Aufsätze

Verbriefungen: Überlegungen zum Baseler Konsultationspapier

In der ZfgK-Ausgabe vom 15. April dieses Jahres werden die Vorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) ausführlich, sachlich und unter einstweiliger Hintanstellung von Kritik dargestellt.1) Per Anfang Mai sind auf der Website der BIZ inzwischen auch Kommentare zu dem Konsultativpapier ein sehbar.2)

Einhellige Kritik

Diese stammen von Banken weltweit, von nationalen und interna tionalen Bankenverbänden, von den drei führenden Rating agenturen und einigen wesentlichen Verbriefungsverbänden. Die Kritik ist einhellig: Die vorgeschlagenen Eigenkapitalanforderungen würden verbrieftes Risiko deutlich stärker als identisches Risiko in unverbriefter Form belasten. Dies erfolge in einseitiger Orientierung an der in der Krise von 2008 am schlechtesten performenden Assetkategorie (US residential subprime mortgages) und ohne Differenzierung nach robusteren, auch in der Verbriefungskrise wesentlich besser performenden Assets (etwa europäische Hypothekenverbriefungen oder Autokaufkreditverbriefungen).

Um eine in der Vergangenheit zu starke Abhängigkeit von Risikobewertungen durch die Ratingagenturen zu überwinden, würden diverse aufsichtsrechtliche Formelansätze vorgestellt, die ebenso willkürlich wie realitätsfern seien und die perverse Konsequenz hätten, Verbriefungsstrukturen mit hohem Leverage mit niedrigeren Eigenkapitalanforderungen zu belasten als bei niedrigerem Leverage. Das Ganze sei mathematisch übermäßig komplex und damit in der praktischen Handhabung für die Aufsichtsbehörden wie für die Compliance der betroffenen Institute ein Alptraum. Bei den Kommentaren, die sich untereinander in ihrem kritischen Grundton stark ähneln, sind zwei Aspekte besonders bemerkenswert. Erstens fehlen jegliche Kommentare von großen institutionellen In vestoren wie Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen oder Sovereign Wealth Funds. Und zweitens bewegt sich die Argumentation weiterhin innerhalb der bisherigen Denkgewohnheiten, wonach zukünftiges Risiko nach Ausfallwahrscheinlichkeiten berechenbar sei.

Eine erfrischende Ausnahme gibt es, den "Return-Allocated Capital-Equivalence" Ansatz des "Gordian Knot", also eines Anonymus, hinter dem sich vielleicht ein Hedgefond verbergen könnte.3) Dieser Vorschlag ist scheinbar ein Befreiungsschlag, als er - gänzlich ohne Ratings und modelltheoretische Formelansätze - eine Risikogewichtung der Verbriefungstranchen einfach nach ihren jewei ligen Spreads über dem risikofreien Satz zum Emissionszeitpunkt vorschlägt. Das ist also rein marktbasiert und gänzlich verbriefungsneutral, da bei einem unverbrieften Forderungsportfolio mit bestimmtem Risiko nach Verbriefung für die gewichtete Summe aller Tranchen wieder dasselbe Risiko resultiert. Und so sollte es doch eigentlich auch sein?!

Der Baseler Ausschuss ist offenbar anderer Ansicht. Ihm erscheint ein unverbrieftes Forderungsportfolio weniger riskant als dasselbe Forderungsportfolio in verbriefter Form. Als Begründung kann er auf die "US subprime mortgage"-Verbriefungen verweisen, deren Kollaps Ende 2008 beinahe das gesamte Weltfinanzsystem mit sich in den Abgrund gerissen hätte. Der Renditehunger in einem Niedrigzinsumfeld hatte damals zu einer Blase im US-Wohnimmobilienmarkt geführt, die schließlich platzte. Die Blase hätte es zwar auch ohne Subprime-Papiere gegeben. Die damals relativ neuartige Verbriefungstechnik hat aber dazu beigetragen, dass die Risiken der Blase unterschätzt wurden, indem sie unter Instrumentalisierung der Verbriefungstechnik wegtranchiert und verschleiert wurden. In der damaligen Marktphase irrationaler Risikobereitschaft wurden so total intransparente Verbriefungsverbriefungen zum Sprengsatz.

Extremer Renditehunger

Für solche Phasen sind die starren und willkürlich gesetzten aufsichtsrechtlichen Formelansätze des Baseler Konsultationspapiers blind. Möglicherweise ist sich der Baseler Ausschuss dieser eigenen Blindheit zumindest halbwegs bewusst und wählt gerade deswegen die ökonomisch prohibitiv hohe Risikogewichtung von 1 250 Prozent. Aber das ist angesichts des mathematischen Aufwandes denn doch zu grob. Man könnte sich den pseudowissenschaftlichen Aufwand ehrlicherweise ganz schenken und pauschale Verbote verhängen.

