wäre es aber, die Erfassung von Kapitalgewinnen, also insbesondere die Belastung von Aktienkapital bei langfristigen Sparvorgängen weiter allgemein zu reduzieren.

Zum Zweiten sehen wir Handlungsbedarf in der betrieblichen Altersvorsorge. Denn der Durchdringungsgrad der bAV ist vor allem bei kleinen und mittleren Betrieben in hohem Maße unbefriedigend. Hier bauen wir auf eine Offenheit der Regierungskoalition für mehr Wahlmöglichkeiten und hoffen auf Fondssparpläne als Ergänzung des bisherigen Instrumentariums. In Form des bewährten Typs und Charakters des Riestersparens in den Gesetzgebungsrahmen einbezogen, könnte das der betrieblichen Altersversorgung die gewünschten Impulse geben.

In den vergangenen Wochen wurde wiederholt vor einer Überregulierung gewarnt. Welche Befürchtungen hat die Fondsbranche? Welche Vorhaben belasten am meisten?

Insgesamt können wir mit dem Investmentgesetz ganz gut leben, auch wenn es immer wieder Verbesserungswünsche im Detail gibt. Ein bekannter Dauerbrenner auf steuerlichem Gebiet ist etwa die leidige Thesaurierungsbesteuerung bei Investmentfonds, die im Rahmen der Abgeltungssteuer systemfremd ist und den Fondssparer bürokratischen Lasten aussetzt.

Aber auch zwei neuere Felder machen uns Sorgen: Eine Überregulierung befürchten wir zum einen durch die erwähnte AIFM-Richtlinie. Nach dem bisherigen Stand der Dinge würde sie hier in Deutschland wichtige Fondskategorien erheblich behindern. Denn der Anteil von "nicht in der EU harmonisierten" Fondstypen am verwalteten Vermögen, auf den sie maßgebliche Einwirkungen hat, beträgt hierzulande 81 Prozent, gegenüber 23 Prozent in Italien und nur elf beziehungsweise acht Prozent in Frankreich und UK. Betroffen wären in Deutschland insbesondere die Offenen Immobilienfonds und die Spezialfonds, aber auch AS-Fonds, Garantiefonds, Hedgefonds und gemischte Sondervermögen.

Augenmaß ist gefragt auf dem Gebiet des Anlegerschutzes. Dabei ist es seitens der Politik sicher richtig, dieses Thema aufzugreifen. An einer hohen Beratungsqualität in der Geldanlage müssen alle Beteiligten interessiert sein - also auch die Fondsbranche. Verständlicherweise ist im Zuge der Finanzkrise die Frage der Beratungsqualität stark in die öffentliche Diskussion geraten. Manche Vorstellungen, die hier geäußert werden, schließen aber über das Ziel hinaus. So halte ich eine politische Förderung der Honorarberatung für höchst problematisch. Man sollte bestimmte Beratungs- und Vertriebsformen nicht vorschreiben, sondern verschiedene Ansätze sollten sich im Wettbewerb entfalten. Und schließlich gibt es auch Vorstellungen, ein wie auch immer geartetes Produktampelsystem einzuführen. Auch dieses Instrument würde eine Fehlentwicklung bedeuten, zumal auch entsprechende Ansätze auf europäischer Ebene höchst kontrovers diskutiert werden.

Welche Ansätze sind das beispielsweise? Das betrifft etwa die Kurzinformation zu OGAW-Fonds, die sogenannte Key Investor Information. Sie wird als Teil der EU-Investmentrichtlinie in nationales Recht zu übernehmen sein, sobald sie verabschiedet ist. Die Wertpapieraufsichtsbehörden, die dieses Thema KII federführend bearbeiten, schlagen unter anderem einen quantitativen Risikoindikator vor. Der hat Vor- und Nachteile. Und entsprechend gibt es in der Industrie die Befürworter und die Skeptiker, zu denen auch ich zähle. Allein über diesen Risikoindikator wird seit zwei Jahren intensiv diskutiert. Das dabei erarbeitete Material füllt mittlerweile ganze Aktenschränke, weil es eine auch methodisch schwierige und komplexe Materie behandelt. Wie ist die Gültigkeit eines Risiko-Indikators, der auf der Volatilität der Vergangenheit aufbaut, für die Zukunft? Ist der Indikator überprüfbar? Wie wirken sich unterschiedliche Kapitalmarktzyklen aus? Was geschieht, wenn bei veränderten Märkten plötzlich die Skala nicht mehr stimmt? Welche Haftungsrisiken folgen daraus? Wieso wird die Zeitdimension nicht aufgenommen? Bei einer Aktienanlage über zwanzig oder dreißig Jahre, wie die Fondsbranche sie propagiert, sind kurzfristige Wertschwankungen praktisch weniger relevant. Nur diese auszuweisen, erschwert das Gespräch mit dem Anleger über die Nutzung des Faktors Zeit.

