Digitalisierungsoffensive für Volksbanken und Raiffeisenbanken

Klaus-Peter Bruns Foto: Fiducia & GAD IT AG

Nachdem die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) Mitte Juni mit großen Mehrheit den Startschuss für weitere Investitionen in ihre Informationstechnologie gegeben haben, arbeitet der genossenschaftliche IT-Dienstleister mit Hochdruck an der Weiterentwicklung des Omnikanal-Models. Dazu zählt insbesondere die Maßgabe, dass jede Genossenschaftsbank die Möglichkeit erhält, alle bundesweit verfügbaren Onlinedienste über das eigene Portal anzubieten. Als wesentliches Ziel der aktuellen Initiative sieht der Autor, das Omnikanal-Modell für das Privat- und Firmenkundengeschäft so weiterzuentwickeln, dass neben einem herausragenden Nutzungserlebnis für die Kunden auch ein messbarer Effizienzgewinn für die Banken entsteht. (Red.)

Die heutige Kundengeneration erwartet ganz selbstverständlich, dass sie Finanzdienstleistungen jederzeit und überall in Anspruch nehmen kann. Das aber bedeutet, dass die verschiedenen Zugangswege nicht mehr isoliert nebeneinander herlaufen dürfen, sondern so weit wie möglich integriert sein müssen. Diese Integration bedeutet für Kunden unter anderem mehr Transparenz in Bezug auf den aktuellen Bearbeitungsstand ihrer Aufträge - was sich etwa durch Push-Nachrichten, Statusanzeigen oder Fortschrittsbalken mitteilen lässt. Beim Wechsel von einem Kanal zum anderen sollte überdies eine nahtlose Weiterbearbeitung eines anderswo begonnenen Prozesses ohne Datenverlust möglich sein. In der Zielvision verschmelzen die verschiedenen Vertriebskanäle von der Filialbetreuung über das Servicecenter, das Onlinebanking bis zur mobilen Banking-App zu einem ganzheitlichen Omnikanal, der den Kunden stets ein konsistentes Nutzungserlebnis vermittelt.

Zukunftssicherheit für das dezentrale Genossenschaftsmodell

Die Omnikanal-Vision verwirklicht die Gruppe allerdings nicht durch eine überregionale Direktbank, weil dies im Widerspruch zum dezentralen Geschäftsmodell der Volks- und Raiffeisenbanken stünde. Auch in der digitalen Ära behält das Leitbild der im jeweiligen Regionalmarkt verankerten Ortsbank unumstößliche Gültigkeit. Nach wie vor gehören Neu- und Bestandskunden grundsätzlich in den Hoheitsbereich der betreffenden Ortsbank. Menschliche Nähe und persönliche Beratung sind und bleiben ein bedeutender Wettbewerbsvorteil der Genossenschaftsbanken. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) geschäftspolitische Prämissen formuliert, die den strategischen Rahmen für die künftige Ausgestaltung der digitalen Transformation abstecken. Dazu zählt insbesondere die Maßgabe, dass jede Genossenschaftsbank die Möglichkeit erhält, alle bundesweit verfügbaren Onlinedienste über das eigene Portal anzubieten.

Genau diesem Ziel ist eine aktuelle Digitalisierungsoffensive verpflichtet, die von den zuständigen BVR-Gremien in enger Kooperation mit der Fiducia & GAD gemeinsam mit den Unternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe in diesem Jahr ins Leben gerufen wurde. Zwischenzeitlich hat der genossenschaftliche IT-Dienstleister bereits die Umsetzung in Angriff genommen und entsprechende Projekte auf den Weg gebracht - trotz vieler anderer Herausforderungen, die es parallel zu bewältigen gilt. Man denke beispielsweise an den Endspurt der Massenmigration mehrerer hundert Institute auf das einheitliche genossenschaftliche Bankverfahren Agree 21.

Warum ist schnelles Handeln so wichtig? Weil nicht nur die klassischen Mitbewerber der Volks- und Raiffeisenbanken massiv in den Ausbau ihrer Omnikanal-Fähigkeit investieren, sondern auch Internetriesen wie Amazon, Facebook, Google & Co. mit immer neuen digitalen Angeboten auf den Markt der Kreditwirtschaft drängen. Umso wichtiger ist es, die Omnikanal-Strategie der genossenschaftlichen Finanzgruppe mit hohem Tempo voranzutreiben. Denn nur die Verschmelzung von digitalem Service mit konventioneller Filialbetreuung führt zur einheitlich wahrgenommenen Marke der Volks- und Raiffeisenbanken. Aus gutem Grund also verlor die Fiducia & GAD keine Zeit, sondern startete sofort mit der Umsetzung der Omnikanal-Initiative.

Herausragendes Nutzungserlebnis plus Effizienzgewinn

Strategisch ordnet sich die Gemeinschaftsoffensive in das BVR-Rahmenprojekt Kundenfokus ein, bei dem es hauptsächlich darum geht, traditionelle Stärken der Genossenschaftsbanken in die digitale Welt zu transformieren. Ein wesentliches Ziel der aktuellen Initiative ist es, das Omnikanal-Modell für das Privat- und Firmenkundengeschäft so weiterzuentwickeln, dass neben einem herausragenden Nutzungserlebnis für die Kunden auch ein messbarer Effizienzgewinn für die Banken entsteht.

