Erfolgsvoraussetzungen der privaten Infrastrukturfinanzierung

Dr. Jeromin Zettelmeyer, Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung, und Dr. Bastian Alm, Referent Finanzpolitik und konjunkturpolitische Koordinierung in der Wirtschaftspolitischen Abteilung, beide Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Berlin - Dass es hierzulande gewisse Lücken in der Infrastrukturausstattung gibt beziehungsweise vorhandene Bereiche einer Erneuerung bedürfen, wird in der öffentlichen Debatte kaum bestritten. Inwieweit die Beteiligung privater Investoren ein geeigneter Weg ist, wird freilich unterschiedlich beurteilt. Die Autoren registrieren zwar ein grundsätzliches Interesse privater Investoren an einem deutlich stärkeren Engagement, räumen aber die Notwendigkeit ein, die vorhandenen Rahmenbedingungen auf Widerspruchsfreiheit zu überprüfen. Impulse versprechen sie sich dabei nicht zuletzt von der Arbeit einer vom Bundeswirtschaftsministerium eingesetzten Expertenkommission, die im Frühjahr dieses Jahres ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Aber sie sehen auch die Finanzdienstleister in der Pflicht, sich konstruktiv an den Überlegungen über geeignete Ansätze zur zusätzlichen privaten Infrastrukturfinanzierung zu beteiligen. (Red.)

Internationale Vergleichsstudien lassen wenig Zweifel daran, dass sich die Qualität der Infrastruktur in Deutschland über die letzten Jahre verringert hat.1) Allerdings kann man die Qualität des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht an einem einzelnen Vergleichsindikator festmachen. Und selbstverständlich gibt es im globalen Vergleich viele Länder, die erst noch eine leistungsfähige Wirtschaft und eine moderne Infrastruktur aufbauen müssen und schon deshalb einen entsprechend hohen Investitionsbedarf haben.

Nennenswerter Nachholbedarf

Dennoch deckt sich dieser statistische Befund in gewisser Hinsicht mit dem, was viele Unternehmen ebenso wie Bürger Tag für Tag vor Ort erleben: Bei der öffentlichen Infrastruktur liegt viel im Argen. Baufällige Autobahnbrücken müssen umfassend saniert und zu diesem Zwecke gesperrt werden; Hauptschlagadern des Verkehrsnetzes werden so lahmgelegt. Um die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Breitbandanschlüssen ist es in einigen Regionen schlecht bestellt. Eine aktuelle Online- Befragung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie von mehr als 1 000 kommunalen Finanzverantwortlichen zeigt zudem, dass sich in vielen Städten und Gemeinden auch in weiteren Infrastrukturbereichen nennenswerte Nachholbedarfe angestaut haben.2) Vor diesem Hintergrund ist wenig überraschend, dass mittlerweile zwei Drittel der Deutschen der Auffassung sind, dass zu wenig Geld in die Infrastruktur investiert wird. Vor zwei Jahren fand das nur etwas mehr als die Hälfte der Bürger.3)

Ausgehend von der - seitens der Wissenschaft und Politikberatung gut abgesicherten - Erkenntnis, dass eine leistungsfähige Infrastrukturausstattung eine wesentliche Voraussetzung für private Investitionen und die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie künftig die Voraussetzungen für eine zielgerichtete und wirtschaftliche Infrastrukturbereitstellung verbessert werden können. Welches Entwicklungspotenzial besteht hier in Deutschland?4)

Bei der Suche nach Antworten auf diese Frage muss man auch für die private Finanzierung von Infrastrukturvorhaben offen sein. Zum einen wird Infrastruktur in Deutschland schon heute in vielen Bereichen von privaten Unternehmen bereitgestellt. Dies gilt etwa für die Energie- und Breitbandnetze. Aufgabe der Politik ist es, hier die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Unternehmen von sich aus in den Ausbau der Infrastruktur investieren.

