Rechtsfragen im Retailbanking

Anlageberatung: Das Beratungsprotokoll ist nur die Spitze

Ganzheitliche Ernährung, ganzheitliche Medizin - und seit einiger Zeit auch die ganzheitliche Beratung, mit der Kreditinstitute um Kunden werben. Nur ein neues Gewand für alte Inhalte, dem Zeitgeist zuliebe? Für die Frankfurter Sparkasse kann diese Frage mit "nein" beantwortet werden. Denn die ganzheitliche Beratung gehört zu ihrem Selbstverständnis und ist Voraussetzung für eine hohe Kundenzufriedenheit. Die ganzheitliche Beratung ist jedoch auch notwendig, um Kunden dauerhaft anleger- und anlagegerecht und den rechtlichen Vorgaben entsprechend beraten zu können.

Die regulatorischen Anforderungen an das Bankgeschäft haben seit der Finanzkrise stark zugenommen. Die Nutzung des seit 2010 gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsprotokolls gilt oft als Paradebeispiel für überzogene Vorschriften im Bankenbereich. Bereits über das richtige Erstellen eines Beratungsprotokolls gibt es viele Meinungen und Auslegungsfragen.

Rechtsrisiken nicht erst beim Beratungsprotokoll

Eine rechtlichen Vorgaben entsprechende Beratung beginnt jedoch schon weit vor dem Beratungsprotokoll, das am Ende eines mehrstufigen Prozesses steht. Vor diesem Prozess steht das Beratungskonzept, das in der Frankfurter Sparkasse ein ganzheitliches ist. Denn Kunden haben den berechtigten Anspruch, dass sie ihrer individuellen Lebenssituation entsprechend kompetent beraten werden.

Sinnbild für die ganzheitliche Beratung ist das Sparkassen-Finanz-Konzept, das durch eine mehrstufige Pyramide veranschaulicht wird. Ziel ist es, Kunden in verschiedenen Lebensphasen die individuell passende Finanzlösung zu bieten. Während in den unteren Ebenen der Pyramide der Service, die Liquidität und die Absicherung von Lebensrisiken im Vordergrund stehen, kommen weiter oben die Themen Altersvorsorge und Vermögensbildung zur Sprache. Wertpapierprodukte kommen erst in der Pyramidenspitze zum Einsatz.

Für eine den rechtlichen Vorgaben entsprechende Beratung reicht ein korrekt ausgefülltes Beratungsprotokoll nicht aus, sondern bereits der Produktauswahl- und -gestaltungsprozess birgt eine Vielzahl von Rechtsrisiken. Um diese zu minimieren, umfasst der Wertpapierberatungsprozess in der Frankfurter Sparkasse sieben Schritte.

Researchpartner und Hausmeinung

Eine qualitativ hochwertige Wertpapierberatung sollte sich an der aktuellen Lage und der zukünftigen Entwicklung der relevanten Märkte orientieren. Hierfür greift die Sparkasse auf die Expertise externer Researchpartner zurück. Diese analysieren Marktdaten und aktuelle Entwicklungen, sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene.

Neben dieser Bewertung liefern die Researchpartner objektiv abgeleitete Muster-Depotstrukturen, die eine transparente und jederzeit nachvollziehbare Begründung für die Strukturierung von Kundendepots ermöglichen. Dabei werden Rendite- und Risikoeigenschaften sorgfältig abgewogen und regelmäßig überprüft.

Auf Basis der Research-Informationen bildet die Sparkasse ihre Hausmeinung, welche in der Regel die längerfristigen Chancen und Risiken an den Finanzmärkten abbildet. Um Rechtsrisiken zu reduzieren, sollten die Kundenempfehlungen ebenso wie die eigenen Anlageentscheidungen der Sparkasse im Depot-A-Geschäft grundsätzlich einer gleichgerichteten strategischen Ausrichtung folgen. Durch diese stringente Vorgehensweise wird möglichen Interessenskonflikten vorgebeugt.

Der Produktausschuss

Der Produktausschuss ist ein regelmäßig zusammentretendes Gremium, das sich aus Vertretern verschiedener Geschäftsfeldern zusammensetzt. Dieser erarbeitet unter anderem auf Basis der Informationen der Researchpartner Produktvorschläge. Darüber hinaus ist er auch für die ständige Überprüfung der Produkte verantwortlich, die dem Vertrieb bereits für eine Anlageberatung zur Verfügung gestellt wurden. Hohe Qualitätsstandards sind die Voraussetzung für die Einführung eines Produktes in der Beratung. Insofern ist die sorgfältige Auswahl der Produkte entscheidend für ihren späteren Erfolg.

Im Rahmen der Produkteinführung sind auch die Experten aus der Wertpapier-Compliance und dem Rechtsbereich wichtige Partner. Abgesehen von den hohen technischen Anforderungen müssen auch formelle Gesichtspunkte, wie etwa einwandfreie Werbeunterlagen, bei allen Produkten erfüllt sein.

