Preisgestaltung im Retail

Bankkonditionen auf dem Prüfstand

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Die VR-Bank Altenburger Land beziehungsweise ihre Direktbank Deutsche Skatbank hat als erste Bank in Deutschland, die sehr hohe Einlagen mit Negativkonditionen belegt, Schlagzeilen gemacht. Holger Schmidt stellt diesen Schritt in einen größeren Zusammenhang. Die großvolumigen Einlagen, so erklärt er, lassen sich gut über die Konditionen steuern. Sie liefern jedoch keinen Konditionenbeitrag, sondern dienen in erster Linie der Bilanzsteuerung. Sein Haus hat die zur Debatte stehenden Einlagen in den letzten Jahren bereits stark abgeschmolzen. Marktweit rechnet Schmidt perspektivisch mit der Einführung beziehungsweise Erhöhung von Kontoführungsgebühren - auch bei jenen Häusern, die über gebührenfreie Girokonten hohe Bestände aufgebaut haben. Red.

Ein essenzieller Strukturwandel, vergleichbar mit jenem in der Energieversorgung, steht der Finanzbranche bevor. Die Gründe sind Regulierung, Zinsniveau und Verbraucherschutz. Doch die Veränderungsfähigkeit vieler Banken und Sparkassen ist aktuell ausreichend, um eine solche Herausforderung anzunehmen. Ein Drittel der in Deutschland tätigen Institute wird diesen Prozess nicht erfolgreich bewältigen und ihre Eigenständigkeit verlieren.

Durch die regulatorische Privilegierung der Einlagen und die festgelegte Haftungskaskade bei Bankenabwicklungen werden ungedeckte Kapitalmarktrefinanzierungen für europäische Geschäftsbanken weiter an Bedeutung verlieren. Die Refinanzierung wird sich stärker auf Kundeneinlagen fokussieren. Der Wettbewerbsvorteil einer hohen Bonität von Kreditinstituten, insbesondere von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, wird durch die Bankenunion und die Europäische Einlagensicherung sukzessive geringer.

Aufsichtsrechtliche Bedingungen belasten Innovationsfähigkeit

Das Aufsichtsrecht stellt vor allem für kleinere Institute mittlerweile eine existenzielle Herausforderung dar, deren zunehmende Umsetzung die Finanzdienstleistungsbranche insgesamt belastet. Besonders die damit einhergehenden bürokratischen Folgen haben inzwischen ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Für Innovationen, beispielsweise im IT-Bereich und bei modernen Dienstleistungskonzepten, stehen in der Folge zu wenige Kapazitäten zur Verfügung. Darüber hinaus kann der aufsichtsrechtlich vorangetriebene Aufbau von Eigenkapital bei bestimmten Institutsgruppen nur zulasten der Innovationskraft erreicht werden. Für Genossenschaftsbanken und Sparkassen ist dieser Aspekt wegen des konservativen Geschäftsmodells und der historisch hoch dotierten Gewinnrücklagen eher unproblematisch. Allerdings wird die Ausrichtung dieser Institute auf den Erhalt des komfortablen Status-Quo deren Investitionsbereitschaft verringern. Branchenweit stehen damit nur wenige Finanzmittel zur Stärkung der Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit zur Verfügung.

Ungesunde Entwicklung in der Bankenbranche

Eine ungesunde Entwicklung in einer Branche erkennt man unter anderem daran, dass Innovationen ausbleiben und neue Angebote nicht mehr entwickelt werden. Damit sind nicht zweifelhafte Wertpapiere gemeint, sondern Produkte, die dem Kunden erkennbar einen Nutzen bringen. Viele Finanzdienstleister treten hier aktuell auf der Stelle.

Wir sind heute in der Lage, dem Kunden eine Anlageberatung im herkömmlichen Sinne zu bieten, aber nicht die wiederkehrenden Liquiditätsabflüsse wie Telefon-, Energie- und Leasingkosten zu beurteilen und dazu zu beraten. Welcher Kunde holt sich vor einer größeren Anschaffung schon den Rat seiner Bank ein? Aber jeder Händler bietet selbstverständlich eine Finanzierung in welcher Form auch immer an. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere bankfremde Produkte mit Finanzdienstleistungsangeboten kombiniert werden, wie zum Beispiel ein Smartphone mit einem Konto.