Zum anderen existieren auch in traditionelleren Infrastrukturbereichen wie Straßenbau oder öffentlichen Gebäuden durchaus noch Potenziale für private Finanzierung. Zwar stammen die Einkommensströme dieser Investitionsprojekte in den meisten Fällen aus Haushaltsmitteln. Nutzergebühren - wie zum Beispiel Mauteinnahmen auf Bundesfernstraßen - kommen derzeit nur in bestimmten Bereichen infrage. Ihre Ausweitung müsste zudem von Steuererleichterungen begleitet werden, um die Gesamtbelastung von Unternehmen und Haushalten nicht zu erhöhen. Deswegen ist private Finanzierung - entgegen mancher naiver Anfangserwartung - kein Heilmittel für fiskalisch bedrängte öffentliche Haushalte und kein Substitut für solide Haushaltpolitik. Dennoch kann sich eine richtig strukturierte Beteiligung privater Finanzierung aus der Sicht der öffentlichen Haushalte durchaus lohnen. Durch höhere Effizienz, besserer Risikoteilung und höhere Flexibilität kann private Finanzierung öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich "value for money" bieten.

Hohes Interesse von Investoren

Infrastrukturinvestitionen werden deshalb auch künftig, und in Zukunft möglicherweise zunehmend, von privaten Investoren (mit)finanziert werden. Dies ist möglich, denn es sind grundsätzlich genügend freie Finanzmittel vorhanden und institutionelle Investoren mit langfristigem Anlagehorizont - wie zum Beispiel Versicherer oder Pensionskassen - haben angesichts des Niedrigzinsumfeldes auch ein hohes Interesse daran, in diese Anlageklasse zu investieren. Zudem passt die Langfristigkeit von Infrastrukturinvestitionen mit sicheren, planbaren und stetigen Rückflüssen gut zum langfristig ausgerichteten Geschäftsmodell dieser Anleger. Trotz dieser Grundkonstellation hat in Deutschland die Infrastrukturfinanzierung durch institutionelle Investoren jedoch noch nicht richtig angezogen. Daraus kann geschlossen werden, dass bei dieser Anlageart noch Hemmnisse bestehen könnten.

Auf ein Hindernis wird immer wieder hingewiesen: Es bedarf einer hinreichenden Zahl von geeigneten Infrastrukturprojekten, aus der Anleger wählen können und über die Anleger die Risiken diversifizieren können. Darüber hinaus bedarf es aber an einigen Stellen auch einer Anpassung der Finanzmarktregulierungsvorschriften, um die Attraktivität von Anlagen in Infrastrukturprojekten zu erhöhen, ohne dabei die Finanzstabilität zu gefährden.

Widerspruchsfreie Rahmenbedingungen schaffen

Die Bundesregierung hat mit der Überarbeitung der Anlageverordnung Anfang dieses Jahres die Möglichkeiten von Versicherern und Pensionskassen für Investitionen in Infrastruktur verbessert. Allerdings werden für die meisten Versicherer ab 2016 die Vorschriften des Aufsichtssystems Solvency II gelten und die Anlageverordnung somit ihre Gültigkeit verlieren. Es ist daher wichtig, dass Infrastrukturinvestitionen auch unter Solvency II attraktiv bleiben.

Hier ist auf europäischer Ebene einiges in Bewegung. Gemäß Solvency II müssen Versicherer ihre Kapitalanlagen risikogerecht mit Eigenmitteln unterlegen. Allerdings erschienen Versicherungen die ursprünglich vorgesehenen Anforderungen an die Eigenmittelunterlegung für Infrastrukturinvestitionen teilweise zu hoch. Im Ergebnis hätten diese Vorschriften also die Mobilisierung privaten Kapitals für Infrastrukturinvestitionen übermäßig erschweren können.

Die Europäische Kommission hat sich dieser Problematik angenommen und die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA Anfang des Jahres um Prüfung gebeten, ob eine Anpassung der Eigenmittelunterlegung von Infrastrukturinvestments geboten ist. Das vorliegende EIOPA-Konsultationspapier zu diesem Thema lässt eine gewisse Anpassung der Eigenmittelunterlegung für bestimmte Infrastrukturinvestitionen erwarten. Derzeit plant EIOPA, die technischen Empfehlungen bis Ende September an die Europäische Kommission zu übermitteln.

