DAI

Aktienanlage ist Bauchsache

Die Deutschen sind bekanntermaßen Aktienmuffel. Trotz Niedrigzinsen, realen Verlusten auf Spar- und Girokonten und einer enormen Börsenrally fristet die Aktie nach wie vor ein Nischendasein: Lediglich sieben Prozent des Geldvermögens der Bundesbürger liegen in Aktien, nur 8,4 Millionen Deutsche halten direkt oder indirekt Aktien. Allein im Jahr 2014 kehrten fast ein halbe Million Anleger der Aktienanlage den Rücken. Das ist aus Sicht der Verbraucher nachvollziehbar. Zu viele haben sich Anfang des Jahrtausends mit vermeintlichen Volksaktien die Finger verbrannt oder am Neuen Markt vergeblich auf die schnelle Mark gehofft.

Die Finanzkrise hat nur wenige Jahre später für einen neuerlichen Dämpfer gesorgt. Davon hat sich die Aktienkultur nicht erholt, auch wenn man sagen muss, sie war in Deutschland noch nie so richtig ausgeprägt. Volkswirtschaftlich ist das natürlich unsinnig. Den Sparern entgehen Renditen, es wird kein Vermögen aufgebaut und die Liebe zur Anlage auf Konten oder in Lebensversicherungen führt angesichts der niedrigen Zinsen zu Wertverlusten. Wer am Tag der Lehmann-Pleite 2008 Aktien gekauft hat, hat gemessen an der Entwicklung des Dax fast 100 Prozent Gewinn erzielt. Aber Verluste wiegen in der Wahrnehmung stärker als Gewinne. Hinzu kommt, dass sich durch die deutsche Zurückhaltung ein Großteil der dreißig Dax-Unternehmen in der Hand ausländischer Aktionäre befindet.

Einer neuen Studie der Aktienlobbyisten des DAI und der Börse Stuttgart zufolge sind die Ursachen für diese Misere schnell ausgemacht. Aktienanlage gilt als riskant. Viele Menschen halten die Aktienanlage zudem nicht für einfach. Ein großer Teil der Befragten glaubt, es erfordere hohe wirtschaftliche Kenntnisse, um in Aktien zu investieren. Die Gefahr von Vermögensverlusten wird tendenziell höher eingeschätzt, als die Möglichkeit Gewinne zu erzielen. Und die Anlage in diese Wertpapiergattung gilt nur als etwas für große Vermögen und nicht für den Kleinsparer. Dagegen ist wenig zu sagen und fast noch weniger zu tun. Trotzdem wollen die Verfasser das Bewusstsein für die langfristige Form der Anlage in Aktien wecken. Schließlich gebe es bei einem durchschnittlichen Portfolio, das 13 Jahre und mehr gehalten werde, keine Verluste. All das ist natürlich richtig und auch statistisch zu belegen. Von daher ist es gut, nun mit aktuellen Zahlen an die Öffentlichkeit gehen zu können. Aber es wird dennoch schwer, die Grundeinstellung zu ändern. Denn Aktienanlage ist nicht etwa "Kopfsache", wie der Name der Studie lautet, sondern "Bauchsache".

Erschwerend kommt natürlich noch hinzu, dass der Gesetzgeber den Banken und Sparkassen die Wertpapierberatung mehr und mehr verleidet. Die Dokumentationspflichten haben ein Ausmaß erreicht, das Kunden ebenso wie Berater abschreckt. Die Registrierung in einem Zentralregister und die verschärften Haftungsrisiken führen dazu, dass sich Institute mehr und mehr aus der Aktienberatung zurückziehen. Eine große Sparkasse hat die Zahl ihrer Wertpapierberater notgedrungen von 700 auf 100 reduziert. Hier wäre es Sache der Politik, für Besserung zu sorgen. Aber wer will schon aufstehen und Fürsprecher einer neuen Aktienkultur werden, wenn der nächste Crash bald folgen könnte. Und dreizehn Jahre und mehr ist kaum ein Politiker im Amt.

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