Aufsätze

Regulierung von Schattenbanken – Europäische Kommission auf dem falschen Weg

Am 19. März 2012 hat die EU-Kommission ihr Grünbuch zur Regulierung des Schattenbanksektors auf europäischer Ebene vorgestellt, wonach die Aufsicht und Weitergabe von Informationen über die Finanzbranche geregelt werden sollen. Betroffen sind hiervon eine Vielzahl von Aktivitäten, Mechanismen und Instituten, die zwar im Finanzsystem aktiv sind, aber außerhalb des klassischen Bankensektors stehen.

Umsetzung der Beschlusslage

Mit Vorlage des Grünbuchs hat die Diskussion um die Regulierung des Schattenbanksektors an Fahrt gewonnen. Diese ist insbesondere wegen ihrer Bedeutung für die globale Finanzstabilität und aufgrund ihres signifikant gestiegenen Volumens von 25 bis 30 Prozent am globalen Finanzumsatz1) in den Fokus von Regierungen und Aufsichtsbehörden gerückt. Mit dem Entwurf will die EU-Kommission die Beschlüsse der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in EU-Recht umsetzen. Im November 2011 verabschiedeten die G20-Staats- und Regierungschefs in Cannes ein Maßnahmenpaket, das Empfehlungen des Finanzstabilitätsrates FSB (Financial Stability Board) zur besseren Überwachung und Regulierung des Schattenbankensektors enthält.

Der Finanzstabilitätsrat FSB hat auf Basis einer "High-Level-Task-Force" unter der Leitung von Lord Adair Turner, Chef der britischen Aufsichtsbehörde FSA (Financial Service Authority), folgende weite Definition des Schattenbanksystems entwickelt: "[...] das System der Kreditintermediation, das Entitäten und Aktivitäten außerhalb des regulären Bankensystems einbezieht".2) Demnach betreiben Geldmarktfonds, börsengehandelte Indexfonds, bestimmte Hedgefonds und Verbriefungsstrukturen Finanzgeschäfte, die wirtschaftlich in verschiedener Hinsicht mit dem Einlagen- und Kreditgeschäft der Banken vergleichbar sind. Diese als Schattenbanken bezeichneten Kapitalmarktakteure sind nun in den Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit gerückt und Gegenstand zahlreicher Aktivitäten internationaler Organisationen.

Neben der EU-Kommission mit dem Grünbuch wird der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht im Juli 2012 einen Bericht über die Beziehungen zwischen Banken und Schattenbanken vorlegen und mit der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) bis September 2012 weitere Vorschläge zum Umgang mit Verbriefungen machen. IOSCO wird bis Juli 2012 eine Studie über systemische Risiken im Zusammenhang mit Geldmarktfonds erstellen. Der Finanzstabilitätsrat untersucht bis September 2012 die Schattenbankenaktivitäten und fertigt bis Dezember 2012 einen Bericht zu den Themen Wertpapierleihe und Repo-Geschäfte3)an. Das ordnungspolitische Ziel der Regulierung des Schattenbanksystems ist ein erster Schritt für unregulierte Finanzinstrumente und Akteure, aufsichtsrechtliche Normen zu erlassen. Unabhängig davon ist jedoch eine kohärente Regulierung mit Augenmaß angebracht, die einer detaillierten Analyse aller beteiligten Finanzakteure und ihrer potenziellen Auswirkungen bedarf.

Graumarkt überwachen

Ist die EU-Kommission mit ihrem Grünbuch auf dem richtigen Weg? Basierend auf der Definition von Schattenbanken durch das FSB konzentriert sich die Kommission derzeit bei ihrer Analyse auf Unternehmen, die nach ihrer Einschätzung ähnliche Funktionen wie Banken erfüllen, hingegen jedoch keiner oder sehr geringer Kontrolle unterliegen. Hierzu zählen Zweckgesellschaften oder SPV (Special Purpose Vehicle), die eine Liquiditäts- und/oder Fristentransformation betreiben, Finanzierungsgesellschaften und Versicherer, die Kredite oder Garantien vergeben, ohne dabei vergleichbaren Regulierungen zu unterliegen wie eine Bank. Darüber hinaus werden börsengehandelte Fonds (ETFs) und Private-Equity-Vehikel sowie Geldmarktfonds aufgeführt. Zu den sogenannten Schattenbanktätigkeiten zählt die Kommission Verbriefung, Wertpapierleih- und Repogeschäfte.

