EU-Finanzbinnenmarkt ermöglicht Captives grenzüberschreitende Finanzierung

Joachim Dörr, Foto: Trumpf

Die Gründung einer Finanzdienstleistungstochter war für den Maschinenbauer Trumpf eine Reaktion auf die Finanzkrise, um die Absatzfinanzierung auch in Krisenzeiten weiter sicherzustellen. Seit 2014 ist die Tochtergesellschaft eine vollregulierte Bank. Die Marktkenntnis um die finanzierten Maschinen ermöglicht es dem unternehmenseigenen Finanzdienstleister, effizienter zu agieren. Zwar wird das Einlagengeschäft bislang nur für unternehmenseigene Mitarbeiter angeboten. Dennoch ist es wichtig, da es der Schlüssel zum EU-Passport ist, der es wiederum ermöglicht, in allen Ländern der Europäischen Union Finanzierungslösungen anzubieten. Von einer fortschreitenden Integration des EU-Finanzbinnenmarkts erhofft sich das Captive eine weitere Harmonisierung und dadurch eine abnehmende Komplexität, was in einer Entlastung kleinerer Institute resultieren würde. Denn auch diese haben mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen wie große Institute. (Red.)

Der Maschinenbauer Trumpf ist ein weltweit agierendes unabhängiges Familienunternehmen aus Süddeutschland. Es produziert Werkzeugmaschinen für die Blechbearbeitung, ist Spezialist in der Lasertechnik und hat einen Jahresumsatz von 3,6 Milliarden Euro. Wie die gesamte Maschinenbaubranche spürt auch dieses Unternehmen die weltweite Konjunkturabkühlung. Trumpf möchte jedoch nichts dem Zufall überlassen und hat sich gewappnet. Auch während der internationalen Finanzkrise in den Jahren 2009 bis 2011 hat der deutsche Maschinenbauer gezeigt, dass man gestärkt und mit neuen Ideen aus einer Krise hervorgehen kann. Das Ende der Finanzkrise war auch die Geburtsstunde der Trumpf Bank - die erste Bank eines deutschen Maschinenbauers.

Finanzierung der Kunden lässt sie Krisenjahre überstehen

Im Jahr 2009 leidet die Weltwirtschaft massiv. Laut Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA mussten knapp 75 000 Unternehmen in Deutschland Konkurs anmelden. Auch bei Trumpf hätte es vermutlich mehr Kunden getroffen, wenn es nicht damals schon die eigene Leasinggesellschaft gegeben hätte. Die Leasinggesellschaft hatte den Zweck der Absatzfinanzierung. Kunden, die in eine neue Maschine investieren wollten, dazu die passenden Leasingangebote anzubieten.

Zu dieser Zeit hatte die Leasinggesellschaft knapp 400 Kunden von denen rund ein Viertel die vereinbarten Leasingraten nicht mehr wie geplant bezahlen konnte. Gemeinsam wurde mit den Kunden nach Lösungen gesucht. Die Verträge wurden umstrukturiert, die Raten verringert oder auch gestundet. Durch diese Maßnahmen haben beinahe alle Kunden die Krisenjahre überstanden und in der Zwischenzeit 155 neue Maschinen gekauft.

Der Weg zur Bank

Ein zentrales Ziel des Familienunternehmens aus Ditzingen ist die "Unabhängigkeit". Durch die lokal agierende Leasinggesellschaft konnte das Unternehmen auch in Krisenzeiten unabhängig agieren, langfristig Denken und selbst entscheiden, wie lange Zahlungsrückstände der Kunden geduldet werden sollen. Anders sah es in den Märkten aus, in denen die Finanzierung über lokale Banken oder Leasinggesellschaften abgewickelt wurde.

Hier wurden Entscheidungen über die Umstrukturierungen nicht durch Trumpf, sondern durch die Kooperationspartner getroffen. Das sollte sich ändern: Im Jahr 2012 wurde vom Unternehmen beschlossen, dass es der erste deutsche Maschinenbauer mit eigener Bank werden soll. Innerhalb von 14 Monaten wurde die Trumpf Financial Services GmbH gegründet. Im Februar 2014 lag die Banklizenz, vergeben durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), vor. Als CRR-(Capital Requirements Regulation)-Institut hat die vollregulierte Bank die Zulassung für das Finanzierungsleasing, Kreditgeschäft und Einlagengeschäft nach § 1 des Kreditwesengesetzes.

