Adieu Bankgeheimnis - Willkommen Steuertransparenz?

Thomas Ihering, Abteilungsdirektor Recht/ Steuern, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, e.V., Berlin
Unter dem Stichwort Fatca ist auch an dieser Stelle der Datenaustausch über Finanzkonten zu Steuerfragen zwischen den USA und verschiedenen Einzelstaaten in den vergangenen Jahren schon lebhaft diskutiert worden. Anfang des Jahres hat nun auch die OECD vergleichbare Regelungen zum Austausch von Daten über Finanzkonten veröffentlicht. In seiner Analyse und Bewertung der Verpflichtungen für Finanzinstitute sieht der Autor in dem neuen Standard und seiner absehbaren Anwendung durch wichtigste Industriestaaten einen Paradigmenwechsel im steuerlichen Auskunftsverkehr der Staaten. Bedenken äußert er nicht zuletzt aus Gründen der Datensicherheit. Rechtspolitisch artikuliert er sein Unbehagen, dass die Nichtbefolgung der Steuergesetze durch Einzelne ein flächendeckendes Auskunftssystem über alle Kontoinhaber im Ausland rechtfertigen soll und befürchtet negative Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunden. (Red.)

Die OECD hat am 13. Februar 2014 einen neuen weltweiten Standard zum automatischen Informationsaustausch (englisch: Automatic Exchange of Information, AEOI) veröffentlicht. Dieser Informationsaustausch zielt auf die jährliche Meldung von Erträgen und Salden von Konten von Nichtgebietsansässigen zwischen den Staaten. Es werden Finanzinstitute wie Kreditinstitute, Investmentunternehmen und Versicherungsgesellschaften zu erheblichen Sorgfaltsprüfungen und Meldepflichten verpflichtet.

Verständigung auf den OECD-Standard

Der Standard wurde konzipiert, um unversteuertes Auslandsvermögen von Steuerpflichtigen aufzuspüren beziehungsweise die Selbstbefolgung von Steuergesetzen der Bürger mit einem weltweiten Informationssystem anzuregen. Vorbild des OECD-Standards ist der Fatca-Datenaustausch zwischen Staaten und den USA über US-Personen. Die Systematik des AEOI ist daher in weiten Teilen mit denen der Fatca-Umsetzung identisch, in Details ergeben sich jedoch Unterschiede.

Die G20, der informelle Zusammenschluss der nach ihrem Bruttosozialprodukt wichtigsten 19 Industrie- und Schwellenländer sowie der Europäischen Union, haben sich auf ihrem Treffen der Finanzminister in Sydney am 22. und 23. Februar 2014 auf den OECD-Standard verständigt. Am 21. Juli 2014 hat die OECD eine erweiterte Version des Standards veröffentlicht, der um ausführliche Kommentare und technische Bestimmungen zum Datenaustausch komplettiert wurde.1) Der OECD-Initiative haben sich bereits mehr als 65 Staaten weltweit angeschlossen und sich öffentlich zu einer Umsetzung des neuen Standards verpflichtet. Deutschland gehört einer Vorreitergruppe von mehr als 40 Staaten an, die sich zu einer frühen Umsetzung des Standards bekannt haben. Demnach soll gemäß einer Erklärung vom März 2014 der erste Informationsaustausch im Jahr 2017 für Daten des Jahres 2016 stattfinden.2)

Beitritt weiterer Staaten erwartet

Die OECD erwartet den Beitritt weiterer Staaten zum Standard zum Treffen des "Global Forums zur Transparenz und dem Austausch von Informationen für Steuerzwecke", das Ende Oktober 2014 in Berlin stattfand. Das Global Forum ist die im Jahr 2000 gegründete internationale Plattform auch für solche Länder, die der OECD nicht angehören und umfasst zurzeit 110 Staaten. Bei diesem Anlass wurde eine multilaterale Vereinbarung von Staaten unterzeichnet, die erstmals den AEOI wirksam zur Anwendung kommen ließe, sobald die nationalstaatliche Gesetzgebung dies im Einzelnen vorsieht.

Zunächst handelt es sich bei dem OECD AEOI samt Kommentaren und technischen Ausführungsbestimmungen um einen Vorschlag, der zur praktischen Wirksamkeit sowohl zwischenstaatlich vereinbart als auch innerstaatlich umgesetzt werden muss. Wegen der großen Anzahl der für einen weltweiten Standard notwendigen Vereinbarungen könnte ein multilaterales Abkommen Vereinfachung und Vereinheitlichung garantieren.