Auch gegenwärtig herrscht wieder eine Niedrigzinsphase mit extremem Renditehunger bei den institutionellen Anlegern mit langfristigen Verbindlichkeiten, deren Zins über dem liegt, was für sichere Anlagen zu erzielen ist. Und das treibt wieder die Preise auf den Immobilien-, Aktienund High-Yield-Bondmärkten in die nächsten Blasen. Die Verfasser des rein marktbasierten Kommentars "Gordian Knot" sind für derartige Preisblasen allerdings ebenfalls blind, wenn sie sich in rationalistisch liberaler Manier darauf verlassen, dass der beim Pricing erzielte Spread einer bestimmten Verbriefungstranche deren Risiko effizient, korrekt, jedenfalls auch aufsichtsbehördlich akzeptabel abbildet. Ein so vollzogenes Durchschlagen des gordischen Knoten führt somit auch nicht weiter. Wie kommt man dann aber aus diesem Patt einer immer irrwitziger auswuchernden Regulierungsmanie wieder heraus in einer die Finanzmarktstabilität und vielleicht sogar das Wachstum fördernden Weise?

Idee der Clearingstelle

Beim Risikotransfer zwischen Originator und Endinvestor besteht wie bei jedem Tauschgeschäft oder Kauf der nicht aus der Welt zu schaffende Gegensatz des wirtschaftlichen Interesses von jeweils Verkäufer und Käufer, zu dessen Entschärfung der Regulator nur durch Insistieren auf möglichst vollständiger Transparenz und straffer Standardisierung der zulässigen Geschäftsstrukturen beitragen kann. Die unzureichenden, aus der ökonomischen Neoklassik abgeleiteten Risikogewichte haben bislang lediglich prozyklische Auswirkungen gezeitigt und sollten daher zugunsten einer generell deutlich höher anzusetzenden Eigenkapitalausstattung der Banken vollkommen aufgegeben werden. Nicht nur Ökonomen können nun einmal nicht zukünftige Marktverläufe vorhersagen. Das im Wirtschaftsleben unverzichtbare Eingehen von Risiken darf nicht pönalisiert werden, sondern muss sich innerhalb von Strukturen vollziehen, die zureichendes Haftungsvermögen bei Fehleinschätzungen sicherstellen.

Ein Schritt in die richtige Richtung könnte im Konzept der um die Jahreswende etablierten European Datawarehouse GmbH4) liegen, einer zentralen Clearingstelle für Verbriefungsstrukturen zwischen Anbietern und Anlegern auf Basis einer privatwirtschaftlichen Initiative und beanspruchbar gegen Nutzungsentgelt. Jedenfalls für einfachere, homogenere Asset Kategorien wie Hypotheken- oder Autokaufverbriefungen sollte das sehr nützen und vielleicht auch reichen.

Bei der langfristigen Kreditfinanzierung von Unternehmen, die wegen zu geringer Größe keinen Zugang zu den Kapitalmärkten haben, wäre allerdings neben den noch immer unter Deleveragingdruck stehenden Banken, die sich über Verbriefungsrepos eine neue Refinanzierungsquelle erschlossen haben, ein gebündelter, dauerhafter Transfer an langfristig orientierte institu tionelle Anleger sehr zu wünschen. (Diese Überlegung findet sich auch im Ende Mai 2013 veröffentlichten Grünbuch "Langfristige Finanzierung der Europäischen Wirtschaft" der EU-Kommission - Red.) Angesichts der Komplexität und Heterogenität von Unternehmensrisiken käme eine KMU-Verbriefung in Richtung Kapitalsammelstellen aber nur in Gang, wenn die Integrität des Risikotransfers über eine entsprechende Clearingstelle als "collective good" inklusive des Ware housing von KMU-Deal-Flow bis in kapi talmarktfähige Größenordnungen hinein anerkannt, entsprechend alimentiert, konsequent aufgebaut und dann abrufbar vorgehalten würde.

Das wäre sozusagen ein vom öffentlichen Sektor finanzierter und mit privatwirtschaftlicher Expertise gefütterter Glaskasten mit Dealflow, in dem Risikoeinschätzung kontinierlich, dialogisch ermittelt und angeboten wird, nicht verbindlich, sondern jeweils vorläufig, damit die Haftungsverantwortung der Entscheider nicht mehr wie zuvor durch das Diktum des Regulators aufgehoben wird. Als Träger käme in Deutschland die KfW in Betracht. Aber bei einer Ausrichtung am internationalen Kapitalmarkt und angesichts der inzwischen eingetretenen Fragmentierung der Konditionen für Unternehmensfinanzierungen in den EU-Peripherieländern sollte man eher gleich eine Andockung bei EIB oder EIF ins Visier nehmen.

Fußnoten

1) Wolfgang Greiner, Marian Pollmann, Normann Steinhof: Neue Eigenkapitalanforderungen an Verbriefungen - die Vorschläge des Basler Konsultationspapiers, a.a.O., S. 404 bis 409; das Konsultativdokument vom 19. Dezember 2012 und zwei Working Papers vom Januar 2013 mit weiteren Erläuterungen sind online einsehbar unter www.bis.org/publ/ bcbs236.htm, www.bis.org/publ/bcbs_wp22.htm sowie www.bis.org/publ/bcbs_wp23.htm

2) www.bis.org/publ/bcbs236/comments.htm

3) www.bis.org/publ/bcbs236/gordian.pdf

4) Siehe Website www.eurodw.eu

Michael Altenburg , Luzern, Schweiz
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