Digitalisierung

Fruchtloser Rechtsstreit

Wenn es darum geht, traditionelle Geschäftsbereiche gegen neue Ansätze oder Wettbewerber zu verteidigen, beschreiten Unternehmen häufig den Rechtsweg. Auch die Deutsche Post AG versucht sich anscheinend auf diesem Weg gegen nahezu unausweichliche Marktanteilsverluste des Post-Ident-Verfahrens zur Wehr zu setzen und hat gegen die ID now GmbH, München, geklagt.

Denn das Münchner Fintech-Unternehmen hat nicht nur das Video-Ident-Verfahren entwickelt, das mittlerweile bei immer mehr Kreditinstituten eingeführt wird, um auch Neukunden Online-Abschlüsse ohne Medienbruch zu ermöglichen. Sondern es hat auch die im Juli in Kraft getretene EU-Verordnung eIDAS genutzt, um eine weitere Lösung an den Markt zu bringen, mit der auch solche Verträge komplett online abgeschlossen werden können, für die bisher zwingend das Schriftformerfordernis galt.

Insbesondere gegen die letztgenannte Lösung "eSign" geht die Post juristisch vor. Begründung: Verträge mit Schriftformerfordernis können mit dieser Lösung nicht wirksam per qualifizierter elektronischer Signatur unterzeichnet werden. Die Post hatte deshalb beim Landgericht Köln einen Antrag auf Unterlassung gestellt. Sie ist damit jedoch gescheitert, der Antrag wurde zurückgezogen. Es sieht also so aus, als ob auch Kreditverträge tatsächlich rechtssicher ohne Medienbruch abgeschlossen werden können.

Das ist für die Bankenbranche aus zweierlei Gründen eine gute Nachricht: Zum einen entfällt so ein Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Ratenkauf beim Online-Händler, der rechtlich nicht als Kreditgeschäft gilt und deshalb schon immer ohne eigenhändige Unterschrift abgeschlossen werden konnte. Zum anderen ist der Wettbewerb um Lösungen für die Kundenidentifikation nun endgültig frei. Damit werden Kreditinstitute vermutlich bald unter einer ganzen Palette vergleichbarer Angebote wählen können - was auch die Preise sinken lassen dürfte.

Die Post - und damit auch die Postbank hat hingegen das Nachsehen. Postident gibt es zwar mittlerweile auch in einer digitalen Variante ohne Medienbruch. Damit wird die Post an dieser Stelle zwar nicht verdrängt. Als einstiger Platzhirsch wird sie gleichwohl zwangsläufig weiterhin Marktanteile verlieren. Das gilt umso mehr, als das Unternehmen noch keine eigene Signaturlösung für das Kreditgeschäft entwickelt hat.

Für die Postbank ist die Entwicklung insofern problematisch, als ihre Filialen der Kundenidentifikation durch die Verlagerung in die digitalen Kanäle nicht nur Provisionseinnahmen, sondern auch einen wichtigen Frequenzbringer verlieren - egal, welcher Anbieter schlussendlich welchen Marktanteil erreicht. Das mag manchmal begrüßt werden, weil es die mitunter überlangen Warteschlangen in den Postfilialen verkürzt. Es hilft aber nicht dabei, die Filialen, die die Bank im Auftrag der Post betreibt, profitabel zu halten. Und jeder Kunde, der nicht mit einem Postident-Formular kommt, ist auch einer weniger, den die Bank auf ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen ansprechen kann. Gerade an kleineren Standorten, in denen kaum Beratung stattfindet, kann das vermutlich durchaus spürbare Lücken reißen. Red.

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