Solle man also den Anlegerschutz im Wesentlichen der Selbstregulierung überlassen? Sicher nicht, es gibt aber mit dem Wertpapierhandels- und dem Versicherungsvertragsgesetz bereits einen vernünftigen Rahmen, innerhalb dessen sich vorhandene Schwächen und Umsetzungsprobleme ausräumen lassen. Darüber hinaus melden sich die Verbraucherverbände und die Stiftung Warentest zu Wort, und auch viele private Anbieter stellen viele analytisch durchaus fundierte Produktvergleiche und Finanztests an. Die Vorstellung, die berechtigten Interessen des Anlegerschutzes mit einem einfachen, mit öffentlichen Weihen versehenen Ampel- oder Ratingmechanismus lösen zu wollen, halte ich für zu unrealistisch.

Wie sind die Zeitläufe bei der AIFM-Richtlinie?

Der ursprünglich von der EU-Kommission vorgelegte und zu Recht viel kritisierte Entwurf wird derzeit nach ermutigenden Signalen der schwedischen Ratspräsidentschaft bis Jahresende deutlich modifiziert. Die Kommission wird dann einen weiteren Entwurf vorlegen und zur Verabschiedung in das EU-Parlament geben. Bis Ende Januar kommenden Jahres sollen dann Änderungsvorschläge eingebracht, im Februar und März 2010 noch einmal im zuständigen Ausschuss des europäischen Parlamentes erörtert und dann im Juli 2010 zur Abstimmung gebracht werden.

Lässt sich aus deutscher Sicht hier noch etwas bewegen?

Da muss sich unserer Auffassung nach noch einiges bewegen. Und die Kernaussagen im Koalitionsvertrag deuten ja auch darauf hin, dass die Bundesregierung unsere Interessen insbesondere bezüglich der historisch gewachsenen Fondskategorien Offene Immobilienfonds und Spezialfonds tatkräftig in den europäischen Beratungen und Abstimmungsprozessen vertreten wird.

Inwieweit ist die Lobbyarbeit für die Investmentbranche überhaupt noch eine deutsche Angelegenheit? Was passiert in Brüssel? Wie ist die deutsche Fondsbranche dort aufgestellt?

Unsere Arbeit hat sich im vergangenen Jahrzehnt sicher mehr nach Brüssel verlagert. So wird das Investmentrecht im Wesentlichen in Brüssel gemacht. Und in den nächsten Jahren ist von dort noch eine Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie zu erwarten, die uns ebenfalls sehr stark betreffen wird. Umgesetzt werden die EU-Richtlinien nach dem schon seit einigen Jahren befolgten Grundsatz der Bundesregierung mittlerweile meist 1 : 1. Das heißt, anders als früher müssen wir in Berlin zwar viel weniger darum kämpfen, dass keine zusätzlichen nationalen Hürden aufgebaut werden. Berlin bleibt dennoch im Zentrum, weil große Teile des Investmentgesetzes - wie schon angedeutet - nicht EU-richtlinienkonforme Fondstypen betreffen. Darüber hinaus liegen die wichtigen steuerlichen Fragen zu größten Teilen in nationaler Obhut. Und nicht zuletzt ist immer wieder der bedeutende Teil der Altersvorsorge betroffen, der als Sozialpolitik maßgeblich nationales Recht darstellt.

