Leitartikel

Regulierung und Verbriefungen - Wohin geht Europa?

Stellen Sie sich vor: Sie nähern sich einer vielbefahrenen Kreuzung und sehen dort drei Ampeln stehen, von denen jede eine andere Farbe anzeigt. Und für jede dieser Ampeln ist wiederum eine andere Polizeibehörde zuständig, die jeweils auf der Befolgung ihrer Ampel-Regulierung beharrt. Klar: Dies würde den Verkehr nicht sicherer machen. Wahrscheinlich würden die Autofahrer diese Kreuzung in Zukunft meiden und auf weniger regulierte Nebenstraßen ausweichen.

US-Subprime wurde AAA geratet, obgleich es Schrott war. Und da die damalige Regulierung bei vielen Investoren hinsichtlich ABS-Anlagen AAA vorschrieb beziehungsweise extrem begünstigte, hatten diese vor 2007 auch im blinden Vertrauen auf die Ratingagenturen in die vermeintlich sicheren und lukrativen US-Subprime-Anleihen investiert. Das Versagen der Ratingagenturen im US-Subprime-Markt bedurfte somit dringend einer Korrektur des vorliegenden Regulierungswerks.

Der europäische Gesetzgeber reagierte schnell und konsequent. Bereits 2010 zog er mit der CRD II für Banken die regulatorischen Konsequenzen. Seitdem haben unter der CRD II regulierte Investoren in Verbriefungsprodukte unabhängig von deren Rating umfassende eigene Prüfungs- und Sorgfaltspflichten zu beachten, die zunächst in das lokale Aufsichtsrecht der europäischen Staaten, das heißt in Deutschland in die §§ 18 a und b des KWG und mit der Verabschiedung der CRR, die ab 1. Januar 2014 in Kraft tritt, auch in deren Artikel 406 übernommen wurden. Die mögliche Vernachlässigung dieser Pflichten wird mit hohen Sanktionen belegt, die heute in Artikel 407 der CRR enthalten sind. Diese Bestimmungen sind sinnvoll und haben sich zwischenzeitlich gut bewährt. Das einzige was man dabei bedauern kann, ist, dass sie nur für ABS und nicht für Staatsanleihen und andere Kapitalmarktsegmente gleichermaßen gelten. Die EZB setzte zudem fest, dass für alle ABS-Transaktionen, für die Banken im Rahmen der Geldmarktpolitik die EZB-Repofähigkeit anstreben, deren Originatoren nach einem durch die EZB vorgegebenen, umfangreichen Template monatlich beziehungsweise quartalsweise allen Investoren Einzelkredit- sowie Transaktionsdaten auf einem öffentlich zugänglichen European Data Warehouse bereitstellen müssen. Für Verbriefungen ist somit alles bestens geregelt, sollte man meinen. Doch nein. Konditioniert durch amerikanische Subprime ABS weigern sich Politik und Regulierung die sehr guten Erfahrungen mit europäischen ABS seit Ausbruch der Krise zur Kenntnis zu nehmen. So kommen fast monatlich von den diversen Stellen neue Ideen zur weiteren Regulierung von ABS.

Eine Bank, die sich heute über ABS refinanzieren will, kommt daher nicht umhin, neben der Regulierung von ABS in der CRR die noch kommende Solvency II für Versicherungsinvestoren, die Ratingverordnung der ESMA, die neuen Vorschläge des Baseler Committees zur Revision des ABS-Regelwerks, die Regulatory Technical Standards der EBA zur Umsetzung der CRR, die Entwicklung der EZB-Zulassungsbedingungen und die laufenden Vorschläge des Financial Stability Boards zu Schattenbanken im Auge zu behalten. Sie alle zusammengenommen geben verwirrende, nicht aufeinander abgestimmte Signale und drohen zurzeit den Verbriefungsmarkt zu ersticken und damit die Intermediationsfunktion der Banken weiter zu schädigen. Wie kurzsichtig und monokausal die neuen sowie die noch in Diskussion befindlichen Regulierungen sind, lässt sich am besten verdeutlichen, wenn man dreierlei bedenkt:

1. Seit Ausbruch der Finanzkrise gab es seitens der Ratingagenturen, der TSI, der KfW und AFME mehrere Untersuchungen über die Entwicklung von ABS. Alle Studien belegen, dass es in Europa keinerlei außerordentlichen Entwicklungen und Verluste bei Verbriefungen gab. Die Verluste bei ABS-Investments rührten fast ausschließlich aus amerikanischen Subprime-Produkten und deren Wiederverbriefungen her. Doch europäische ABS mit Subprime in einen Topf zu werfen, ist so unsinnig wie griechische und deutsche Staatsanleihen für identisch zu halten.

