Blickpunkte

Vertriebspolitik Sehen so Gewinner aus?

Nicht nur die Einkaufslaune deutscher Verbraucher verbesserte sich im Jahr 2007, auch Unternehmen der Assekuranz befanden sich hierzulande stark auf Akquisitionskurs. Der größte Deal wurde gegen Ende des Jahres abgewickelt: Die Züricher Swiss Life gab im Dezember bekannt, dass sie im Januar 2008 allen Aktionären des AWD ein freiwilliges Angebot unterbreitet, das vom Unternehmensgründer und Vorstandsvorsitzenden Carsten Maschmeyer unterstützt wird. Mittelfristig wird das Unternehmen mindestens 35 Prozent der Anteile an dem "unabhängigen Finanzoptimierer" halten.

Versicherer kaufen sich in Vertriebsstrukturen ein

Von dem Schritt erwarte sich die Assekuranz zusätzliche Vertriebskraft und einen Wachstumsschub im deutschen Markt, so hieß es. Vorgemacht hatte es die AMB Generali, die im Januar 2007 begann, ihren Außendienst vollkommen auszulagern und an die Deut sche Vermögensberatung DVAG zu übertragen. Im November beteiligte sich die Credit Suisse mit rund acht Prozent am börsennotierten Finanzvertrieb Aragon, der seither die Produkte des Anteilseigners vertreibt.

Der Grund für die Entwicklung: Unabhängige Berater gewinnen seit geraumer Zeit immer stärker das Vertrauen der Kunden und damit Anteile im Vertriebswegemix. 2006 wurden in der Lebensversicherung 27,8 Prozent der Beiträge über Ausschließlichkeitsvermittler erwirtschaftet, 29 Prozent über freie Vermittler. Im Bereich Schaden/Unfall hatte die Ausschließlichkeit zwar einen Anteil von 57 Prozent, die freien Vermittler verdienten 22 Prozent der Beiträge, doch hier verschieben sich die Anteile zugunsten der Unabhängigen.

Nimbus der Unabhängigkeit schwindet

Mit der Beteiligung einer Versicherung an einem vormals freien Vertrieb beginnt freilich ein Dilemma: Der Freie verliert früher oder später den Nimbus, produkt- und partnerunabhängig zu beraten - auch wenn sich das Argument der Unabhängigkeit noch eine Weile in den Köpfen der Kunden halten dürfte. Doch auch die Mitbewerber der Swiss Life, also Produktpartner des AWD, dürften sich nun fragen, ob ihre Produkte langfristig tatsächlich genauso ernsthaft vertrieben werden wie bisher

- und ob es sich lohnt, hierfür weiterhin Provisionen zu zahlen. Selbstverständlich beteuert AWD-Chef Carsten Maschmeyer vehement, dass die Schweizer bei der Auswahl von Produktempfehlungen genauso behandelt würden wie alle anderen Anbieter. Man wolle dem Versicherer vor allem in der Produktgestaltung die Kompetenz der Berater zur Verfügung stellen. Die aktiv vermarktete Unabhängigkeit war dem Hannoveraner Vertrieb in jüngster Zeit von manchem Beobachter sowieso schon abgesprochen worden, weil sich das Unternehmen im Zuge der Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechtes im Mai 2007 nicht etwa als Makler, sondern als Versicherungsvertreter hat eintragen lassen - im Gegensatz zum Konkurrenten MLP. Makler stehen vertragsrechtlich auf der Seite der Kunden und müssen noch deutlicher dokumentieren können, warum das Angebot eines bestimmten Produktes zu diesem Zeitpunkt der für den Kunden bestmöglichen Lösung entsprach. Für die Kunden schienen solche Unterschiede jedoch bisher keinen großen Unterschied zu machen: Allein aus Gründen der Praktikabilität beschränkt sich die Zahl der Empfehlungen pro Kategorie wohl bei den meisten Beratern auf eine Hand voll Produkte. Die Geschäfte der beiden großen freien Vertriebe liefen im vergangenen Jahr eher schwach, bei AWD wurden diverse Ziele verfehlt: In den ersten drei Quartalen 2007 ist der Umsatz der Hannoveraner um 7,5 Prozent auf 560 Millionen Euro angewachsen, Ziel waren zehn Prozent und 800 Millionen Euro. Begründet wurde die Absatzschwäche von Maschmeyer mit dem Durchschlagen der Finanzmarktturbulenzen in Folge der amerikanischen Subprime-Krise auf die private Kundschaft. Insbesondere das - zuletzt starke - Interesse an Einmalanlagen habe gelitten.

Gesetzliche Regulierung wirbelt die Branche auf

Doch dahinter dürften noch weitere Faktoren stehen: Zunächst fehlt der Branche seit dem Wegfall des Wachstumsmotors Kapitallebensversicherung im Jahr 2005 ein Zugpferd. Selbst die inzwischen deutlich besser laufende Riesterrente kann fehlende Einnahmen nicht ausgleichen. Zum anderen macht der Branche ein steigender Aufwand für Qualifikation, Dokumentation und Kundeninformation im Zuge der neuen gesetzlichen Regulierung zu schaffen.

Die Ironie ist an dieser Stelle indes kaum zu übersehen: Während sich die Unabhängigen noch vor wenigen Wochen als Gewinner in Sachen MiFID, Vermittlerrichtlinie und Versicherungsvertragsgesetz feierten, scheint es genau sie derzeit doch eher zu beuteln.

Und auch für die Zukunft droht neues Ungemach. Zwar kann die im Januar 2009 in Kraft tretende Abgeltungssteuer 2008 noch zu einer Art Ausverkauf von Fonds führen. Danach jedoch sollten die Mittel dann nicht mehr bewegt werden, um den Steuervorteil nicht wieder aufzugeben. Möglichkeiten fürs Neugeschäft ergeben sich dadurch nicht mehr.

Großbanken üben Zurückhaltung

Sollte die wachsende Regulierung dazu führen, dass immer mehr Vertriebe sich die Unabhängigkeit - ob objektiv oder subjektiv - nicht mehr leisten können, dann ist zumindest dem Kunden wenig gedient. Banken und Versicherer dürften sich über weitere Akquisitionsmöglichkeiten jedoch durchaus freuen.

Dass sich in diesem Konzentrationsprozess die großen deutschen Banken bisher so zurücknehmen, mag doch zunächst verwundern. Zumal auch ihnen eine Stärkung der jeweiligen Vertriebseinheiten nicht schaden dürfte. Doch eine bisher freie Vertriebseinheit in feste Strukturen einzubinden, ist eine teure und anspruchsvolle Aufgabe. Für die meisten Großen dürfte sich das - im Gegensatz zu einem Neueinsteiger - kaum lohnen. Die Dresdner Bank ist fest in den Konzern der Allianz integriert, die Gruppe ist mit ihren Ausschließlichkeitsvertretern bereits flächendeckend vertreten. Und während die Deutsche Bank genug damit zu tun hat, Norisbank und Berliner Bank in den Konzern einzugliedern, ist die Postbank mit der Integration des BHW beschäftigt. bs

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