Regulierung

Wann kommt der echte digitale Kreditvertrag?

Jens Loa
Foto: Bankenfachverband

Mit der europäischen eIDAS-Verordnung ist die digitale Kreditvergabe auch in Deutschland zwar einfacher geworden. Eine Video-Identifizierung über einen analogen Ausweis, so Jens Loa, ist aber noch nicht digital genug. Hauptärgernis bleibt aber das europarechtlich nicht vorgeschriebene Schriftformerfordernis beim Kreditabschluss. Dadurch werde der Ratenkredit gegenüber anderen Finanzierungsformen benachteiligt - und so auch der gesetzlich intendierte Wechsel vom Dispo untergraben. Außerdem behindert der Medienbruch das grenzüberschreitende Geschäft. Als Beitrag zu einem europaweiten Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen solle der Gesetzgeber deshalb seine Gestaltungsmöglichkeit nutzen und das Schriftformerfordernis abschaffen. Red.

Verbraucher können schon heute Kreditverträge abschließen, ohne das Haus zu verlassen. Die eIDAS-Verordnung hat im Jahr 2016 die Kreditvergabe in Deutschland erheblich vereinfacht. Wir sind hierzulande aber noch lange nicht so weit wie unsere europäischen Nachbarn. Mit Fernidentifizierung und Fernsignatur haben wir einen wichtigen Zwischenschritt erreicht auf dem Weg zu einem echten digitalen Kreditvertrag. Der bestehende Prozess, die Prüfung von Personalausweisen per Video-Chat, ist zwar besser als bisher. Es ist aber immer noch nicht wirklich digital, wenn ein Kunde seinen analogen Ausweis in eine Kamera halten muss. Es ist heute noch viel einfacher, von zu Hause aus per Internet eine Ware zu bestellen, als eine Finanzierung per Kredit abzuschließen. Das muss sich ändern, wenn wir mit den wachsenden Kundenansprüchen mithalten wollen. Und die Banken wollen ja - nur der Gesetzgeber muss die Kreditbanken auch lassen.

Kauf einfacher als Kredit

Die BaFin hat vernünftigerweise das Video-Ident-Verfahren wieder praktikabel reguliert, nachdem sie zwischenzeitlich eine Referenzüberweisung sowie Internetrecherchen der Banken über ihre Kunden vorgeschrieben hatte. Diese Zusatzanforderungen hätten den Online-Prozess faktisch konterkariert. Die Kun den schätzen eben Sicherheit und Schnelligkeit beziehungsweise einfache Prozesse. So gut die Verfahren bereits sind: Bei Video-Ident und der Fernsignatur gibt es nach wie vor einige Kunden, die den Prozess abbrechen. Er ist zwar einfach, aber noch nicht einfach genug. Wenn wir die Chancen der Digitalisierung wirklich ernst nehmen wollen, dann dürfen wir uns mit dieser Lösung nicht zufrieden geben.

Identifizierungsverfahren anerkennen

Der Gesetzgeber sollte daher dringend auch alternative Identifizierungsverfahren anerkennen, wie die Identifizierung über ein bereits legitimiertes Girokonto. Dabei sollte der Gesetzgeber auch würdigen, dass Verbraucher einen Konsumentenkredit in der Regel nicht zum Zweck der Geldwäsche nutzen wollen, sondern dafür, sich ein Konsumgut wie ein Auto oder eine Waschmaschine zu kaufen.

Verbraucherschutz ist gerade im digitalen Zeitalter wichtig und richtig. Genauso wichtig ist es aber auch, dem Verbraucher und der Finanzwirtschaft keine Chancen zu verbauen. Hier gilt es, immer wieder neu zu definieren, wie ein zeit gemäßer Verbraucherschutz aussieht. Einen Gebrauchtwagen im Internet zu kaufen, hätte man sich vor 20 Jahren kaum vorstellen können. Heute ist dies Realität.

Zeitgemäßer Verbraucherschutz ohne Schriftformerfordernis

Beim Kredit hinken die Möglichkeiten der Realität allerdings noch hinterher. Selbst für die Finanzierung von Kleinstbeträgen gilt in Deutschland noch das strenge Schriftformerfordernis - anders als bei den europäischen Nachbarn. In Österreich ist dies beispielsweise nicht erforderlich, um einen Kredit abzuschließen.

Zwar ist mit der eIDASVerordnung der Vertragsschluss per Fernsignatur vereinfacht worden. Diese kann heute bereits die Schriftform ersetzen. Es bedarf aber immer noch eines erhöhten technischen Aufwandes und eines mehrstufigen Prozesses, um einen Verbraucherkreditvertrag im Internet zu schließen.

