Gespräch des Tages

Banken und Wirtschaft - Eindeutig miteinander

Braucht der Rest der Wirtschaft die Banken, und wie sieht es umgekehrt aus? Eigentlich sind das ganz zeitlose Fragen. Die Antworten darauf fallen jedoch im Zeitverlauf unterschiedlich aus. Gerade in Deutschland ist die aktuelle Beurteilung dieser besonderen Verbindung zudem maßgeblich durch die gewachsenen Usancen der Unternehmensfinanzierung geprägt. Und diese werden bekanntlich anders als in den klassischen Ländern einer stärkeren Kapitalmarktorientierung hierzulande immer noch entscheidend durch das Kreditgeschäft dominiert - speziell im Mittelstand als der klassischen, weil massenhaften Klientel der hiesigen Industrie- und Handelskammern. Vor diesem Hintergrund hat die Redaktion die dieser Tage anstehenden 200-Jahr-Feierlichkeiten der IHK Frankfurt zum Anlass genommen, das aktuelle Verhältnis von IHKs zur Kreditwirtschaft und umgekehrt zu betrachten.

Mit der gemeinsamen Verantwortung für hoffentlich prosperierende Existenzgründungen, den Ansichten und Aussichten neuer kapitalmarktorientierter Finanzierungsformen und der aktuellen Lage rund um die Personalbeschaffung werden drei Themenkomplexe von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung jeweils aus Sicht der Banken und der (mittelständischen) Wirtschaft beleuchtet. Und darüber hinaus geben die Beiträge einen Einblick in das Selbstverständnis des Deutschen Industrie- und Handelskammertages als Dachorganisation sowie seiner 80 IHKs in ihrer gemeinsamen Interessenvertretung der deutschen Wirtschaft gegenüber der Bundespolitik und den europäischen Institutionen. Die Prinzipien der Selbstverwaltung und der eigenverantwortlichen Gestaltung, so kommt es klar zum Ausdruck und so klang es Ende Mai auch wiederholt beim Festakt der Frankfurter IHK an, sind dabei stets mit einem klaren Bekenntnis zum Markt verbunden.

Mit Blick auf die reinen Zahlen und die Stimmungslage in der Kreditwirtschaft herrscht derzeit für Außenstehende der Eindruck vor, als hätten sich Banken und Realwirtschaft im Zuge der Finanzmarktkrise völlig voneinander abgekoppelt. Während einige Kreditinstitute in Deutschland und mehr noch in den angelsächsischen Ländern stark mit den Belastungen der eigenen Gewinn- und Verlustrechnung zu kämpfen haben, sind diese Widrigkeiten in der Realwirtschaft bislang kaum angekommen. Allen Befürchtungen zum Trotz und selbst zur Überraschung vieler Sachkenner lag das deutsche Bruttoinlandsprodukt preis-, saison- und kalenderbereinigt im ersten Quartal 2008 um 1,5 Prozent höher als im vierten Quartal 2007. Die insbesondere von Politikern schon seit Monaten verbreitete Furcht vor einer mangelnden Kreditversorgung der Wirtschaft scheint soweit unbegründet. Noch hat derzeit ganz eindeutig die Materialbeschaffung und die Personalakquise für die Unternehmen größere Dringlichkeit als die Sorge um Finanzierungsprobleme der laufenden Geschäfte. Trotz einer leichten Eintrübung der Finanzierungsbedingungen, wie sie auch in den Beiträgen dieses Heftes sowie den aktuellen Umfragen der Wirtschaft und der EZB zum Ausdruck kommt, geht es gerade im Maschinenbau und den verwandten Branchen darum, im In- wie im Ausland möglichst keine Kunden durch Lieferengpässe zu verlieren.

In den Beiträgen dieses Heftes spiegelt sich das vergleichsweise entspannte Verhältnis von Banken und Wirtschaft in einem erstaunlichen Grundverständnis füreinander wider. Bei den Unternehmern unter den Autoren klingt die Bereitschaft an, sich allen derzeitigen Widrigkeiten zum Trotz einer Öffnung der Kapitalmarktfinanzierung nicht zu verschließen. Und bei den Bankern ist viel Verständnis für die langwierigen Umstellungsprozesse von der kredit- auf eine stärker kapitalmarktfinanzierte Wirtschaft festzustellen. Kurzum: Eine Sprachlosigkeit, wie sie in der Anfangsphase einer Umsetzung im Rahmen von Basel II zeitweilig zu spüren war, ist der Bereitschaft zu einem konstruktiven Miteinander gewichen. Mehr voneinander zu wissen, nützt offensichtlich beiderseitig.

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