Im Gespräch

"Für die persönliche Beratung sind Filialen nicht der einzige Weg" / Interview mit Peter Buschbeck

Wie wichtig sind Bankfilialen im Internetzeitalter heute noch?

Die Einschätzung, dass Filialen völlig unwichtig sind, teilen wir nicht. Deshalb investieren wir jetzt auch massiv in die Modernisierung von allen künftig 283 Filialen und 52 Beratungscentern bis Ende 2014. Wir sehen Filialen als weiterhin wichtig an. Allerdings braucht man im Vergleich zu früher nicht mehr so viele Filialen, weil andere Wege hinzugekommen sind, um Kunden exzellent zu bedienen. Für die persönliche Beratung sind Filialen nicht der einzige Weg. Mit modernen Instrumenten kann der Kunde per Videoberatung immer dort, wo er sich gerade befindet, Beratungsleistungen in Anspruch nehmen. Deshalb wird es unserer Meinung nach in Zukunft einen modernen Mix geben zwischen Filialen und anderen Zugangswegen.

Für welche Anliegen kommt der Kunde heute in die Filialen beziehungsweise nimmt dafür auch längere Wege in Kauf?

Zum Abgeben einer Überweisung nimmt ein Kunde sicher keine große Entfernung in Kauf, daher wickeln Kunden mittlerweile längst überwiegend diese online ab. Auch für eine Kontoeröffnung oder beim Kreditkartenantrag sind in der Regel keine Beratungsgespräche mehr nötig. Studien zeigen jedoch, dass Kunden bereit sind, für eine enge Beraterbeziehung auch ein paar Meter weiter zu gehen als um die nächste Hausecke. Das betrifft alle Themen, die mit wichtigen Entscheidungen zu tun haben, die man nicht jede Woche trifft. Bei allem, was zum Thema Anlagemanagement und Altersvorsorge gehört, ist es für den Kunden wichtig, einen Berater zu haben. Das gilt auch für große Finanzierungen wie die Baufinanzierungsberatung.

Welche Rolle spielt der Service-Aspekt der Filialen noch?

Bei einfachen Transaktionen wird der persönliche Service immer weniger. Vor zehn Jahren hatte dieser noch einen wesentlich höheren Anteil an den Dienstleistungen. Insgesamt spielt aber wiederum die empfundene Servicequalität, egal ob in der Beratung oder bei anderen Serviceangeboten, eine sehr wichtige Rolle. Heute hat fast jeder Kunde, gleich welcher Altersklasse, eine hohe Affinität zur Nutzung von Online-Banking oder Konto-Terminals. Auch die sogenannte Silver Generation ist damit sehr vertraut.

Wird die Bankfiliale der Zukunft aussehen wie eine Versicherungsagentur? Wie viel SB-Technik braucht man künftig noch? Welche Technikunterstützung braucht die Beratung? Und was gewinnt daneben an Bedeutung?

Vor allem braucht man Technik, die für den Kunden von Nutzen ist. Wir brauchen keine technischen Spielereien, sondern Instrumente, die für eine Beratung und ein tägliches Bankgeschäft sinnvoll sind.

Der Geräte-Service, also die Selbstbedienung, ist dabei nach wie vor ein wichtiger Bereich: Denn aus Bequemlichkeitsgründen werden an den SB-Terminals viele Aufträge erteilt. Und auch das Einzahlen oder Abheben von Bargeld hat noch eine Funktion, obwohl das Bargeldhandling in den nächsten Jahren weiter zurückgehen wird. Auch in anderen Ländern ist zu beobachten, dass Instrumente wie Kartenzahlungen oder Mobile Payment immer weiter in den Vordergrund treten.

In der Filiale selbst liegt der Schwerpunkt auf der Beratung. Entsprechend muss sie gestaltet sein und daher stehen auch die Beratungssituation und die Mensch-zu-Mensch-Beziehung im Fokus unseres Modernisierungsprogramms.

- Ein Kriterium bei der Gestaltung sind neue Diskretionsbereiche: Denn wir Deutschen räumen im Vergleich zu manch anderen Ländern der Diskretion eine sehr hohe Priorität ein. Also muss die Beratungsräumlichkeit so gestaltet sein, dass Diskretion maximal gewahrt ist.

- Zum anderen muss die Filiale Hilfsinstrumente haben, um sich der Unterstützung durch Experten bedienen zu können. Dafür haben wir die Videoberatung in allen Filialen so etabliert und weiter verfeinert, dass der Berater einen Experten per Video in sehr modernem und qualitativ hochwertigem Ambiente hinzuschalten kann. Das ist für den Kunden sehr komfortabel.

