Zinsänderungsrisiko im Bankbuch: eine aktuelle Herausforderung

Dr. Heiko Carstens, Partner, KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Bereich Financial Services, München - Bei deutlich mehr als der Hälfte der hiesigen Kreditinstitute registriert die Bankenaufsicht angesichts des anhaltenden Niedrigzinsszenarios ein erhöhtes Zinsänderungsrisiko. Noch im laufenden Jahr soll deshalb im Rahmen des SREP überlegt werden, inwieweit ein Kapitalaufschlag notwendig ist, um die Zinsänderungsrisiken zu unterfüttern. Angesichts dieser Bestandsaufnahme gewinnt für die Kreditwirtschaft die professionelle Steuerung und Überwachung dieser wichtigen Risikokomponente an Bedeutung und hat auch seitens der Regulatoren zu einer ganzen Reihe von neuen Anforderungen geführt. Aus Sicht des Autors kann eine zeitnahe Weiterentwicklung von Verfahren und Methoden die Kreditinstitute dabei unterstützen, den Herausforderungen der Margenerosion im Niedrigzinsumfeld oder sich dem Wettbewerbsumfeld anpassenden Kundenverhalten unter den speziellen Bedingungen des jeweiligen Institutes zu begegnen. (Red.)

Kreditinstitute im deutschsprachigen Raum verfügen typischerweise über relativ weit entwickelte Ansätze zur Steuerung und Überwachung der Zinsänderungsrisiken im Bankbuch (Interest Rate Risk in the Banking Book, IRRBB) auf Basis der Marktzinsmethode. Das klassische, in seiner Wirkung auf den Barwert der Geschäfte beziehungsweise das Eigenkapital bezogene Risiko der Zins-Fristentransformation stellt jedoch nicht immer die größte Gefahr für die finanzielle Lage eines Instituts dar - insbesondere im heutigen Niedrigzinsumfeld. Vielmehr drohen zusätzlich

- die fortschreitende Einschränkung der Geschäftsmargen, etwa aus dem Unvermögen, negative Zinsen an Einlagengeber oder andere Gläubiger weiterzugeben,

- die kurzfristige Reduktion des periodischen Zinsergebnisses (Net Interest Income, NII) und

- Verhaltensänderungen der Kunden, beispielsweise hinsichtlich der Tilgung von Krediten oder der Ausübung weiterer eingebetteter Optionen.

Regularien und Anforderungen

Die Aufsicht hat die umfassende und auch komplexe Wirkung des IRRBB erkannt und adressiert diese in einer ganzen Reihe von Regularien und Anforderungen. Für ein deutsches Kreditinstitut sind die folgenden relevant:

- Die "EBA Guideline (GL) zu IRRBB" (GL/2015/08) mit Gültigkeit ab 1. Januar 2016, welche Kernforderungen der Aufsicht enthält und sich auf die Bemessung des IRRBB durch die Banken fokussiert

- Die kürzlich final veröffentlichten Baseler "Standards zu IRRBB" (BCBS 368) mit angestrebter nationaler Umsetzung bis Januar 2018, welche die aufsichtlichen Erwartungen an das interne Management von IRRBB konkretisiert und darüber hinaus Anforderungen an die Offenlegung von IRRBB stellt

- Die "EBA GL zum SREP" (GL/2014/13) als Grundlage für die Kapitalunterlegung des IRRBB im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsprozesses (SREP) unter Säule 2 und dessen Ausgestaltung durch die EZB für SSM-Banken einerseits und die BaFin für LSI andererseits,

- die Anforderungen der EBA, EZB und BaFin an das aufsichtliche Stresstesting und

- der Konsultationsentwurf der 5. Novelle der MaRisk, welcher die Kernforderungen der EBA GL zu IRRBB aufnimmt.