Die Arbeiten der OECD gliedern sich im Wesentlichen in ein Modell eines zwischenstaatlichen Abkommens (Model Competent Authority Agreement, CAA), dem Allgemeinen Meldestandard (Common Reporting Standard, CRS) mit den für Finanzinstitute zu befolgenden Verfahren zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht (Due Diligence Process) sowie den jeweiligen Kommentaren hierzu und technischen Ausführungsbestimmungen (Standard User Guide).

Unterschiede zum Fatca-System

Die Fatca-Gesetzgebung3) der USA war ursprünglich eine unilaterale Gesetzgebung der USA, die mit dem Drohszenario eines 30-prozentigen Steuereinbehalts weltweite Verbreitung gefunden hat, infolgedessen schließlich staatliche Abkommen mit den USA geschlossen wurden - von der Bundesrepublik Deutschland am 31. Mai 2013. Fraglich ist die Reziprozität der Abkommen, da der Umfang der von den USA an die anderen Staaten gemeldeten Daten sehr viel geringer ist als die über US-Bürger erhaltenen. Hingegen stellt der AEOI die Vertragsstaaten gleich. Der wichtigste systematische Unterschied bezieht sich auf den Anwendungsbereich. Fatca bezieht sich auf die Staatsbürgerschaft oder Ansässigkeit in den USA, während der OECD-Standard allein die steuerliche Ansässigkeit zum Kriterium erhebt und damit auf die tatsächliche Steuerpflicht abhebt. Der OECD-Standard verzichtet auf Bagatellgrenzen (Fatca: 50 000 US-Dollar-Schwelle) sowie Erleichterungen bei der Definition des Neukonteneröffnungsprozesses. Der OECD-Standard ist als "Minimum-Standard" konzipiert, sodass weitergehende Informationen meldepflichtig werden könnten, was theoretisch eine Vielzahl sich unterscheidender Berichtspflichten für die Finanzinstitute bedeuten könnte. Einen Einbehalt von Strafsteuern bei Nichtbefolgung kennt der AEOI nicht.

Sorgfaltspflichten von Finanzinstituten nach dem CRS

Der OECD-Standard zum automatischen Informationsaustausch etabliert mit dem Common Reporting Standard (CRS) umfangreiche Berichts- und Meldepflichten für Finanzinstitute. Dies trifft nicht nur Banken und Sparkassen, sondern auch Investmentgesellschaften oder Versicherungsunternehmen. Bereits der Umfang des CRS von neuen Abschnitten auf 32 Seiten zeigt im Vergleich zum knapp gehaltenen Modell einer zwischenstaatlichen Vereinbarung von sieben Seiten, wo die eigentliche Arbeit des OECD-Modells anfällt: Es werden die Finanzdienstleistungsunternehmen sein, die die Kategorisierung der Kunden, die laufende Aktualisierung der Daten und das Berichtswesen zu verrichten haben werden.

Die Meldepflichten der Finanzinstitute beziehen sich auf folgende Daten von Finanzkonten natürlicher oder juristischer Personen wie auch Rechtsträgern wie Stiftungen und Trusts (bei passiven Gesellschaften ist auf die kontrollierenden natürlichen Personen durchzublicken, die eigenständig zu melden sind):

- Name,

- Adresse,

- Ansässigkeitsstaat,

- Steueridentifikationsnummer/n,

- Geburtsdatum (nicht bei Rechtsträgern),

- Geburtsort (nicht bei Rechtsträgern),

- Kontonummer,

- Bezeichnung und Identifikationsnummer des Finanzinstituts,

- Kontenstand oder Wert (bei Versicherung den Barwert oder Rückkaufswert),

- negative Kontenstände sind mit Null zu melden; alternativ die Schließung des Kontos,

- bei Verwahrkonten den Gesamtbetrag von Zinsen, Dividenden und anderem Einkommen, das aus dort gehaltenem Vermögen resultiert sowie dem Gesamtbetrag von Einkünften aus dem Verkauf von Finanzvermögen,

- bei Einlagenkonten den Gesamtbetrag von Zinsen,

- Angabe der Währung, in der das Konto geführt wird.

