Weltweit präsent und vor Ort vernetzt - Banken als Lotsen ihrer Firmenkunden

Andreas Schmitz, Vorsitzender des Aufsichtsrats, HSBC Deutschland, Düsseldorf

Andreas Schmitz, Vorsitzender des Aufsichtsrats, HSBC Deutschland, Düsseldorf - Vergleichsweise günstige Ertragsaussichten haben in den vergangenen Jahren immer mehr Kreditinstitute zum Firmenkundengeschäft gezogen. Die Institute der Verbundorganisationen warben mit der Standfestigkeit in ihrer Region auch in Krisenzeiten, die Großbanken nahmen auch kleinere Unternehmensgrößen in den Blick und die Auslandsbanken bauten nicht zuletzt auf die Anziehungskraft neuer Kapitalmarktprodukte. Als aktuellen Treiber des Firmenkundengeschäftes identifiziert der Autor die globalen Handelsströme, denen er trotz aller aktuellen Tendenzen zur Beschränkung der Handels- und Dienstleistungsfreiheit eine hohe Bedeutung beimisst. Insbesondere der noch immer wachsende Anteil Asiens im internationalen Austausch sieht er als Chance. Neben der flankierenden Begleitung der Auslandsgeschäfte über eine weltweit gute Vernetzung erwartet er auch im Firmenkundengeschäft einen noch rasanteren Einzug der Digitalisierung. (Red.)

Das Firmenkundengeschäft der Banken steht unter Druck. Seit die geringe Investitionsneigung deutscher Unternehmen - trotz guter Konjunktur - und Geldpolitik eine unheilige Allianz eingegangen sind, schmelzen die Zinsmargen. Gleichzeitig stehen auch die Unternehmenskunden vor Herausforderungen. Der globale Handel wächst weniger stark, wird von protektionistischen Tendenzen bedroht, und das Wirtschaftswachstum findet in neuen Märkten statt. Diese Veränderungen sorgen bei den Firmenkunden für Unsicherheit und bei vielen Banken für Handlungsbedarf.

Globale Geschäfte - globale Banken

In diesen Zeiten suchen die Unternehmen Partner, die ihre Risiken reduzieren. Daher können die Herausforderungen für Unternehmen gleichzeitig eine sehr große Chance für Banken sein - wenn sie international gut vernetzt sind und vor Ort als Ratgeber und Lotse dienen. Vor allem angesichts der zunehmend erratischen Veränderungen an den Märkten ist es wichtig, Kunden beim Management von Volatilitäten zu unterstützen. Gleichzeitig müssen Banken über eine starke Kapitalbasis verfügen, um für einen Zinsschock gut gerüstet zu sein und auch langfristig als stabiler, zuverlässiger Partner gelten zu können. Wenn eine Bank beide Voraussetzungen erfüllt, hat sie im Firmenkundengeschäft die besten Aussichten.

Die Finanzmarktkrise hat die globale Bankenlandschaft durchgerüttelt. Viele Institute haben - nicht zuletzt aufgrund regulatorischer Überlegungen - weltweit Standorte auch in wachstumsstarken Ländern geschlossen und ihre Beziehungen zu Korrespondenzbanken ausgedünnt. Das kommt Unternehmen nicht entgegen und wird den Änderungen im Welthandel nicht gerecht. Das Geschäft der Firmenkunden wird wieder regionaler, die Welt zerfällt in Handelsblöcke. Asien verfolgt unter anderem das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), andere - ältere - Beispiele von Handelsblöcken, die künftig eine Rolle spielen werden, sind die Europäische Union und der Golfrat (GCC). Innerhalb dieser Blöcke steigt der Austausch, während er global stagniert. Darauf müssen sich Unternehmenskunden einstellen - und die Banken mit ihnen.