Grundsätzlich gilt: Die Frankfurter Sparkasse verkauft nur verständliche Produkte, die einen Mehrwert für ihre Kunden bieten. Doch nicht jeder Kunde ist gleich. Deshalb muss jedes Institut über ein ausgewogenes Portfolio von klassischen Produkten bis hin zu innovativen Finanzlösungen verfügen. Nur so kann das Ziel der höchsten Kundenzufriedenheit durch kompetente, ganzheitliche (Anlage-)Beratung erreicht werden. Neben der sorgfältigen Entscheidung für neue Investmentstrategien, hohen Qualitätsstandards und der ständigen Überprüfung der Produktpalette durch den Produktausschuss tragen dazu auch umfangreiche Schulungen für die Kundenberater bei.

Anlageberatung nach dem Terrassenmodell

Nach den ersten drei vorbereitenden Prozessschritten beginnt die tatsächliche Anlageberatung. Die Grundlage der individuellen Anlageberatung bildet das Terrassenmodell. Es ermöglicht eine systematische Unterscheidung zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Anlagezielen sowie eine Orientierung am Risikobewusstsein des Kunden. Hier hilft erneut die ganzheitliche Beratung auf Basis des Finanzkonzeptes, da mit ihm eine systematische Analyse der individuellen Situation des Kunden möglich ist. Darauf aufbauend können die passenden Empfehlungen zur Erreichung der (finanziellen) Ziele gegeben werden.

Nach dem Terrassenmodell erfolgt die Geldanlage in vier aufeinander aufbauenden Terrassen mit unterschiedlichen Funktionen und Laufzeiten. Das Schaubild zeigt vier Terrassenstufen, die sich nacheinander mit Liquidität füllen. Die oberste Terrassenstufe beinhaltet den Zahlungsverkehr, etwa in Form eines Girokontos. Einen Schritt weiter kann die nächste Ebene als Liquiditätspolster für kurzfristige Anschaffungen genutzt werden. Dieses Polster sollte zwischen drei und sechs Monatseinkommen betragen. Sind die erste und zweite Stufe "gefüllt", können Rücklagen für die dritte Stufe gebildet werden. Dazu gehören mittelfristige Investitionen, die nur alle fünf Jahre anfallen und auf Sicht von drei bis zwölf Monaten planbar sind. Die liquiden Mittel, die die ersten drei Stufen übersteigen, können schließlich zum langfristigen Vermögensaufbau genutzt werden.

Rechtsrisiken beim Anlegerprofil

Dieses Konzept bietet mehrere Vorteile. Der Berater gewinnt einen umfangreichen Eindruck von den Neigungen, finanziellen Interessen und Möglichkeiten des Kunden sowie seinen persönlichen und beruflichen Zielen. Der Kunde wiederum erhält einen aufschlussreichen Überblick über seine Finanzen und investiert nur das Vermögen, das seine "Notfallliquidität" übersteigt. So vermeidet er kurzfristige Engpässe, die aufgrund von Schwankungen im Depot entstehen können. Und nicht zuletzt unterstützt das Terrassenmodell die vom Gesetzgeber geforderte "Geeignetheitsprüfung". Es erhöht damit die Rechtssicherheit für den weiteren Investmentprozess.

Ausgangspunkt jeder Wertpapierberatung ist die Festlegung des Anlegerprofils, das sich aus Risikotragfähigkeit, Risikobereitschaft und Anlegerperspektive zusammensetzt. Hier lauern umfangreiche Rechtsrisiken, denn das Anlegerprofil ist die Basis für weitere Explorationspflichten im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes. Fehler bei der Erstellung können schnell zu fehlerhaften Beratungen führen, da keine Anlage- und Anlegergerechtigkeit möglich ist.

Deshalb legt die Frankfurter Sparkasse viel Wert auf eine strukturierte Erfassung der hierfür notwendigen Daten, um Risiken zu reduzieren. Dies beginnt mit technischen Lösungen, welche früher erfasste Daten zum Beispiel zum Einkommen, Ausgaben und Vermögenswerte in die aktuellen Erhebungsbögen übertragen. Hieran schließen sich standardisierte Fragen zur Risikobereitschaft an, welche zwingend im Beratungsgespräch zu stellen sind.

Die Berater sind hierbei besonders gefordert, damit sie zum Beispiel sich widersprechende Kundenaussagen zum Dreieck von Rendite - Sicherheit - Liquidität erkennen und mit dem Kunden klären. Aus den standardisierten Fragen und Antworten kann anschließend valide nachprüfbar auf die Risikobereitschaft geschlossen werden, auch wenn die persönlichen Lebensumstände, beruflichen Ziele und bisherigen Erfahrungen am Kapitalmarkt unterschiedlich sind.