Strukturelle Herausforderungen des klassischen Geschäftsmodells

Für die Beibehaltung des erfolgreichen genossenschaftlichen Geschäftsmodells ist der Zinsüberschuss zur Deckung der Kosten von zentraler Bedeutung. Der langjährige Trend einer kontinuierlich sinkenden Zinsspanne wird durch die anhaltende Niedrigzinsphase noch verschärft. Aber auch unabhängig vom Zinsniveau wird sich die Zinsspanne selbst bei steigenden Zinsen weiter verringern, eine Folge des harten Wettbewerbs.

Eine starke Ausweitung der Kreditvergaben ist nur über den Preis beziehungsweise eine Aufweichung der Kreditvergabestandards möglich. Bereits jetzt liegen die Nominalzinsen für langfristige Darlehen im Kundenkreditgeschäft und für Schuldverschreibungen bonitätsstarker Emittenten überwiegend unter der Mindestzinsspanne der Bank.

Die Kostenrechnung mag für solche Geschäftsabschlüsse unter Deckungsbeitrags- beziehungsweise Grenzertragsansätzen noch positive Ergebnisse ausweisen. In der Gesamtbankbetrachtung bedeutet dies jedoch, dass die Deckung wesentlicher Kostenpositionen durch die Erträge der Aktivbestände mit höheren Zinssätzen aus der Vergangenheit erfolgt.

Im Zeitablauf wird die zwangsläufige Verschiebung vom hochverzinslichen zum niedrig verzinsten Block die Handlungsspielräume der Institute sukzessive einschränken, mittelfristig die Existenz in Frage stellen.

Aus heutiger Sicht kann unabhängig von der Entwicklung der Refinanzierungskosten die Anlage von Geldern zu Zinssätzen unterhalb der Mindestzinsspanne nur eine Überbrückung und damit einen Zeitgewinn darstellen, um notwendige strukturelle Anpassungen des Geschäftsmodells und der Kostenstruktur umzusetzen.

Durch die neuen regulatorischen Bestimmungen hinsichtlich der Privilegierung von Kundeneinlagen sowie die Umsetzung der europäischen Einlagensicherung wird der Konkurrenzdruck nochmals zunehmen. Ausländische Banken drängen unter dem Schutz der Einlagensicherung auf den Markt, kapitalmarktorientierte Institute tauschen ungedeckte Kapitalmarktrefinanzierungen gegen Kundengelder aus. Dieser Wettbewerb um den klassischen Sparer lässt die Bankmarge abschmelzen.

Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus weisen die Kundeneinlagen derzeit eine extrem kurze Laufzeit auf. Sie sind damit in hohem Maße flexibel, die kundenseitige Loyalität zur Hausbank nimmt ohnehin weiter ab. Ein steigendes Zinsniveau wird insofern die bankintern kalkulierten Anpassungen der durch Kundeneinlagen determinierten Passivseite auf den Prüfstand stellen. Letztendlich wird die Stabilität der Finanzierung einer Bank mittels Einlagen aktuell maßgeblich über die Konditionierung beeinflusst.

Träge Zinsanpassung erhöht das Risiko bei abrupten Zinsanstiegen

Dabei steht der langfristige Erfolg einer Trennung von Markterfolg und Treasury-Erfolg durch die Verwendung von Ablaufdefinitionsprofilen mit gleitenden Durchschnittszinsen bei variablen Geschäften noch keineswegs fest. Die in der Vergangenheit stark expandierenden Anbieter konnten sicherlich mit ihren Tagesgeldern mit vergleichsweise hohen Konditionen kurzfristig deutliche Markanteile gewinnen. Diese überdurchschnittlichen Konditionen waren jedoch überwiegend den kalkulatorisch langen Ablauffiktionen und den höheren historischen Marktzinsen sowie den als stabil eingestuften Kundeneinlagen geschuldet.

Das über einen langen Zeitraum konstant sinkende Zinsniveau und der kontinuierliche Bestandsaufbau verstärkten die anfänglich stabile Margenentwicklung zusätzlich.

Seit 2009 kommt es modellbedingt jedoch aufgrund des sinkenden Zinsniveaus nicht nur zu stetig schrumpfenden Margen. Die träge Zinsanpassung erhöht das Risiko bei abrupten Zinsanstiegen, keine marktfähigen Konditionen mehr anbieten zu können. Im Zusammenspiel mit starken Volumenschwankungen könnten sich so bisherige "Erfolgsmodelle" sehr schnell zu gescheiterten Modellen entwickeln.

