Zahlungsverkehr

Sepa in der Praxis: DenStier bei den Hörnernpacken

Zum 10. Jahrestag der Wirtschafts- und Währungsunion (am 1. Januar 1999) wurde in allen Ländern des Euroraums eine Zwei-Euro-Gedenkmünzen ausgegeben, die auf der Rückseite ein mit dem Eurosymbol verbundenes Strichmännchen darstellt. Diese Münze spiegelt den Gedanken wider, dass der Euro für alle Bürger das greifbare Ergebnis der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist. Im selben Jahr, in dem die Euro Banknoten und -münzen eingeführt wurden, gab die europäische Bankenindustrie ein Weißbuch mit dem Titel "Euroland: Our Single Payments Area! " heraus, das die volle Umsetzung des einheitlichen Euro-Zahlungsraumes vor Ablauf des Jahres 2010 vorsah. Die Notwendigkeit zu entsprechender Gesetzgebung, der Änderung der Geschäftsaktivitäten von Tausenden von Banken sowie der Umstellung der Zahlungsgewohnheiten von Millionen von Kunden wurde schon damals erkannt. Schon damals wurde von den Verfassern des Weißbuchs klar formuliert, dass die Umsetzung von Sepa nicht nur von dem Einsatzwillen der Banken, sondern dem aller Beteiligter - das heißt Kunden, Regulatoren, Technologieanbieter - abhängt.

Während meiner achtjährigen Dienstzeit als Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank habe ich die Umsetzung von Sepa innerhalb meines Verantwortungsbereiches für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen eng begleitet. Sepa ist für mich der letzte notwendige Schritt auf dem Weg zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes. Laut Schätzungen der Europäischen Kommission hat sich der Handel nach der Euro-Einführung innerhalb der Eurozone um fünf bis 15 Prozent erhöht. Es ist deshalb wohl nicht zu gewagt zu behaupten, dass mit der Vollendung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums weitere Zuwächse möglich sind.

Um nur ein Beispiel für derzeitige Handelshindernisse zu nennen: Gemäß einer Studie der Europäischen Kommission scheitern derzeit 60 Prozent der Versuche, grenzüberschreitende Interneteinkäufe zu tätigen, an technischen oder rechtlichen Barrieren, wenn zum Beispiel keine Zahlungskarten anderer Länder akzeptiert werden.1) So ist es nicht verwunderlich, dass es in Europa im Vergleich zu den USA 40 Prozent weniger elektronischen Handel gibt. In der Praxis ist Sepa auf gesamteuropäischer Ebene noch nicht vollständig umgesetzt. Es gibt jedoch sowohl auf nationaler als auch auf individueller Ebene beeindruckende Beispiele von erfolgreicher Sepa-Migration.

Beispiele erfolgreicher Umsetzung

Seit der Einführung der Sepa-Überweisung im Januar 2008 nehmen fast 4500 Banken, die mehr als 95 Prozent des Zahlungsvolumens in der EU repräsentieren, am Sepa-Überweisungsverfahren teil. Das Eurosystem observiert die Umstellung von nationalen Überweisungen auf Sepa-Überweisungen. Demnach hat die Verwendung der Sepa-Überweisung seit ihrer Einführung kontinuierlich zugenommen und machte im Februar 2011 einen Anteil von etwa 15 Prozent des gesamten Überweisungsvolumens im Euroraum aus. Dabei bestehen auf Länderebene erhebliche Unterschiede.

In Ländern wie Belgien, Luxemburg, Spanien und Slowenien, in denen der Anteil an Sepa-Überweisungen beträchtlich über dem Durchschnitt liegt2), spielen die öffentlichen Verwaltungen, das heißt Steuerbehörden und Sozialkassen, eine entscheidende Rolle bei der Sepa-Migration.

