REGULIERUNG

Durch optimierte Rahmenbedingungen könnte viel Potenzial gehoben werden

Tobias Geibies, Foto: Union Investment

Der detaillierte rechtliche Rahmen europäischer und nationaler Standards schafft Vertrauen für die Produkte der Fondsindustrie, sagen Tobias Geibies und Andreas Maskow. Dennoch sehen sie noch erheblichen Optimierungsbedarf. Beispiele sind der EU-Aktionsplan für Sustainable Finance, dem durch die Sustainable-Finance-Strategie der EU-Kommission nicht vorschnell neue Regelungen folgen sollten oder auch Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Regulierungsmaßahmen, was die elektronische Zustellung der Kundeninformationen betrifft. Insgesamt mahnen die Autoren an, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Fondsbranche nicht zu beeinträchtigen. Red.

Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter sind neben Banken und Versicherern eine eigene und dritte Säule der Finanzwirtschaft. Für Anleger in Deutschland verwalten sie insgesamt ein Vermögen von rund 3 680 Milliarden Euro. Sie sind Mittler zwischen dem Kapitalangebot von Millionen Anlegern und der Kapitalnachfrage von Unternehmen sowie der öffentlichen Hand. Damit sind Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter eine tragende Säule der Volkswirtschaft.

Foto: AdobeStock_THANIT

Fondsgesellschaften handeln auf Basis eines detaillierten rechtlichen Rahmens europäischer und nationaler Standards. Dieser wird ständig weiterentwickelt und hat sich in der Vergangenheit als belastbar erwiesen. Das schafft Vertrauen in die Produkte und Dienstleistungen von Fondsgesellschaften. Dies klingt beeindruckend und die Entwicklung ist es auch. Ist also alles in Butter? Nein. Viel Potenzial ist noch ungenutzt beziehungsweise könnte durch optimierte Rahmenbedingungen gehoben werden. Einige Themenfelder werden im Folgenden beispielhaft aufgeführt:

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der Öffentlichkeit immer mehr an Bedeutung. Die Menschen gehen bewusster mit ökologischen und sozialen Themen um und möchten auch, dass diese Fragestellungen eine Rolle bei ihrer Kapitalanlage spielen. Nachhaltige Produkte werden in der jüngeren Vergangenheit vermehrt nachgefragt. In den letzten Monaten sind Union Investment durchschnittlich über eine halbe Milliarde Euro pro Monat in diese Produkte zugeflossen. Das ist ein deutlicher Indikator für die hohe Attraktivität der nachhaltigen Produkte. Nach unserer Auffassung ist das kein kurzfristiger Trend.

Auch vonseiten der Regulierung erhält Nachhaltigkeit immer mehr Rückenwind. Den EU-Aktionsplan für Sustainable Finance gibt es bereits seit 2018 und mit ihm entstand eine Reihe von Gesetzgebungsinitiativen. Die für die Fondsbranche relevantesten Bestandteile sind die Taxonomieverordnung, die Offenlegungsverordnung und die Änderung einer Delegierten-Verordnung zur MiFID II. Die Taxonomieverordnung bildet das Fundament und wird politisch heftig diskutiert. Sie definiert die Grundlage allen nachhaltigen Handelns, indem sie die Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aufstellt. Daran knüpft die Offenlegungsverordnung an und regelt, welche Informationen Asset Manager im nachhaltigen Kontext des Produktes gegenüber den Anlegern offenlegen müssen. Mit der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage schließt sich der Kreis. Durch sie soll beim Anleger sichergestellt werden, dass er über Nachhaltigkeitsaspekte in der Beratungssituation entsprechend informiert wird, um dann die für ihn passende Anlageentscheidung zu treffen.

Doch mit den Maßnahmen des EU-Aktionsplans ist das Kapitel der Regulierung für Sustainable Finance noch lange nicht abgeschlossen. Die Europäische Kommission befasst sich bereits mit der Weiterentwicklung. Sie entwickelt eine erneuerte "Sustainable- Finance-Strategie", die voraussichtlich im Jahr 2021 veröffentlicht wird. Neue verschärfende Maßnahmen für die Fondsbranche sollten jedoch erst eingeführt werden, wenn die vorherigen abgeschlossen sind und auch eine angemessene Zeit hatten, am Markt zu wirken.

