Privatkundengeschäft

Mehr als eine Spielerei: ein neuer Tisch für die Beratung

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Mit der Entwicklung des Beratungstischs Visulution hat die Sparkasse Hanau Pionierarbeit für die Finanzberatung geleistet, so Christian Grandinger und Thomas Berger. Unter dessen Tischplatte verbirgt sich ein Multitouch-Sensor, der den Tisch zum Bildschirm macht, auf dem Berater und Kunde Dokumente gemeinsam anschauen können. Sollte ein Experte nötig sein, kann der auf einem Bildschirm an der Wand für die Beratung zugeschaltet werden. Beides soll in Zusammenarbeit mit der Finanz Informatik (FI) demnächst auch für andere Sparkassen verfügbar werden. Und bei der Videoberatung sollen auch Verbundpartner eingebunden werden können. Red.

Die Digitalisierung verändert das Verhältnis zwischen Kunden und Geldinstituten nachhaltig. Während Kunden fast täglich über Smartphones, Tablets oder den PC ihren Kontostand abrufen und Überweisungen beauftragen, schlagen sie immer seltener den Weg in eine Bankfiliale ein. Aber auch diese Online-Banking-Nutzer suchen die Geschäftsstelle ihrer Hausbank auf, wie die aktuelle Untersuchung "Digital Banking" des Branchenverbandes Bitkom zeigt. Denn gerade bei komplexen Themen wie Vorsorge, Baufinanzierung oder Versicherungen wünschen Kunden eine persönliche Beratung.

Banken und Sparkassen stehen somit vor der Herausforderung, ihr Geschäftsstellennetz auf die veränderten Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Dabei muss der Fokus künftig darauf liegen, durch eine qualitativ hochwertige Beratung einen Mehrwert zu schaffen, der die Kundenbindung nachhaltig stärkt. Gleichzeitig müssen Sparkassen in diesem Zusammenhang auch die Frage von passenden Standorten beantworten.

Beratung - persönlich und digital

Die Sparkasse Hanau hat sich bereits frühzeitig für eine weitreichende digitale Ausrichtung der Beratung entschieden. Schon 2010 hat das hessische Institut IT-gestützte Beratungsprozesse eingeführt und papiergebundene Beratungsunterlagen verbannt.

Im Fokus der strategischen Ausrichtung stand der Wunsch, den Wettbewerbsvorteil der persönlichen Nähe mit dem zunehmenden Bedürfnis der Kunden nach einem adäquaten digitalen Angebot zu verzahnen. Um die Kundenansprache auch auf digitalem Weg in der Filiale zu unterstützen, hat die Sparkasse ihr Beratungsangebot weiter entwickelt. Frühzeitig erkannten die Verantwortlichen, dass bei der weiteren Ausgestaltung der persönlichen Beratung zwei Punkte von besonderer Bedeutung waren.

Beratungsgespräche sollen direkter und offener geführt werden. Dabei stehen der Kunde und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt. Barrieren wie etwa Tischmonitore verhindern einen permanenten Blickkontakt zwischen Berater und Kunde.

Auch in kleinen Filialen erhalten Kunden eine vollumfängliche Beratung. Ein zusätzlicher Beratungstermin in einer anderen Geschäftsstelle sollte dabei nicht notwendig sein, auch wenn Berater zu Frage bei der Baufinanzierung oder Altersvorsorge nicht persönlich anwesend sind.

Neuer Standort mit hoher Frequenz

Um die Strategie der persönlichen Beratung mit innovativer Technologie zu realisieren, hat das Institut eine neue Filiale mit einem gänzlich neu konzipierten Beratungsplatz eröffnet. Die Geschäftsstelle findet sich im Forum Hanau, einem Shoppingcenter mit integriertem Kulturforum. Obwohl diese Filiale nur wenige Schritte von der Hauptgeschäftsstelle am Hanauer Marktplatz entfernt ist, setzt die Sparkasse auf diesen Standort. Dafür sprach die hohe Kundenfrequenz in dem neuen Shoppingcenter.