Perspektivisch branchenweit höhere Kontoführungsgebühren

Das Girokonto zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs gilt bereits seit längerem als Schlüssel zur Geschäftsverbindung. Gebührenfreie Kontomodelle, teilweise mit Begrüßungszuwendungen, sicherten stark expandierenden Instituten ein beachtliches Kundenwachstum. Die Kostendeckung konnte aus dem Zinsergebnis der hier verwalteten Guthaben und der Nutzung von Dispositionskrediten erwirtschaftet werden. Das niedrige Zinsniveau lässt diese Erträge allerdings deutlich sinken.

Als Alternative ist im Mengengeschäft die Einführung von Guthabengebühren weder wirtschaftlich sinnvoll noch durchsetzbar. Die Veränderung von Kontoführungsentgelten wird eher akzeptiert und hat aufgrund der geringeren Guthabenhöhen deutlich stärkere Auswirkungen auf die Ertragslage.

Demzufolge wird es - zur Vermeidung der Quersubventionierung solcher Produkte - perspektivisch branchenweit zur Einführung von Kontoführungsentgelten respektive deren Erhöhung kommen. Die größten Effekte daraus erzielen dann bemerkenswerterweise jene Institute, die bislang hohe Bestände an gebührenfreien Konten aufgebaut haben.

Honorarberatung wird an Bedeutung gewinnen

Die Provisionserträge aus der Vermittlung von Finanzanlagen werden ebenfalls im Zeitablauf abnehmen, und die in Deutschland ungeliebte Honorarberatung wird zukünftig an Bedeutung gewinnen. Bei der Einführung derselben stellt sich daher nicht die Frage ob, sondern eher wann hierzu zumindest ein Angebot vorgehalten werden muss. Konsequenterweise wird diese Beratung ebenfalls die Bankanlagen betreffen, sodass auch Vermittlungen an Fremdanbieter möglich sind.

Honorarberater werden Anlageempfehlungen losgelöst von eigenen Produkten ausschließlich entsprechend den Kundenpräferenzen vermitteln. Es ist durchaus denkbar, dass sich dann auf den Zahlungsverkehr spezialisierte Unternehmen entwickeln, die eine Anlageberatung nur mit eingeschränkter Produktpalette oder gänzlich ohne eigene Produkte anbieten. Dies könnte bei steigenden Zinsen einfach nur ein marktgerecht verzinstes laufendes Konto sein.

Letztendlich entstehen vernetzte Vermittlungsplattformen, die die Wünsche und Präferenzen der Kunden immer besser berücksichtigen, wenngleich komplexe Beratungsansätze derzeit über entsprechende Software noch nicht umfassend darstellbar sind.

Der überwiegende Teil unserer Kunden wünscht eine filialgestützte und persönliche Beratung, was durch die Ergebnisse mehrerer Kundenbefragungen belegt wurde, zuletzt im Rahmen der Zertifizierungsprozesse unserer Beratungsqualität. Dieser Qualitätsvorsprung der Banken in der Anlageberatung muss sich auch in Zukunft immer wieder aufs Neue beweisen, um den Kundenbedürfnissen dauerhaft gerecht zu werden.

Transparenz und Zuverlässigkeit bei Vermittlungsagenturen

Die Bedeutung von Kreditvermittlungsplattformen im Internet nimmt kontinuierlich zu, praktisch findet hier eine Versteigerung von Krediten zum günstigsten Preis statt. Hier bestehen auch nicht unbeträchtliche operationelle Risiken. Die Bank ist verpflichtet, die Sachkunde von Kreditvermittlern zu prüfen. Die Provisionsregelungen sind für den Verbraucher nicht transparent. Kommt ein Abschluss nicht aufgrund der günstigsten Kondition, sondern über eine höhere Provision zustande, sind in Anbetracht der Rechtsprechung zum Verbraucherschutz beträchtliche rechtliche Risiken zu erwarten. Gleiches gilt bei einer nicht gegebenen Schuldentragfähigkeit.

Wir haben uns deshalb bewusst gegen die Inanspruchnahme von Vermittlern entschieden. Ob man mit einer Vermittlungsplattform zusammenarbeiten muss, die ihre Geschäftspartner mit "heruntergelassenen Hosen" zeigt, ist sicher auch eine Frage des Geschmacks und der Geschäftsphilosophie.