Kundeninformationen einheitlich in elektronischer Form

Die EU-Kommission hat im Juli 2020 unter der Überschrift "EU Capital Markets Recovery Package" mehrere Vorschläge veröffentlicht, um unter anderem die ökonomischen Folgen der Corona-Krise zu bekämpfen. Die vorgesehenen regulatorischen Erleichterungen sollen den Kapitalmarkt unterstützen, sodass dieser eine erhoffte baldige Konjunkturerholung unterstützt. Angepasst werden sollen etwa die Regelwerke MiFID II (Anlegerschutzthemen), MiFIR (Marktinfrastruktur/ Research), die Benchmarkverordnung, das Prospektrecht, die Vorgaben zu Verbriefungen und die CRR (Kapitaladäquanzverordnung). Im Rahmen der MiFID II soll es neue Vorgaben geben um Informationen von Papierform auf ein elektronisches Format umzustellen.

Hier ist jeder Kunde betroffen, der noch Informationen auf Papier erhält. Doch das wird sich radikal ändern: Nach dem Vorschlag sind zukünftig alle Kundeninformationen standardmäßig in einem elektronischen Format zur Verfügung zu stellen. Die Kunden haben nur noch eine Opt-in-Möglichkeit, Dokumente in Papierform zu erhalten und sind entsprechend zu informieren.

Die Regeln sollen sowohl für Neu- als auch für Bestandskunden gelten. Bestandskunden sind im Voraus zu informieren, bevor sie ihre Unterlagen statt auf Papier auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt bekommen. Sie sind darauf hinzuweisen, dass sie die Wahl haben, die Informationen auch weiterhin auf Papier zu erhalten und dass der Wechsel automatisch erfolgt, wenn sie nicht ausdrücklich weiterhin Papier verlangen.

Von den vorgesehenen Gesetzesänderungen sind die Verkaufsunterlagen nach KAGB, insbesondere die wesentlichen Anlegerinformationen sowie das Basisinformationsblatt gemäß der PRIIPs- Verordnung derzeit nicht betroffen. Diese Dokumente sind, wenn es hier nicht auch noch zu einer Gesetzesanpassung kommt, weiterhin standardmäßig in Papierform zur Verfügung zu stellen. Hier entsteht eine wohl nicht beabsichtigte Diskrepanz. Um einen Gleichlauf mit MiFID II zu erzielen, sollten die UCITS- und PRIIPs- Vorgaben entsprechend angepasst werden. Das würde auch dem begrüßenswerten Ziel der Nachhaltigkeit dienen, welches mit der Fokussierung auf elektronische Dokumente ebenfalls gefördert werden soll.

Vernehmliche Misstöne bei PRIIPs

Nach heutigem Stand der Regulierung wird zum Jahresbeginn 2022 die PRIIPs-Verordnung auch für Fonds anwendbar sein. Dieses für Fonds neue Basisinformationsblatt soll zu diesem Zeitpunkt das bewährte zweiseitige Dokument der wesentlichen Anlegerinformationen ablösen.

PRIIPs verfolgt das hehre Ziel, für Kleinanleger konzipierte Finanzinstrumente aus den Bereichen Zertifikate, Versicherungen und Fonds vergleichbar zu machen. Dieser angestrebte Dreiklang verursacht jedoch vernehmbare Misstöne. In diesem Ansatz werden nämlich die unterschiedlichen Produktkategorien unter dem Primat der Vergleichbarkeit in ein enges Korsett von Berechnungsmethoden und Darstellungen gezwängt, wodurch der Informationsgehalt der Angaben jedoch deutlich leidet. Kurz gesagt soll gleichgemacht werden, was nicht gleich ist. Diese Bedenken sind von den betroffenen Verbänden wie dem Deutschen Fondsverband und der Deutschen Kreditwirtschaft wiederholt vorgebracht worden. Auch die zuständigen europäischen Versicherungs-, Bank- und Wertpapieraufsichten teilen die Ansicht, dass die Verordnung einer Überarbeitung bedarf.

