Leitartikel

Zur Zukunftsfähigkeit der Großsparkassen

Wo stehen die deutschen Großsparkassen? Sind sie gut genug im Wettbewerb mit einheimischen und internationalen Banken aufgestellt oder bedarf es einer strategischen Neuausrichtung? Sollten sie auf einen eigenen Antritt bauen oder bedürfen sie künftig mehr denn je der Einbindung in den S-Verbund? Wie entwickelt sich die Arbeitsteilung mit den Zentralbanken und den Regionalverbänden? Und welche Perspektiven haben sie mittelfristig? All das sind Fragen, die letztlich eng mit dem politisch gewünschten Status des öffentlich-rechtlichen Bankensektors verknüpft sind. Die Zukunftsfähigkeit der Großsparkassen ist aber sicher auch nicht überall gleich. Dank der scheinbar noch so heilen Welt der HGB-Rechnungslegung lässt sich die Geschäftsentwicklung zwar sehr schön in einer einheitlichen Darstellung der Bilanz- und GuV-Entwicklung abbilden (siehe Bilanzberichte in diesem Heft). Aber die zeigt unabhängig von den Freiheiten der betriebswirtschaftlichen Feinsteuerung und der generellen strategischen Geschäftsausrichtung, dass die Großsparkassen keineswegs homogen sind.

Die betrachteten Institute weisen erste Unterschiede schon in der Rechtsform auf. Gerade unter den großen Häusern sind mit der Hamburger Sparkasse (Haspa), der Bremer Sparkasse und (vorübergehend noch) der Frankfurter Sparkasse (Fraspa) gleich drei in der Rechtsform einer AG organisiert. Indirekt gilt dies auch für die Berliner Sparkasse, die in die Landesbank Berlin Holding AG eingegliedert ist. Ob eine Sparkasse als AG "besser" wäre als eine andere oder "besser" als sie es heute ist, kann man - nach welchen Kriterien man dies auch beurteilen mag - nicht seriös vorhersagen. Allein schon das Regionalprinzip schränkt die Vergleichbarkeit ein. Denn das festgelegte Geschäftsgebiet verteilt angesichts der nur langsam veränderbaren Wirtschaftsstrukturen die Möglichkeiten der Marktausschöpfung unterschiedlich.

Sparkassen in der Rechtsform einer AG sind mit Grundkapital ausgestattet und tendenziell fungibler. Ob sie damit auch in der Praxis handelbarer und nicht zuletzt mit Blick auf europäisches Recht eher einem Verkauf zugänglich werden, wie das sinngemäß der DSGV befürchtet oder ob lediglich ihre Reaktionsmöglichkeiten im (europäischen) Wettbewerbsumfeld größer werden, wie die hessische Landesregierung im Rahmen ihrer laufenden Gesetzesinitiative zur Stammkapitalbildung undübertragung argumentiert, bleibt nur solange eine akademische Diskussion, wie es keine landespolitischen Entscheidungen, sprich Änderungen der Sparkassengesetze gibt. Die wettbewerbspolitischen Bestrebungen der privaten Banken sowie der politische Druck aus Brüssel tendieren jedenfalls eindeutig in diese Richtung. Und der laufende Gesetzgebungsprozess in Hessen zeigt, dass es in Deutschland unterschiedliche Lösungen geben dürfte.

Die Integration der Frankfurter Sparkasse in die Helaba seit September letzten Jahres ist auch insofern eine besondere Situation als es solche Formen gemäß der Berliner Erklärung des DSGV von Anfang November 2005 eigentlich gar nicht geben dürfte. "Vertikale Fusionen und Holdingmodelle, in denen Sparkassen ihre Selbstständigkeit verlieren, sind mit dem Leitbild dezentraler Sparkassen nicht vereinbar", heißt es dort klipp und klar. Aber das kann nur die zukunftsgerichtete Sicht der Dinge sein. Denn damit wurde für einen beträchtlichen Teil der Großsparkassenlandschaft diese existierende Variante einfach bewusst ausgeklammert. Die Einbindung in eine Landesbank hat die Fraspa jedenfalls nicht nur mit der Berliner Sparkasse und mit der Braunschweigischen Landessparkasse (eine Nord-LB-Tochter) gemein, sondern auch mit der "Kundenbank" der LBBW, die unter der Marke BW-Bank in und um Stuttgart die Sparkassenfunktion erfüllt und in ganz Baden-Württemberg vertreten ist.