Konditionen steuern die Bilanzstruktur

Großanleger agieren heute bei ihren Anlagen ökonomisch rational. Persönliche, sachliche und räumliche Präferenzen spielen keine Rolle. Insofern bestimmt das Liquiditätsmanagement, das Unternehmenscontrolling oder die beauftragte Finanzverwaltung ausschließlich unter Ertragsgesichtspunkten über die Disposition der Finanzmittel. Negative Geldmarktzinsen führen daher zu einer Verschiebung von Anlagen der Großanleger mit unmittelbarer Wirkung auf die Bankbilanzen. Während bislang Umschichtungen innerhalb des Geldmarktes zur Optimierung der Liquiditätshaltung betrieben wurden, ist es zunehmend attraktiver, die Mittel auf unverzinslichen Bankkonten zu parken.

Banken steuern Liquiditätsströme im Kundengeschäft traditionell über die Konditionierung. Eine betragsmäßige Begrenzung von Anlagen, insbesondere auf laufenden Konten, ist rechtlich nicht unproblematisch. Für kleinere Institute mit Direktbankgeschäft ist dies bei den beschriebenen Rahmenbedingungen eine besondere Herausforderung, um große Volumenschwankungen zu vermeiden. Eine Konditionierung von unter null, also die Vereinnahmung von Negativzins oder einer Verwaltungsgebühr führt in der Regel dazu, dass umschichtungsbedingte Zuflüsse von Großanlegern und damit negative Auswirkungen in Form von unkontrollierten Mittelzuflüssen auf die Bilanzstruktur der Bank verhindert werden.

Bei der Entscheidung zur Einführung von Negativzinsen - oder für die Öffentlichkeit vermeintlich besser klingenden Verwaltungsgebühren - sind letztendlich die Bilanzstrukturen und deren Größengliederung ausschlaggebend. Das Erzielen von Fristentransformationsbeiträgen und Risikoprämien ist bei diesen jederzeit verfügbaren Einlagen nicht möglich, das Parken am Geld- oder Kapitalmarkt zu auskömmlichen Erträgen wird der Bank in Analogie zum Einleger ebenfalls nicht gelingen. Ein Ergebnisbeitrag ist insofern ohne deutlich erhöhtes Risiko nicht erzielbar, eine Bilanzverlängerung rentiert sich nicht.

Großvolumige Anlagen ohne Hausbankverbindung abgeschmolzen

Eine Bilanzausweitung führt außerdem dazu, dass sich die Barwertreserven der Aktivseite zumindest in der Relation verschlechtern. Die VR-Bank Altenburger Land hat in den letzten Jahren alle großvolumigen Anlagen ohne Hausbankverbindung abgeschmolzen. Bilanzielles Kundengeschäft, welches im Ausschreibungsverfahren gewonnen wird, ist vom herkömmlichen Kundengeschäft zu trennen. Diese Volumina sind beliebig über Konditionen zu steuern und erzielen in der Regel keine Konditionsbeiträge. Sie sind ausschließlich zur Steuerung der Bilanzrelationen geeignet. Ein positiver Ergebnisbeitrag war hier ohnehin nie zu erreichen. Dies gilt auch für über Vermittlungsplattformen generiertes Geschäft, auch hier handelt es sich nicht um einen Vertriebserfolg, sondern lediglich um Maßnahmen zur Bilanzsteuerung.

Ertragskraft wird perspektivisch weniger vom Zinsergebnis determiniert

Bankenaufsicht und Regulierung bilden für die VR-Bank Altenburger Land unveränderliche Rahmenbedingungen. Daher sind die künftigen Aktivitäten der Bank an diesen Gegebenheiten intelligent, flexibel und ressourcenschonend auszurichten, ohne dabei Kernkompetenzen und wesentliche Erfolgsfaktoren aufzugeben.

Die Ertragskraft wird perspektivisch weniger vom Zinsergebnis determiniert, weitere Ertragsquellen sind systematisch zu erschließen. Die Kosten zur Erzielung des Zinsüberschusses sind im Verhältnis zur Mengenentwicklung deutlich zu senken, um künftig Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Permanente Kostenkontrolle, Prozessoptimierung sowie die Steuerung der Kapazitätsauslastung sind die Schlüsselfaktoren für eine hohe Effizienz der Dienstleistungserstellung.

Die so erzielten Überschüsse werden in einem höheren Umfang als bisher für Innovationen eingesetzt. Neue Angebote müssen entsprechend den Kundenbedürfnissen und den Anforderungen des Verbraucherschutzes entwickelt und gleichzeitig kosteneffizient produziert werden. Die aufgezeigten Wege haben eines gemeinsam: Sie bedürfen einer hohen Veränderungsbereitschaft der Bank.

Zum Autor

Holger Schmidt, Vorsitzender des Vorstands, VR-Bank Altenburger Land eG/ Deutsche Skatbank, Schmölln

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