Auch die Bankenvereinigungen können bei der Sepa-Migration eine entscheidende Steuerungsfunktion haben. So ist zum Beispiel in Finnland vorgesehen, die finnische Überweisung Ende 2011 ganz abzuschaffen und von da an alle Überweisungen per Sepa-Überweisung durchzuführen.3)

Im österreichischen Bundesministerium für Finanzen begann man Ende 2007 mit der Umstellung auf ISO 20022. Derzeit werden dort rund 50 Prozent aller Zahlungen per Sepa-Überweisung getätigt. Das damit verbundene Einsparungspotenzial liegt jährlich bei etwa 15,4 Millionen Euro. Mit der Umstellung auf die Sepa-Lastschrift wurde im Juli 2011 begonnen, ihr Abschluss ist für Ende 2012 vorgesehen.

Als Beispiel für Sepa-Migration in einem Unternehmen lässt sich die Generali Group in Österreich anführen, die Anfang 2009 mit der Umstellung auf die Sepa-Überweisung begann. Ende 2010 erfolgten alle Zahlungen an Lieferanten über die SepaÜberweisung, die Umstellung von Steuerzahlungen ist für den Sommer dieses Jahres vorgesehen. Laut Generali besteht für die Sepa-Umstellung ein Zeitaufwand von mindestens zwei bis drei Jahren. Als letztes Beispiel aus Österreich sei die Raiffeisen Bausparkasse genannt, die die Umstellung auf die Sepa-Lastschrift abgeschlossen hat und momentan etwa 1,5 Millionen Sepa-Lastschriften pro Monat verarbeitet. In Griechenland erfolgen 85 Prozent aller Lastschriften per Sepa-Lastschrift.

Selbstverständlich sind die Grundvoraussetzungen für Sepa-Migration von Land zu Land, Bank zu Bank und Kunde zu Kunde unterschiedlich. Trotzdem bin ich der Auffassung, dass die Migration in allen Ländern, von allen Banken und alle Kunden erfolgreich durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen dafür sind folgende: die Festlegung eines Endtermins; eine gezielte Kommunikation und die Gewährleistung von Sicherheit der Sepa-Zahlungsmittel.

Endtermin per EU-Verordnung

Die Diskussion über die Festlegung eines Endtermins für die Umstellung auf Sepa ist nicht neu. Das Eurosystem hat bereits in seinem sechsten Sepa-Fortschrittsbericht im November 2008 auf die Notwendigkeit hingewiesen, allen Marktteilnehmern klarzumachen, dass die nationalen Überweisungen und Lastschriften im Euroraum letztendlich eingestellt werden und dass dafür ein realistischer und ambitionierter Endtermin gesetzt werden muss. Seither haben sich Vertreter nahezu aller Interessengruppen für einen solchen Endtermin ausgesprochen. Konsens besteht auch weitgehend darüber, dass ein solcher Endtermin per EU-Verordnung festgelegt wer den soll. Der Entwurf für eine solche Verordnung wurde im Dezember 2010 vorgelegt - und wird seitdem teilweise recht hitzig diskutiert, wobei es in dieser Diskussion weniger um den Endtermin selbst als vielmehr um die Modalitäten geht.

Die Europäische Zentralbank hat zu diesem Vorschlag eine klare Stellung bezogen, die im April dieses Jahres veröffentlicht wurde. Schon vorher hat das Eurosystem wiederholt eine solche Verordnung gefordert und konkrete Umstellungstermine vorgeschlagen, so zum Beispiel im siebenten Sepa-Fortschrittsbericht, der im Oktober 2010 veröffentlicht wurde. Die vom Eurosystem vorgeschlagenen Termine - Ende Januar 2013 für die Sepa-Überweisung und Ende Januar 2014 für die Sepa-Lastschrift stellen Übergangsfristen von gut vier Jahren seit der Einführung des jeweiligen Zahlungsinstruments dar und werden daher als ausreichend beurteilt.

Der konkrete Endtermin beziehungsweise die Endtermine werden selbstverständlich das Ergebnis einer vom Europäischen Parlament gemeinsam mit dem EU-Rat getroffenen Entscheidung sein.

Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum die Umstellung auf Sepa in einigen Ländern und Bereichen bislang so schleppend vorangegangen ist - die Unsicherheit an den Märkten, das schwierige wirtschaftliche Umfeld, die potenziellen Nachteile für Vorreiter in einer netzwerkbasierten Branche sowie der Widerstand gegen die vollständige Abschaffung der alten Zahlungsinstrumente. Ein weiterer Grund ist aber auch der Mangel an Information zu Sepa, oder, schlimmer noch, die einseitige und teilweise sogar falsche Information über Sepa in den Medien.

Sepa braucht gute Kommunikation

Letztes Jahr kursierte im Zusammenhang mit der Sepa-Umstellung die Geschichte von "IBAN der Schrecklichen". Abgesehen davon, dass es sich bereits bei Iwan dem Schrecklichen um eine Fehlübersetzung aus dem Russischen handelt, hinkt der Vergleich. Folgendes ist immer wieder zu betonen: Die internationale Kontonummer IBAN ist in der Tat länger als eine herkömmliche Kontonummer. Allerdings ist sie längst nicht so kompliziert aufgebaut wie häufig angenommen. In Deutschland besteht sie ganz einfach aus der Kontonummer des Kunden, der Bankleitzahl, einer zweistelligen Prüfziffer und einem Ländercode. Das heißt, das einzig Neue an "IBAN der Schrecklichen" ist - wenn man einmal den Ländercode außer Acht lässt - eine zweistellige Prüfziffer, die jedoch im Vergleich zur herkömmlichen Kontonummer eine höhere Sicherheit gewährleistet.

Es wird nicht gelingen, die Vorliebe der Medien für schlechte Nachrichten und Katastrophenmeldungen zu ändern. Aber alle Beteiligten sollten versuchen, dafür zu sorgen, dass die für die Umstellung auf Sepa notwendigen Änderungen sachlich und neutral vermittelt werden. Sie sollten versuchen, die Vorteile von Sepa der breiten Öffentlichkeit besser zu erklären.

Banken können dies erreichen, indem sie die Sepa-Produkte umfassend vermarkten und Hilfsdienste zur IBAN-Umstellung anbieten.

Unternehmen und Handel können dazu beitragen, indem sie IBAN und BIC in ihren Rechnungen mitteilen.

Und auch der öffentliche Sektor und die Zentralbanken können den Prozess durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen unterstützen.

Kurz gesagt: Sepa braucht gute Kommunikation, eine gezielte Informationspolitik und angemessene Maßnahmen zur Erleichterung des Übergangs. Zahlungssicherheit ist ein Schlüsselthema

Eine weitere Quelle von Schreckensmeldungen in der Presse ist das Thema Zahlungssicherheit. Im Gegensatz zur "IBAN" gibt es hier allerdings einen realen Grund zur Besorgnis. Zuletzt erregte der Datendiebstahl des Playstation Netzwerks von Sony, in dem Daten - inklusive Kreditkarteninformationen - von schätzungsweise 70 Millionen Nutzern gespeichert sind, große Aufmerksamkeit. Betrugsfälle durch Skimming, das heißt das unerlaubte Kopieren der auf dem Magnetstreifen enthaltenen Kartendaten, erlebten in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs.

Das Eurosystem sieht hier dringenden Handlungsbedarf und hat daher der europäischen Kartenindustrie empfohlen, ab 2012 nur mit einem Chip versehene Karten auszugeben. Diese Empfehlung wird auch von Europol befürwortet. Entscheidet sich die Kartenindustrie für die Beibehaltung des Magnetstreifens, sollten zumindest alle Daten, welche die Bearbeitung magnetstreifenbezogener Transaktionen ermöglichen, gelöscht werden. So dürfte sichergestellt werden, dass sensible Kontodaten nicht kopiert werden können.

Die Sicherheit von Zahlungsmitteln liegt jedoch nicht nur in der Verantwortung der Finanzindustrie. Auch Händlern, insbesondere Internethändlern, und Kunden sollte bewusst sein, dass die Sicherheit von Zahlungsmitteln in ihrem eigenen Interesse ist. Insbesondere bei Kartenzahlungen über das Internet, bei denen sich die Betrugsfälle häufen, sollten durch die Einführung sicherer Zahlungsprotokolle (zum Beispiel H3-D-Secure oder virtuelle Karten) die Sicherheitsmaßnahmen erhöht werden.