An deren Beispiel lässt sich schön demonstrieren, um welche Dimensionen es geht. Das rechtlich voll integrierte und damit unselbstständige Stuttgarter Institut veröffentlicht zwar keine vollständigen Bilanz- und Ertragszahlen nach HGB, gibt aber in seinem Jahresbericht durchaus einen Eindruck von den Eckdaten seines Geschäftes. Wenn diese Zahlen für die Ergebnisentwicklung einigermaßen die Grundstruktur ihrer Aktivitäten widerspiegeln, bewegt sich das Geschäft der BW-Bank in Augenhöhe mit der Haspa, und das ist immerhin die größte deutsche Sparkasse. So stehen einem Zinsüberschuss von 772 Millionen Euro in Hamburg in Stuttgart 771 Millionen Euro gegenüber. Beim Provisionsüberschuss liegt die BW-Bank mit 310 Millionen Euro gegenüber Hamburg (241 Millionen Euro) sogar deutlich vorne. Die Verwaltungsaufwendungen werden in Stuttgart bei rund 4100 Mitarbeitern mit 677 Millionen Euro beziffert. Die Haspa mit ihren rund 5800 Beschäftigten kommt mit 620 Millionen Euro aus. Als Risikovorsorge errechnen sich in Hamburg 163,7 Millionen Euro, in Stuttgart werden 130 Millionen genannt. Und auch mit ihrem Betriebsergebnis nach Risiko bewegen sich die BW-Bank mit 275 Millionen Euro und die Haspa mit 266 Millionen Euro auf vergleichbarem Niveau.

Auch die Frage der vertikalen Fusion ist somit im S-Lager eindeutig nicht gelöst. Solange es diese Vorbilder gibt und solche Lösungen von den Rating-Agenturen mehr oder weniger offensiv gelobt werden, bleibt das immer wieder eine Verlockung. Und diese wird umso größer werden, je schwerer es den Landesbanken ohne Retailarm fällt, wirklich zukunftsfähige, sprich hinreichend ertragreiche Geschäftsmodelle zu kreieren. Die Anfälligkeit für solche Ideen haben übrigens zuletzt die kurzzeitigen Gedankenspiele um ein Zusammengehen der WestLB und der Sparkasse Düsseldorf gezeigt. Die Angliederung von "fremden" Retail- beziehungsweise Pri-vate-Banking-Einheiten (ABC- und Weberbank) war da für die WestLB einfacher darstellbar.

Gerade an den Beispielen BW-Bank und Haspa zeigt sich besonders deutlich die Richtung, in die sich die großen Sparkassen schon seit Jahren bewegen. Sie verstehen sich längst als Regionalbanken, etwa für die Metropolregion Hamburg (Kreditwesen 9-2003) beziehungsweise den Kernmarkt Ba-den-Württemberg. Und ein ganz ähnliches Selbstverständnis pflegen auch andere Sparkassen jedweder Größenordnung. Das gilt für die neu entstandene Sparkasse Köln-Bonn ebenso wie für die gebündelten Sparkassenkräfte rund um Hannover, wo sich bekanntlich Stadt- und Kreissparkasse zusammengefunden haben. In anderen Regionen ruft solch ein Zusammenrücken von Stadt- und Kreissparkasse freilich nach wir vor unüberwindliche Vorbehalte hervor - das gilt für München ebenso wie für Köln, wo es über all die vielen Jahre nicht zu dem an sich "natürlichen" und damit nahe liegenden Zusammenschluss der beiden großen Sparkassen rund um den Kölner Neumarkt gekommen ist.

Kreissparkassen, so die zugehörige Argumentation, haben eine Kundenstruktur, die in den so genannten Speckgürteln rund um die großen Städte, ebenso wie auf dem "flachen" Land bessere Ertragschancen verspricht als sie Stadtsparkassen in den Kernbereichen der Ballungsräume vorfinden. Und auch die sparkassenpolitischen Strukturen und Abhängigkeiten scheinen zuweilen für das Management der Kreissparkassen einfacher handhabbar. Stadtsparkassen, so der vielleicht ein wenig pointierte Eindruck, sind auf Gedeih und Verderb an ihre Stadt und an deren wechselhafte strukturpolitische Gemütslage gebunden, während Kreissparkassen tendenziell eher Gegengewichte organisieren und damit die Risiko- und Interessenverteilung besser steuern können. So weit wie bei der Nassauischen Sparkasse muss das Spiel freilich nicht gleich gehen. Denn die historisch gewachsene Gemengelage aus acht unterschiedlich strukturierten Trägern wirkt rund um Wiesbaden zuweilen kontraproduktiv (siehe die höchst mühsame Prozedur zur Erhöhung der stillen Einlagen). Sehr interessant wird an dieser Stelle freilich, ob und in welcher Form ein neues hessisches Sparkassengesetz zur Auflösung der dortigen Gemengelage beitragen kann. Ob gar die Helaba stille Einlagen erbringen kann?