Wie ist die Zusammenarbeit von BVI und der europäischen Interessenvertretung EFAMA?

Der Austausch ist eindeutig intensiver geworden. Und der BVI ist viel stärker gefordert, sich mit seinem vorhandenen Sachverstand in die Arbeit der European Fund and Asset Management Association einzubringen. Es gilt aber auch darüber hinaus, für die eigenen Interessen zu werben, sprich andere nationale Verbände von den eigenen Anliegen und Ideen zu überzeugen. So ist beispielsweise die Aufnahme der Offenen Immobilienfonds in die EU-Richtlinie seit Langem unser erklärtes Ziel. Dafür müssen wir selbst kämpfen und können nicht erwarten, dass die EFAMA uns dieses Thema abnimmt. Sie begleitet unser Anliegen, aber die entscheidende Energie auf diesem Gebiet muss von uns kommen. Neben der Mitarbeit in der EFAMA geht es in Brüssel um die Kontaktpflege zu Parlamentariern und zur Kommission. Wir müssen dort deutsche Besonderheiten als BVI selbst offensiv vertreten.

Europaweite Asset Manager sind nicht in Sicht, wann werden wir sie verstärkt sehen?

Dieser Eindruck täuscht. Es gibt sehr wohl Fondsgesellschaften, die in verschiedenen europäischen Ländern aktiv sind. Betrachtet man dazu noch die Marktanteile, die auf Luxemburg und Irland entfallen, läuft durchaus ein großer Teil des Fondsgeschäftes grenzüberschreitend. Wir sind auf dem Weg zu einem integrierten Markt. Sicher sind viele Auslandsstützpunkte von Fondsgesellschaften bislang oft über die strategische Ausrichtung der Muttergesellschaften zustande gekommen. Aber viele Fonds werden durchaus grenzüberschreitend vertrieben, auch wenn der weit überwiegende Teil des Fondsgeschäftes heute noch auf nationaler Ebene verläuft. Welchen Einfluss wird OGAW IV auf die Banchenstruktur in Europa haben?

Die zu Jahresbeginn reformierte Richtlinie soll vor allem für Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, die Möglichkeit schaffen, ihr Geschäft besser zu organisieren. Dazu gibt es das Instrument der grenzüberschreitenden Fondsfusionen. Das heißt, Gesellschaften mit wenigen Fonds in einzelnen Ländern können diese künftig mit Produkten ihrer größeren Einheiten verschmelzen und dadurch Kostenvorteile realisieren.

Das andere wichtige Thema ist der Management Pass. Dieser gibt beispielsweise einer Fondsgesellschaft in Deutschland das Recht, in Luxemburg Fonds aufzulegen, ohne dort überhaupt mit einer eigenen Gesellschaft vertreten zu sein. Diese Möglichkeit ist demnächst europaweit gegeben, und alle warten, ob und gegebenenfalls was sich daraus entwickelt. Wenn eine deutsche Gesellschaft ihre Tochter in Irland oder Luxemburg schließen würde, um ein Beispiel zu geben, hätte das weit reichende Auswirkungen. Das wird aber mittelfristig kaum geschehen. Denn solche strategischen Entscheidungen laufen aber in aller Regel langsam an, zumal OGAW IV erst 2011 in Kraft tritt.

Sind bei der nationalen Umsetzung Wettbewerbsverzerrungen zu erwarten?

Nein. Zwar hat jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit, für die eigene Industrie zusätzliche Vorschriften einzubauen. Aber allen Fonds, die in einem anderen Land den EU-Pass erhalten haben, darf der Zugang zum Inlandsmarkt nicht verweigert werden. Gerade mit Blick auf das Ziel des Anlegerschutzes macht eine verschärfte Umsetzung für inländische Fonds keinen Sinn. Insofern bedeutet die zügige 1 : 1-Umsetzung der Brüsseler Vorgaben, die ich in Deutschland erwarte, gegenüber früheren Zeiten einen klaren Fortschritt.

Zurück zum deutschen Markt: Stimmen hierzulande die Rahmenbedingungen für die Fondsverschmelzung?

