Sonderbeilage der Deutschen Bundesbank in ZfgK 22-2009 vom 15. November 2009

T2S aus der Sicht des deutschen Marktes - Bankenvertreter im Gespräch

Neben den Zentralverwahrern werden seit Beginn des Projekts auch die Banken in ihrer Rolle als spätere Endnutzer von TARGET2-Securities über die Advisory Group (AG) und die National User Groups (NUGs) aktiv in den Entstehungsprozess der integrierten Abwicklungsplattform eingebunden. Im Folgenden stellen vier im Projekt engagierte Bankenvertreter ihre Sicht auf T2S dar. Joachim von Eiberg, Direktor/SVP, Commerzbank AG Michael Jost, Executive Director, Morgan Stanley Bank AG Stephen Lomas, Head of Domestic Custody Services Western Europe/MENA, Deutsche Bank AG Hilmar Schwarz, Leiter Gremien/Grundsatzfragen, Deutsche WertpapierService Bank AG Welche Auswirkungen hat Ihrer Meinung nach TARGET2-Securities auf Ihr Institut? Joachim von Eiberg: Alle Marktteilnehmer haben ein vitales Interesse an einer sicheren, effizienten und kostengünstigen Abwicklung von Wertpapiergeschäften. Studien belegen, dass die Abwicklungskosten in Europa zu hoch sind, einerseits im internationalen Vergleich und speziell bei grenzüberschreitenden Transaktionen in Europa (Binnenmarkt). Nationale Optimierungspotenziale sind weitgehend ausgeschöpft. Also ist es nur folgerichtig, den Ansatz für weitere Verbesserungen grenzüberschreitend auszuweiten. Und hier kommt T2S als wichtiger Baustein ins Spiel. Nach meiner Überzeugung wird die konsequente Umsetzung dieser Initiative zu einer Reduktion der Transaktionskosten für die Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte in Europa auf das heute günstigste nationale Niveau und über die Zeit zu einer weiteren Verbilligung unter das derzeitige nationale Niveau führen. Prozessverbesserungen für die Nutzerinstitute werden sich aus der Möglichkeit ergeben, die Zentralverwahrer in Europa über nur einen Zugangspunkt zu erreichen. Die Liquiditätsvorhaltung in Zentralbankgeld wird sich weiter optimieren lassen und nicht zuletzt wird T2S die weitere Harmonisierung von Regeln und Verfahren in Europa für die Wertpapierabwicklung befördern, was wiederum Komplexität reduziert, zu schlankeren Prozessen und geringeren operationellen Risiken führt. Michael Jost: Morgan Stanley nutzt in Europa verschiedene Verfahren für Clearing und Settlement, angefangen von der direkten Anbindung bis hin zur indirekten Teilnahme über Agent Banks und der Abwicklung über hybride Modelle. Alle von uns verwendeten Verfahren überprüfen wir regelmäßig unter Kosten-, Effizienz- und Risikogesichtspunkten. Daran werden wir sowohl bis zur als auch nach Einführung von T2S festhalten. Ebenso werden wir die im Rahmen von T2S angebotene Möglichkeit des direkten Zugangs in Betracht ziehen. Die Auswirkungen von T2S auf Morgan Stanley werden von dem jeweils genutzten Abwicklungsverfahren sowie dem Grad der Veränderungen der Marktpraktiken abhängen, die T2S mit sich bringen wird. Am größten werden die Auswirkungen in den Ländern sein, in denen wir direkt am Clearing und Settlement teilnehmen. Dagegen erwarten wir in Märkten, in denen wir uns Agent Banks bedienen - abgesehen von Marktharmonisierungen keine nennenswerten T2S bezogenen Veränderungen. Stephen Lomas: Die Deutsche Bank als eine international aufgestellte Bank ist sowohl Anbieterin als auch Nachfragerin von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Wertpapierverwahrung und Abwicklung. Um die Auswirkungen auf bestimmte Aktivitäten beurteilen zu können, haben wir vor kurzem unseren Kunden ein "Whitepaper" über T2S und die erwarteten Marktveränderungen zur Verfügung gestellt, welches wir zusammen mit externen Experten erstellt haben. Das Ergebnis dieser Analyse ist, dass