Dreh- und Angelpunkt der vom Standard geforderten Bemühungen ist die Identifizierung von meldepflichtigen "Finanzkonten". Der Finanzkontenbegriff des AEOI ist identisch mit dem des Fatca Model Agreements4) und ist sehr weit gefasst. Damit sind also nicht nur Einlagen- und Verwahrkonten inbegriffen, sondern insbesondere auch rückkaufsfähige Versicherungs- und Rentenversicherungsverträge von Versicherungsgesellschaften, aber auch Eigen- und Fremdkapitalbeteiligungen an einem Finanzinstitut.

Meldepflichtige Finanzkonten

Meldepflichtige Finanzkonten sind nur solche, die von "meldepflichtigen Personen" gehalten werden. Der Begriff "Person" umfasst nach dem AEOI dabei natürliche als auch juristische Personen. Inbegriffen sind daneben auch andere rechtliche Zusammenschlüsse wie Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, Trusts oder Stiftungen.5) Zudem muss es sich um eine in einem Land steuerlich ansässige Person handeln, das ein AEOI-Abkommen geschlossen hat. Die OECD hat dazu eine Liste veröffentlicht.

Ein meldepflichtiges Konto liegt auch dann vor, wenn es von einer "passiven NFE" (Nichtfinanzeinheit) gehalten wird, an der wiederum als "kontrollierende Person" eine begünstigte natürliche Person beteiligt ist, die steuerlich in einem Meldeland ansässig ist. Der AEOI verlangt insofern ein "Durchblicken" auf den wirtschaftlich Berechtigten eines Kontos. Hierbei werden die Maßstäbe der Financial Action Task Force angelegt.6) Als wirtschaftlich Berechtigter wird nach diesem Ansatz das Überschreiten einer bestimmten Schwelle des Vermögens der kontrollierten Einheit angesehen. Er liegt bei 25 Prozent der Anteilsrechte beziehungsweise des Vermögens. Damit verlangt der AEOI keinen anderen Maßstab, als derzeit in Deutschland nach § 1 Abs. 6 Geldwäschegesetz bereits angelegt wird.

Das "passive Einkommen" wird als Bruttoeinkommen definiert, das aus Dividenden, Zinsen, Zins vergleichbarem Einkommen, Mieten und Lizenzgebühren, Renten und Pensionen, Überschüsse aus dem Verkauf von Finanzanlagen oder von Finanztransaktionen, Währungsgeschäften, Swapgeschäften oder Versicherungsgeschäften resultiert, wobei das passive Geschäft nicht solchen Rechtsträgern zugeschrieben wird, deren regelmäßiger Geschäftszweck im Erzielen solcher kaufmännischer Gewinne liegt.7) Eine "passive Finanzeinheit" liegt vor, wenn mehr als 50 Prozent ihres Bruttoeinkommens des vorausgegangen Kalenderjahres diesem passiven Einkommen entstammen.

Verfahren für neue Konten

Nicht zu den meldepflichtigen Personen gehören Unternehmen, deren Anteile regelmäßig auf einem etablierten Wertpapiermarkt gehandelt werden, eine verbundene Einheit eines solchen Unternehmens, eine Regierungsstelle, eine internationale Organisation, eine Zentralbank oder eine Finanzinstitution selbst.8)

Die Sorgfaltspflichten des Finanzinstituts unterscheiden sich danach, ob es sich um ein bestehendes oder ein neues Konto für eine natürliche Person oder um ein bestehendes oder ein neues Konto für einen Rechtsträger handelt. Die Anforderungen an bestehende Konten sind geringer als die für neue Konten. Der CRS überlässt es einem anwendenden Staat, ob er die Verfahren für neue Konten auch für die bestehenden Konten angewendet wissen will. Ebenso können nach staatlicher Option die Ver fahren für Konten von hohem Wert ("High-Value Accounts") auch für solche mit geringerem Wert angewendet werden.9)

Bestehendes Konto einer natürlichen Person - Die niedrigsten Pflichten sind bei einem bereits bestehenden Konto für eine natürliche Person zu beachten.10) Bei Konten mit einem Wert von unter einer Million US-Dollar kann die Finanzinstitution für die Frage einer eventuellen Meldepflicht auf die aktuelle Angabe der Wohnsitzadresse vertrauen, die bereits in ihren Unterlagen hinterlegt ist. Es wird fingiert, dass der Kontoinhaber für Steuerzwecke in dem Land ansässig ist, die seiner Adresse entspricht.