Auf rein nationaler Ebene kommen wir mit den gegebenen Möglichkeiten zur Fondsverschmelzung derzeit zurecht. Ob die grenzüberschreitende Variante nach UCITS IV funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Unter anderem, weil in den verschiedenen europäischen Ländern ganz unterschiedliche steuerliche Regelungen gelten.

Wie ist derzeit das Image von Geldmarktfonds?

Diese Produktgruppe war von den Marktverwerfungen insofern tangiert, als sie in forderungsbesicherte und strukturierte Geldmarktpapiere angelegt hat. Derartige, eher chancenorientierte Geldmarktfonds waren im Zuge der Finanzmarktkrise von Kursverlusten betroffen, die nicht erwartet wurden. Inzwischen haben wir an dieser Stelle Schlussfolgerungen gezogen. Die Verwendung des Namens Geldmarktfonds soll künftig den Produkten vorbehalten bleiben, die von ihrer Ausrichtung so konservativ sind, dass größere Kursverluste beziehungsweise Kredit- und Liquiditätsrisiken de facto ausgeschlossen werden können. Nur diese werden nach einer Übergangsfrist noch als Geldmarktfonds vertrieben.

Produkte, die offensiver beziehungsweise chancenorientiert ausgerichtet sind, wie der BVI das seit Anfang des Jahres in seiner Statistik ausweist, wird es weiterhin geben. Gerade die gute Wertentwicklung dieses Jahres unterstreicht eindeutig die Existensberechtigung solcher Angebote. Aber sie sollen künftig nicht mehr das Label Geldmarktfonds tragen, sondern in andere Fondskategorien eingeordnet werden.

Dass die geschäftliche Entwicklung Geldmarktfonds der Branche im laufenden Jahr Rückflüsse beschert hat, liegt im Wesentlichen nicht an einem Imageschaden, sondern hat einfach mit den niedrigen Zinsen zu tun. Dieses Produktsegment hat es derzeit schwer, eine attraktive Performance zu bieten.

Wie steht der BVI zu ETFs? Fällt es Ihnen als Vertreter eines Hauses mit klarem Fokus auf das aktive Management schwer, in dieser Frage neutral zu urteilen?

Überhaupt nicht! Der Verband ist sehr froh, dass die führenden ETF-Anbieter unter seinem Dach organisiert sind. Und das Wachstum dieses Produktsegmentes auch in Deutschland ist aus Sicht eines Verbandspräsidenten höchst erfreulich. Wir sind kein Verband der aktiven Manager, sondern der gesamten Branche.

Inwieweit sind die Interessen der ETF-Produzenten und der aktiven Asset Manager deckungsgleich?

ETFs unterliegen als Investmentfonds dem Investmentgesetz. Sie haben durch die Börsennotierung einige Spezifika, aber diese Spezialfragen lassen sich in den Ausschüssen regeln. Die

Mitglieder des BVI haben im Übrigen schon seit vielen Jahren einen Vertreter dieses Segments in den Verbandsvorstand gewählt. Wie ist das Verhältnis zur Zertifikatebranche? Gibt es da einen klaren Abgrenzungsbedarf?

Die Zertifikatebranche wird durch einen eigenen Verband vertreten. Dass es Wettbewerb gibt, ist normal. Aber ähnlich wie bei den Lebensversicherern haben wir immer betont, dass es für funktional gleichartige Produkte, die ähnliche Anlegerbedürfnisse abdecken, vergleichbare Spielregeln geben muss - etwa hinsichtlich der Transparenz von Kosten oder steuerlicher Regelungen.

Und was sagen Sie zu den Überschneidungen und zum Teil auch zu den Konvergenzen, zwischen beiden Industriezweigen, die es mitunter in den Konzernen und/oder Verbundgruppen ihrer eigenen Mitgliedshäuser gibt?

Das muss jeder Konzern und jede Verbundgruppe selbst regeln. Natürlich stellt sich dort jeweils die Frage, wie mit dieser partiellen Wettbewerbssituation umgangen werden soll. Aber das ist ebenso intern zu lösen, wie das Verhältnis zum konzern- oder gruppeneigenen Bauspar- und Lebensversicherungsgeschäft.

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