Der wichtigste Handelsblock entsteht derzeit ohne Zweifel in Asien. Zwischen 2010 und 2015 haben die asiatischen Länder 68,5 Prozent zum weltweiten Wirtschaftswachstum beigetragen. Auf dem Kontinent leben mehr als vier Milliarden Menschen. Er verfügt über eine stärker werdende Mittelschicht, nimmt sein wirtschaftliches Schicksal zunehmend selbst in die Hand und erleichtert den regionalen Handel. Damit verschieben die Entwicklungen in Politik und Gesellschaft das weltweite Gravitationszentrum nach Süden und Osten. Wer international wachsen will, kommt also nicht um eine starke Präsenz in Asien herum.

Verbindung zwischen Ost und West

Das sichtbarste Symbol für die Machtverschiebung ist die "Belt and Road"-Initiative. Mit dem gigantischen Vorhaben investiert die chinesische Regierung in Züge, Häfen, Energieversorgung und andere Infrastrukturanlagen. Während der "Belt" für die Routen entlang der alten Seidenstraße steht, ist die "Road" die maritime Verbindung zwischen China, Südostasien und Afrika. Damit bringt die Initiative Ost und West zusammen.

Die neue Verbindung schafft gewaltige wirtschaftliche Chancen. Neue Transportwege werden die Handels- und Kapitalströme beschleunigen. Auch deutsche Autos, Computer oder Chemikalien könnten zum Beispiel die 8 500 Kilometer an Chinas Ostküste direkt per Zug zurücklegen - das macht den Transport schneller als mit Schiffen und günstiger als mit Flugzeugen. Alleine zwischen China und den Anrainern des "Belt and Road"-Projekts soll das jährliche Handelsvolumen ab der kommenden Dekade den Wert von 2,5 Billionen US-Dollar übersteigen.

Wer in Asien gut vernetzt ist, für den eröffnet das Mammutvorhaben völlig neue wirtschaftliche Perspektiven. In den ersten neun Monaten 2016 haben chinesische Unternehmen 4 000 Ingenieurskontrakte entlang der neuen Handelsrouten im Wert von beinahe 70 Milliarden US-Dollar geschlossen. Damit wird die lokale Initiative zu einem Weltprojekt. Mehr noch: China sucht nach Co-Investoren für die Finanzierung der Infrastruktur-Investitionen. Das eröffnet gerade den Finanzinstituten neue Möglichkeiten, die schon jetzt stark in Asien vertreten sind - was wiederum ihren internationalen Firmenkunden zugutekommt.

Flexible Reaktionen auf ein verändertes Umfeld

Je besser Banken vernetzt sind, desto eher können sie ihren Kunden außerdem Lösungen vorschlagen, wenn sich die wirtschaftlichen oder auch politischen Rahmenbedingungen ändern. Beispiele sind Kapitalverkehrskontrollen - wie in China - oder Maßnahmen wie die Bargeld-Reform in Indien. Solche Einschränkungen beziehungsweise Neuerungen erschweren den Kapital- und Zahlungsverkehr und verunsichern internationale Konzerne zunächst.

Banken mit einer langen Historie im asiatischen Raum können ihren Firmenkunden als Seismograf für solche Veränderungen dienen. Und je breiter ihre geografische Basis, desto mehr alternative Ansätze können sie zudem bieten, damit Unternehmen ihre ausländischen Töchter weiter finanzieren oder den Gewinn ausführen können. Im Idealfall haben solche Institute eine Verbindung in ein Nachbarland und finden darüber eine Lösung.

Selbstverständlich ist eine gute Vernetzung nicht nur in Asien vorteilhaft. Platzierungskraft und langjährige Erfahrung können sie für ihre Firmenkunden auch in anderen Teilen der Welt nutzen. Ein Unternehmen auf der Suche nach neuen Investoren ist dankbar für jeden internationalen Kontakt. Außerdem haben weltweit aktive Banken einen anderen Blick auf den Zahlungsverkehr. Denn gerade in Zeiten zunehmender Finanzkriminalität kann sich ein kritischer Blick auf ungewöhnliche Transaktionen auszahlen.

