Abgeltungsteuer

Wenig Bestandsschutz für Fonds und Aktien

Prof. Dr. jur. Urban Bacher, Professor für Bankmanagement - Hochschule Pforzheim, schreibt der Redaktion: "Bald gehören steuerfreie Kursgewinne der Vergangenheit an. Das Gesetzgebungsverfahren zur Abgeltungsteuer läuft, ab 1. Januar 2009 soll eine 25-prozentige Abgeltungsteuer auf Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne bei Wertpapiergeschäften in Kraft treten. Das bevorstehende neue System macht kreativ, zumal es einen Bestandsschutz für Altinvestments gibt. Danach sollen Kursgewinne bei Altbeständen 'ewig' steuerfrei sein. Was also am 1. Januar 2009 im Depot liegt, kann danach jederzeit steuerfrei verkauft werden. Anders formuliert: Nur Kursgewinne von neuen Papieren werden mit der neuen Abgeltungsteuer belegt.

Doch so einfach die Regel aussieht, ist die Sache im Detail nicht. Rechtlich besteht bei vielen Fallkonstellationen wenig Bestandsschutz. Die Verfassung verbietet eine Rückwirkung von belastenden Gesetzen. Hierzu zählen zweifelsfrei die Steuergesetze. Nur die echte Rückwirkung ist verboten. Das ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Konkret wäre es dem Gesetzgeber also verboten, für alte Investments und alte Veranlagungen verschärfende Regeln nachträglich einzuführen. Beispiel: Für abgeschlossene Steuertatbestände in 2005 und 2006 darf kein neues Gesetz in 2007 rückwirkend Verschärfungen bringen. Die Abgeltungsteuer sieht derartige echte Rückwirkungsregeln auch nicht vor. Freilich darf ein neues Gesetz Tatbestände künftig anders regeln. Je früher das künftige Gesetz angekündigt wird, desto mehr Zeit hat der Bürger sich darauf einzustellen, desto geringer ist auch sein Vertrauensschutz.

In 2007 ist das Gesetzgebungsverfahren 'Abgeltungsteuer 09' eingeleitet worden, sodass für neue Anlageentscheidungen in 2009 ein völlig neues Steuerrecht greift. Problembereiche bestehen für zwei Fallgruppen: Für Investments in 2007 und 2008 einerseits und für 'alte' Dauerinvestments andererseits. Beide Fallgruppen können oder sollen nach dem Willen vieler Anleger noch weit in die Zukunft wirken.

Ein Anleger, der Investments derzeit tätigt, genießt wenig Bestands- und Vertrauensschutz, zumal eine neue Regelung angekündigt ist und in Gesetzesform gegossen wird. Das Anlageziel 'ewig' Steuern zu sparen ist zwar verständlich, rechtlich aber schwer zu schützen. Grund: Der Anleger trifft seine Entscheidungen auch in Kenntnis der neuen Regelungen und möchte dessen nachteilige Folgen für lange Zeit umgehen. Dieses Verhalten ist nicht schutzbedürftig. Bleibt der zweite Fall, also Anleger, die seit Jahren Aktien und Fonds für langfristige Zwecke zum Beispiel zum Aufbau einer Altersvorsorge halten. Auch derartige Dauerinvestments genießen steuerlich wenig Schutz. In ständiger Rechtsprechung wurde herausgearbeitet, dass der Gesetzgeber gerade im Steuerrecht im Falle der sogenannten 'unechten' Rückwirkung viel weniger strengen Bindungen unterliegt als bei echter Rückwirkung. Grund hierfür ist, dass der Schutz des Vertrauens in die Zukunft weniger schwer wiegt als altes Vertrauen. Zwar wird das Anlegerinteresse auf Verlässlichkeit des geltenden Rechts und auf eine Voraussehbarkeit von Folgen anerkannt. Der Gesetzgeber kann diese Interessen jedoch mit dem gesetzgeberischen Interesse für das Wohl der Allgemeinheit und mit weiteren Interessen - zum Beispiel Belastungsgleichheit mehrerer Anlageformen - verwerfen.

Da ein Vertrauen auf ewig freie Kursgewinne wohl kaum Vorrang genießt, hat ein Anleger eine schlechte Rechtsposition. Besonders im Blickfeld des Gesetzgebers sind Investments in Zertifikaten und in Fondsmodelle. Für Zertifikate wurden bereits Fakten geschaffen. Rechtlich clever wurde für Produktinnovationen ein Riegel vorgeschoben, der Bestandsschutz für Zertifikate ist abgelaufen. Man wählte als Stichtag den 14. März 2007, einen Tag bevor das Kabinett die Eckpfeiler der Abgeltungsteuer verabschiedete. Wer später Zertifikate erworben hat, muss diese vor dem 1. Juli 2009 verkaufen, um Kursgewinne noch steuerfrei zu vereinnahmen. Wer dieses Zeitfenster verstreichen lässt, muss die Kursgewinne nach dem neuen Abgeltungsystem versteuern.

Ende August hat der Bundesrat gefordert, weitere Einschränkungen des Bestandsschutzes zu prüfen (vergleiche BT Drucksache 16/6739, Seiten 29 ff vom 18. Oktober 2007). Wörtlich heißt es: 'Für vermögende Privatpersonen haben sich die Möglichkeiten, eigene Fonds zu gründen, insbesondere in Luxemburg erheblich verbessert. Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen auch nach Inkrafttreten der Abgeltungsteuer durch derartige Gestaltungen dauerhaft umgangen wird. Denn vor dem 1. Januar 2009 erworbene Anteile können - unabhängig von der konkreten Anlage innerhalb des Fonds - nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei zurückgegeben oder veräußert werden. Im Fonds thesaurierte Kursgewinne unterliegen somit - anders als beim Direktanleger - generell keiner Besteuerung. ... Daher ist zu prüfen, ob die Fortgeltung der Jahresfrist für Investmentanteile eingeschränkt werden soll ...' Der Bundesrat sieht eine Lösung in der Beschränkung der Steuerfreiheit für Anteile, die nach dem Tag der zweiten beziehungsweise dritten Lesung im Bundestag erworben wurden. Der Gesetzgeber hat schnell reagiert und eine Beschränkung aufgegriffen. Sogenannte 'Millionärsfonds', die nach dem Stichtag 9. November 2007 eingerichtet wurden, unterliegen ab 2009 der Abgeltungsteuer.

Von dieser verschärfenden Regelung sind derzeit nur Spezialfonds betroffen. Der Finanzausschuss des Bundestages hat klargestellt, dass typische Publikumsfonds von Kleinanlegern hiervon nicht betroffen sind. Der Fall zeigt jedoch deutlich wie wachsam der Gesetzgeber ist und wie schnell und effektiv er handeln kann. Wie oben dargestellt, wäre es ihm aus Rechtsgründen sogar erlaubt, die 'ewige' Steuerfreiheit nach einer Übergangszeit zu versagen. Erst recht gilt dies bei Einräumung eines steuerfreien Ausstiegsfensters. Die verbleibenden Monate werden also spannend: Anleger werden diese Monate zum langfristigen Investieren nutzen und umschichten. Der Gesetzgeber wird dieses Verhalten beobachten und über Stichtagsregelungen und über Zeitfenster womöglich steuern. Was bleibt, ist allein der Rat, dass bei der Hatz nach Steueroptimierung Anleger ihr ureigenes Anlageziel nicht vergessen sollten. Die Erfahrung zeigt: Steueroptimierung allein war noch nie ein gutes Anlagekriterium! "

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