Aufsätze

Refinanzierungsregister und Verbriefung: erfüllte Hoffnungen oder enttäuschte Erwartungen?

Im Referentenentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze aus dem September 2004 hieß es unter dem Stichwort Zielsetzung: "Im internationalen Vergleich sind deutschen Unternehmen gewisse Finanzierungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten nicht eröffnet, die in andern Ländern eine erhebliche Bedeutung erlangt haben. Dies gilt etwa für die Refinanzierung über eigens zu diesem Zweck gegründete Gesellschaften, die sich ihrerseits Gelder auf dem Kapitalmarkt durch die Ausgabe von Schuldscheinen und Schuldverschreibungen besorgen."

Nationales Anliegen

Abgesehen von einem nebensächlichen Fehler (Schuldscheine sind typisch deutsche Instrumente, die im Ausland größtenteils unbekannt sind), ging der Referentenentwurf von einer zutreffenden Beobachtung aus: Der deutsche Verbriefungsmarkt1) hinkte 2004 (und er hinkt 2006) im Verbriefungsbereich führender Länder wie zum Beispiel Großbritannien und Spanien deutlich hinterher.

Wenn man - der Zielsetzung des Referentenentwurfes folgend - die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für die deutsche Wirtschaft und die Steigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zum Maßstab für die eigene Erwartungshaltung macht, dann haben die letztes Jahr eingeführten Regelungen zum Refinanzierungsregister alle realistischen Hoffnungen erfüllt.

Darüber hinaus ist durch die legislative Maßnahme deutlich geworden, dass die Politik die Förderung der Asset Securitisation als nationales Anliegen erkannt hat. Insoweit sind weitere Erwartungen für die Zukunft geweckt worden.

Durch §§ 22a bis 22o des Kreditwesengesetzes wird der Verbriefung einerseits juristisch ein Zuhause gegeben (positivrechtliche Verordnung). Andererseits wird durch die Regelungen die Verbriefung bestehender Forderungen sicherer und die Verbriefung von Immobiliendarlehen erstmals im größeren Stile ökonomisch sinnvoll gemacht. In der Hinwendung des deutschen Rechts zu Mortgage Backed Securities liegt der wesentliche und nicht zu unterschätzende Wert der Neuregelung. Denn immerhin machen so genannte Residential Mortgage Backed Securities im europäischen Kontext über 40 Prozent des gesamten Verbriefungsmarktes aus, während sie in Deutschland aufgrund rechtlicher Hindernisse bis vor kurzem ökonomisch nicht vorhanden waren.

Die kühnsten Erwartungen derer hingegen, die hofften, Deutschland würde sich mit einem internationalen Paukenschlag ("Big Bang") an die Spitze des Verbriefungsmarktes weltweit begeben, sind unerfüllt geblieben. Hier wird die Zukunft zeigen, ob der deutsche Gesetzgeber auch den politischen Willen aufbringt, insbesondere die Verbriefbarkeit von zukünftigen Forderungen und Unternehmensgesamtheiten durch legislative Maßnahmen zu ermöglichen.

Die Quintessenz von Verbriefungen

Die Grundidee von Verbriefungen ist einfach: Ein sich finanzierendes Unternehmen ordnet oder allokiert Zahlungsströme produzierende Vermögensgegenstände ("Selfliquidating Assets") in einer Weise, die es Kapitalmarktinvestoren erlaubt, Befriedigungen ausschließlich aus den Zahlungsströmen der Vermögensgegenstände zu erlangen und dabei das Insolvenzrisiko des sich finanzierenden Unternehmens grundsätzlich außer Acht zu lassen. Der Luxus, das Insolvenzrisiko des Kapitalnehmers weitgehend ignorieren zu können, ist für Kapitalgeber ein Quantensprung und darin liegt die Attraktion von Asset Backed Securities.

Würden dieselben Geldgeber demselben finanzierenden Unternehmen nämlich ein Darlehen zur Verfügung stellen, das durch dieselben Vermögensgegenstände besichert wäre, würden die Geldgeber in einer Insolvenz des Unternehmens eine durch das Insolvenzverfahren bedingte Unterbrechung von Zins- und Tilgungsleistungen erdulden müssen.