Starke Kapitalbasis als Grundlage jeder Geschäftsbeziehung

Während sich für die Unternehmenskunden der Welthandel verändert, stehen die Banken zusätzlich vor eigenen, bankspezifischen Herausforderungen. In guten Zeiten war der Firmenkundenkredit eine Ertragsperle. Heute haben die Margen ein diskussionswürdig niedriges Niveau erreicht. Der einst lukrative Kredit ist zur Massenware geworden. Dabei bleibt er die Eintrittskarte für jede Geschäftsbeziehung zu Unternehmen.

Auch andere Entwicklungen belasten die Margen. Seit der Finanzmarktkrise arbeiten die Regulatoren daran, weltweit einheitliche Regeln für die Überwachung der Institute zu etablieren. In der Realität geht der Trend jedoch eher in die entgegengesetzte Richtung. Große Banken müssen sich auf immer mehr lokale Besonderheiten einstellen. Das erhöht die Kosten und senkt die Profitabilität. Der Preis, eine globale Bank zu sein, steigt stetig. Im Gegenzug verringert sich der Wunsch, eine globale Bank zu sein - und damit die Zahl der wirklich globalen Banken.

Die Töne, die derzeit aus den USA kommen, die Bankenregulierung deutlich runterschrauben zu wollen, sind nicht hilfreich. Die Welt sollte nicht hinter die Standards aus der Zeit vor der Finanzkrise zurückfallen. Sinnvoll ist es allerdings, die realisierten Regelungen und Vorgaben auf ihre Effektivität, Auswirkungen und damit Sinnhaftigkeit zu überprüfen.

Wachsende Kontroll- und Reportingvorgaben

Dennoch machen die wachsenden Kontroll- und Reportingvorgaben sowie die Anforderungen an die Kapitalunterlegung das Firmenkundengeschäft zunehmend unrentabel. Viele Banken bemühen sich daher, ihr Geschäft mit margenträchtigeren Leistungen auszubauen. Sie konzentrieren sich auf weniger kapitalintensive Aktivitäten wie Transaction Banking und Investment Banking und versuchen, den Anteil ihres Provisionsgeschäfts auszubauen, um profitabler zu arbeiten.

Gleichzeitig müssen die Kreditinstitute über genug Kapital verfügen, um der drohenden Zinswende zu begegnen und von Unternehmen als starker Partner anerkannt zu werden. Gerade wer als Experte für Geldangelegenheiten gesehen werden will, sollte sein eigenes Haus in Ordnung halten. Manche Banken kämpfen bis heute darum, den Anforderungen gerecht zu werden. Andere haben sie schon längst erfüllt.

Nur wer über genügend finanzielle Flexibilität verfügt, kann zudem neue Investitionen stemmen. So manche europäische Bank arbeitet im Firmenkundengeschäft mit einer Cost Income Ratio von bis zu 100 Prozent. Digitalisierung tut hier not. Banken müssen effizienter werden, indem sie papierbasierte Prozesse und fragmentierte IT-Systeme eliminieren.

Sie müssen aber auch im Geschäft mit ihren Firmenkunden technologisch auf dem neuesten Stand sein- sei es im direkten Kontakt, zum Beispiel über gemeinsame Treasury-Lösungen, sei es, um aufstrebenden Fintechs Paroli bieten zu können. Diese sind zwar heute vor allem im Retailkunden-Geschäft unterwegs, können jedoch schon morgen ihren Anteil am Firmenkundengeschäft einfordern. Was spricht schließlich dagegen, eine digitale Plattform für Schuldscheindarlehen aufzubauen? Eine noch nicht abzuschätzende Gefährdung ergibt sich auch aus der Blockchain-Technologie, die Prozesse vereinfachen und Intermediäre überflüssig machen könnte.

Veränderte Welt - Anpassungsdruck für die Banken

Der veränderte Welthandel zwingt Konzerne dazu, ihre Geschäfte neu zu justieren und stärker regional auszurichten. Das eröffnet jenen Banken neue Chancen, die international gut vernetzt sind, mögliche Risiken für ihre Kunden im Blick haben und mit einer starken Kapitalbasis für den Ernstfall punkten. Solche Banken können die Herausforderungen im Firmenkundengeschäft gut meistern.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X