Ist keine aktuelle Anschrift vorhanden, wird eine elektronische Suche in elektronischen Daten der Finanzinstitution nach gewissen Indizien verlangt, die eine Ansässigkeit in einem meldepflichtigen Staat nahelegen. So etwa eine Vollmacht für eine in einem meldepflichtigen Staat ansässige Person, eine "care of"-Adresse daselbst oder die dortige Telefonnummer. Verläuft diese Suche erfolglos, ist keine weitere Aktion vonnöten. Wird jedoch ein Indiz gefunden, ist der Kontoinhaber entweder als meldepflichtig zu behandeln, oder das Finanzinstitut hat eine Selbstzertifizierung des Kontoinhabers über seine Ansässigkeit außerhalb eines meldepflichtigen Staates einzuholen, das durch weitere beweiskräftige Unterlagen des Finanzinstituts gestützt wird.

Erhöhte Anforderungen für "Konten von hohem Wert"

Für Konten von hohem Wert von Privatpersonen mit einem Betrag von über einer Million US-Dollar (High Value Account) gelten demgegenüber erhöhte Anforderungen. Das Heranziehen der aktuellen Anschrift ist für die Bestimmung der Ansässigkeit in einem meldepflichtigen Staat nicht ausreichend. Vielmehr ist eine elektronische Suche in den Unterlagen des Finanzinstituts nach den oben genannten Indizien regelmäßig vonnöten. Wenn die Datenbasis zu den Kunden des Finanzinstituts nicht einem bestimmten Mindestmaß an Details entspricht, wird eine Suche auch in den papierhaften Unterlagen des Finanzinstituts verlangt. Zudem ist noch eine Befragung des Kundenbetreuers notwendig, der über seinen aktuellen Wissensstand darüber zu befragen ist, ob eine Ansässigkeit in einem meldepflichtigen Staat vorliegt.

Neukonto einer natürlichen Person - Bei neuen Konten natürlicher Personen ist wie folgt vorzugehen: Zwingend ist eine Selbstzertifizierung des Kontoinhabers einzuholen. Sie gibt über die Ansässigkeit für Steuerzwecke Auskunft und wird ergänzt durch eine Plausibilitätsprüfung des Finanzinstituts basierend auf den Kontoeröffnungsunterlagen und allen anderen vorhandenen Dokumenten aus dem Verfahren zur Bekämpfung der Geldwäsche. Bestandteile der Selbstzertifizierung sind Name, Wohnanschrift, Wohnsitzstaat für Steuerzwecke, Steueridentifikationsnummer und Geburtsdatum.11)

Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben: Die Selbstzertifizierung kann Bestandteil der Kontoeröffnungsunterlagen des Finanzinstituts sein und muss nicht in einer separaten Urkunde bestehen. Eine formularmäßige Vorformulierung durch das Finanzinstitut ist möglich, ebenso die elektronische Erteilung der Selbstzertifizierung. Es soll durch das Finanzinstitut sichergestellt sein, dass Identität zwischen Auskunft gebender Person und zertifizierter Person besteht und nur diese das elektronische System nutzt. Auf Anfrage soll eine papierhafte Ausfertigung aller Selbstzertifizierungen durch den Erklärenden geliefert werden können.12) Eine Unterschrift kann gegeben werden, ist aber bei anderweitiger positiver Bestätigung nicht obligatorisch.13)

Die Gültigkeit einer Selbstzertifizierung ist nicht durch eine starre Zeitgrenze begrenzt, sondern hängt von einer möglichen "Änderung der Verhältnisse" ab. Tritt ein solches Ereignis ein, sodass das Finanzinstitut Anlass zu der Annahme hat, dass die Selbstzertifizierung unrichtig ist, hat es eine neue Selbstzertifizierung einzuholen oder eine nachvollziehbare Erläuterung samt Nachweis des Kontoinhabers zu dokumentieren, dass die alte Auskunft noch zutreffend ist.14) Der AEOI setzt voraus, dass das Finanzinstitut Verfahren einrichtet, die eine Änderung der Verhältnisse identifiziert. Der Kontoinhaber ist darüber zu belehren, dass ihn die Verpflichtung trifft, das Finanzinstitut selbstständig über eine Änderung der Verhältnisse zu informieren. Verwaltungserleichternd gilt eine 90-Tage-Regelung, innerhalb derer es unbeanstandet bleibt, wenn eine Änderung der Verhältnisse vom Finanzinstitut unberücksichtigt bleibt. Sie errechnet sich ab dem frühesten der Zeitpunkte, ab dem die Änderung eintritt, die Gültigkeit der ersten Selbstzertifizierung bestätigt oder eine neue Selbstzertifizierung eingereicht wird.15)