Natürlich werden die Kunden immer technikaffiner. Daher erwarten sie auch, sich bei uns in einem WLAN-System einloggen zu können.

Auch elektronische Signatur-Pads haben einen echten Kundennutzen. Denn es erleichtert die elektronische Archivierung, geht schneller und ist sicherer. Und viele Kunden wollen heute kein Papier mehr.

Was würden Sie in den Bereich der bloßen technischen Spielerei einordnen?

Im asiatischen Raum sieht man sehr viele Filialen, die auffällig stark mit interaktiven Bildschirmen ausgestattet sind. Es gibt aber auch Länder, in denen sich die Akzeptanz sehr in Grenzen hält. Denn die Kunden wollen mit diesen Instrumenten aus Diskretionsgründen nicht so offen und einsichtig umgehen.

Kann ein Zuviel an Technik also auch abschreckend wirken?

Kein Mensch erwartet in einer Filiale eine Technik-Kathedrale. Wir bedienen ein sehr breites Kundenspektrum, von den technik-affinsten bis hin zu denen, die eine Dis tanz zu Technik haben. Das heißt: Man darf nicht überfordern, sondern muss den Kunden optimal entsprechend seiner Affinität bedienen und mit technischen Mitteln unterstützen. Deshalb sollte man mit technischen Spielereien aufpassen.

Gleichzeitig wollen wir beim technischen Fortschritt immer einen Schritt voraus sein. Wir haben in den vergangenen drei, vier Jahren zum Beispiel im Bereich HVB-Online-Filiale und Videoberatung viel getestet und als Innovation an den Markt gebracht. Auch unsere neuen Filialdesigns haben wir nach weltweitem Research und eigenen Tests in den vergangenen ein, zwei Jahren so entwickelt, dass wir nun in Rekordzeit die Modernisierung umsetzen können.

Ist das Konzept der technisch hochgerüsteten Flagship-Filialen ein sinnvolles?

Auch bei unserem großen Modernisierungsprogramm werden sich die Filialen natürlich in ihrer Größe und damit auch in ihrem Erscheinungsbild unterscheiden. Allerdings wird das Design und die Qualitätsanmutung deutschlandweit einheitlich und unsere Visitenkarte vor Ort sein.

Ich würde ungern sagen: Eine große Filiale muss ein Technologie-Showroom sein. Auch die großen Standorte müssen funktional für den Kunden sinnvoll aufgestellt sein. Wir wollen auch dort keine technischen Gimmicks, sondern moderne und praktische Technik möglichst subtil in das Beratungs- und Serviceangebot integriert.

Kleinere Filialen sind in ihrem Erscheinungsbild vielleicht reduziert, aber von den Funktionalitäten her sind sie genauso ausgestattet wie die großen. Einen Video-Beratungsplatz braucht eine kleine Filiale genauso wie eine große - vielleicht sogar noch nötiger, weil es dort schwieriger ist, Experten vor Ort zu haben.

In der Vergangenheit wurde häufig beklagt, dass Banken mit der Einrichtung von SB-Foyers die Kunden aus den Filialen ferngehalten haben. Wie lässt sich das besser lösen?

Hier haben wir alle Fehler gemacht. Durch den Fokus, Transaktionen so preiswert wie möglich zu machen, hat man viel Funktionalität so weit herausgelagert, dass Kunden auch während der Öffnungszeiten gar nicht mehr in die Filiale kommen müssen.

Daher gestalten wir auch unsere Selbstbedienungszonen neu: Hier sorgen neue bauliche Elemente für mehr Diskretion, gleichzeitig wurde der SB-Bereich selbst auch heller und freundlicher gestaltet und die räumliche Abgrenzung während der Filialöffnungszeit zum Filialinnenraum weitestgehend aufgehoben.

Wir geben unseren Kunden und den Nutzern der SB-Geräte das Gefühl, in einer unserer HVB-Filialen zu Besuch zu sein und nicht in einem isolierten und abgetrennten Bereich. Das erhöht auch das Sicherheitsempfinden bei den Kunden.

Stichwort Diskretion: Ist die Filialgestaltung mit Stehtischen schon wieder out?

Out würde ich nicht sagen. Für die vollwertige Beratung ist der Stehtisch, an dem andere Kunden vorbeilaufen, in aller Regel nicht adäquat. Für einen Express-Service kann so ein Anlaufpunkt aber durchaus sinnvoll sein.