2. Die Diskriminierung von Verbriefungen geht in allen Regelwerken einher mit der durchgehenden Begünstigung von Staatsanleihen und Covered Bonds. Dabei werden Performance-Betrachtungen (siehe griechische Staatsanleihen) ebenso ausgeblendet wie die Bedeutung von Asset Encumbrance für die Finanzmärkte. Sowohl die institutionellen Anleger werden in ihrer Anlagepolitik einseitig in bestimmte Kapitalmarktsegmente gedrängt wie auch die Banken in ihrer Refinanzierung. Die Risiken, die damit für die Finanzmarktstabilität einhergehen bleiben weitgehend unreflektiert.

3. Es macht wenig Sinn, die Bereitstellung von kollektiven Gütern, zu denen die Marktregulierung gehört, durch eine Vielzahl von Behörden erbringen zu lassen. Heute kann man in jedem IMF- oder OECD-Report über Südeuropa nachlesen, dass ein Kernproblem dieser Länder darin besteht, dass an jeder notwendigen staatlichen Genehmigung nicht eine, sondern eine Vielzahl von Behörden beteiligt ist. Keine Geschäftserweiterung ohne mindestens zwanzig Stempel und lange Wartezeiten. Doch was den genehmigenden Behörden dient, dient nicht dem Regulierungszweck, der dabei immer mehr in Vergessenheit gerät, während Wirtschaft und Gesellschaft stagnieren. Auch die Bereitstellung von "Finanzmarktstabilität" ist ein kollektives Gut. Von daher wäre es geboten, die Finanzmarktregulierung in eine Hand zu legen, sodass eine Behörde den Überblick hat, sinnvolle Abwägungen und eine eindeutige Regulierung und Überwachung ihrer Einhaltung vornehmen kann. Der Gesetzgeber ist dem nicht gefolgt, sondern hat eine Matrix von einem Flickenteppich von fachlichen und nationalen Zuständigkeiten in der Regelsetzung und deren Überwachung geschaffen, der eine innere Konsistenz zunehmend vermissen lässt. Das ist eine Tatsache, die sich natürlich zunächst in der vorurteilsgesteuerten Regulierung von Verbriefungen am deutlichsten ausdrückt, aber auch alle Bereiche des Finanzmarktes erfassen wird.

Viele der Fehler, die gemacht wurden, sollten schnell korrigiert werden. Die Chance dazu besteht noch. Für Verbriefungen heißt dies: Im Rahmen der RTS (Regulatory Technical Standards) für die CRR/CRD IV sollte ihre Aufnahme in die LCR sichergestellt werden. Des Weiteren sollte bei der Large-Exposure-Regulierung nicht von den bisherigen CEBS-Leitlinien abgewichen werden. Die Überarbeitung des Banken-Regelwerks für Verbriefungen (Revision of Basel II Framework) sollte der Qualität europäischer Balancesheet-Verbriefungen eindeutig Rechnung tragen. Ebenso sollte dies in der Solvency II geschehen. In der Umsetzung der Ratingverordnung sollten keine von der CRR Article 406 sowie den EZB Loan Level Templates und dem European Data Warehouse abweichenden Definitionen, Transparenzanforderungen und Prozesse zugelassen werden. Nur so kann ein Level Playing Field für Verbriefungen wieder hergestellt werden.

Und natürlich sollte die Balkanisierung der europäischen Finanzmarktaufsicht im Zuge der Schaffung der Bankenunion zugunsten eines klaren, zentralen und eindeutigen Aufsichts- und Abwicklungsregimes ersetzt werden. Letzteres wäre nicht nur im Interesse der Verbriefungsregulierung, sondern der Finanzmarktregulierung insgesamt.

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