Durch die Regulierung dieser Unternehmen und Tätigkeiten ist beabsichtigt, ein Ausweichen auf den Graumarkt zu unterbinden und diesen ausreichend zu überwachen, um potenzielle Systemrisiken rechtzeitig erkennen zu können. Diese Überwachung soll auf zwei Ebenen erfolgen: Auf der Makroebene können die Bestände der Aktiva im Schattenbankensystem sowie deren Änderungen geschätzt werden, um einen breiten Überblick über die Entwicklung zu erhalten. Gleichzeitig sollten auf der Mikroebene etwa die Engagements von Banken im Schattenbankengeschäft beobachtet werden, um mögliche Ansteckungsrisiken zu identifizieren. Zweifellos gehören Investmentfonds zur Kreditintermediationskette. Während die Kreditmediation im traditionellen Bankensektor üblicherweise unter einem Dach betrieben wird, ist im Schattenbankensystem in der Regel eine Vielzahl an unterschiedlichen Akteuren eingebunden. Hier vertritt die Kommission die Auffassung, dass unter anderem Geldmarkt- und Investmentfonds sowie börsengehandelte Indexfonds Geschäfte betreiben, die denen einer Bank nahe kommen, aber nicht der EU-Regulierung unterliegen.

Richtlinienkonforme Sondervermögen

Betreiben Investmentfonds Fristen- oder Liquiditätstransformation oder Kredithebelung und unterliegen diese keiner Regulierung durch die EU? Diese Frage ist schnell zu beantworten. Europäische Geldmarktfonds und ETFs unterliegen den gleichen strengen regulatorischen Vorschriften wie traditionell aktiv gemanagte Investmentfonds. Die meisten dieser Fonds sind richtlinienkonforme Sondervermögen und unterliegen der OGAW-Richtlinie.4) Damit gehören sie zu den beliebtesten und reguliertesten Anlageprodukten weltweit. Die OGAW-Richtlinie legt einen Regelungsrahmen für Privatanleger-Fonds auf europäischer Ebene und die Grundlage für den grenzübergreifenden Vertrieb dieser Fonds fest und gilt als sehr effizient, wenn es um die Gewährleistung der reibungslosen Funktionsweise der Fondsmärkte in der EU geht. Ab 2013 reguliert die Richtlinie umfassend die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-RL)5), die nicht von der OGAW-Richtlinie erfasst werden.

Mit Blick auf die konkreten Punkte, die Investmentfonds betreffen, ist festzustellen, dass Geldmarktfonds keinen direkten Einsatz finanzieller Hebeleffekte nutzen. Einige hatten in der EU während der Finanzkrise zeitweise Schwierigkeiten, die Rücknahmeforderungen ihrer Anleger zu bedienen, da die Liquidität auf zuvor höchstliquiden Märkten (etwa bei forderungsbesicherten Commercial Papers, kurzlaufenden Bankpapieren) unerwartet knapp geworden war.6) Als Reaktion darauf hat die Industrie7) Vorschläge zur Regulierung von Geldmarktfonds veröffentlicht, die im Wesentlichen von CESR nach einer öffentlichen Konsultation übernommen wurden - gemäß der überarbeiteten Klassifizierung finden die Anleger in der Anlageklasse Geldmarktfonds ausschließlich risikoarme Produkte.8) Darüber hinaus sind die potenziellen Regelungsgegenstände künftiger Maßnahmen und deren Kriterien sehr weit gefasst. Entsprechend müsste die Kommission auch andere richtlinienkonforme Investmentfonds wie Rentenfonds zu den Schattenbanken zählen.9) Auch die weiteren Kriterien im Hinblick auf Schattenbanken wie hoher Fremdkapitaleinsatz oder Fristentransformation treffen auf Geldmarktfonds nicht zu.

Auch auf ETFs treffen die Kriterien nicht zu. Bei europäischen ETFs handelt es sich in der Regel um richtlinienkonforme Sondervermögen, welche nicht mit anderen Börsen gehandelten Produkten wie etwa ETN (Exchange Traded Notes) und ETC (Exchange Traded Commodities) verwechselt werden sollten. Anfang 2012 hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA eine Konsultation durchgeführt, um mehr Transparenz unter anderem bei ETFs zu schaffen.10) Neben erweiterten Transparenzregeln für Indexfonds und ETFs wurden vor allem Vorgaben für die Wertpapierleihe sowie Anforderungen an Total Return Swaps und Strategie-Indizes zur Diskussion gestellt. Neben den bereits sehr hohen Transparenzanforderungen ist hervorzuheben, dass Fondsmanager als Treuhänder die Gelder der Anleger entsprechend der Anlagevorschriften für Investmentfonds anlegen.