Einführung eines standardisierten Ansatzes gescheitert

Die europaweite Aufsicht und Risikomanager stehen in diesem Zusammenhang vor der besonderen Herausforderung, dass heute große Unterschiede in der Verwendung des IRRBB Begriffs, den einzubeziehenden Risikotreibern, der Abbildung unsicherer Zahlungsströme und den sich ergebenden Steuerungsansätzen bestehen. Entsprechend konnte sich das BCBS nicht mit der Einführung eines standardisierten Ansatzes der Eigenkapitalunterlegung des IRRBB durchsetzen. Vielmehr ergibt sich ein konsistentes Bild von

- prinzipienbasierten Anforderungen an die Ausgestaltung des internen Risikomanagements der Institute,

- einem stringenten Regime von aufsichtlichen Stresstests sowie - einer Kapitalunterlegung des IRRBB in der Säule 2 und der SREP-Quote.

- Das weiterhin eingeführte Baseler Standardmodell des IRRBB kann jedoch vermutlich zukünftig im EZB-Raum als Grundlage des "Challenger Modells" im SREP dienen.

Einbeziehung aller wesentlichen Risikofaktoren

Im Folgenden wird auf eben dieses konsistente Bild der Anforderungen abgestellt und nur vereinzelt auf etwaig bestehende Widersprüche zwischen den Regularien hingewiesen. Mit den bestehenden Unsicherheiten, beispielsweise der finalen Umsetzung das Baseler Papiers in nationale Rechtsprechungen oder der gelebten Praxis der EZB-Aufsicht, erscheint es für die betroffenen Institute als am sinnvollsten, zeitnah die gemeinsamen, unabdingbar zu adressierenden Handlungsbedarfe anzugehen. Zu diesem Zweck werden die Anforderungen in einer Reihe von Aspekten des Risikomanagements kondensieren und der Handlungsbedarf sowie Lösungsansätze auf Basis von Benchmarking-Erfahrungen aufgezeigt.

Im Überblick: Handlungsbedarf der Banken

Zeitnahe Identifikation der Gaps der bestehenden IRRBB-Steuerung und -Überwachung gegenüber den Kernanforderungen der Aufsicht.

Vorbereitung des diesjährigen SREP-Prozesses durch Dokumentation bestehender Verfahren und Ergebnisse.

Antizipation des sich im SREP ergebenden Kapitalbedarfs, beispielsweise durch Implementierung des sich abzeichnenden "Challenger Modells" der EZB.

IRRBB wird typischerweise definiert als das Risiko einer Verschlechterung der finanziellen Lage eines Institutes aufgrund von Veränderungen der Zinssätze - alleinig bezogen auf die Geschäfte des Bankbuchs. Die relevanten Regularien heben ausnahmslos hervor, dass mit der "finanziellen Lage" sowohl auf den Barwert des Eigenkapitals (Economic Value of Equity, EVE), das heißt die Differenz der Barwerte der Aktiva und Passiva, als auch auf das periodische Zinsergebnis (Net Interest Income, NII) abzustellen ist. Der dualen Perspektive auf das IRRBB wird später ein eigener Abschnitt gewidmet. Zuvor verbleibt die Frage nach den in das IRRBB zu subsumierenden Risikofaktoren. Risikofaktoren sind die als veränderlich zu unterstellenden Zinskomponenten und die diesen jeweils entsprechenden Komponenten der Zins-Cashflows der Bankbuchgeschäfte.

Erste Komponente ist unumstritten ein risikoloser, währungsspezifischer Marktzins, beispielsweise abgeleitet aus besicherten Zinsderivaten, und die das allgemeine Zinsänderungsrisiko verursachenden vielfältigen Bewegungen der entsprechenden Zinsstrukturkurve. Hier sei angemerkt, dass die von der EBA geforderte Auftrennung des Risikobegriffs in Parallelverschiebungen im Gegensatz zu anderen Veränderungen der Kurve nicht der Marktpraxis entspricht und nicht vom Baseler Papier gefordert wird.

Weiter unstrittig ist im Fall der Wesentlichkeit die grundsätzliche Einbeziehung von denjenigen Basisrisiken, welche eine enge Beziehung zur risikofreien Zinskurve aufweisen, beispielsweise den Tenor-Basis-Spreads der Swaps auf unterschiedliche Referenzzinssätze. Die sich anschließende Schwierigkeit der klaren Abgrenzung der Credit-Spread-Risiken (CSRBB), unter anderem von den Basisrisiken, adressiert das Baseler Papier sehr explizit: CSRBB wird als separates, dem IRRBB jedoch eng verwandtes Risiko bezeichnet, welches nicht im Fokus der Regularie steht, jedoch gleichfalls angemessen zu steuern und zu überwachen ist.