sich durch T2S das grenzüberschreitende Geschäft zunehmend von lokalen Custodianbanken, die nur in wenigen Märkten aktiv sind, auf paneuropäische Custodians verlagern wird. Obwohl Zentralverwahrer versuchen, sich mit ihren Produkten in diesem Markt zu positionieren, ist der Zugang über spezialisierte Custodianbanken mit lokalem Know-how, langjähriger Erfahrung und der Vielzahl ihrer zusätzlichen Dienste (zum Beispiel Finanzierung, Handel, CCP-Clearing) auch mit Einführung von T2S eine der sichersten und kosteneffizientesten Möglichkeiten für Investoren, ihre grenzüberschreitenden Geschäfte abzuwickeln. Hilmar Schwarz: Die dwpbank ist für zwei Drittel der deutschen Kreditinstitute zentraler Bündler im Wertpapiernachhandelsbereich. Damit sind wir auf Prozessebene eng mit den Funktionen der Zentralverwahrer verbunden. Das Settlement in Zentralbankgeld spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wir erwarten mit der Einführung von TARGET2-Securities, dass die grenzüberschreitende Abwicklung von Wertpapiergeschäften in Europa mit einer deutlichen Reduzierung der Kosten einhergeht. Zugleich sollte sich die Effizienz für die Abwicklung des Geschäftes im deutschen Markt weiter erhöhen. Welche Bedeutung hat TARGET2-Securities für den Finanzplatz Deutschland? Joachim von Eiberg: Die Bedeutung von T2S nur an einem Finanzplatz festzumachen, damit habe ich - offen gestanden ein Problem. T2S ist aus meiner Sicht ein Programm, dessen Umsetzung nur unter Beteiligung möglichst vieler Zentralverwahrer des europäischen Binnenmarktes Sinn macht. Deutschland gehört dabei allerdings zu den Ländern, deren Transaktionsvolumen besonders wichtig ist für die betriebswirtschaftliche Tragfähigkeit der Initiative. Dies vorausgeschickt, erwarte ich für den Finanzplatz Deutschland wie auch für andere Standorte - die schon genannten Vorteile aus der Umsetzung von T2S. Michael Jost: Wir glauben, dass T2S eine Chance bietet, die Harmonisierung der Marktusancen innerhalb Europas voranzutreiben, wodurch sich sowohl Kosten als auch die Komplexität von Geschäften in der Europäischen Union reduzieren lassen. Die Bedeutung des Projekts hängt entscheidend vom Grad der Harmonisierung ab, der durch T2S erreicht werden kann. Halten nach Einführung von T2S die lokalen Märkte an ihren bestehenden Praktiken fest, wird die Bedeutung für einen einheitlichen europäischen Markt eher gering sein und möglicherweise zu einem Anstieg der Kosten führen. Die Auswirkungen sind nach wie vor unklar. Stephen Lomas: Deutschland ist einer der größten Wertpapiermärkte im Euroraum. Die noch stärkere Integration mit anderen Finanzplätzen bietet Chancen zu weiterem Wachstum. Dies setzt voraus, dass durch T2S die Effizienz der inländischen Abwicklung nicht beeinträchtigt, sondern sogar noch verbessert wird. Und hierzu ist es wichtig, dass sich die lokalen Marktteilnehmer formieren und Einfluss auf die Gestaltung von T2S ausüben, zum Beispiel über die sogenannte German NUG, als auch mit Experten, die in verschiedenen technischen Gruppen der EZB vertreten sind. Die Deutsche Bank ist hier exzellent aufgestellt und hat eine Vielzahl von Vertretern in den entsprechenden Gremien. Hilmar Schwarz: Das Vorhaben TARGET2-Securities zeigt bereits heute nachhaltig Wirkung: Eine Strukturdebatte über die Neuordnung im Wertpapiernachhandel wurde angestoßen, die sich nicht nur auf die Abwicklung in Zentralbankgeld erstreckt. Die Ausstrahlkraft von TARGET2-Securities wirkt auf die Wertpapierindustrie insgesamt. Auf europäischer Ebene haben sich die Initiativen zum Abbau von Barrieren im grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäft beschleunigt. Zentralverwahrer stehen in zunehmendem Wettbewerb um ihre Kunden. Der