Letztendlich ist die Sicherheit von Massenzahlungen von entscheidender Bedeutung für das Vertrauen, welches Verbraucher und Unternehmen dem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum entgegenbringen. Um die weitere Entwicklung und Harmonisierung auf gesamteuropäischer Ebene auf diesem Gebiet zu fördern, wurde die Einrichtung eines europäischen Forums für die Sicherheit von Massenzahlungen angeregt. Damit soll garantiert werden, dass Bankenaufsicht und Bankenüberwachung über denselben Informationsstand und ein gemeinsames Verständnis bezüglich des Themas verfügen. Als ersten Arbeitsschritt wird sich das Forum der Harmonisierung der Sicherheitsanforderungen für Fernzahlungen4) per Karte und Online-Zahlungen widmen.

Innovative Lösungen für E-Payments

Die Vorteile eines digitalen Binnenmarkts blieben den Europäern bislang weitgehend verwehrt. Obwohl sich durch Mobiltelefone, Chiptechnologie und das Internet das Kommunikations- und Kaufverhalten verändert hat, dominieren im elektronischen Handel nach wie vor bestehende Zahlungsinstrumente wie Zahlungen per Nachnahme, Überweisung nach Rechnungserhalt und die Übermittlung von Kartendaten an Händler. Allerdings entsprechen diese Zahlungsarten nicht den besonderen Anforderungen der Online-Welt und können darüber hinaus bei grenzüberschreitenden Transaktionen häufig nicht eingesetzt werden.

Während die Verbraucher in einigen Ländern bereits innovative Lösungen wie auf Internetbanking basierende E-Payments nutzen können, gibt es bislang noch keine allgemein verfügbaren länderübergreifenden Lösungen. Wir müssen jedoch sicherstellen, dass Europa beim elektronischen Handel nicht den Anschluss verliert. Es besteht eindeutig Bedarf an effizienten, kostengünstigen, sicheren und leicht verfügbaren Online-Zahlungslösungen. Dieser Bedarf ist so groß, dass sowohl für sichere Kartenzahlungen als auch für auf Internetbanking basierenden E-Payments genügend Entwicklungsmöglichkeiten bestehen. Die Europäische Zentralbank unterstützt daher nachdrücklich die Arbeit an Online- E-Payment-Lösungen, die den gesamten Euro-Zahlungsverkehrsraum abdecken.

Deutschland ist ein Land, das von Anfang an am europäischen Integrationsprozess beteiligt war. Deutsche Unternehmen sind international präsent und erwirtschaften einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes im Euroraum. Und obwohl die deutschen Bürgerinnen und Bürger der Einführung des Euro zum Teil mit Kritik und Skepsis begegnet sind, ging die Bargeldumstellung letztendlich weitaus schneller voran als ursprünglich vorgesehen. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass Deutschland bei der Umsetzung von Sepa bisher eher eine abwartende Haltung eingenommen hat. Die besondere Struktur des Finanzsektors in Deutschland und die schiere Größe des Marktes gestalten diese Umsetzung komplexer als in einigen anderen Ländern. Letztendlich jedoch ist diese Umsetzung unausweichlich, und so empfehle ich, den Stier, den Europa (laut der griechischen Mythologie) reitet, bei den Hörnern zu packen.

Anmerkungen

1 Siehe www.ec.europa.eu/consumers/strategy/docs/EC_ecommerce_Final_Report_201009_en.pdf (Bericht nur auf Englisch verfügbar).

2 Zahlen, die im Sepa HLM im März 2011 genannt wurden: Belgien 37 Prozent, Spanien 24 Prozent, Luxemburg nahe 100 Prozent, Slowenien 46 Prozent, Finnland 60 Prozent.

3 FFI Federation of Finnish Financial Services: Finnish banking in 2010 http://www.fkl.fi/en/material/publications/Publications/Finnish_banking_in_2010.pdf. card not present transactions.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag der Autorin beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

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