Die Kritik der Fondsbranche richtet sich inhaltlich gegen zwei Hauptthemen:

  • Dies sind erstens die Performanceszenarien, welche die Darstellung der vergangenen Wertentwicklung ersetzen soll. Diese sind in ihrer Berechnungsmethode sehr umstritten und führen zu einer verzerrten Sicherheit hinsichtlich der erzielbaren Rendite eines Finanzinstruments.
  • Zweitens ist die Berechnung und Darstellung der Kosten als Auswirkung auf die Rendite zwar grundsätzlich zu begrüßen. In der Ausgestaltung werden die sogenannten impliziten Transaktionskosten allerdings in unangemessener Weise überzeichnet. Auch die Darstellung der Kosten weicht deutlich von der bekannten Darstellung in den Verkaufsunterlagen der Fonds ab, sodass hier wichtige Informationen verloren gehen.

Verpflichtende Honorarberatung führt zur sozialen Ausgrenzung

Das Internet eröffnet neue Zugangsmöglichkeiten zu Finanzprodukten und -dienstleistungen und damit neue Nutzungs- und Geschäftsmöglichkeiten. Aber nicht alles, was technisch möglich ist, ist für alle Kunden geeignet oder erwünscht. Die direkte Anlageberatung spielt nach wie vor eine erhebliche Rolle, um dem individuellen Beratungsbedarf aller Kunden gerecht zu werden. In Deutschland wurde mit dem Honoraranlageberatungsgesetz neben der bisherigen provisionsbasierten Anlageberatung auch die honorargestützte Anlageberatung gesetzlich etabliert. Beim honorarbasierten Modell wird die Beratung mit einem Festpreis, als Prozentsatz des investierten Volumens, einer Beteiligung an der Wertentwicklung, auf Stundenbasis oder einer Kombination abgegolten. Beim provisionsbasierten Modell dagegen wird die Beratung im Rahmen der Kostenstruktur des Finanzprodukts mitbezahlt, wenn es zu einem Abschluss kommt.

Eine verpflichtende Honorarberatung führt zur sozialen Ausgrenzung. Daten aus Großbritannien zeigen, dass seit Einführung des Provisionsverbots vor allem Kunden mit größerem Vermögen beraten werden. Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen oder Vermögen nutzen keine Honorarberatung und bleiben von einer qualifizierten Anlageberatung ausgeschlossen.

Union Investment tritt für einen breiten Zugang zu einer qualifizierten Anlageberatung ein. Jeder Bürger sollte selbst entscheiden können, welches Modell ihm und seinen Bedürfnissen am besten gerecht wird. Die Koexistenz der Beratung auf Provisionsbasis und Honorarbasis sichert dies.

Altersvorsorge mit Standard- und Individualprodukten

Die umlagefinanzierte gesetzliche Rente ist und bleibt der zentrale Baustein der Altersvorsorge in Deutschland. Sie kann allein jedoch keine ausreichende Versorgung im Alter garantieren. Dies hat die Politik erkannt und der Gesetzgeber hat 2001 die Riester-Rente eingeführt. Dadurch sollte die Nutzung der privaten kapitalgedeckten Altersversorgung gestärkt werden. Mit mehr als 16 Millionen Verträgen ist die Riester-Rente ein wich tiger Baustein für die zusätzliche pri vate Altersvorsorge. Der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur 19. Legislaturperiode sieht ein Festhalten an dem Drei- Schichten-Modell der Altersvorsorge sowie die Weiterentwicklung und gerechtere Ausgestaltung der privaten Altersvorsorge vor.

Union Investment begrüßt das Bekenntnis der Politik zur privaten Altersvorsorge und das Ziel zur Weiterentwicklung. Eine zielführende Weiterentwicklung der Riester-Rente kann durch den Fünf-Punkte-Plan erzielt werden, welcher gemeinsam von Versicherern, Fondsindustrie und Bausparkassen vorgeschlagen wurde. Er beinhaltet: Ausgestaltung eines Standardprodukts, Ausgestaltung einer transparenten Förderung, Erweiterung des förderberechtigten Personenkreises, Lockerung der Beitragsgarantie und Automatisierung des Zulageverfahrens. Demnach sollte ein neues Standardprodukt enorm vereinfacht und auf die Kerneigenschaften einer ergänzenden Alterssicherung reduziert werden. Neben einem Standardprodukt soll es aber auch Individualprodukte geben, die spezifische Kundenbedürfnisse abdecken.