Liquiditätsspreadrisiken als Basisrisiken

Bemerkenswert ist die explizite Festlegung des BCBS, dass Liquiditätsspreadrisiken als Basisrisiken zumindest für Nicht-Handelsgeschäfte in den IRRBB Framework einzubeziehen sind. Diese Wahl ist inhaltlich gut nachvollziehbar, da die Profitabilität vieler Institute seit Ausbruch der Finanzmarktkrise aufgrund großer struktureller Liquiditätsfristentransformation und Veränderungen externer oder intern ermittelter Liquiditätsspreads starken Unsicherheiten unterworfen ist. Zugleich stellt sie einen großen, wenn nicht dominierenden Beitrag zur Gesamtvolatilität des NII dar. Herausfordernd ist diese Wahl jedoch für all diejenigen Institute, bei denen die Steuerung und Überwachung des allgemeinen Zinsänderungsrisikos historisch bedingt sowohl in Verantwortung, Methoden als auch Systemen stark von derjenigen des Liquiditätsrisikos separiert ist.

Schließlich stellt die Marge der aktiven und passiven Kundengeschäfte gerade im Niedrigzinsumfeld einen wesentlichen Beitrag des NII dar und unterliegt hohen Unsicherheiten. Die Interpretation der regulatorischen Anforderungen aus Sicht von KPMG ist in Übereinstimmung mit der guten Marktpraxis eine Einbeziehung des zinsinduzierten Margenrisikos in den IRRBB Begriff. Relevante Beispiele dieses Risikos sind die zinsorientierte Ausübung von Tilgungsoptionen durch Darlehensnehmer mit der einhergehenden Auskündigung auskömmlicher Margen, die Margeneinschränkung im Einlagengeschäft durch implizite Floors im Kundenzins sowie von den Marktzinsen abhängige Nachfrage nach Neugeschäft, beispielsweise in Hinblick auf unterschiedliche Anlageprodukte oder Kreditlaufzeiten.

Im Überblick: Handlungsbedarf der Banken

Überprüfung des bisher verwendeten IRRBB Risikobegriffs im Licht der regulatorischen Anforderungen, insbesondere des Baseler Papiers.

Aufnahme aller wesentlichen Treiber des Gesamtbankbarwerts und periodischen Zinsergebnisses im spezifischen Geschäftsmodell einer Bank; Beschreibung der Abhängigkeit der jeweiligen Treiber vom allgemeinen Marktzinsniveau.

Abgrenzung des so erweiterten IRRBB Begriffs von anderen Risikoarten (vor allem vom Liquiditätsrisiko und Geschäftsrisiko).

Ergänzung der Innensicht um eine Außensicht auf das IRRBB.

Eng verknüpft mit der Unterscheidung der wesentlichen IRRBB-Risikofaktoren ist die Unterscheidung der "Innen-" und "Außensicht" auf das IRRBB. Typisch für Banken des deutschsprachigen Raums (nicht jedoch zum Beispiel für nordamerikanischer Institute) ist die Anwendung der Marktzinsmethode nach reiner Lehre. Damit einher geht die Einschränkung der Rolle der zentralen Treasury auf eine Steuerung des allgemeinen IRRBB, das heißt vor allem des Strukturbeitrags aus Zins-Fristentransformation. Ein solches Vorgehen basiert auf einer Betrachtung der externen zinstragenden Geschäfte in der Form interner Sicherungsgeschäfte zu Marktkonditionen, üblicherweise von Zinsswaps.

Die entstehende margenfreie "Innensicht" auf das allgemeine IRRBB weist wesentliche Vorteile zum Zweck der Risikomessung und -steuerung auf: Sie ermöglicht eine laufende marktorientierte Bewertung des Zinsbuchs sowie eine tägliche Steuerung und Überwachung des in die Treasury transferierten Risiken mit den bereits für Handelsbuchpositionen etablierten Methoden, Prozessen und Systemen. In Bezug auf den Abdeckungsgrad der zuvor diskutierten Risikofaktoren besteht in der Innensicht jedoch offensichtlich der schwerwiegende Nachteil, Margenkonstanz zu unterstellen beziehungsweise die dem IRRBB zugerechneten Margenrisiken in den Geschäftsbereichen zu belassen.