Abhängig von der Art der Vermögensgegenstände und der Form der Sicherheiten müssten die Geldgeber darüber hinaus mit Kürzungen ihrer Ansprüche gegenüber der Insolvenzmasse rechnen. Neben Zahlungsausfällen und Zinsschäden hätten die Geldgeber außerdem erhebliche Bearbeitungskosten für das "Work Out" zu tragen. Der vorbeschriebene Unterschied zwischen einer Verbriefung und einer besicherten Finanzierung schlägt sich regelmäßig in wesentlich attraktiveren Finanzierungskonditionen für Verbriefungen nieder: längere Laufzeiten, niedrigere Zinsen und weniger einschneidende Nebenbedingungen für das sich finanzierende Unternehmen.

Insolvenzfestigkeit nach Strukturvarianten

In der Regel werden die einer Verbriefung zu Grunde liegenden Gegenstände im Hinblick auf das sich finanzierende Unternehmen insolvenzfest allokiert, indem die Gegenstände seitens des Unternehmens an eine Zweckgesellschaft oder ein sonstiges Sondervermögen verkauft und übertragen werden. Dieser Vorgang ist je nach Vermögens- und Verbriefungsspielart - auch mit Refinanzierungsregister - von unterschiedlichem Erfolg gekrönt. Die wichtigsten Fallgruppen werden nachfolgend erörtert:

Insolvenzfestigkeit bei einfachen Geldforderungen: Schon wenn es sich bei den Vermögensgegenständen um einfache Geldforderungen handelt, besteht das nicht unerhebliche Risiko, dass der so genannte Forderungsverkauf in einer Insolvenz des Unternehmens nicht als "echter Verkauf" anerkannt wird, sondern in ein besichertes Darlehen umqualifiziert wird. Auf dieses Umqualifizierungsrisiko haben Tom Schorling und der Autor erstmals 1999 aufmerksam gemacht.2 Die Beseitigung des Umqualifizierungsrisikos wurde sodann von Boston Consulting als zweitdringlichste gesetzgeberische Maßnahme zur Belebung des deutschen Verbriefungsmarktes identifiziert.3 Entsprechend hat das Refinanzierungsregister die Möglichkeit eröffnet, das Risiko einer Umqualifizierung durch Registereintragung zu neutralisieren.

Insolvenzfestigkeit bei Immobilienfinanzierungen: Bei Immobiliendarlehen, die durch Buchgrundschulden oder Briefhypotheken gesichert sind, waren die Kosten für die Übertragung der Buchgrundschulden an das Sondervermögen grundsätzlich im Hinblick auf Verbriefungen prohibitiv, so dass es in keinem typisch gelagerten Sachverhalt in Deutschland zu einer internationalen Maßstäben gerecht werdenden Verbriefung von Immobiliendarlehen gekommen ist.

Eine insolvenzfeste Treuhand "Made in Germany"

Wie oben bereits ausgeführt, liegt der wesentliche Mehrwert des Refinanzierungsregisters in der Förderung der Verbriefung von grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen. Indem der Gesetzgeber eine insolvenzfeste Treuhand "Made in Germany" eingeführt hat, ist die sachenrechtliche Übertragung der Grundpfandrechte an das Sondervermögen nun nicht mehr erforderlich. Damit stellt sich die Frage nach den Transaktionskosten für die Übertragung der Grundpfandrechte nicht mehr.

Insolvenzfestigkeit bei zukünftigen Forderungen: Eine Besonderheit besteht insolvenzrechtlich bei zukünftigen Forderungen, das heißt bei solchen Forderungen, deren Entstehung noch weitere vertragliche Leistungen des Unternehmens erfordert und damit in die Zukunft verlagert ist. Bei solchen zukünftigen Forderungen kommt es für die Verbriefbarkeit darauf an, ob man auch den Vertrag (und nicht nur die Forderungsrechte) insolvenzfest einem Sondervermögen zuordnen kann, so dass notfalls auch ein Dritter (so genannter Back-Up Servicer) die noch offene Leistung für das Sondervermögen erbringen kann und damit die Forderungsentstehung bewirken kann. Obwohl die Gesetzesbegründung zu der Neuregelung von der Verbriefbarkeit künftiger Forderungen spricht, ist im Lichte der §§ 103 ff. der Insolvenzordnung nicht nachvollziehbar, wie durch das Refinanzierungsregister Insolvenzfestigkeit der Verträge erzielt werden soll. Damit sollten "Future-Flow Securitisations" in Deutschland grundsätzlich unmöglich bleiben.

