Deutsche Kreditwirtschaft: Anmerkungen zum EU-Aktionsplan für den NPL-Abbau in Europa

Mit Blick auf die diversen Initiativen europäischer Instanzen zum "EU-Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa" und zur Vermeidung zukünftiger NPLs formulieren die Autoren aus Sicht der Deutschen Kreditwirtwirtschaft drei Anforderungen. Erstens klare und harmonisierte Risikomanagementregeln zur Identifizierung und Handhabung von Problemkrediten, zweitens die Einhaltung der bestehenden Bilanzierungsregeln für die Bildung von Risikovorsorge und drittens die Überwachung der Einhaltung der Regeln durch die Aufsichtsbehörden im Rahmen der Beurteilung des SREP-Prozesses. (Red.)

Auf EU-Ebene wurden in den letzten Monaten verschiedene Vorschläge zum Abbau von notleidenden Krediten (Non-Performing Loans, NPLs) vorgelegt. Insgesamt sind es 14 europäische Initiativen, die im Wesentlichen unter der Überschrift "EU-Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa" laufen. Diese Initiativen beinhalten unter anderem Überlegungen zur Ermöglichung einer beschleunigten außergerichtlichen Verwertung von Sicherheiten, Leitlinien zum Management von NPLs oder auch der Stärkung des Sekundärmarktes für den Handel mit NPLs.

Inhaltlich am bedeutendsten ist der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Capital Requirements Regulation, CRR) in Form der geplanten Einführung einer Mindestdeckungshöhe für Kredite (Backstop), die nach dem 14. März 2018 neu ausgereicht und anschließend notleidend wurden. Der Aktionsplan zielt hauptsächlich auf einen deutlichen Abbau von Risiken im Bankensektor, was als wichtige Voraussetzung für die Vollendung der Bankenunion angesehen wird. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) unterstützt generell die Intention des Aktionsplanes zum Abbau von NPLs.

Drei Voraussetzungen für NPLs

Für bestehende und zukünftige NPLs ist es nach Ansicht der DK notwendig, aber auch ausreichend, wenn folgende drei Voraussetzungen gegeben sind:

Klare und harmonisierte Risikomanagementregeln zur Identifizierung und Handhabung von Problemkrediten: Eine ausreichende Anforderung an das Risikomanagement auf europäischer Ebene dürfte das Ziel der nunmehr im Entwurf vorliegenden Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zum Management notleidender Kredite sein. Mit den Vorgaben sollen die Institute verschiedene Instrumente an die Hand bekommen, die sie bei der Umsetzung von Strategien zur Reduzierung notleidender Kredite unterstützen sollen. Die Leitlinien sollen einen ganzheitlichen Ansatz zur Verbesserung des NPL-Managements darstellen. Hier ist vor allem eine Harmonisierung in Bezug auf die Umsetzungsfristen und Stichtage erforderlich.

- Einhaltung der bestehenden Bilanzierungsregeln für die Bildung von Risikovorsorge: Sollte es Bedenken bei der Bildung von Wertberichtigungen geben, so sind diese direkt bei der Rechnungslegung zu adressieren. Generell sollten in Bezug auf Rechnungslegungsstandards mit der Backstop-Regelung keine grundlegenden Zweifel - weder an der deutschen Bilanzpraxis, noch an der IFRS-Bilanzierung - geschürt werden.

- Überwachung der Einhaltung der Regeln durch die Aufsichtsbehörden im Rahmen der Beurteilung des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP): Der Aufsicht stehen mit dem SREP bereits ausreichend Instrumente und Informationen zur Verfügung, um den Instituten mit hohen NPLs bei Bedarf zusätzliche Eigenmittelanforderungen aufzuerlegen beziehungsweise sonstige Maßnahmen zu ergreifen. Sie ist damit schon jetzt in der Lage, steuernd beziehungsweise risikoadäquat auf die Handhabung der NPLs in diesen Instituten einzuwirken. Zum effektiven Abbau von NPLs ist zudem eine Einzelfallbetrachtung im Rahmen des SREP-Dialoges auf Grundlage der von den Instituten erstellten NPL-Strategien besser geeignet als die Umsetzung einer quantitativen Mindestrisikovorsorge.