Denn es gibt ja auch in der Filiale einfache Bedarfssituationen und Serviceinhalte wie eine Adressänderung oder eine Kreditkarten-Neubestellung, für die man kein Voll-Beratungsgespräch führen muss. Hierfür sehe ich Stehtische durchaus als legitimen Weg. Er wird aber zum Teil dadurch substituiert, dass solche Dinge im Self-Service immer einfacher werden.

In unseren neu gestalteten Kundenräumen bauen wir übrigens auch für einfache Dienstleistung und erste Orientierung einen eigenen Empfangsbereich ein, an dem die Kunden individuell begrüßt werden. Wir gestalten zudem auch die Wartebereiche neu und statten diese mit Flachbildfernseher, Kaffeeautomaten, Kaltgetränken und Tageszeitungen aus. Das gehört bei einer modernen Filiale heutzutage selbstverständlich dazu.

Kann man bei Ihnen noch im Express-Service ein Girokonto eröffnen? Oder braucht der Kunde dafür schon einen Beratungstermin?

Das kann man - und zwar sehr fix und unkompliziert mit wenig Papier und wenig Unterschriften.

Wie muss ein Beratungsplatz heute aussehen?

Wichtigste Prämisse: Der Kunde muss sich wohlfühlen. Deswegen werden bei uns alle Beratungsplätze renoviert und im gleichen Format gestaltet, das für den Kunden ansprechend ist und technologisch unterstützt wird. Jeder Beratungsplatz ermöglicht die Video-Beratung unter Zuschaltung eines Experten und eine angemessene Diskretion.

Weil Kunden dennoch Offenheit wollen, arbeiten wir in der Gestaltung sehr stark mit Milchglas oder strukturiertem Glas. In großflächigen Filialen kann man auch mit bloßen Trennwänden arbeiten. In der Regel liegt die Priorität jedoch auf geschlossenen Räumlichkeiten, die aber vom Eindruck her für den Kunden trotzdem Offenheit mit Licht, Luft und Sicht nach draußen zeigen.

Eine Weile wurde mit Hintergrundmusik oder Duftmarketing experimentiert. Was halten Sie von solchen Ansätzen, um eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen?

Ich glaube nicht, dass das die entscheidenden Kriterien dafür sind, ob der Kunde sich in der Filiale wohlfühlt. Die Umgebung der Beratungssituation, die Instrumente und die Kompetenz sind die Faktoren, die für den Kunden zählen.

Wie wichtig ist für das Wohlfühlen die Kontinuität bei der Person des Beraters?

Eine hohe Kontinuität in der Kunde-Berater-Beziehung halten wir für sehr wichtig - online wie offline. Genauso wie in der Filiale vor Ort haben wir auch in der Online-Filiale deshalb die Priorität einer personalisierten eins-zu-eins-Kunde-Berater-Beziehung. Die Online-Filiale funktioniert also nicht nach dem Call-Center-Prinzip. Sondern auch hier gibt es eine feste Beraterbeziehung.

Können Sie sich vorstellen, dass die Videoberatung irgendwann das persönliche Gespräch vor Ort ganz ersetzt?

Das haben wir zum Teil heute schon. Es gibt bei uns schon viele Kunden, die sich für die HVB Online-Filiale als ausschließlichen Beratungsweg entschieden und sich somit von der Filiale verabschiedet haben. Natürlich ist das in unserem Kundenbestand der kleinere Teil. Aber diese Gruppe wächst. Und wir merken, dass wir gerade darüber neue Kunden gewinnen.

Lohnt sich vor diesem Hintergrund die Investition in das Filialnetz überhaupt noch?

Die Filiale ist für uns als Multikanalbank genauso wichtig wie alternative Beratungs- und Servicewege. Deshalb investieren wir in alle Zugangswege. Ein Teil der Kunden wird auch weiterhin die Filiale als Hauptkanal nutzen. Deshalb müssen Banken in ihren Strukturen eine sinnvolle Verzahnung der verschiedenen Kanäle herstellen, um ein sinnvolles Zusammenspiel zu gewährleisten.

Man kann heute jedoch nicht mehr das gleiche Filialnetz zur Verfügung stellen wie vor fünf, zehn oder 15 Jahren. Eine Anpassung der Filialstrukturen sehen wir als unumgänglich an. Das Kundenverhalten ändert sich. Und wir reagieren darauf sehr schnell. Wir antizipieren nicht nur das Kundenverhalten, sondern begleiten es. Damit sehen wir einen modernen Mix der verschiedenen Wege als sinnvolle Struktur.

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