Dieser Befund ist in gewisser Weise bedauerlich, denn damit können zum Beispiel Aufträge gegenüber der öffentlichen Hand selbst dann nicht verbrieft werden, wenn ein geeigneter Back-Up-Servicer zur Verfügung steht. Ähnliche Einschränkungen gelten für die Verbriefung von den meisten Mietforderungen beziehungsweise Zahlungsströmen aus Lizenzverträgen oder Auslandsüberweisungen.

Insolvenzfestigkeit bei Unternehmensgesamtheiten: In England können aufgrund der dortigen rechtlichen Situation auch ganze Unternehmensgesamtheiten ("Undertakings") insolvenzfest allokiert werden. So konnten dort zum Beispiel "Public Houses" ("Pubs"), Theater, Krankenhäuser, Altersheime und Beerdigungsunternehmen verbrieft werden. Dieses Ziel könnte auch in Deutschland erreicht werden, wenn alle praktisch relevanten Vermögensgegenstände eines Unternehmens (zum Beispiel Markenrechte, Kundendateien, Know-how, Mobilien und Immobilien) in ihrer jeweiligen Zusammensetzung in das Refinanzierungsregister eintragungsfähig wären. Darüber hinaus müssten die wesentlichen Verträge des Unternehmens insolvenzfest sein. Letzteres ist jedoch nach derzeitiger Rechtslage bei Unternehmensgesamtheiten ebenso wenig wie bei Future-Flow-Verbriefungen möglich.

Handwerkliche Kritik an der Neuregelung

Grundsätzlich erscheinen die neuen §§ 22a bis 22o (und die damit zusammenhängenden neuen Definitionen) des Kreditwesengesetzes auf einen rechts-handwerklich hohem Niveau. Sicherlich wird im Laufe der Zeit Nachbesserungsbedarf identifiziert werden, aber das ist der normale Verlauf der Dinge.

Nach der bisherigen Erfahrung ist der Begriff der "Zweckgesellschaft" sperrig. Verbriefungen werden international oftmals über nichtrechtsfähige Sondervermögen ("Trusts" beziehungsweise spanische "Fóndos de Titulización") durchgeführt. Nach der Definition der "Zweckgesellschaft" ist nicht klar, ob diese nichtrechtsfähigen Sondervermögen auch als begünstigte "Zweckgesellschaften" in Frage kommen. Unglücklich erscheint auch die Definition von "Refinanzierungsunternehmen". Das Wort "Refinanzierung" ist nämlich im deutschen Sprachgebrauch in seiner Bedeutung verschwommen. Während im Englischen "Refinancing" die Umschuldung einer schon bestehenden Finanzierung bedeutet und damit deutlich von "Funding" unterschieden wird, könnte im Deutschen mit "Refinanzierung" auch bloß "Finanzierung" gemeint sein, so dass der Präfix "Re-" ohne eigenständige Bedeutung bliebe.

Ob auch erstmalige Finanzierungen von der Neuregelung profitieren können, bleibt unklar. Es wäre auch besser gewesen, nur den Begriff "Finanzierung" zu verwenden, um den Anwendungsbereich des Gesetzes eindeutig weiter zu fassen. Entsprechend hätten etwa die Wörter "Finanzierungsregister" und "Finanzierungsunternehmen" zur Verfügung gestanden.

Ein guter erster Wurf

Die Neuregelungen zum Finanzierungsregister sind ein guter erster Wurf bei der verbriefungsfreundlichen Umgestaltung des deutschen Insolvenzrechts. Berücksichtigt man die praktischen Schwierigkeiten, mit denen das Gesetzesvorhaben in der Endphase der rot-grünen Koalition zu kämpfen hatte, dann handelt es sich sogar um eine ganz hervorragende Leistung. Abgesehen von bewusst offen gelassenen Klarstellungslücken (insbesondere Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 108 Insolvenzordnung bei Darlehensverträgen), der bewussten Selbstbeschränkung auf Forderungen und Sicherheiten als eintragungsfähige Gegenstände (statt aller Gegenstände) und den oben genannten sprachlichen Ungereimtheiten, lassen die §§ 22a bis 22o des Kreditwesengesetzes keine Wünsche offen. Die Verbriefbarkeit zukünftiger Forderungen und von Unternehmensgesamtheiten steht auf einem anderen Blatt und sollte in der Zukunft sichergestellt werden. Das Terrain der deutschen Mortgage Backed Securities ist eröffnet und das ist Erfolg genug.

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