Regulatorische Anforderungen

Wie bereits erwähnt, ist ein bedeutender Bestandteil des EU-Aktionsplans der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Mindestrisikovorsorge für notleidende Risikopositionen (Backstop). Ein solcher Auffangmechanismus soll dem Risiko unzureichender Risikovorsorge für künftige notleidende Kredite vorbeugen. Institute müssen danach unbesicherte Positionen innerhalb von zwei Jahren, besicherte Ausreichungen binnen acht Jahren durch Risikovorsorge vollständig abdecken. In die gleiche Richtung zielt auch der Vorschlag der Europäischen Zentralbank (EZB) in ihrer Ergänzung (Addendum) zum NPL-Leitfaden zur Beurteilung der Risikovorsorge im Rahmen des SREP. Sofern die durch den Backstop geforderte Mindestdeckung nicht erfüllt ist, muss das Institut die Differenz zur gebildeten Risikovorsorge vom harten Kernkapital abziehen.

Die DK hat sowohl im Hinblick auf den Vorschlag als auch auf die Methodik eines Backstop erhebliche Bedenken. Die Ursachen für hohe NPL-Bestände sind vielschichtig. Neben makroökonomischen Faktoren spielen ebenfalls strukturelle (nationale beziehungsweise individuelle) Faktoren eine große Rolle, wie zum Beispiel ein ineffizientes Insolvenz- und Vollstreckungsverfahren. Hier ist fraglich, ob der geplante Backstop als Antwort auf die vielschichtigen Ursachen zur Lösung beiträgt oder nicht andere Maßnahmen zielgerichteter wären (zum Beispiel Harmonisierung des Insolvenzrechts).

Die methodischen Bedenken betreffen den entstehenden Aufwand bei gleichzeitig eintretenden ungewollten, insbesondere prozyklischen sowie mittelstands- und verbraucherschädlichen Auswirkungen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sowohl in deutschen regulatorischen (insbesondere die Mindestanforderungen an das Risikomanagement, MaRisk) als auch in bilanziellen Regelungen (Wertminderungsvorschriften nach HGB und IFRS 9) bereits hinreichende prozessuale und bilanzielle Anforderungen bestehen, die aus Sicht der DK gut funktionieren beziehungsweise ihre Wirkung entfalten sollten. Zudem bestehen aufgrund fehlender statistischer und prüfungsseitiger Auffälligkeiten im Hinblick auf NPLs keine Indizien, die solch umfassende und tiefgreifende Anpassungen beziehungsweise potenzielle zusätzliche Belastungen deutscher Banken rechtfertigen würden. Dies bezieht sich zunächst auf den entstehenden Umsetzungsaufwand und mündet mittelfristig in derzeit nur schwer kalkulierbaren und schwer nachvollziehbaren potenziellen Kapitalabzügen für neu entstehende NPLs.

Starre quantitative Vorgaben als Risiko

Starre quantitative Vorgaben (one size fits all) der EU-Kommission beziehungsweise EZB für die Bemessung von Risikovorsorge stellen demgegenüber ein Risiko für das Konzept der einvernehmlichen Restrukturierung des Kreditverhältnisses zwischen Bank und Kunde dar, wie es unter anderem in Deutschland besteht. Sie forcieren dabei einen möglichen Verkauf von NPLs beziehungsweise die Abwicklung von Sicherheiten durch Kreditinstitute, um unbedingt die Vorgaben zur Mindestdeckungshöhe einzuhalten, obwohl ein Institut dies unter mittel- bis langfristiger ökonomischer Betrachtung sonst womöglich nicht getan hätte. Negativ betroffen wären auch die Kreditnehmer, da deren Sanierungsanliegen somit besonders gefährdet wären. Eine weitere Konsequenz könnte die Einschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten durch eine restriktivere Kreditvergabepraxis sein. Dies gilt insbesondere für Unternehmen mit höherem Risikoprofil. Zugleich würde der Schattenbankensektor (zum Beispiel Hedgefonds) gestärkt, der Vermögenswerte entsprechend günstig aufkaufen könnte. Unterstützt würde eine solche Tendenz zur Verschiebung in den weniger regulierten Bereich zusätzlich dadurch, dass durch die Backstop-Regelungen Banken als Käufer von NPLs de facto wegfallen würden.