Investitionen beschleunigen und verstetigen

Neben diesen beiden - auf die Versicherer zugeschnittenen - Regulierungsvorschriften gilt es auch die übrigen Vorschriften im Auge zu behalten. Über das unbestrittene Oberziel der Finanzmarktstabilität hinaus müssen Finanzmarktregulierungsvorhaben stets auch mit Blick auf ihre Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft von Investoren geprüft werden. Dieses ist zwar ein permanentes und mühseliges Unterfangen, aber unerlässlich, um attraktive und möglichst widerspruchsfreie Rahmenbedingungen der Finanzmarktregulierung für Infrastrukturinvestitionen zu schaffen.

Damit Deutschland bei den Investitionen - wohlgemerkt bei den öffentlichen wie bei den privaten - im internationalen Vergleich wieder in die Spitzengruppe vorstoßen kann, bedarf es aber auch noch weiterer Anstrengungen. Ende April hat die von Bundesminister Gabriel eingesetzte Expertenkommission unter Leitung von Prof. Fratzscher in ihrem Abschlussbericht interessante Wege zur Stärkung von Investitionen in Deutschland aufgezeigt.5) Auf Grundlage der Handlungsempfehlungen der Fratzscher-Kommission prüft die Bundesregierung derzeit, in welchen Bereichen wirkungsvolle Konzepte entwickelt werden können - gerade im Hinblick auf die Rolle privater Infrastrukturfinanzierung im öffentlichen Interesse.

Im Bereich der öffentlichen Investitionen geht es beispielsweise um die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Verkehrswege. Kritik am System der Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen wurde bereits von vielen Seiten geäußert. So wies etwa der Bundesrechnungshof schon mehrfach auf die zu geringe Kosteneffizienz und lange Planungs- und Genehmigungsverfahren hin.6) Sein Vorschlag war, Aufgaben, Kompetenzen und finanzielle Verantwortung zusammenzuführen.

Ähnlich sieht es auch die Fratzscher-Kommission und regt an, dass die Finanzierungsverantwortung sowie Bau, Instandhaltung und Betrieb "aus einer Hand" erfolgen sollten. Dieser Ansatz überzeugt: Eine einzige verantwortliche Gesellschaft kann effizienter und schneller bauen - gerade vor dem Hintergrund des bestehenden Investitionsstaus ein wichtiges Kriterium.

Entscheidend ist, dass eine solche Gesellschaft durch ihre Unabhängigkeit vom übrigen Haushalt und durch die Bündelung von Kompetenzen dafür sorgen kann, Investitionen im Verkehrsbereich zu beschleunigen und zu verstetigen. Mit dem Ziel, auch die grundlegenden Schwächen beim Bau, Betrieb und der Erhaltung der Bundesfernstraßen zu beheben, wird die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern neue Strukturen prüfen.

Beratungsangebot in allen Phasen von Investitionsprojekten

Potenziale für strukturelle Verbesserungen existieren auch auf der Ebene der kommunalen Infrastrukturbereitstellung. In der einleitend genannten Kommunalumfrage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist deutlich geworden, dass ein enormer Bedarf auch an nicht-finanzieller Unterstützung bei Investitionen besteht. Es geht den Kommunen dabei um ein Beratungsangebot in allen Phasen von Investitionsprojekten, vor allem bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, aber auch bei den Themen Ausschreibung, Vergabeverfahren, Angebotsbewertung, Vertragsgestaltung und Evaluation der Vorhaben. Die Fratzscher-Kommission hat hierzu eine vielversprechende Lösung vorgeschlagen, nämlich die Gründung einer "Infrastrukturgesellschaft für Kommunen".