Allen richtlinienkonformen Sondervermögen ist gemeinsam, dass sie unter sehr restriktiven Bedingungen und nur in sehr begrenztem Umfang kurzfristig Kredit für die gemeinschaftliche Rechnung der Anleger aufnehmen dürfen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Das Investmentgeschäft ist nach deutschem als auch nach europäischem Recht zwingend als dreiseitiges Rechtsverhältnis zwischen Anleger, Verwaltungsgesellschaft und Depotbank organisiert, um etwaige Interessenkonflikte zu vermeiden und hohen Schutz der Anleger zu gewährleisten. Alle beteiligten Unternehmen am sogenannten Investmentdreieck (Depotbank und Verwaltungsgesellschaft) unterliegen einer laufenden Aufsicht durch die nationalen Aufsichtsbehörden.

In der politischen und öffentlichen Diskussion werden immer wieder Investmentfonds - insbesondere richtlinienkonforme Sondervermögen in der Form von Geldmarkfonds und ETFs als auch Hedgefonds und Private-Equity-Fonds - fälschlicherweise als Schattenbanken bezeichnet. Die Kommission und das FSB bezeichnen als Schattenbanken Akteure auf den Finanzmärkten, die bankähnliche Geschäfte durchführen. Dabei geht es insbesondere um Übernahme beziehungsweise Weitergabe von Kreditrisiken sowie Fristen- beziehungsweise Liquiditätstransformation. Derartige bankähnliche Geschäfte, insbesondere vergleichbar mit dem Einlagengeschäft, also der Annahme von Kundengeldern unter anderem für Kreditgeschäfte, werden aber von Investmentfonds in der überwiegenden Mehrzahl nicht durchgeführt.

Balance und Augenmaß wahren

Die von der Kommission in Aussicht gestellten Maßnahmen verkennen, dass richtlinienkonforme Sondervermögen als auch künftig die alternativen Investmentfonds streng regulierte und transparente Produkte sind. Flankiert wird dies durch MiFID11)und EMIR12). MiFID reguliert bereits Investmentgesellschaften und Kreditinstitute, die Wertpapierdienstleistungen anbieten. Durch EMIR wird künftig eine umfassende Regulierung der OTC-Derivatemärkte gewährleistet. Ziele sind eine größere Transparenz für die Finanzmärkte sowie mehr Sicherheit durch Verringerung der Kontrahentenrisiken und betrieblichen Risiken. Auch wenn die EU-Kommission nicht dazu tendiert, generelle Gesetzesvorschläge allgemeiner horizontaler Natur zu beschließen, gilt es, auch innerhalb der zu reformierenden Finanzarchitektur bei vertikalem Ansatz - die Balance und das Augenmaß zu wahren und dies in die geltende Aufsichtssystematik einzufügen.

Fußnoten

1) Vgl. Com (2012) 102, Grünbuch: Schattenbanken, S. 5.

2) Der Originaltext lautet: "[...] the system of credit intermediation that involves entities and activities outside the regular banking system".

3) Vgl.: Kai A. Schaffelhuber, EU-Kommission zu Schattenbanken: Kein Ende der Regulierungswut in Sicht. In: Legal Tribune Online, 30. März 2012.

4) Richtlinie 2009/65/EG (Neufassung der Richtlinie 85/611/EWG.)

5)Richtlinie 2011/61/EU.

6)Siehe auch: Börsen-Zeitung (2012), Nr. 78, S. 1.

7) Siehe: EFAMA and IMMFA Recommendations: http://www.efama.org/index2.php?option=com_ docman&task=doc_view&gid=1003&Itemid=35

8) Vgl. CESR's guidelines on a common definition of European money market funds (CESR 10-049).

9) So Richter, T.: ETFs sind keine Schattenbanken: Absurdes aus dem EU-Grünbuch, in: ZfgK 8-2012, S. 366.

10) Consultation paper: ESMAs guidelines on ETFs and other UCITS issues, http://www.esma.europa.eu/system/files/2012-44_0.pdf

11)Europäische Richtlinie über Märkte für Finanzinstrument oder Markets in Financial Instruments Directive (MiFID).

12) Verordnung über die europäische Marktinfrastruktur oder European Market Infrastructure Regulation (EMIR).

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