Angesichts der modernen Umgebung entschieden sich die Verantwortlichen gegen eine klassische Filiale und installierten einen attraktiven und zugleich diskreten Beratungsplatz. Mehrere Wand- und Glaselemente im ansonsten offenen und eher hallenartig gestalteten Gebäude sorgen für die nötige Diskretion und Ruhe bei Kundengesprächen.

Beratungstisch mit Touchfunktion

Den Kunden erwartet ein Beratungsplatz, an dem er im Mittelpunkt steht. Das Gespräch zwischen Berater und Kunde erfolgt stets auf Augenhöhe ohne störende Barriere. Denn der technische Clou verbirgt sich unter der runden Tischplatte: ein integrierter Multi-Touch-Sensor, vergleichbar mit der Funktionalität eines sensitiven Smartphone-Display.

Über dem Beratertisch ist ein mit dem PC des Beraters verbundener Projektor montiert, sodass sich Dokumente, Daten und Grafiken direkt vor den Kunden auf den Tisch projizieren lassen. Mittels Multi-Touch-Sensor können Kunde und Berater gemeinsam etwa in Grafiken zur Vermögensanalyse direkt auf der Projektionsfläche arbeiten.

Die Bildregie liegt alleine in der Hand des Beraters, der mit zwei Knöpfen die Einblendungen steuert. Dabei kann er auch das aktuelle Dokument auf dem Tisch "einfrieren" und ausgewählte Informationen vor dem Kunden liegen lassen. So kann dieser beispielsweise die Daten der Vermögensanalyse kontrollieren oder einen Kreditvertrag in Ruhe lesen.

Währenddessen kann der Berater die Zeit nutzen und Daten aus dem Gespräch in seinem System zu ergänzen. Trotz Unterbrechung des Gesprächs ist die Aufmerksamkeit des Kunden weiter auf die Gesprächsinhalte fokussiert.

Um die innovative Beratungslösung nutzen zu können, musste die Sparkasse zentrale technische Vorgaben beachten und deren Einhaltung sicherstellen. Insbesondere eine unterbrechungsfreie Integration in die bestehende IT-Infrastruktur galt es zu realisieren.

Pionierarbeit für die Kundenberatung

Die direkte Anbindung an die Gesamtbanklösung OS-Plus trägt dafür Sorge, dass die Berater in den bekannten und vertrauten Systemen arbeiten können.

- Damit ließen sich Schulungsbedarf für zusätzliche Software und schlussendlich auch Kosten vermeiden.

- Gleichzeitig konnten auch die technischen Vorgaben des zentralen IT-Dienstleisters der Sparkassen-Finanzgruppe, Finanz Informatik (FI), umgesetzt und damit die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben erfüllt werden.

Nachdem die Sparkasse marktreife Lösungen eingehend auf den Prüfstand gestellt hatte, fiel die Wahl auf eine Zusammenarbeit mit der Firma Digitech. Für die Lösung sprach, dass das System keine zusätzliche Software oder Treiber benötigt. So ließen sich bei der Sparkasse bei der Realisation sowohl Kosten als auch Aufwand senken - bei gleichzeitiger Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist die matte Tischoberfläche. Hier stören keine Reflexionen durch fremde Lichtquellen die Projektion. Mit dem "Visulution-Beratungstisch" haben beide Partner Pionierarbeit geleistet und eine innovative Lösung für die zeitgemäße Kundenberatung in der Finanzwirtschaft realisiert.

Videoberatung für komplexe Themenstellung

Die neue Filiale im Forum Hanau wird gut angenommen. Die ersten Monate haben gezeigt, dass Kunden in der kleinen Filiale insbesondere bei Servicethemen wie etwa Liquidität Unterstützung suchen. Um Kunden auch Fragen zu komplexeren Themen wie etwa die Immobilienfinanzierung oder zu Versicherungen vor Ort beantworten zu können, entschieden sich die Verantwortlichen, das Angebot um eine Videoberatung zu ergänzen. Auf diesem Weg kann der Kundenberater bei komplexen Themenstellungen einen Experten aus der Hauptgeschäftsstelle per Video zuschalten.

