Deutsche Bank

Was bin ich?

Die Deutsche Bank ist auf der mühsamen Suche nach sich selbst. Bin ich eine Investmentbank? Bin ich eine Universalbank? Bin ich eine Retailbank? Bin ich global? Bin ich regional? Es wird munter geforscht und geraten. Doch anders als bei dem legendären Ratespiel mit Robert Lembke gibt es für falsche Antworten leider kein 5-Mark-Stück in eines der berühmten "Schweinderl", die Ertragslage wäre dann bestimmt rosiger. Sondern die Suche kostet zum einen Geld, zum anderen wird kostbare Zeit verloren, die die internationale Konkurrenz derzeit sehr viel geschickter zu nutzen weiß. Die Folge: Die Investoren der Deutschen Bank werden unruhig. Aber auch über ein Jahr nach dem Amtsantritt des amtierenden Vorstandschefs John Cryan und gut ein Jahr nach der Ankündigung einer neuen Strategie oder gar einer neuen Deutschen Bank ist nicht viel passiert. Weder trägt die damals verkündete Neuaufstellung zählbare Früchte - für das dritte Quartal erwarten Analysten einen Verlust von rund 600 Millionen Euro -, noch tritt der Vorstand, geschweige denn die Bank heute geschlossener und entschlossener auf als unter den Vorgängern Jain und Fitschen, die den Managern vor allem mehr Moral einhauchen wollten. Wie weit es damit ist, belegt das jüngste Gerichtsurteil zu den Dispozinsen leider eindeutig. Verbraucher hatten gegen die Deutsche Bank und die Targobank wegen hoher Pauschalen bei Überziehungen des Girokontos über den vereinbarten Dispokredit hinaus geklagt. Mit Erfolg: Die höchsten Bundesrichter untersagten diese Praxis. Da die Sollzinsen für geduldete Überziehungen weit über dem marktüblichen Satz lägen, sei bei dem geforderten Entgelt von einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden auszugehen. Bei einer geduldeten Überziehung von zehn Euro für einen Tag würde bei der Pauschale von 6,90 Euro ein "Zinssatz von 25185 Prozent im Jahr" anfallen, erklärte der BGH. Auch wenn es diesmal keinswegs die sonst gerne schuldigen Investmentbanker waren, sondern das deutsche Privatkundengeschäft, es war wieder einmal die Deutsche Bank. Kein Wunder, dass viele allmählich die Geduld verlieren. Auch weil dem dahinsiechenden Branchenprimus das Gesicht fehlt, das ihn aus der schwersten Krise seiner Geschichte führen kann - John Cryan wirkt, wenn er denn wirkt, vor allem nach innen.

Jüngste Überlegung: Die Postbank soll nun statt verkauft doch voll integriert werden. Klingt zunächst vernünftig. Zum einen ist derzeit mit Sicherheit kein Verkaufserlös zu erzielen, der auch nur annähernd an den bereits reduzierten, weil abgeschriebenen Buchwert der Postbank herankommt - Abschreibungen würden drohen, die das Ergebnis weiter belasten. Zweitens sind die Einlagen der Postbank in Zeiten, in denen die Aufsicht ihren regulatorischen Aufgaben vor allem über eine Eigenkapitalsteuerung nachkommt, ein teures und wichtiges Gut. Einlagen sind aus Sicht der Institute günstig, unbesichert und - obwohl kurzfristig abziehbar - besonders in Deutschland sehr stabil. Die regulatorische Bewertung, beispielsweise im Zusammenhang mit der Liquiditätsregulierung, geht in dieselbe Richtung und trägt daher zur zunehmenden Attraktivität dieser Finanzierungsquelle bei. Der Einlagenbestand der Postbank belief sich per 30. Juni 2016 auf gut 102 Milliarden Euro, darauf will die Deutsche Bank endlich voll zugreifen können, Ob damit vielleicht sogar die an den Kapitalmärkten so unbeliebte Kapitalerhöhung in weite Ferne rücken würde? Drittens ließen sich damit langfristig sicherlich Kosten einsparen, denn ein integrierter Betrieb verursacht natürlich geringere Aufwendungen als zwei parallel betriebene Vollbanken.

Aber: Der Weg dahin ist ausgesprochen steinig. Die notwendigen Personalmaßnahmen, man könnte auch von einem Blutbad sprechen, kosten zunächst erheblich Geld, binden Managementkapazitäten und verunsichern die Belegschaft. Die Postbank ist ein flächendeckend agierendes Institut für Privatkunden der Mittelschicht. Wie passt das in die Vorstellungen einer global tätigen, schlank aufgestellten Universalbank? Gerade wurde von der Deutschen Bank angekündigt, ein Drittel aller Filialen zu schließen. Und schon Josef Ackermann scheute beim Kauf 2008 den endgültigen, letzten Schritt der Vollintegration. Zweitens würden sicherlich viele der Postbank-Kunden einer Deutschen Bank den Rücken kehren. Ein Stück Ertragskraft und Solidität der Bonner Tochter ginge verloren. Drittens stellt sich die Frage nach Auftritt, Kundenansprache, Produkten einer Deutschen (Post)Bank. Die Bonner sind sowohl im standardisierten als auch dem digitalen Geschäft - Stichwort Omnikanal - sehr viel weiter als die Mutter. Kann das so übertragen werden, oder drohen auch hier Reibungs- und Identitätsverluste? Es muss gute Arbeit geleistet werden und es müssen gute Antworten gefunden werden. In beidem hat sich die Deutsche Bank in jüngerer Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Und wer sie dann ist, weiß man immer noch nicht.

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