Plausibilitätsprüfung

Zudem hat das Finanzinstitut eine Plausibilitätsprüfung bezüglich der Einordnung der steuerlichen Ansässigkeit vorzunehmen. Ergibt sich ein Widerspruch zwischen Wohnsitzadresse aus den Kontoeröffungsunterlagen und dem Anti-Geldwäscheprozess und der Ansässigkeit für Steuerzwecke aus der Selbstzertifizierung, so hat das Finanzinstitut um Erläuterung und gegebenenfalls weitere Dokumentation bei dem Kunden zu bitten. Angeführte Fälle sind etwa Auslandsstudenten, Lehrer an Auslandsschulen, Teilnehmer an Ausbildungsprogrammen oder Kulturaustauschen, Konsulats- oder Botschaftsangehörige, Grenzgänger oder Angestellte von Speditions- oder Bahnunternehmen. Lässt sich der Sachverhalt nach Erläuterung und verhältnismäßig zumutbarer Dokumentation aufklären, ist die Plausibilitätsprüfung erfolgreich. Ist die Plausibilitätsprüfung nicht erfolgreich, wird eine Meldepflicht an den Wohnsitzstaat angenommen.

Ausdrücklich wird von dem Finanzinstitut keine eigenständige unabhängige rechtliche Prüfung der einschlägigen Steuergesetze verlangt, um die Plausibilität der Selbstzertifizierung zu bestätigen.16) Allerdings muss die Festlegung des steuerlichen Wohnsitzes als doch nicht triviale Prüfung angesehen werden. Dementsprechend verspricht der Kommentar des AEOI, dass die teilnehmenden Staaten den Steuerzahlern Hilfeleistung geben und Informationen bereitstellen werden, um die Ansässigkeit für Steuerzwecke festzustellen.17) Dies soll durch Telefondienste, Präsenzbüros oder Internetseiten geschehen. Auch verspricht die OECD, die Verbreitung von relevanten Informationen zu befördern.

Bestehendes Konto von Rechtsträgern - Für bestehende Konten von Rechtsträgern gilt folgendes Vorgehen18): Bestehende Konten von Rechtsträgern mit einem aggregierten Wert von nicht mehr als 250 000 US-Dollar müssen nicht geprüft, identifiziert oder gemeldet werden. Entscheidend ist der Wert des Kontos am 31. Dezember. Besteht ein aktueller Kontenwert am 31. Dezember des Stichjahres bis zu dieser Schwelle, besaß das Konto am letzten Tag des Jahres eines vorangegangenen Kalenderjahres aber einen Wert von mehr als 250 000 US-Dollar, so ist auch dieses Konto zu prüfen.

Meldepflichtig sind zum einen Konten, die von Rechtsträgern gehalten werden, die meldepflichtige Personen sind. Zum anderen sind meldepflichtige Konten passiver NFE (Nichtfinanzeinheiten), die von einer oder mehreren natürlichen Personen kontrolliert werden, die als in einem meldepflichtigen Staat steuerlich ansässig sind, zu melden.

Zuerst ist dazu zu prüfen, ob der Kontoinhaber der Einheit in einem meldepflichtigen Staat ansässig ist. Indizien hierfür können Ort der Errichtung beziehungsweise Gründung der Einheit oder eine dortige Adresse sein. Wird dies bejaht, ist das Konto als meldepflichtig zu behandeln. Legt der Kontoinhaber aber eine Selbstzertifizierung vor, dass er keine meldepflichtige Person ist (weil seine Ansässigkeit sich nicht auf das meldepflichtige Land bezieht), so ist nicht zu melden.