Woran es selbst den größten der Großsparkassen in ihrer Produkt- und Dienstleistungspalette mehr oder weniger deutlich fehlt, ist die Anbindung an den Kapitalmarkt, wobei die BW-Bank als LBBW-Tochter noch die Ausnahme sein mag. Bei vielen Privatbankiers vergleichbarer oder auch deutlich geringerer Größenordnung, so hat man den Eindruck, ist der Kapitalmarktbezug wesentlich weiter fortentwickelt. Besonders deutlich zeigt sich die vergleichsweise dünne Kompetenzvermutung im Investmentbanking sowie im Private Banking. Genau das sollten denn auch eigentlich klassische Betätigungsfelder für die engere Einbindung der Landesbanken in das Netzwerk der (Groß-)Sparkassen sein. Doch gerade an dieser Stelle ist das Verhältnis der Primärebene zu den Zentralinstituten sehr diffizil. In NRW ebenso wie in Hessen und Baden-Württemberg herrscht mancherorts ein abgrundtiefes Misstrauen der Sparkassen gegenüber den Dienstleistungen der Landesbanken, auch wenn das öffentlich nicht in dieser Offenheit geäußert wird. Wenn die eigene Landesbank die zugehörigen Sparkassen mit aggressivem Wettbewerb verschont, so müssen die Primären zudem erfahren, dann sind es oft eben die anderen, die in fremden Sparkassenregionen wildern. Nicht umsonst ist der Arbeitsteilung beziehungsweise verbindlicheren Zusammenarbeit der Sparkassen mit den Landesbanken in der Berliner Erklärung des DSGV ein eigener Abschnitt gewidmet.

Eine entschiedene Gegenreaktion wider die Vereinnahmung durch die Landesbanken ist auf Sparkassenseite freilich weniger erkennbar als früher. Selbst im Rheinland ist es nach außen hin ruhiger als in vergangenen Zeiten. Seitdem sich die Sparkassenorganisationen unter dem Eindruck der Rating-Agenturen überall im Lande auf die Festigung der regionalen Strukturen konzentriert und auf dieser Ebene Haftungsgemeinschaften schmiedet, hat die bundesweite Zusammenarbeit unter den größeren Sparkassen an Schwung verloren. Gibt es beispielsweise die G8 überhaupt noch? Von dieser Initiative der großen Acht, die sich vor einigen Jahren noch auf verschiedensten Feldern als Vorreiter und Sprachrohr der Großsparkassen für eine Bündelung der Kräfte profiliert hat, ist zuletzt immer weniger zu hören. Die großen Sparkassen beteiligen sich stattdessen an den verschiedenen Initiativen ihrer jeweiligen Regionen, an denen neben den Landesbanken teilweise auch die Regionalverbände mitarbeiten. So sind in Hannover Serviceeinheiten für die Kreditabwicklung entstanden, und in NRW beziehungsweise Sachsen ist der Zahlungsverkehr gebündelt worden. Zu den Aktivitäten in der Region passt am Rande auch eine andere Beobachtung der letzten Monate. Immer weniger der Großsparkassen halten ihre eigene Fahne in den Wind. Allein in diesem Jahr haben mit der Sparkasse Köln-Bonn, der Fraspa und der Stadtsparkasse München drei der acht Großen ihre Hausfarben aufgegeben und sind auf das rote Sparkassen-S ihrer jeweiligen Sparkassenregionen umgeschwenkt - natürlich auch unter dem hilfreichen Nebeneffekt, von der bekannten Marke und ihren gemeinsamen Kampagnen zu profitieren.

Trotz der momentanen Fixierung auf die S-Regionen ist konstruktive Arbeitsteilung zwischen Landesbanken, Regionalverbänden und den (Groß-)Sparkassen wie sie der Berliner Erklärung vorschwebt allenfalls in Arbeit, aber längst noch nicht zukunftsweisend umgesetzt. Große Sparkassen indes wird es gleichwohl auch in zehn Jahren noch geben. Der Schlüssel für ihre Zukunftsfähigkeit und ihre organisatorische Einbindung in die Sparkassenorganisation liegt dabei allem Eindruck nach in der Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle der Landesbanken. Bei allem Regionalkolorit wird man die Dinge im Zusammenhang lösen müssen Mo.

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