Wettbewerb

Globale Anforderungen, nationale Regeln

Das Erstarken von Parteien an beiden Rändern des politischen Spektrums, das Brexit-Votum, das Referendum in Italien, weltweite Proteste gegen diverse Handelsabkommen, offene Sympathie für protektionistische Maßnahmen im US-Wahlkampf, all das sind untrügliche Zeichen für nationale Strömungen und ein Aufbegehren gegen die Mechanismen eines freien Welthandels. Nun mag man mit vielen Beobachtern darin übereinstimmen, dass solche Kritikpunkte hierzulande sowohl in der breiten Öffentlichkeit wie auch in der Wirtschaft klare Mindermeinungen sind und die Prinzipien freier Märkte von allen gesellschaftlichen Gruppen getragen werden (siehe auch ZfgK 1-2017). Aber angesichts der rasanten Veränderungsprozesse im Zeitalter der Digitalisierung ist auch in Deutschland eine gewisse Verunsicherung zu spüren, die eine Aufklärung über die Chancen und Risiken des freien Welthandels ebenso sinnvoll erscheinen lässt wie die kontroverse Diskussion über die Rahmenbedingungen, unter denen er ablaufen soll. Es ist eben längst noch nicht geklärt, was in der globalen Welt von morgen unter globalen Rahmenbedingungen geregelt werden und was der nationalen Kontrolle unterworfen bleiben sollte.

Ein schönes Beispiel für Irritationen dieser Art ist der Umgang mit der Überweisung von Geldbeträgen von Handy zu Handy. Folgt man dem Tenor der hiesigen Wirtschaft und der Willensbekundungen der Politik so spricht viel für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Länder durch die Schaffung eines digitalen europäischen Binnenmarktes. Wollen hiesige Finanzdienstleister, in diesem Falle die beiden großen Verbundgruppen, eine solche Lösung umsetzen, meldet sich aber die nationale Wettbewerbsbehörde zu Wort. Mit Blick auf die Sparkassen-Finanzgruppe hat sie in den vergangenen Monaten gleich zwei technische Innovationen aus deren gruppeneigenem Rechenzentrum ins Visier genommen. Mitte September 2016 wurde das Appbasierte Girokonto Yomo abgesegnet, das nun an den Start gehen kann, und am 25. November die Zahlungsfunktion Kwitt, mit der Sparkassenkunden Geldbeträge von Handy zu Handy senden können.

Ebenso bemerkenswert wie die Entscheidung an sich ist die Begründung der Wettbewerbshüter. Denn sie gibt eine Linie vor, die vermutlich auch für künftige Anwendungen als Richtschnur gelten kann. Einerseits gilt es bei solchen gemeinsamen Entwicklungen der gesamten Gruppe deren Marktmacht zu berücksichtigen, aus der sich Wettbewerbsbeschränkungen ergeben könnten, da unabhängigen Anbietern der Zugang zu den Endkunden fehlt, den die Sparkassen besitzen. Und gleichzeitig hat für die Entscheidung der Kartellbehörde auch eine Rolle gespielt, dass die Sparkassen eine Chance haben müssen, sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern zu behaupten.

Letzteres fällt nun einmal leichter, wenn nicht jedes Institut neue Anwendungen in Eigenregie entwickeln oder bei einem Drittanbieter einkaufen muss. Denn das würde in vielen Fällen vermutlich die Ressourcen sprengen. Zudem wäre eine selbstentwickelte Geldsende-Funktion, die dann nur unter Kunden der betreffenden Sparkasse funktionieren würde, kaum wettbewerbsfähig. Letztlich hat für das Bundeskartellamt die Erwägung, dass einzelne Sparkassen allein technische Innovationen nur schwer leisten könnten, den Ausschlag gegeben. Darüber hinaus hat die Behörde deutlich gemacht, dass die gleichen Erwägungen auch für die genossenschaftliche Finanzgruppe gelten.

Anders sieht es freilich aus, wenn die beiden Verbünde gemeinsam neue Anwendungen entwickeln wollen. Denn bei solchen institutsgruppenübergreifenden Kooperationen hätten die Kooperationspartner "einen privilegierten Zugang zu einem erheblichen Teil der Kundenbasis in Deutschland", wie es die Wettbewerbshüter formulieren. Ob solche gemeinsamen Entwicklungen der Sparkassen- und der Genossenschaftsorganisation damit tatsächlich als wettbewerbsbeschränkend einzustufen wären, ist freilich noch nicht geklärt. Denn die beiden Verbünde haben die ursprünglichen Planungen, unter dem Projektnamen "Geldbote" auch eine gemeinsame Handy-zu-Handy-Zahlungsfunktion einzuführen, vorerst nicht weiterverfolgt.

Auf die hiesigen Marktbedingungen bezogen mögen solche nationalen Wettbewerbsbetrachtungen durchaus angemessen sein. Aber behindern sie nicht gerade technische Entwicklungen, die im Zeitalter der Digitalisierung zumindest länderübergreifend, wenn nicht gar auf europäischer Ebene gedacht werden müssten?

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