Redaktionsgespräch mit Claus Brüggemann

"Eine Regulierungsflut würde insbesondere kleinere Institute überdurchschnittlich belasten"

Welche aktuellen Themen haben die deutschen IHKs und die Banken im DIHK-Geld- und Kreditausschuss derzeit ganz oben auf der Agenda? Und welche Positionen vertritt der Ausschuss?

Der DIHK-Geld- und Kreditausschuss will in seinen Sitzungen immer nah an der aktuellen Debatte sein. Zuletzt diskutierte er beispielsweise, ob Kreditinstitute Forderungen ohne Wissen des Kreditnehmers verkaufen dürfen. Hier konnten die Vertreter der Kreditwirtschaft im Geld- und Kreditausschuss zur Erhellung beitragen - und die oftmals fehlerhafte Darstellung in den Medien korrigieren. Gleichzeitig fanden aber auch die Sorgen und Befürchtungen der kreditnehmenden Unternehmen Gehör: Die Einschätzung aus dem Geld- und Kreditausschuss konnten auch in andere DIHK-Gremien eingespeist werden. Letztlich hat dies für Beruhigung und Transparenz bei diesem Thema gesorgt.

Die beratende Funktion des Ausschusses prägte auch die Positionierung des DIHK bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestag zur Transparenz bei Forderungsverkäufen. Wir plädieren dafür, die geplanten gesetzlichen Regelungen nach fünf Jahren erneut auf den Prüfstand zu stellen. Aber auch das Thema Sepa beschäftigt uns derzeit. Insbesondere die Einführung der Sepa-Lastschrift wird intensiv diskutiert. Denn gerade Wirtschaftszweige, die Lastschriften intensiv nutzen, sehen einen enormen Umstellungsbedarf auf sich zukommen. Der Ausschuss arbeitet hier deshalb derzeit an einer Positionierung der IHK-Organisation.

Inwieweit tangiert die aktuelle Finanzmarktkrise die Arbeit des Ausschusses?

Die Finanzmarktkrise ist natürlich das zentrale Thema dieses Jahres. So fand im Ausschuss ein Meinungsaustausch zu den Auswirkungen auf die heimischen Kreditinstitute und auf die kreditnehmende Wirtschaft statt. Die Mitglieder berichteten zwar von verschärften Kreditstandards, aber nicht von einer flächendeckenden Kreditklemme. Dies bestätigt ja auch die aktuelle DIHK-Umfrage zu den Kreditkonditionen.

Sind die aktuellen Diskussionen um die Handhabung der IFRS-Rechnungslegungsvorschriften ein Thema für den Ausschuss? Wie ist seine Position?

Wir wissen, dass die Unternehmen hierzu ganz unterschiedlich eingestellt sind. Während viele große Unternehmen nach

IFRS bilanzieren, sehen kleinere und mittlere Unternehmen keinen Mehrwert in der zusätzlichen IFRS-Bilanzierung. Gleichwohl sind wir im Ausschuss mit Blick auf die Finanzmarktkrise zu dem Schluss gekommen, dass zumindest perspektivisch über Bewertungsvorschriften nachgedacht werden sollte, die weniger prozyklisch wirken als das Fair-Value-Prinzip.

Inwieweit stehen derzeit Fragen der Bankenaufsicht im Blickpunkt?

Die Finanzmarktkrise hat natürlich Fragen hinsichtlich der Effizienz und Effektivität der Banken- und Finanzmarktaufsicht auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene aufgeworfen. Die Kreditwirtschaft hat selbst ja bereits Vorschläge zur Abwehr von Finanzmarktkrisen auf den Tisch gelegt. Im DIHK-Geld- und Kreditausschuss haben wir diese stärker selbstverpflichtenden Vorschläge auch mit der Politik diskutiert, um einer möglichen Überregulierung entgegenzutreten. Denn deren Befürworter lassen außer Acht: Eine Regulierungsflut würde insbesondere kleinere Institute - und damit vielfach solche überdurchschnittlich belasten, die nicht in den problematischen Geschäftssegmenten aktiv waren.

Ist beim lange Zeit heiß diskutierten Thema Basel II eine Beruhigung zwischen Banken und Wirtschaft eingetreten?

Sowohl die Banken als auch die Wirtschaft mussten sich erst auf die neuen Regeln einstellen. Das hat zu Beginn zu einigen Ängsten insbesondere bei kleineren Unternehmen geführt, wie eine seinerzeit durchgeführte DIHK-Umfrage ergab. Trotz aller konträrer Diskussionen in der Vergangenheit zeigen sich derzeit aber erste Erfolge: Eine Krise, wie sie die USA erlebt, ist auch dank einer verstärkten Risikoprüfung durch Basel II hierzulande nicht eingetreten. Unternehmen, die gut aufgestellt sind und ihre Eigenkapitalbasis in der Vergangenheit auch in Vorbereitung auf die Basel-II-Standards gestärkt haben, können sich noch gute Kreditkonditionen sichern. Sie haben zum überwiegenden Teil auch keine Probleme, Kredite zu erhalten.