Der Bankenfachverband fordert daher, dass auch Verbraucherkreditverträge unkompliziert und ohne Medienbruch über das Internet abgeschlossen werden können. Die Argumente für einen Ersatz der strengen Schriftform liegen auf der Hand.

Medienbruch bevorzugt teurere Finanzierungsformen

Die Unterschriftspflicht wurde ursprünglich als Übereilungsschutz zugunsten des Verbrauchers eingeführt. Sie sollte ihn vor Entscheidungen schützen, die er nicht mehr rückgängig machen kann. Genau dies ist aber seit Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in 2010 der Fall. Denn der Verbraucher kann sich jederzeit vom Kredit lösen, leichter als bei jedem anderen Vertrag. Er kann den Kredit ohne Begründung in den ersten zwei Wochen nach Vertragsschluss widerrufen und nach Ablauf dieser Frist jederzeit vorzeitig kündigen.

Der gesetzlich verordnete Medienbruch beim Online-Ratenkredit hat zur Folge, dass Verbraucher tendenziell zu sofort verfügbaren, häufig aber teureren Finanzierungsformen (zum Beispiel Dispositionskredit oder Online-Ratenkauf) greifen. Obwohl wirtschaftlich mit dem Ratenkredit vergleichbar, unterliegen insbesondere Ratenvereinbarungen direkt mit einem Online-Shop oder auch Dispositionskredite keiner Unterschriftspflicht und damit keinem Medienbruch. Trotz ihres hohen Verbraucherschutzniveaus können Online-Ratenkredite deshalb mit diesen anderen Finanzierungsformen hinsichtlich ihrer prozessualen Convenience nicht effektiv konkurrieren.

Gesetzlich intendierter Wechsel zum Ratenkredit wird erschwert

Seit März 2016 sind Banken gesetzlich verpflichtet, ihren Kunden bei dauernder Inanspruchnahme eines Dispositionskredits eine Beratung zu preiswerteren Finanzierungen - meist sind dies Ratenkredite - anzubieten. Der Kunde ist aber nicht zur sofortigen Online-Umschuldung auf einen Ratenkredit in der Lage - dies verhindert der Medienbruch infolge der Unterschriftspflicht. Der Wechsel hin zu einem preiswerteren Ratenkredit wird oftmals unterbleiben, der gesetzlich intendierte Verbraucherschutz wird auf diese Weise untergraben. Der Kunde zahlt weiterhin die höheren Dispozinsen.

Aufgrund des Medienbruchs kann der Online-Kredit sein Potenzial trotz erkennbarer Vorteile für den Verbraucher auf dem Kreditmarkt nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten entfalten. Auf drei Online-Kredizusagen einer Bank kommt derzeit in der Regel nur ein einziger Vertragsabschluss. Dies ist vor allem auf die Unterschriftspflicht zurückzuführen, die nach der Online-Kreditzusage für den eigentlichen Vertragsschluss einen Übergang in die Offline-Welt verlangt. Online-Kredite wären ohne Medienbruch attraktiver für alle Beteiligten. Technisch effizientere, rein digitale Prozesse senken die Kosten für Banken und Verbraucher. Dies erhöht die Anbieter- und Produktvielfalt und intensiviert den Wettbewerb. Das Mehr an Wettbewerb kommt wiederum den Verbrauchern zugute.

Die Unterschriftspflicht ist europarechtlich nicht vorgegeben. In anderen europäischen Ländern ist der digitale Vertragsschluss möglich. Der deutsche Gesetzgeber kann ohne weiteres auf die Unterschriftspflicht verzichten und sollte diese Gestaltungsmöglichkeit nutzen. Bürokratische Hürden, die Medienbrüche herbeiführen, behindern nicht nur die Digitalisierung. Sie vereiteln auch das grenzüberschrei tende Geschäft. Der digitale Verbraucherkredit wäre ein wesentlicher Beitrag der Bundesrepublik zur Verwirklichung eines europäischen Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen.

Die Digitalisierung eröffnet Verbrauchern und der Wirtschaft zahlreiche Möglichkeiten. Gerade auch im Hinblick auf die internationalen Entwicklungen im Finanzierungsgeschäft ist es daher nötig und möglich, auch hierzulande den Kundenbedürfnissen weiter gerecht zu werden. Der Gesetzgeber sollte daher unbedingt den Weg freimachen für einen einfachen Prozess und einen echten digitalen Kreditvertrag.

Zum Autor Jens Loa, Geschäftsführer, Bankenfachverband e.V., Berlin
Jens Loa , Geschäftsführer , Bankenfachverband e.V., Berlin

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