Im Privatkundengeschäft liegen die Schwerpunkte der aktuellen Offensive sowohl auf dem Vertrieb als auch auf dem Betrieb: Der Vertriebsschwerpunkt umfasst zum Beispiel die Omnikanal-Beratung zu Themen wie Immobilienfinanzierung, Liquidität und Vermögen sowie eine Weiterentwicklung der bestehenden Digital-Banking-Angebote. Hinzu kommen Mehrwertdienste rund um die novellierte Payment Service Directive PSD2 und die Fernabsatzfähigkeit genossenschaftlicher Beratungsangebote. Demgegenüber konzentriert sich der betriebliche Schwerpunkt auf die Optimierung der Omnikanal-Steuerung und Bereitstellung fallabschließender Prozesse. Die Brücke zwischen beiden Schwerpunkten bildet das Omnikanal-Modell - wobei es zum besseren Verständnis hilfreich ist, zunächst auf die Unterschiede von Omnikanal und dem bisherigen Multikanal einzugehen: Anders als beim Multikanal gehört das Nebeneinander verschiedener Zugangswege wie Filiale, Onlinebanking oder Telefon beim Omnikanal der Vergangenheit an. Durch eine kanalübergreifende Vernetzung und Personalisierung sämtlicher Dienstleistungsangebote ermöglicht der Omnikanal automatische Vorhersagen zu individuellen Kanalpräferenzen jedes einzelnen Kunden. Entsprechend individuell lassen sich personalisierte Angebote platzieren - ein wichtiger Baustein, um den Anspruch zu erfüllen, den Kunden ein einzigartiges und über alle Medien hinweg konsistentes Nutzungserlebnis anzubieten.

Agilität: Die neue Rolle der Vertriebsbank

Anschaulich wird die verbesserte Erlebnisqualität an einem Teilprojekt zur Omnikanal-Beratung rund um die Immobilienfinanzierung, dessen Anforderungsermittlung schon abgeschlossen wurde: Eine automatisierte Verhaltens- und Bedarfsanalyse liefert hierbei den Input für personalisierte Werbung auf verschiedenen Zugangskanälen - etwa durch Zusendung passender Immobilien-Dossiers per Mail. Sobald sich der betreffende Kunde für ein bestimmtes Objekt interessiert, kann es mit der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs und der Finanzierungoptionen weitergehen. Neben klassischer Filialberatung kommt dafür beispielsweise auch Co-Brow sing mit einem Bankberater in Betracht. Und auch alle erforderlichen Dokumente zum Immobilienerwerb werden dabei komplett elektronisch versandt.

Vom künftigen Omnikanal bleibt auch die Vertriebsbank nicht unberührt: Dort wird der Einbau einer neuen Vertriebsplattform erforderlich, weil sich nur so immer neue digitale Angebote mit dem nötigen Tempo kosteneffizient bereitstellen lassen. Im Kern geht es also darum, die Genossenschaftsbanken zu befähigen, mit hoher Agilität auf gewandelte Kundenerwartungen zu reagieren. Agil ist die neue Vertriebsplattform aber auch im Hinblick auf ihre modulare Architektur, die sich für unterschiedlichste Anwendungsklassen und Gerätetypen eignet. Auf dieser Basis sind sämtliche Geschäftsprozesse und Funktionen auf allen Medien und Kanälen verfügbar - wobei standardisierte Schnittstellen die weitgehend unabhängigen Backend-Systeme sauber miteinander verbinden.

Dieses Schnittstellenkonzept erlaubt zum Beispiel auch eine aufwandsarme Anbindung innovativer Smart-Data-Tools an die neue Vertriebsplattform. Darüber hinaus sorgen virtualisierte Cloud-Lösungen für einen dauerhaft kostengünstigen Plattformbetrieb und sichern zugleich die notwendige Verfügbarkeit der angebotenen Dienste auf sämtlichen Kanälen. Unter dem Stichwort Agilität ist eine weitere Eigenschaft der künftigen Vertriebsplattform von Bedeutung: Ihre modulare Architektur schafft optimale Voraussetzungen für die Nutzung agiler Entwicklungsmethoden, mit denen sich die Marktreife neuer Apps und Funktionen rasant beschleunigen lässt.

Aber auch in puncto Kundennähe profitiert die App-Entwicklung massiv von agilen Methoden, weil hierbei frühzeitig authentisches Kundenfeedback in den Entwicklungsprozess einfließt. Auf dieser Grundlage können fachlich gemischte Teams dann neue Lösungen für die vom BVR beschlossenen strategischen Themen anhand der permanenten Anwenderresonanz schrittweise verfeinern. Letztlich verhilft die modulare Plattformarchitektur demnach auch zu konsequenter Kundenorientierung.

Immobilienberatung und Altersvorsorge im Fokus

Während der Aufbau der Vertriebsplattform noch in vollem Gange ist, treiben gleichzeitig diverse Projektteams die Lösungsentwicklung zu besonders hoch priorisierten Anwendungen im Privatkundensegment voran. Dazu gehört außer der beschriebenen Immobilienberatung unter anderem die Altersvorsorge. Zu diesem Thema startet die agile Lösungsentwicklung noch im laufenden Jahr. Was das Geschäftskundensegment angeht, sieht die Planung den Aufbau eines Firmenkundenportals und die Entwicklung einer neuen Business-App vor. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf einer neu en Lösung für das Kundenbeziehungsmanagement, die auf allen Vertriebskanälen einsetzbar ist. Perspektivisch wird sich die Omnikanal-Fähigkeit auf die gesamte Vertriebsbank und von dort aus auf die Produktions- und Steuerungsbank ausdehnen. Dass dies zeitnah und auf wirtschaftliche Art und Weise geschieht - dafür ist die modulare Schnittstellenarchitektur der beste Garant.

Klaus-Peter Bruns Vorsitzender des Vorstands, Fiducia & GAD IT AG, Karlsruhe
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