Spielt MiFID auch im Verhältnis Banken und Unternehmen eine Rolle?

Die kurze Antwort ist: Ja. Denn überall, wo Wertpapierdienstleistungen erbracht werden, findet das WPHG Anwendung, in welches MiFID eingebettet ist. MiFID unterscheidet hier lediglich nach Kundenkategorien, wie Privatanleger, professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien. Unterschieden wird dabei nach Art und Umfang der entsprechenden Informationen. Ausnahmen bilden lediglich die Geschäfte mit Versicherungen und Fondsgesellschaften.

Wie setzt sich der Ausschuss DIHK- Geld- und Kreditausschuss zusammen? Wer entsendet die Mitglieder?

Der DIHK-Geld- und Kreditausschuss setzt sich aus Vertretern der Kredit- und Finanzwirtschaft und fachkundigen Unternehmern anderer Wirtschaftsbranchen sowie aus Vertretern der IHKs zusammen. Der DIHK-Vorstand beruft die Mitglieder, die die IHKs über ihre Landesarbeitsgemeinschaften nominiert haben.

Sind alle drei großen Bankengruppen (Sparkassen, Genossenschaftssektor und private Banken) gebührend im Ausschuss repräsentiert? Und wie ist das mit den verschiedenen Branchen auf der Unternehmerseite?

Es wird Wert darauf gelegt, dass alle Gruppen eine angemessene Berücksichtigung finden. Welche Einflussmöglichkeiten hat der Ausschuss innerhalb des DIHK?

Als Bindeglied zwischen kreditgebender und kreditnehmender Wirtschaft unterstützt der DIHK-Geld- und Kreditausschuss die Meinungsbildung in der IHK-Organisation. Er bereitet die Entscheidungsprozesse zu kreditwirtschaftlichen Themen aus fachlicher Sicht vor.

Welche politischen Ansprechpartner hat der Ausschuss? Ist die Ebene der Bundes-, der Landes- oder zunehmend der europäischen Politik für die Ausschussarbeit von Bedeutung? Bedarf es beispielsweise einer Interessenvertretung in Brüssel?

Die IHK-Organisation ist mit 80 IHKs flächendeckend in Deutschland vertreten. Der Geld- und Kreditausschuss des DIHK konzentriert sich auf Fragestellungen auf bundes- und europapolitischer Ebene. Die Meinung des DIHK ist dort gerade deshalb gefragt, weil die Interessen der kreditnehmenden und kreditgebenden Wirtschaft nur bei uns abgewogen in die Meinungsbildung einfließen.

Gibt es klare Regeln für einen Austausch mit anderen Interessenverbänden zur Verstärkung der eigenen Anliegen?

Ja, wir stehen in einem engen Austausch mit dem Zentralen Kreditausschuss und den dort vertretenen Bankenverbänden. Wie läuft der Meinungsbildungsprozess innerhalb des Ausschusses ab? Wer legt beispielsweise die Tagesordnung oder die Inhalte der Ausschusssitzungen fest? Wie wird sichergestellt, dass wichtige Fragen aus den Regionen auch beim Ausschuss ankommen und die Empfehlungen und Vorschläge des Ausschusses wieder zurück an die Basis transportiert werden?

Neben aktuellen kreditwirtschaftlichen Fragen können die Mitglieder des Ausschusses immer auch eigene Themenvorschläge aus den Regionen auf die Tagesordnung setzen. Umgekehrt dienen die Ausschussmitglieder in den Regionen als Multiplikatoren, indem sie die Ergebnisse der Sitzungen dort wieder in ihre Arbeit und Gremien einbringen.

Gilt im Ausschuss das Konsensprinzip, oder gibt es Sachverhalte mit unterschiedlichen (unvereinbaren) Positionen zwischen Banken- und Unternehmensseite?

Ziel ist es, innerhalb des Ausschusses zu einer tragfähigen Mehrheitsmeinung zu kommen. In welcher Rolle sieht sich der Banker Claus Brüggemann im Ausschuss, als Bankenvertreter oder als Moderator der Interessen?

Sowohl als auch. Selbstverständlich sehe ich mich auch als Sparkassenvertreter gleichzeitig muss es Aufgabe des Vorsitzenden sein, die eventuell unterschiedlichen Interessen der Ausschussmitglieder zu moderieren und zu einer tragfähigen Mehrheitsmeinung der Mitglieder zusam-

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