Die Förderung sollte außerdem transparenter ausgestaltet werden, damit die Attraktivität sofort erkennbar wird. Um die derzeit komplizierte Fördersystematik verständlicher zu machen, sollten die gesamten Förder- und Prüfprozesse vereinfacht werden. Der Staat sollte zu jedem vom Sparer eingezahlten Euro 50 Cent Zuschuss gewähren. Dabei würde der Bundeshaushalt nur marginal mehr belastet und die Verbreitung der kapitalgedeckten Altersvorsorge trotzdem deutlich steigen. Für Geringverdiener und Familien sollen Grund- und Kinderzulagen erhalten bleiben, sodass diese weiterhin überproportional profitieren.

Gemäß dem "Fünf-Punkte-Plan" sollen ferner der Kreis der förderberechtigten Personen ausgeweitet und so Ausgrenzungen abgebaut werden. Die komplexe Abgrenzung der förderberechtigten Personenkreise sollte komplett entfallen. Künftig sollen alle in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen förderberechtigt sein, insbesondere auch (Solo-)Selbstständige.

Beitragsgarantien sollten gelockert werden, um Renditechancen zu verbessern. Die heutige Zusage der 100-Prozent-Garantie der Bruttobeiträge erschwert eine chancenreiche Kapitalanlage. Anbietern sollte es künftig freigestellt werden, welches Garantieniveau sie anbieten. Je nach Risikopräferenz können Sparer dann das für sie passende Produkt wählen. Dadurch wird eine chancenreichere Kapitalanlage ermöglicht.

Das Zulageverfahren sollte automatisiert ausgestaltet werden. Statt der Zulagenbeantragung sollte eine automatisierte Meldung der Höhe der eingegangenen Beiträge durch die Anbieter automatisch innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Beitragsjahres an die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) erfolgen. Die ZfA sollte die Voraussetzungen für die Zulagengewährung abschließend vor der Auszahlung prüfen.

Als Fazit lässt sich festhalten: Die Fondsbranche hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie ihre Funktion als Mittler zwischen dem Kapitalangebot und der Kapitalnachfrage hervorragend erfüllt. Auch zukünftig wird sie einen wesentlichen und möglicherweise noch steigenden Beitrag leisten können. Voraussetzung dafür ist ein entsprechendes regulatorisches Umfeld.

Das Thema Nachhaltigkeit erfordert einen engagierten Ansatz. Die Adressaten der Gesetze brauchen Rechtssicherheit über die sie treffenden Pflichten. Das fordert eine rechtzeitige und konsistente Fertigstellung von Gesetzen und angemessene Umsetzungs- und Übergangsfristen.

Regulierungsfolgen besser berücksichtigen

In der Europäischen Finanzmarktregulierung sollte konsequent die Tiefe und die Breite der Regulierungsfolgen berücksichtigt werden. Neben dem Regulierungsziel Verbraucherschutz und Finanzmarktstabilität muss zusätzlich auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzindustrie im Fokus stehen, so wie es in den USA der Fall ist.

Die Tendenz zu einer überbordenden und teilweise unabgestimmt wirkenden Regulierung bindet enorme Ressourcen. Diese fehlen für eine innovative Zukunftsaufstellung. Und sie hilft auch nicht immer dem Anleger, sondern führt bei diesem zu einer gefühlten Verunsicherung, wie eine Studie der Ruhr-Universität Bochum zeigt. Stabile und bewährte Marktstrukturen wie in Deutschland der Zugang zu einer qualifizierten Anlageberatung für Jedermann greifen Bedarfe der Privatanleger auf und sind zu erhalten.

Bei dem gesellschaftlich und sozialpolitisch bedeutsamen Themenfeld Wohlstandssicherung und private Altersvorsorge gilt es schließlich, die Riester-Rente im Sinne des "Fünf-Punkte-Plan" zu einer "Zulagenrente" weiterzuentwickeln.

Tobias Geibies, Leiter Sortimentstrategie & Regulierung, Union Asset Management Holding AG, Frankfurt am Main
Andreas Maskow, Gruppenleiter Public Affairs, Union Asset Management Holding AG, Frankfurt am Main
 
Tobias Geibies , Leiter Sortimentstrategie & Regulierung, Union Asset Management Holding AG, Frankfurt am Main
Andreas Maskow , Gruppenleiter Public Affairs, Union Asset Management Holding AG, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X