Soll-Portfolien als Ideen-Pool

Aus den Anlegerprofilen lassen sich sogenannte Soll-Portfolien ableiten, welche die Risikotragfähigkeit, die Risikobereitschaft und die Anlegerperspektive berücksichtigen. Hierfür erstellt die Helaba Landesbank Hessen-Thüringen auf Basis neuester quantitativer Modelle sowie aktueller qualitativer Gesichtspunkte fünf "Soll-Portfolios" mit unterschiedlichen Risikoausprägungen und Vermögensaufteilungen. Vereinfacht formuliert bedeutet dies: Anleger lassen sich aufgrund bestimmter Merkmale - sei es bezüglich der Lebenssituation, der Erfahrung mit Investitionen am Kapitalmarkt oder auch im Hinblick auf finanzielle Möglichkeiten - zu bestimmten Typen klassifizieren. Die Soll-Portfolios dienen den Beratern als "Ideenpool", um geeignete Anlagemöglichkeiten für den Kunden zu finden. Zusätzlich stellen sie sicher, dass bei der ganzheitlichen Beratung auch alle Anlagemöglichkeiten berücksichtigt werden, um eine anleger- und anlagegerechte Beratung durchzuführen.

Zur Umsetzung der Portfolio-Strategie stehen den Beratern unterschiedliche Produkte zur Verfügung. Da nicht jedes Produkt für jeden Kunden geeignet ist, sind diese nach Kundengruppen und Anlagezielen geordnet. Wichtig ist, dass die Produktlandkarte ausreichend breit ist, damit der Berater geeignetes Produkt auswählen kann, welches dem Anliegen des Kunden entspricht. Die Landkarte enthält auch die gegenüber dem Kunden zu kommunizierenden Produktdetails. Neben den rechtlichen Vorschriften dient die Transparenz dem Vertrauen zwischen Kunde und Berater, denn letztlich entscheidet das Vertrauen der Kunden darüber, ob sie sich langfristig für die Sparkasse als Partner in Vermögensfragen entscheiden.

Auslegungsfragen im Beratungsprotokoll

Erst jetzt am Ende dieses langen Prozesses kommt das Beratungsprotokoll ins Spiel, das sich in den letzten Jahren so großer medialer Aufmerksamkeit erfreut hat. Die Komplexität beim korrekten Ausfüllen des Beratungsprotokolls verdeutlicht vielleicht diese Kleinigkeit. Die BaFin hat in einem Rundschreiben an die Deutsche Kreditwirtschaft klar gestellt, dass die von Prüfern kritisierte Angabe "Hausfrau" im Feld Beruf zwar falsch ist, aber kein Fehler im Beratungsprotokoll darstellt. Hintergrund ist, dass "Hausfrau" kein erlernter Beruf ist.

Wer die Komplexität eines Beratungsgesprächs kennt, kann ermessen, wie viele Auslegungsfragen sich bei der Protokollierung ergeben. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Frankfurter Sparkasse regelmäßige interne Qualitätskontrollen der Beratungsprotokolle durchführt.

Umfangreiche Dokumentationen in vorgelagerten Prozessstufen

Die Ausführungen zeigen, dass der Wertpapierberatungsprozess bereits lange vor dem Zeitpunkt beginnt, an dem der Kunde die Filiale zum Beratungsgespräch betritt. Auf jeder Stufe dieses Prozesses lauert eine Vielzahl von Rechtsrisiken. Neben der sorgfältigen Produktgestaltung und -auswahl muss immer die Anleger- und Anlagegerechtigkeit im Vordergrund stehen. Kreditinstitute müssen für jede Wertpapierberatung in der Lage sein, diese nachzuweisen. Entsprechend umfangreiche Dokumentationen bereits der vorgelagerten Prozessstufen sind dafür notwendig.

Um dies sicherzustellen, führt die Frankfurter Sparkasse ausführliche Risikoanalysen durch, um Schwachstellen zu erkennen und eine kontinuierliche Optimierung des Wertpapierberatungsprozesses zu erreichen. Darüber hinaus sorgen Wertpapier-Compliance sowie die Interne Revision für zusätzliche Sicherheit. Die Ergebnisse fließen dann wieder zurück und werden dann zum Beispiel in Schulungen für Kundenberater kommuniziert. Unter dem Strich ist es dem Institut gelungen, durch Prozessoptimierung die Wertpapierberatung so effizient wie möglich zu gestalten und das Vertrauen der Kunden signifikant zu steigern.

Der ganzheitliche Beratungsansatz ist ein wesentlicher Faktor, um alle Informationen vom Kunden zu erhalten, damit eine anleger- und anlagegerechte Beratung durchgeführt werden kann. So erhöht er die Rechtssicherheit in der Wertpapierberatung spürbar. Deshalb wird die Frankfurter Sparkasse diesen Weg weiter gehen. Dabei ist die kontinuierliche Überprüfung der erforderlichen Ergebnisbeiträge ein wichtiger Indikator für die Feinjustierung der Zielgruppenabgrenzung und der notwendigen Mindestanlagebeträge.

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