Das Einlagengeschäft wird jedoch bislang nur den Mitarbeitern in Deutschland angeboten. Es könnte jedoch jederzeit ausgeweitet und damit zu einer sicheren Refinanzierungsquelle werden. Mit dem Wandel der teilregulierten Leasinggesellschaft in eine vollregulierte Bank kam dann auch die Pflicht zur Funktionstrennung der Bereiche Markt und Marktfolge einher. Das Einlagengeschäft ist auch der Schlüssel zum EU-Passport, einer der Hauptgründe für die Bankgründung.

Bank profitiert vom EU-Finanzbinnenmarkt

Die Trumpf Financial Services kann bedingt durch den EU-Finanzbinnenmarkt und dem Instrument des EU-Passports europaweit Bankgeschäfte anbieten. Dadurch kann das Leasing- und Kreditgeschäft "cross-border" von Deutschland heraus in allen europäischen Märkten angeboten werden. Das ist ein großer Vorteil für den Maschinenbauer, da er nicht mehr auf die Kooperationspartner angewiesen ist, sondern selbst agieren kann. Als Resultat der Finanzkrise der Jahre 2008 bis 2011 wurden Aufsichtspraktiken europaweit harmonisiert und das nationale Meldewesen und die Offenlegungspflichten um zahlreiche internationale Vorschriften ergänzt. Trumpf erhofft sich, dass durch die weitere Harmonisierung die Komplexität abnimmt und eine Entlastung besonders für kleine und wenig komplexe Institut gemäß dem Proportionalitätsgedanken erfolgt.

Mittlerweile ist die Trumpf Bank bereits über fünf Jahre alt und hat 26 Mitarbeiter. Sie ist in neun europäischen Ländern aktiv und hat eine Portfoliogröße von 409 Millionen Euro (per 30. Juni 2019). Die Kernmärkte sind Deutschland (53 Prozent), Spanien (15 Prozent), Niederlande (13 Prozent) und Großbritannien (11 Prozent). Gemeinsamen mit Kooperationspartnern und einer Schweizer Leasinggesellschaft bietet der Bereich Financial Services in über 30 Ländern Finanzierungslösungen an. Auch in Ländern, in denen keine Finanzierungspartner aktiv sind wie beispielsweise in Kolumbien, Peru oder Ägypten, entwickelt die Banktochter des Maschinenbauers Finanzierungskonzepte mit staatlichen Exportkreditgarantien vom Bund oder privaten Exportversicherern.

Der Status quo

Das Kerngeschäft ist weiterhin die Absatzfinanzierung: Kunden erhalten mittlerweile fast immer einen Finanzierungsvorschlag kombiniert mit dem Maschinenangebot. Der Fokus liegt auf dem Leasinggeschäft. Die Trumpf Bank vergibt aber auch Darlehen. Besonders wichtig ist das, wenn der Kunde Fördermittel einbinden kann. Der Vorteil von unternehmenseigenen Finanzdienstleistern, auch Captives genannt, liegt darin, dass der Kunde sowohl die Maschine als auch die Finanzierung aus einer Hand bekommt und so von kurzen Abstimmungswegen profitiert.

Die Maschinenbau-Muttergesellschaft des Finanzdienstleisters kennt das Marktumfeld sehr gut und bringt ein technologisches Verständnis mit. Dies hilft auch bei der Bewertung der Risiken und der Einschätzung von Businessplänen von Existenzgründern. Die tiefe Kenntnis des eigenen Marktes ist einer der größten Mehrwerte der Captives. Ein Beispiel: Viele Banken setzen bei Maschinenfinanzierungen nur 50 Prozent des Anschaffungswertes als Sicherheit an und verlangen weitere Sicherheiten wie Grundschulden. Der Maschinenbauer kennen den Wert seiner Maschinen gut, hat eine eigene Gebrauchtmaschinenabteilung und kann deshalb den Wert ohne Sicherheitsabschlag ansetzen und genau kalkulieren.