Die Sparkasse hat die "Videoberatung - Expertenchat" der FI ausgewählt, weil sie auf diesem Weg die lückenlose FI-Konformität sowie die tiefe Integration in das bestehende OS-Plus-Netzwerk (OSPN) realisieren konnte. Somit ist sichergestellt, dass das Videosignal störungsfrei übertragen wird. Denn OSPN erfüllt als effiziente Netzwerklösung nicht nur die Leistungsansprüche des heutigen System- und Anwendungsbetriebs in Sparkassen, sondern ist schon heute an den zukünftigen technischen Anforderungen ausgerichtet.

Auch Berater profitieren

Der Experte erscheint in der Kleinfiliale nahezu lebensecht auf einem 40-Zoll-Monitor und kann das Gespräch mit dem Kunden auf Augenhöhe führen. Durch das perfekte Zusammenspiel der technischen Komponenten in OS-Plus kann auch der Experte Dokumente direkt vor den Kunden auf den Tisch einblenden. Der Berater vor Ort übernimmt die Moderation des Gespräches. Eine vertrauensvolle Gesprächssituation sorgt für eine hohe Akzeptanz des Experten.

Der Einführung des Beratungstisches und der Videoberatung sind umfassende Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter vorausgegangen, um sich mit den neuen Techniken und den Verhaltensweisen im Umgang mit ihnen vertraut zu machen. Dabei wurde auch Wert auf die Hintergrundgestaltung für die Videoberatung gelegt. Daher wurde ein Style Guide erstellt, damit sich Kunde und Berater beim Blick auf den Bildschirm ganz auf die Aussagen des Experten konzentrieren können.

Zusätzlich wurden vorab unterschiedliche Gesprächssituationen trainiert und Best-Practice-Beispiele dokumentiert. Dies ermöglicht es beim Ausbau des Angebots, weitere Kollegen schnell mit dem neuartigen Beratungsangebot vertraut zu machen. Aufgrund der positiven Erfahrungen plant das Institut den Ausbau des innovativen Beratungsangebotes an weiteren Standorten. Zurzeit kommt die Lösung bereits in drei Filialen zum Einsatz.

Das neue Beratungsangebot überzeugt nicht nur Kunden, sondern auch Berater. Der durchgängige Blickkontakt und die verbesserte Transparenz während des Gesprächs sorgen für eine verbesserte Kundenbindung. Der Berater profitiert davon, dass er weiterhin in seiner bewährten Arbeitsumgebung arbeiten kann.

Einbindung von Verbundpartnern in die Videoberatung

Die FI entwickelt gemeinsam mit der Sparkasse Hanau und Digitech die eingesetzte Lösung weiter, damit auch andere Sparkassen den "Visulution-Beratungstisch" nutzen können. Als IT-Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe kümmert sich die FI zunächst um die technischen Voraussetzungen für eine schnelle Umsetzung in anderen Instituten und schafft die entsprechenden Rahmenbedingungen. Darüber hinaus erarbeitet sie mit den Instituten ein passendes Finanzierungskonzept.

Der Ausbau der Videoberatung folgt einer festgelegten Roadmap, die sukzessive durch den IT-Dienstleister umgesetzt wird. Ziel ist es, die Lösung über einen institutsinternen Einsatz zu erweitern. Zusätzliche Einsatzszenarien sind etwa Konferenzen zwischen Sparkassen oder die Einbindung von Verbundpartnern in das Kundengespräch via Videoberatung bis hin zur direkten Videoberatung privater Kunden vom heimischen PC.

Zum Autor

Christian Grandinger, Direktor, und Thomas Berger, Leiter IT-Organisation, beide Sparkasse Hanau

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