Wichtig ist dabei: Damit eine solche Einrichtung einen echten Mehrwert bieten kann, muss die Beratung erstens neutral sein: Es darf nicht zu einer pauschalen Bevorzugung von ÖPP gegenüber konventioneller Beschaffung oder umgekehrt kommen. Zweitens geht es nicht um eine Bevormundung der Kommunen. Die Beratung sollte ein Angebot und keine Verpflichtung und grundsätzlich erschwinglich sein. Drittens sollte die Beratung möglichst umfassend sein und gerade auch bei der konventionellen Beschaffung alle Phasen des Lebenszyklus nach dem Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" umfassen. Viertens sollte das Ziel darin bestehen, dass die Beratungsleistungen von allen Kommunen im Bundesgebiet - und gegebenenfalls auch von weiteren staatlichen Ebenen - schnell und unkompliziert in Anspruch genommen werden können.

Auch diese Idee wird derzeit geprüft - auch im Hinblick auf die Frage, wie sie sich in die existierende Beratungslandschaft einfügen würde. Sofern es zu einer neuen Gesellschaft kommt, wäre es wichtig, dass sie private Beratung ergänzt, statt sie zu verdrängen, und dass die Erfahrungen und Kapazitäten existierender öffentlicher Organisationen, wie der ÖPP Deutschland AG, mit einbezogen werden.

Bündelung und Standardisierung von Projekten

Ein weiterer Bereich, für den der Bericht der Fratzscher-Kommission Anregungen enthielt, war die Prüfung zusätzlicher Strukturen - Plattformen oder Sammelstellen - durch die zusätzliches Kapital von institutionellen Anlegern und Privatanlegern im Rahmen der Finanzierung von Infrastrukturvorhaben eingebunden werden kann. Besonders kommunale Projekte sind für projektspezifische private Finanzierung oftmals zu klein. Vorteile könnten sich daher aus der Bündelung und Standardisierung von Projekten ergeben. Eine wichtige Frage ist, welche Rolle die öffentliche Hand dabei spielen sollte und ob und welche Anpassungen im Rechtsrahmen erforderlich sind. Zu diesem Thema hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kürzlich ein externes Forschungsgutachten vergeben, dessen Ergebnisse die Grundlage für die weiteren konzeptionellen Arbeiten in diesem Bereich darstellen werden.

Auch die Finanzbranche ist aufgerufen, sich an den Überlegungen über geeignete Ansätze zur zusätzlichen privaten Infrastrukturfinanzierung zu beteiligen. Es gilt einerseits, den Bedarf der investierenden öffentlichen Hand kostengünstig zu decken und andererseits, das Interesse von Anlegern und Sparern an neuen Anlagemöglichkeiten mit vertretbarem Risiko zu beachten. Mit dem richtigen institutionellen und rechtlichen Rahmen sollten diese Interessen vereinbar sein.

Dieser Beitrag drückt die persönliche Meinung der Autoren aus. Die Autoren bedanken sich bei Jürgen Blesgen, Monika Kerekes, Martin Lehmann-Stanislowski und Martin Meurers für Diskussionen und Beiträge.

Fußnoten

1) Siehe World Economic Forum: Global Competitiveness Report, letzte Jahrgänge (2009/2010 belegte Deutschland im Bereich Infrastruktur noch Platz 1, im Jahr 2014/2015 Platz 7). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das IMD World Competitiveness Center: World Competitiveness Yearbook 2015.

2) Vgl. BMWi-Monatsbericht, Mai 2015, S. 34-42.

3) Allensbacher Kurzbericht - 21. Mai 2015, Befragung im Auftrag des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

4) Siehe dazu unter anderem die Endberichte zur Studie von ifo Dresden (2013): Öffentliche Infrastrukturinvestitionen: Entwicklung, Bestimmungsfaktoren und Wachstumswirkungen, im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie und der Expertenkommission "Stärkung von Investitionen in Deutschland", im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel (2015).

5) Vgl. Bericht der Expertenkommission (2015).

6) Siehe etwa Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über das Kostenmanagement im Bundesfernstraßenbau vom 14. April 2014.

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