Eine Ergänzung der Innensicht um eine "Außensicht" auf die Zahlungsströme der externen Kundenkonditionen behebt dies. Hierzu sind diese Konditionen beziehungsweise Margen-Zahlungsströme explizit in den Systemen zu erfassen. Die Herausforderungen der Modellierung etwaiger Abhängigkeiten der Kundenkonditionen von den Marktzinsen diskutieren wir in einem späteren Abschnitt.

Duale Betrachtung in barwertiger und ertragsorientierter Perspektive

Die IRRBB-relevanten Regularien verwenden die hier eingeführten Begriffe der Innen- und Außensicht zwar nicht (eine Übersetzung in das Englische erscheint auch schwierig), zeigen jedoch explizit die Notwendigkeit alternativer Betrachtungen der Zinszahlungsströme externer Geschäfte und die jeweils passende Wahl von gegebenenfalls risikolosen Diskontierungskurven auf.

Im Überblick: Handlungsbedarf der Banken

Abbildung der Kundenkonditionen in den Systemen der IRRBB-Steuerung sowie denen des IRRBB-Controllings; dabei Aufspaltung der Zins-Zahlungsströme entlang der Risikofaktoren des IRRBB, das heißt zumindest in risikolosen Zins, Liquiditätsspread, Marge.

Überprüfung der Aktualität der Abbildung und Bepreisung des Risikotransfers von Markteinheiten in eine Treasury-Funktion (Funds-Transfer-Pricing).

Sicherstellung der Eignung der für IRRBB-Steuerung und -Überwachung verwendeten Buchstruktur zur gleichzeitigen Abbildung der Innen- und Außensicht.

Umsetzung eines Konzepts zur Ergebnismessung der Marktbereiche sowie der Treasury-Funktion, die in ihrer Ausgestaltung sowohl die Innen- als auch die Außensicht unterstützt.

Wie bereits aufgezeigt, fordern die relevanten Regularien konsistent eine duale Steuerung und Überwachung des IRRBB aus Barwert- und Ertragsperspektive. Während erstere auf den zinsinduzierten Netto-Barwert der Geschäfte und mithin des Eigenkapitals (EVE) abstellt, bezieht sich letztere auf das periodische Zinsergebnis (NII).

Die Notwendigkeit einer solchen dualen Steuerung begründet sich unter anderem in den scheinbar durch die beiden Perspektiven erzeugten widersprüchlichen Aussagen und Steuerungsimpulsen. Exemplarisch zeigen sich diese an der Frage der Zuweisung einer Zinsbindung zur Eigenkapitalposition zeigt: In der Barwertperspektive erscheint eine kurze Zinsbindung beziehungsweise Anlage des Eigenkapitals als risikofrei und eine lange Anlage mit einem hohen Risiko unter Zinsanstiegen verbunden. Im Gegensatz dazu zeigt die Ertragsperspektive bei kurzer Anlage eine hohe Ergebnisvolatilität für die Eigenkapitalinvestition, während eine langfristige Anlage die Erträge stabilisiert.

Umsetzung der Dualität

Der skizzierte Widerspruch lässt sich durch die entsprechende Dualität in der Risikotragfähigkeitsbetrachtung des ICAAP auflösen. Im ICAAP besteht die Dualität zwischen dem "Gone-Concern-Szenario", welches ein langfristiges Auslaufen (Runoff) der Geschäfte beziehungsweise deren Veräußerung unterstellt und stark auf Bar- beziehungsweise Marktwerte abstellt, und dem "Going-Concern-Szenario", welches etwaige Veränderungen des periodischen Ergebnisses unter laufendem Neugeschäft prognostiziert. Sowohl im ICAAP als auch in der IRRBB-Steuerung entstehen durch das Vorziehen beziehungsweise Nicht-Vorziehen von Ergebniseffekten, durch die Annahme beziehungsweise Nicht-Annahme von Neugeschäft und zumindest teilweise durch die Abstellung auf unterschiedliche Schweregrade beziehungsweise Quantile der Risikobetrachtung sich ergänzende Aussagen und Steuerungsimpulse.