Fintechs in der Bankenwelt

Bereits im Jahr 2017 hat die Trumpf Bank eine Kooperation mit Compeon, dem führenden Portal für Mittelstandsfinanzierungen, geschlossen. Gemeinsam wurde der "Trumpf Finance Manager" entwickelt, eine Plattform, die den Kunden bei der Auswahl der geeigneten Finanzierung unterstützt. Kunden haben somit die Möglichkeit, orts- und zeitunabhängig Leasingraten zu kalkulieren und Angebote unterschiedlicher Banken und Leasinganbieter einzuholen und zu vergleichen. Angebote können für Trumpf-Maschinen, aber auch Maschinen an derer Hersteller, Fahrzeuge oder Gewerbeimmobilien angefordert werden. Weiter bietet die Plattform Lösungen für das Factoring, der Verkauf von Rechnungen, die Einkaufsfinanzierung und ein Tool für das Liquiditätsmanagement.

Gerade als Bank mit einem kleinen Team ist es wichtig, dass nicht alles selbst gemacht wird, sondern gute Kooperationen geschlossen werden. Daher sondiert der unternehmenseigene Finanzdienstleister permanent den Markt und beobachtet neue technologische Entwicklungen und die Fintech-Welt. So wurden in den letzten zwei Jahren Kooperationen mit den Fintechs Billie, Entrafin und Finux geschlossen.

In der heutigen Zeit muss man sich auf sich stetig verändernde Kundenanforderungen einstellen. Kunden wünschen eine maximale Flexibilität, verbunden mit einem ausreichenden Maß an Planungssicherheit. Von unternehmenseigenen Finanzdienstleistern wird per se eine deutlich höhere Flexibilität erwartet. Im Rahmen der Sharing Economy nimmt die Bedeutung des Besitzes einer bestimmten Ware ab, viel mehr steht die Flexibilität und der Convenience-Gedanke durch Teilen, Tauschen, Leihen und Verleihen im Vordergrund.

Chancen und Herausforderungen für Captives

Mittlerweile gibt es viele Plattformen am Markt, die Online-Bestellungen für Blechteile anbieten, wie laserteile4you, Xometry, Laserhub, Blexon oder Techpilot. Die Anbieter dienen als Metallverarbeitungsstätten oder verteilen freie Kapazitäten im Markt. Durch diese Entwicklung werden Maschinen stärker ausgelastet und die Anzahl der benötigten Maschinen am Markt sinkt. Die Hersteller müssen sich daher auf die veränderten Kundenanforderungen einstellen.

Auch von den unternehmenseigenen Finanzdienstleistern wird eine hohe Flexibilität bei der Gestaltung der Finanzierungsverträge erwartet. Seit Kurzem bietet die Trumpf Bank daher für bestimmte Kundengruppen und Maschinen Pay-per-Use-Modelle. Kunden erhalten eine Maschine mit einer monatlichen Grundgebühr und Stundenkontingent. Für die Mehrauslastung zahlt der Kunde einen fest vereinbarten Stundensatz. Durch dieses Modell bezahlt der Kunde nur dann, wenn die Maschine tatsächlich läuft und kann optimal auf konjunkturelle Schwankungen, Großaufträge oder spontane Kundenwünsche reagieren. Ein Teil des unternehmerischen Risikos wird dadurch auf die Trumpf Bank verlagert. Wichtig für diese Modelle ist, dass die IT-Infrastruktur offen aufgestellt ist, denn Maschinen und Leasingsoftware müssen miteinander kommunizieren.

Ein weiterer großer Vorteil von unternehmenseigenen Finanzdienstleistern ist die Möglichkeit, die Angebote mit besseren Services wie Software, Bedienerschulungen, Wartungsverträgen oder Ersatzteillieferungen auszustatten.

Auch kleine Banken, wie die Trumpf Financial Services sie ist, haben mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen wie große Institute. Ein harter Preiskampf, starker Wettbewerb und eine ständig zunehmende Regulatorik. Für das aktuelle Geschäftsjahr hat die Bank sich zwei Ziele auf die Fahne geschrieben: Die Marktpenetration ausbauen und die Verbesserung der IT-Prozesse.

Joachim Dörr Geschäftsführer, Trumpf Financial Services, Ditzingen
Sabrina Mebus Geschäftsführerin, Trumpf Financial Services, Ditzingen
Hans-Joachim Dörr , Geschäftsführer, Trumpf Financial Services, Ditzingen
Sabrina Mebus , Geschäftsführerin, Trumpf Financial Services, Ditzingen

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