Konten von "passiven NFE" mit kontrollierenden Personen, die in einem Meldeland ansässig sind, werden wie folgt geprüft: Für die Frage, ob ein passives Einkommen (zum Begriff siehe oben) vorliegt, ist eine Selbstzertifizierung der Einheit einzuholen. Auf sie kann verzichtet werden, wenn dem Finanzinstitut aus eigenen Informationen oder öffentlich verfügbaren Informationen bekannt ist, dass es sich um aktives Einkommen der NFE handelt. Sodann ist die kontrollierende Person des Kontoinhabers zu bestimmen. Hierfür kann auf die bei der Kontoeröffnung abgefragten Informationen nach dem Verfahren zur Bekämpfung von Geldwäsche abgestellt werden.

Neue Konten von Rechtsträgern

Schließlich ist festzustellen, ob es sich bei dieser kontrollierenden Person auch um eine meldepflichtige Person handelt. Bei bestehenden Konten kann wiederum auf die vorliegenden Informationen bei Kontoeröffnung vertraut werden, alternativ kann eine Selbstzertifizierung nachgewiesen werden. Übersteigt der aggregierte Kontenwert eine Million US-Dollar so ist zwingend eine Selbstzertifizierung der kontrollierenden Person über ihre steuerliche Ansässigkeit einzuholen.

Neukonto von Rechtsträgern - Bei neuen Konten von Rechtsträgern ergibt sich folgende Prüfung.19) Die Ansässigkeit für Steuerzwecke der Einheit ist durch eine Selbstzertifizierung nachzuweisen. Ist die Ansässigkeit des Kontoinhabers in einem meldepflichtigen Staat gegeben, so ist das Konto zu melden, es sei denn, dass sich aus anderen vorliegenden oder öffentlich verfügbaren Informationen etwas anderes ergibt. Zu prüfen ist auch, ob ein Konto von passiven Nichtfinanzeinheiten mit kontrollierenden Personen, die in einem Meldeland ansässig sind, vorliegt, das zu melden wäre. Für die Frage, ob eine passive NFE vorliegt, ist wiederum eine Selbstzertifizierung einzuholen. Die kontrollierende Person ist analog dem Anti-Geldwäsche-Prozess festzustellen. Ob diese Person auch in einem meldepflichtigen Land steuerlich ansässig ist, muss schließlich mit einer Selbstzertifizierung festgestellt werden.

Parallele Entwicklung auf Ebene der EU

Auch die EU beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des Datenaustausches über steuerlich relevante Erträge. Während die umfassende Weiterentwicklung der EU-Zinsrichtlinie20), mittels derer seit dem 1. Juli 2005 ausschließlich Zinserträge gemeldet werden, bislang erfolglos war, hat die EU-Kommission einen Vorschlag für die Erweiterung der EU-Amtshilferichtlinie21) vorgelegt. Hierin wurde ursprünglich gleichfalls ein automatischer Informationsaustausch zu Dividenden, Veräußerungsgewinnen und Kontoguthaben vorgeschlagen, der ab dem Jahr 2015 eingeführt werden sollte. Die Harmonisierung der OECD-Initiative mit dem politischen Vorhaben der EU wird nun durch die Erweiterung der EU-Amtshilferichtlinie22) verfolgt. Demnach werden nach dem geplanten Artikel 8 Abs. 3 a dieser Richtlinie und seinen zwei Anhängen Melde- und Sorgfaltsvorschriften für Informationen über Finanzkonten für Finanzinstitute vorgesehen. Dabei entspricht Anhang I dem von der OECD entwickelten CRS, während Anhang II wesentliche Vorschriften aus dem Musterkommentar der OECD aufnimmt. Damit soll die Umsetzung des AEOI in den europäischen Mitgliedstaaten über die Amtshilferichtlinie geregelt werden. Im Wesentlichen entsprechen die Vorschriften der geänderten Amtshilferichtlinie dem AEOI, in Details allerdings bleiben Abweichungen. Der erste Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten soll im September 2017 für Daten des Jahres 2016 erfolgen. Hierfür müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Gesetze bis zum 31. Dezember 2015 anpassen.

Wenn der AEOI auf EU-Ebene etabliert ist, könnte die EU-Zinsrichtlinie wegen ihres geringeren Anwendungsbereichs nur auf Zinsen mittelfristig hinfällig werden,23) da der AEOI nach der Amtshilferichtlinie Vorrang vor jedem anderen Informationsaustausch in der EU haben soll.