In der Marktpraxis erfolgt die Auflösung des genannten Widerspruchs aus der Eigenkapitalinvestition zumeist durch Anordnung des entsprechenden Modellbuchs außerhalb der aktiv gesteuerten IRRBB-Position, sodass sich in der Innensicht die Aussagen der EVE- und NII-Perspektiven typischerweise stark annähern. Eine Zusammenführung der Steuerungsimpulse geschieht dann typischerweise durch Kombination einer täglichen Steuerung und Überwachung des allgemeinen IRRBB in der Innensicht unter der EVE-Perspektive einerseits mit einer niedriger-frequenten, beispielsweise monatlichen, Betrachtung des gesamten IRRBB in der Außensicht und der NII-Perspektive.

Flexible Szenarioanalysen, Stresstests und Neugeschäftssimulation

Eine Umsetzung der Dualität, gegebenenfalls unter Wahl einer führenden Perspektive, hat per regulatorischer Anforderung alle wesentlichen Elemente des Risikomanagements zu umfassen: Eine Ergänzung der IRRBB-Risikostrategie, eine klare Formulierung des Risikoappetits, die Ableitung von Limiten aus dem ICAAP, die Zuweisung von Verantwortung für Risikosteuerung und Ergebnis sowie die Überwachung und schließlich die Berichterstattung.

Im Überblick: Handlungsbedarf der Banken

Schaffung eines dualen barwertigen und ertragsorientierten Steuerungskonzepts für das IRRBB; dabei Wahl einer führenden Perspektive und Festlegung der Prioritäten von Steuerungszielen.

Festlegung des Risikoappetits in beiden Perspektiven auf das IRRBB. Ableitung von Limiten aus dem übergreifenden ICAAP.

Ergänzung der Risikostrategie, Zuweisung von Aufgaben für Steuerungund Überwachung des IRRBB in beiden Perspektiven, Ergänzung des Anweisungswesens.

Stresstests haben in der Regulierung der Banken zuletzt auf Kosten interner Modelle eine fast schon dominierende Bedeutung gewonnen. Regelmäßige und Ad-hoc-Anfragen der Aufsicht in Bezug auf IRRBB-orientierte Szenarioanalysen, wie dem "Funding Template" des EBA Stresstestings, haben betroffene Institute regelmäßig vor große Herausforderungen in der Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse gestellt. Zudem zeigten die aufsichtlichen Anfragen auch technische Unzulänglichkeiten bei Instituten sowie auf solche Anfragen nicht ausgerichtete Organisationen auf.

Insgesamt erfordert bereits die EBA GL zu IRRBB je nach Institutsgröße und -komplexität mehr oder weniger umfassende Simulationen zukünftigen Neugeschäfts und des NII - bis hin zu dynamischen Simulationen, welche das Kundenverhalten und die Neugeschäftsmargen in Abhängigkeit vom allgemeinen Marktzinsniveau prognostizieren. Zukünftige Volumina beziehungsweise Bilanzpositionen sind entweder durch konstante Fortschreibung der Alt bestände zu erzeugen, aus der Geschäftsplanung zu übernehmen oder wiederrum dynamisch zu simulieren. An dieser Stelle sei jedoch auch hervorgehoben, dass die von der EBA in der "Sophistication Matrix" gezeigten Anforderungen nach "dynamischen Simulationen" derzeit in vielen Fällen über die internationale Marktpraxis großer, weit entwickelter Institute hinausgehen.

Hoher Rechenaufwand und hohe Datenvolumina

Bereits die Anforderungen der EBA an mittlere Institute erzeugen zusammen mit der Anzahl unterschiedlicher Marktzinsszenarien, wie sie beispielsweise Basel vorschreibt, die Notwendigkeit einer hohen Flexibilität der Methoden und Prozesse sowie der Datengrundlage des Stresstestings.

