BGH-URTEIL

Kehrtwende bei Entgelten am Bankschalter

Bundesgerichtshof

Kreditinstitute dürfen auf Basis des seit 2009 geltenden Zahlungsdiensterechts in ihren Preis- und Leistungsverzeichnissen Entgelte für Bargeldein- und auszahlungen auf oder von einem Girokonto am Bankschalter vorsehen, ohne dabei im Wege einer Freipostenregelung eine bestimmte Anzahl von unentgeltlichen Barein- und auszahlungen einzuräumen. Die Entgelthöhe kann allerdings der Inhaltskontrolle unterliegen. Das hat der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 18. Juni entschieden (Aktenzeichen XI ZR 768/17).

Zuvor waren der früheren Rechtslage entsprechend solche Freipostenregelungen erforderlich. Diese Position hat der Bundesgerichtshof nun entsprechend der seit 2009 geltenden Rechtslage aufgegeben. Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs.

Als Begründung für seine Entscheidung verweist der BGH auf das im Jahr 2009 in Kraft getretene Zahlungsdiensterecht. (§§ 675c ff. BGB), mit dem der deutsche Gesetzgeber die europäische Zahlungsdiensterichtlinie 2007 sowie deren Nachfolgerichtlinie aus dem Jahr 2015 umgesetzt hat. Entsprechend § 675f Abs. 5 Satz 1 BGB ist nämlich für die Erbringung eines Zahlungsdienstes das "vereinbarte Entgelt" zu entrichten. In diesem Sinne sind auch Bareinzahlungen auf und Barabhebungen von einem Girokonto Zahlungsdienste, für die ein Kreditinstitut auch ohne eine Freipostenregelung ein Entgelt verlangen darf.

Zuvor hatte der BGH zweimal, nämlich 1993 und 1996, geurteilt, dass Ein- und Auszahlungen auf oder von einem Girokonto nach Darlehensrecht oder dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung zu beurteilen seien, welches weder für die Begründung noch für die Erfüllung von Darlehens- be ziehungsweise Verwahrungsverhältnissen ein Entgelt vorsieht. Nach der alten Rechtslage hätte die Klage der Wettbewerbszentrale somit Erfolg gehabt, hält der Bundesgerichtshof ausdrücklich fest.

Auch mit dem neuen Urteil haben die Karlsruher Richter Kreditinstituten jedoch keinen Freibrief für die Konditionengestaltung ausgestellt. Denn im Hinblick auf die Höhe des vereinbarten Entgelts unterliegen die Klauseln der AGB der richterlichen Inhaltskontrolle. Hier greift die zugunsten von Verbrauchern (halb-)zwingende Preisregelung des § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB ein, mit der der deutsche Gesetzgeber - über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus Finanzdienstleistungen in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen hat.

Zur Erfüllung einer vertraglichen Pflicht im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB und damit zu den Leistungen, für die kein Entgelt verlangt werden darf, zählt somit auch die (teilweise) Rückführung eines überzogenen Girokontos durch eine Bareinzahlung am Bankschalter. Werden auch solche Einzahlungen durch die Regelung bepreist, ist damit die Entgeltkontrolle eröffnet.

Ob die im konkreten Fall verlangten Entgelte in ihrer Höhe angemessen sind oder nicht, muss nun noch überprüft werden. Leitlinien dafür hat der BGH allerdings schon aufgezeigt. Umlagefähig, so das Urteil, sind nur solche Kosten, die unmittelbar durch die Nutzung des Zahlungsmittels, das heißt hier die Barzahlung, entstehen. Gemeinkosten wie allgemeine Personalkosten und Kosten für Schulungen und Geräte, deren Anfall vom konkreten Nutzungsakt losgelöst ist, sind dagegen nicht um lagefähig.

Wie hoch die tatsächlichen Kosten des einzelnen Ein- oder Auszahlungsvorgangs sind, wird damit nicht ganz einfach zu ermitteln sein. Der dem Urteil zugrunde liegende Fall geht nun zurück ans OLG München. Es ist aber vermutlich zu erwarten, dass die Thematik die Justiz noch weiter beschäftigen wird und es möglicherweise auch in Sache Entgelthöhe zu einem höchstrichterlichen Urteil kommen wird.

Der Hinweis auf den Ausgleich eines überzogenen Girokontos als Begründung für die Inhaltskontrolle zeigt allerdings auch ein mögliches Schlupfloch für Kreditinstitute auf: Hier scheint es denkbar, die Entgeltklauseln so zu formulieren, dass Bareinzahlungen zu diesem speziellen Zweck ausgenommen sind und damit die Inhaltskontrolle unterbleiben kann. Das werden die Juristen jetzt wohl prüfen. Dass überhaupt Entgelte für Ein- und Auszahlungen am Schalter zulässig sind, ist in jedem Fall eine gute Nachricht für Filialbanken. Hier zahlt sich europäische Regulierung einmal aus. Red.

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