Zu kritisieren ist, dass die politischen Akteure OECD, EU und die initiierenden Staaten sich nicht frühzeitig auf einen einzigen Standard haben einigen können. Auch der Vergleich zu Fatca zeigt nur eine Annäherung des AEOI an das US-Vorbild. Eine Konvergenz der verschiedenen Meldesysteme wird nur als politisches Ziel formuliert, anstatt zuerst ein gemeinsames System zu entwickeln. Dies schlägt sich nicht nur in exorbitanten Bürokratiekosten24) nieder, sondern berührt mit der Frage nach der Verhältnismäßigkeit konkurrierender und kongruenter Gesetze und Standards einen entscheidenden rechtsstaatlichen Aspekt.

Fragwürdig ist, ob Staaten generell einen Anspruch auf die Daten erheben können, die für die Besteuerung im Einzelfall überhaupt nicht relevant sind, etwa weil eine persönliche Steuerpflicht nicht besteht oder Freibeträge den Anfall von Steuer unterbinden. So kann die Meldung von Kontenständen nur für die international seltene Vermögensteuer gerechtfertigt sein, nicht aber in ertragsteuerlicher Hinsicht. Für deutsche Steuerzwecke ist dieses Datum zurzeit allenfalls nützlich, aber keinesfalls erforderlich, was ebenfalls die Frage der Verhältnismäßigkeit aufwirft.

Datensicherheit gewährleistet?

Hinsichtlich der Datensicherheit muss ein internationaler Datenaustausch großen Bedenken begegnen, da der Zugriff vieler Stellen auf sensible Daten die Möglichkeit des Missbrauchs potenziert.25) Konkrete Vorgaben des OECD-Standards zum Datenschutz werden nicht getroffen. Die Vertraulichkeit und die Integrität der Daten und der Verschlüsselungsmaßnahmen werden nicht durch technische Mindeststandards festgelegt. Hier begnügt sich der Standard trotz vielfacher Ausführungen im Kommentar mit vagen Beispielen statt konkreter Anforderungen. Daher muss es Sache der Vertragsstaaten sein, die Rechte ihrer Bürger tatsächlich zu wahren und Mindeststandards einzuhalten. An der effektiven Wahrung des Datenschutzes wird der AEOI gemessen werden.

Dies bedeutet, dass mit dem vorliegenden AEOI die OECD für die adaptionswilligen Staaten kein "Rundum-Sorglos-Paket" geschnürt hat, das zu schnellen zwischenstaatlichen Vertragsschlüssen führen sollte. Vielmehr liegen in der sorgfältigen Analyse des Rechtsrahmens, des Datensicherheitsmanagements sowie der Überwachung und effektiven Rechtsschutzes des Vertragspartnerstaates die Herausforderungen für den Staat, um die Rechte der Kunden von Finanzinstituten zu schützen.

Schließlich führt die Meldung von Vermögen und Erträgen steuerlich Nichtansässiger zu einer fragwürdigen Unterscheidung zu den Gebietsansässigen. Allein das Innehaben eines ausländischen Kontos soll Anlass für den Datenaustausch sein, während inländische Konten von Inländern nicht gemeldet werden. Dies könnte die EU-Grundfreiheit der Kapitalverkehrsfreiheit mittelbar beeinträchtigen, da der Informationsaustausch geeignet sein kann, Abstand von der Wahrnehmung von Dienstleistungen im Ausland zu nehmen.

Eine bessere Alternative zum AEOI wäre dagegen das System abgeltender Steuergesetze basierend auf Steuerabkommen, in denen ohne die Notwendigkeit einer Veranlagung beim Steuerpflichtigen der Steueranspruch des Staates durch unmittelbaren Abzug im Quellenstaat sofort erfüllt wird und sich damit Datenaustausche erübrigen. Es stellt das mildere Mittel in Bezug auf die Eingriffsintensität beim Bürger dar und ist auch für die Steuerverwaltungen effizienter. Für diese Lösung besteht weltweit indes derzeit kein politischer Durchsetzungswille.

Erheblicher Aufwand für die Banken

Nicht zuletzt die Existenz von Kollisionsnormen in den Doppelbesteuerungsabkommen belegen die Tatsache, dass die mit der Prüfung der steuerlichen Ansässigkeit beauftragten Finanzinstitute - und sei es nur im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung - mit einer weiteren anspruchsvollen Verwaltungsaufgabe bedacht werden. Eine Entschädigung hierfür schlägt die OECD nicht vor. Für die Finanzinstitute aufwendig könnte sich erweisen, dass die Sorgfaltspflichten über den Kundenbestand immer dann revolvierend anzuwenden sind, sofern ein weiterer Staat den AEOI vereinbart hat. Die Identifikation und das Monitoring von Kunden werden für Finanzinstitute erheblich aufwendiger.