Besonderer Aufwand ist aus der aufsichtlich geforderten Einbettung des IRRBB-Stresstestings in das übergreifende Stresstesting-Programm eines Instituts zu erwarten sowie der vor allem von der EBA erwarteten Überleitbarkeit der Stresstesting-Resultate und -Aufsatzpunkte mit dem übrigen Meldewesen, beispielsweise nach FINREP. Die notwendige Verbindung von Daten und Kennzahlen des Rechnungs- und Meldewesens mit denjenigen des Treasury oder Risikocontrollings besteht derzeit in den meisten Häusern nicht. Als Mindestanforderung sind für Bestände in den für das IRRBB-Stresstesting heran-Mehr erfahren Mehr erfahren Mehr erfahren gezogenen Systemen neben aktuellen Kapitalien auch Buchwerte abzulegen und neben der für die Steuerung relevanten Buchstruktur auch Accounting-Klassifikationen und FINREP-Produktkategorien abzuspeichern.

Angemessene Abbildung der Bestandsgeschäfte

Die Szenariobetrachtung auf granularen Teilbeständen beziehungsweise Einzelgeschäften sowie die Simulation des periodischen NII mit der zugrunde liegenden Neugeschäftsgenerierung inklusive laufendem "Hedging" der entstehenden Risikopositionen erzeugt erfahrungsgemäß einen hohen Rechenaufwand und hohe Datenvolumina. Im Markt stehen viele Häuser derzeit vor der Entscheidung entweder der Eigenentwicklung eines den Anforderungen genügenden Systems zum "Asset Liability Management" oder der Auswahl und dem Kauf eines entsprechenden kommerziellen Systems.

Im Überblick: Handlungsbedarf der Banken

Schaffung einer zentralen Verantwortung für die (konzernweite) Erstellung und Kommunikation IRRBB-orientierter Szenarioanalysen und Stresstests.

Aufbau flexibler Methoden und Verfahren der Szenariobetrachtung und NII-Simulation unter Modellierung des Neugeschäfts.

Überprüfung der Leistungsfähigkeit der vorhandenen IT-Infrastruktur und fundierte Entscheidung für eine Eigenentwicklung eines ALM-Systems oder für die Anschaffung einer kommerziellen Lösung.

Sicherstellung der notwendigen Überleitbarkeit der IRRBB-Szenarioanalysen und Kennzahlen zu anderen externen Meldungen durch Anreicherung der Bestandsinformationen um Klassifikations-Informationen aus Meldewesen und Rechnungslegung.

Die systemtechnische Abbildung der Bestandsgeschäfte mit deren IRRBB-relevanten Eigenschaften sowie die Modellierung von Zahlungsströmen bildet die Grundlage sowohl für die Ermittlung von Barwerten in der EVE-Perspektive als auch der Simulation des NII in Normal- und Stressszenarien. Die einer solchen Modellierung zugrunde liegenden Konzepte unterscheiden sich typischerweise deutlich von den Kapitalmarkt-orientierten Konzepten des Handelsbuchs, indem sie unter anderem auf die Extrapolation historischer Zusammenhänge, Annahmen zum Kundenverhalten und die Definition steuerungsrelevanter Szenarien durch Experten setzen. Im Folgenden werden die regulatorischen Anforderungen und die Marktpraxis anhand von zwei typischen Produkten verdeutlicht: dem Kreditgeschäft mit eingebetteten Optionen und den Einlagen mit unbestimmter Zins- und Kapitalbindung.

Im Kreditgeschäft sind laut MaRisk eingebettete Optionen auch bisher schon sachgerecht zu erfassen, zu modellieren und zu steuern. Es sind gewisse heutige Marktstandards erkennbar, beispielsweise die explizite Abbildung der Wirkung von BGB Kündigungsrechten im allgemeinen IRRBB durch Swaptions; die gesamthafte ökonomische Wirkung von eingebetteten Optionen wird jedoch unterschiedlich eingeschätzt. Die aktuellen regulatorischen Anforderungen werden erwartungsgemäß zu etwas mehr Vereinheitlichung führen. So fordert Basel ein weitgehendes "Stripping", das heißt die explizite und separate Abbildung der Optionen.

Erwartungsgemäß durch den Kunden streng marktorientiert ausgeübte, "automatische" Optionen, wie beispielsweise Caps und Floors in variablen Krediten, sind mit üblichen Modellen zu bewerten. Eine branchenübliche Darstellung von Optionalitäten durch vereinfachte Modelle auf Portfolioebene ist zukünftig nur für den Fall von nicht vollständig marktrationalem Kundenverhalten zulässig.

