BaFin

Erst die Versicherer

Ist es die Dringlichkeit der Problemlage? Oder ist es die Verbundenheit mit seinem früheren Wirkungsbereich in der Bundesanstalt für Finanzmarktaufsicht, den er bis zu einer Nachfolgeregelung noch kommissarisch leitet? Der seit Anfang März dieses Jahres amtierende BaFin-Präsident Felix Hufeld hat anlässlich seiner ersten Jahrespressekonferenz im neuen Amt seine Betrachtungen zu möglichen negativen Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes auf die Finanzwirtschaft mit der Versicherungsbranche begonnen. Besonders im Blick sind dabei die Lebensversicherer. Per 3. Juni dieses Jahres hat nun die BaFin von der deutschen Assekuranz noch einmal die wichtigsten Solvency-II-Kennzahlen abgerufen, um sich ein genaues Bild von der aktuellen Lage zu machen.

Schon im Vorgriff auf die konkrete Ergebnisberichterstattung über dieses Datenupdate sieht Hufeld für die Versicherer den Einstieg in die Welt von Solvency II mit hohen Hürden verbunden, die trotz aller Übergangsregelungen und einer vorgesehenen Volatilitätsanpassung nur mit erheblichen Anstrengungen zu erreichen sind. Wenn der BaFin-Präsident von sich aus offensiv ein Szenario beschreibt, bei anhaltend niedrigen Zinsen eine ganze Reihe von Versicherern in die "aufsichtliche Manndeckung" übernehmen zu müssen, ist das gewiss mehr als eine allgemeine präventive Mahnung zur Vorsicht. Ohne Namen zu nennen, schließt man bei der Aufsicht im absehbaren Zinsumfeld offenbar konkrete Schieflagen nicht aus.

Als Aufgabe seines Hauses für die kommenden Jahre formuliert Hufeld eine Ausbalancierung der Branche durch eine Stärkung der Zinszusatzreserve zusammen mit anderen aufsichtlichen Kernzielen wie der Risikotragfähigkeit und der Solvenzdeckung. Ausdrückliche Zustimmung des BaFin-Präsidenten findet zudem die Neuregelung zur Beteiligung an den Bewertungsreserven. Dass ausscheidende Versicherte nicht an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren beteiligt werden dürfen, wenn Letztere benötigt werden, um Garantien zu sichern, die den Bestandskunden zugesagt worden sind, wertet er dabei als faire Balance der legitimen Interessen der ausscheidenden und verbleibenden Versicherten.

Der erste Blick auf die Assekuranz bedeutet allerdings keineswegs, dass die Aufmerksamkeit für den Bankensektor geringer werden darf. Denn auch für die Kreditwirtschaft haben die Aufseher eine sogenannte Niedrigzinsumfeld-Umfrage in Arbeit, die die Branche ebenfalls nicht gerade erfreuen dürfte. Von einem Stresstest mit ähnlich umfangreichen Tablets wie sie die Europäische Zentralbank im Herbst vergangenen Jahres beim Asset Quality Review (AQR) verwendet hat, mag die Aufsicht zwar nicht reden. Aber faktisch will sie einen zeitnahen Eindruck davon gewinnen, wie die Banken sich in den drei Szenarien "langfristiges Zinsumfeld", "plötzlicher Zinsanstieg um 200 Basispunkte" sowie "weitere Zinssenkung (mit negativen Zinsen)" behaupten können. In diesem Sinne ist die Maßnahme im Vorfeld grundsätzlich mit der EZB abgestimmt worden.

Zusammen mit den jüngsten Ankündigungen aus der EZB, einen Blick auf sogenannte Less Significant Institutions (LSIs) richten zu wollen, lösen solche Aktivitäten besonders unter den kleinen und mittleren deutschen Banken anhaltende Befürchtungen aus, einem noch stärkeren regulatorischen Druck ausgesetzt zu werden. Felix Hufeld beruhigt an dieser Stelle, formuliert dabei aber eine klare Linie. Zwar bringt er mit Blick auf die europäischen Aufsichtsbehörden eine gewisse Sorge zum Ausdruck, mehr Daten anzufordern, als es aus Sicht seines Hauses notwendig ist. Und gleich mehrfach bekennt er sich in diesem Zusammenhang zur Proportionalität. Aber solange der SSM mit einem stärker quantitativen, sprich kennzahlenbasierten Ansatz eine bessere Vergleichbarkeit unter den europäischen Instituten herbeiführen kann, will er dagegen nichts Grundsätzliches einwenden, solange sich eine gute Aufsicht im Einzelfall bewährt und auch eine qualitative, abwägende und beurteilende Komponente aufweist.

Sollten die Leitlinien der europäischen Instanzen aus deutscher Sicht nicht angemessen sein, schließt er folglich bei allem Grundsatzbekenntnis zu einem europafreundlichen Handeln im Einzelfall einen Verzicht auf ihre Umsetzung nicht aus. Beruhigen können solche vernünftigen Aussagen die hiesige Branche nur begrenzt: Denn sofern sich eine wirkliche europäische Aufsichtskultur etablieren soll, dürfen nicht allzu viele Ausnahmefälle identifiziert werden.

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