Der neue Standard der OECD und seine absehbare Adaption durch die wichtigsten Industriestaaten bedeuten einen Paradigmenwechsel im steuerlichen Auskunftsverkehr der Staaten. Das System des automatischen Informationsaustausches schafft einen anlassunabhängigen automatischen Austausch von Kundendaten der Finanzinstitute zugunsten von Steuerbehörden. Sie bedeutet nach der Anfrage nach Ersuchen die schärfste Form der Kontrolle und muss sich daher an besonders strengen Maßstäben insbesondere zum Datenschutz messen lassen. Erst die konkrete Umsetzung wird zeigen, ob ein rechtskonformer Informationsaustausch gelingt. Offen ist, ob sich die Erwartungen von Steuermehreinnahmen erfüllen werden.

Rechtspolitisch bleibt das Unbehagen, dass die Nichtbefolgung der Steuergesetze durch Einzelne ein flächendeckendes Auskunftssystem über alle Kontoinhaber im Ausland rechtfertigen soll. Das Vertrauensverhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunden, wie es der deutsche Gesetzgeber in § 30 a Abgabenordnung noch vor der periodischen Ermittlung der Finanzbehörden ausdrücklich geschützt hat, steht nun vor einer Neudefinition.

Fußnoten

1) http://www.oecd.org/ctp/exchangeoftaxinformation/automaticexchange.htm

2) Vgl. http://www.oecd.org/tax/transparency/AEOI-jointstatement.pdf

3) Foreign Account Tax Compliance Act als Teil des The Hiring Incentives to Restore Employment (HIRE) Act vom 18. März 2010.

4) http://www.treasury.gov/resourcecenter/taxpolicy/treaties/Pages/FATCA.aspx#ModelAgreements

5) CRS Abschnitt VIII E. Nr. 3.

6) Empfehlung 10 des Internationalen Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und der Finanzierung von Terrorismus und Proliferation - die FATF Empfehlung, Februar 2012.

7) Kommentar zum CRS, Abschnitt 8, Nr. 126.

8) Kommentar zum CRS, Abschnitt 8, Nr. 111.

9) CRS Abschnitt II E.

10) CRS Abschnitt III.

11) Kommentar zum CRS Abschnitt IV. Nr. 7.

12) Kommentar zum CRS Abschnitt IV Nr. 9. Satz 3.

13) Kommentar zum CRS Abschnitt IV Nr. 11.

14) Kommentar zum CRS Abschnitt IV Nr.12; Abschnitt III Nr. 17.

15) Kommentar zum CRS Abschnitt IV Nr. 14.

16) Kommentar zum CRS Abschnitt IV Nr. 23, Satz 2.

17) Kommentar zum CRS Abschnitt IV Nr. 6.

18) CRS Abschnitt V.

19) CRS Abschnitt VI.

20) Richtlinie 2003/48/EG des Rates der Europäischen Union vom 3. Juni 2003.

21) Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung vom 12. Juni 2013.

22) Einigung des Ecofin vom 14. Oktober 2014, die formelle Verabschiedung könnte im Dezember 2014 erfolgen http://register.consilium.europa.eu/content/out?lang=EN&typ=ENTRY&i=SMPL&DOC_ID=ST-13792-2014-INIT

23) Die Zinsrichtlinie könnte bis 31. Dezember 2015 anwendbar bleiben, für Österreich möglicherweise bis 31. Dezember 2016.

24) Schätzung für das vergleichbare Fatca-Verfahren für die Jahre 2014 bis 2017 deutschlandweit: 386 Millionen Euro; 30 Millionen Euro für die jährliche Informationspflicht, vergleiche BR-Drs. 234/14 vom 28. Mai 2014.

25) In Deutschland sollen nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Steuern 1 165 Finanzbeamte Zugriffsberechtigungen auf Steuerunterlagen des früheren FC-Bayern-Managers Ulrich Hoeneß gehabt haben; SZ vom 26. August 2014, S. 1.

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