Ob die Maßnahmen tatsächlich geeignet sind, die NPL-Quoten (brutto) nachhaltig zu senken, wird sich erst zeigen, wenn ein gesamter Konjunkturzyklus durchlaufen wurde. Denn hohe NPL-Bestände gehen im Allgemeinen mit einer entsprechend schlechten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einher. So führt ein möglicher Verkauf von NPLs (um zum Beispiel eine weitere Kapitalbelastung zu vermeiden) nicht zu einer deutlichen Freisetzung von Eigenkapital und somit nicht zu mehr Möglichkeiten einer zusätzlichen Kreditvergabe, denn mit dem Verkauf beziehungsweise vorheriger Bildung von Risikovorsorge ist das für die Neukreditvergabe erforderliche Eigenkapital schon vorher aufgebraucht.

Maßnahmen mit kurzfristigen Anreizwirkungen sollten sich auf solche Banken konzentrieren, die entsprechend hohe und aus Sicht der Finanzstabilität wesentliche NPL-Bestände selbst ausgegebener Kredite haben. Die Verwendung eines Schwellenwertes hätte den Vorteil, dass nur Banken mit hohen NPL-Beständen direkt betroffen wären, während Banken mit einer niedrigen NPL-Quote zwar sensibilisiert, aber nicht über Gebühr belastet würden.

Dies würde zudem nicht nur den tatsächlichen Risiken Rechnung tragen, sondern würde auch die wirtschaftliche Entwicklung in der gesamten EU (einschließlich allgemeiner NPL-Trends) und damit auch die unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten berücksichtigen. Zudem sollten längere Verwertungs-/Abdeckungszeiten, als von der EU-Kommission gefordert, akzeptiert wer den, um eine einvernehmliche und sowohl für den Kunden als auch für das Institut akzeptable Sanierung zu ermöglichen.

Überarbeitung des NPL-Leitfadens

Solche Schwellenwerte sollten auch bei den weitergehenden Anforderungen wie zum Beispiel bei der Offenlegung zur Anwendung kommen. Eine umfangreiche Offenlegung von Informationen zu notleidenden und gestundeten Risikopositionen sollte nur bei Überschreiten einer bestimmten NPL-Quote erfolgen. Für alle anderen Institute sollte nach Ansicht der DK die Erfüllung bereits vorhandener Offenlegungsvorschriften ausreichend sein. Der NPL-Leitfaden der EZB sollte insofern im Hinblick auf die Proportionalität und unter Berücksichtigung bereits bestehender Offenlegungsvorschriften beziehungsweise aktuell konsultierter Vorgaben der EBA überarbeitet werden.

Für die Deutsche Kreditwirtschaft schreiben
Dr. Silvio Andrae, Abteilungsdirektor, Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV), Berlin
Bastian Blasig, Manager Bankaufsicht und Risikomanagement, Verband Deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Berlin
Sascha Nell, Abteilung Risikomanagementsysteme, Gruppenleiter Regulatorische Anforderungen, Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Berlin
Simon Recker, Direktor, Bereichsleiter Finanzen, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB)
BerlinIngmar Wulfert, Abteilungsdirektor, Bundesverband deutscher Banken (BdB), Berlin
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