Steuerung und Überwachung der Modellrisiken

Zur Modellierung der zukünftigen Zahlungsströme von Einlagen unbestimmter Kapital- und Zinsbindung ließe sich ein eigener Artikel verfassen, da sich hier im Markt eine besonders breite Spanne an ökonomischen Realitäten und konzeptionellen Vorgehensweisen beobachten lässt. Entsprechend herausfordernd ist es für die Aufsicht, standardisierte Vorgehensweisen oder gar Parametrisierungen von Standardmodellen durchzusetzen. Derzeit verbleibt als konkrete Anforderung diejenige der EBA, welche für Sicht- und Spareinlagen die durchschnittliche Zinsduration auf fünf Jahre begrenzt - für viele Häuser mit einer Mischung unterschiedlicher Sparprodukte weist dies erwartungsgemäß jedoch keine besonders große Relevanz auf.

In der Einlagenmodellierung gibt es im Markt als einfachsten Ansatz die Ermittlung eines aus Liquiditätssicht stabilen Bodensatzvolumens. Dieser basiert auf der Analyse historischer Volumina und Kundenzinsen und wird mit der Gleitzinsmodellierung eines Replikationsportfolios an Zinsswaps, das historisch möglichst konstante Margen erzeugt kombiniert. Die "Best Practice" ersetzt in diesem Modellierungsvorgehen rückwärtsgerichtete Beobachtungen durch vorwärtsgerichtete Beschreibungen der Volumina und Kundenzinsen in Anhängigkeit von Marktzinsen. Auf diese Weise können zukünftige Veränderungen der Marge antizipiert und als Risiko quantifiziert werden.

Allen Modellierungsansätzen für Kredit und Einlagen ist gemein, dass sie durch die freie Wahl von Ansätzen, der Festlegung von Parametern Modellrisiken erzeugen. Im Vergleich zur bisherigen regulatorischen Praxis fordern EBA und vor allem Basel viel deutlicher eine unabhängige Validierung der Modelle und eine Steuerung und Überwachung der Modellrisiken. Je nach Lesart des Baseler Papiers könnte eine Kapitalunterlegung der Modellrisiken gefordert werden, zumindest im Rahmen des Stresstestings der Modellannahmen.

Im Überblick: Handlungsbedarf der Banken

Überprüfung der systemtechnischen Abbildung eingebetteter Optionen im Lichte der regulatorischen Anforderungen und der Wesentlichkeit; klare Separierung von "automatischen" von "verhaltensbasierten" Optionen der Kunden.

Überprüfung des Ansatzes zur Einlagenmodellierung insbesondere in Bezug auf die Gültigkeit der Annahmen (beispielsweise der Margenkonstanz im Niedrigzinsumfeld). Gegebenenfalls Erweiterung bestehender Modelle um explizite Beschreibungen des künftigen Kundenzinses.

Regelmäßige Validierung der Modelle durch eine unabhängige Einheit; dabei Berücksichtigung der Notwendigkeit eines weit entwickelten Verständnisses der Kundengeschäfte.

Identifikation der wesentlichen Modellrisiken und deren Einbindung in das Risikomanagement.

Bereits aufgrund des Marktumfelds ist die Steuerung und Überwachung der Zinsänderungsrisiken im Bankbuch - inklusive der Margenrisiken, der Liquiditätsspreadrisiken und denjenigen des Kundenverhaltens - eine aktuelle Herausforderung für fast alle Institute. Eine zeitnahe Weiterentwicklung von Verfahren und Methoden kann dabei unterstützen, den Herausforderungen der Margenerosion im Niedrigzinsumfeld oder sich dem Wettbewerbsumfeld anpassenden Kundenverhaltens zu begegnen.

Die unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen unterstützen dies und fordern auf weitgehend konsistente Weise eine umfassende, institutsspezifische Identifikation, Analyse, Steuerung und Berichterstattung der Zinsänderungsrisiken im Bankbuch - sowohl in barwertiger als auch periodischer Perspektive.

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