Finanzplatz Deutschland hat die Chance, zusätzliche Emittenten und Kunden aus dem europäischen Raum für die Nutzung der Marktinfrastruktur zu gewinnen. Was sind die größten Herausforderungen der kommenden Monate? Joachim von Eiberg: Verbindliche Festschreibung des Leistungsumfanges unter Berücksichtigung bereits erreichter Harmonisierungsansätze, Festlegung der Teilnahmekriterien, Festlegung des Programmplanes unter Einbeziehung der Auswirkungen auf die Nutzerinstitute und Vorbereitung der verbindlichen Teilnahmeerklärung durch die Zentralverwahrer. Im weiteren Verlauf erscheint es mir für die externe Governance von T2S sehr wichtig, dass das bewährte Verfahren der direkten Einbindung der Nutzerinstitute, das heißt der Kunden der Zentralverwahrer wie bisher fortgeführt wird. Michael Jost: Zurzeit werden im T2S-Umfeld einige Schlüsselthemen diskutiert, insbesondere das Thema Governance. Gute Governance-Strukturen sind entscheidend für den Erfolg des Projekts, und dessen Endnutzer - oder Banken und Broker spielen in diesem Prozess eine entscheidende Rolle. Die AG hat sich als ein Forum etabliert, in dem nationale Notenbanken, Zentralverwahrer und Endnutzer gleichermaßen gehört werden. Dieses Gremium sollte sowohl für die Entwicklungsphase als auch für die Zeit nach Einführung von T2S bestehen bleiben. Es ist unerlässlich, dass auch Endnutzer in die Entscheidungsfindung zu allgemeinen Fragen der Strategie, Funktionalität, Priorisierung, Zugangskriterien und Kosten eingebunden werden. Wir sind offen für Diskussionen darüber, wie diesem Bedürfnis Rechnung getragen werden kann, halten den Dreiparteien-Ansatz* jedoch für besonders wertvoll. Ein weiteres wesentliches Thema für Morgan Stanley ist die Frage, nach welchen Kriterien Zentralverwahrer für T2S zugelassen werden sollten. Der Erfolg des T2S-Projekts hängt maßgeblich davon ab, wie viele Zentralverwahrer sich für T2S gewinnen lassen. Aus diesem Grund sollten die Zugangsvoraussetzungen so einfach wie möglich gehalten werden. Limitierende und komplexe Zugangsbedingungen könnten eine abschreckende Wirkung entfalten. Stephen Lomas: Auch wenn mit den funktionalen Spezifikationen (GFS) und den Benutzeranforderungen (URD) bereits der technische Rahmen von T2S abgesteckt wurde, sind noch Fragen offen. Diese erstrecken sich über den Preisrahmen, die Migrationsplanung und die wirksame Einbeziehung der eigentlichen Nutzer (Banken) in den Entscheidungsprozess des Projekts. Insbesondere der letzte Punkt ist entscheidend für den Erfolg von T2S. Die Marktteilnehmer benötigen eine möglichst schnelle Klarheit bei diesen strategischen Fragen, um mit den entsprechenden Planungen beginnen zu können. Hilmar Schwarz: Nicht zuletzt hat das kürzlich unterzeichnete Memorandum of Understanding zwischen Eurosystem und Zentralverwahrern das ambitionierte Schlüsselvorhaben für eine einheitliche Infrastruktur vorangebracht. Wir sehen insbesondere drei Themenfelder für die kommenden Monate, die für einen Erfolg wesentlich sind: (1) Auf die Absichtserklärung muss im Jahr 2010 eine verbindliche Erklärung der Zentralverwahrer zur Teilnahme an TARGET2-Securities folgen, um die Planungssicherheit insbesondere für die Nutzer zu ermöglichen. (2) Das zukünftige Preismodell muss den Anforderungen an Transparenz genügen, nachhaltige Kostensenkungen widerspiegeln und Skaleneffekte verursachungsgerecht zuordnen. (3) Die Governance-Struktur für die Zeit nach der Betriebsaufnahme muss den Einfluss der Nutzer auf die Preisstrukturen und die funktionalen Anforderungen sicherstellen. *Anmerkung: Der Dreiparteien-Ansatz umfasst die Einbindung der Notenbanken, der Zentralverwahrer und der Endnutzer.

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