VERSICHERUNGEN

"Versicherungen spielen in der Landwirtschaft eine wachsende Rolle" / Interview mit Raimund Lichtmannegger

Raimund Lichtmannegger, Foto: Versicherungskammer Bayern

Agrarversicherungen erfordern ein ganz besonderes Know-how, meint Raimund Lichtmannegger. Dies können in Deutschland nur etwa sieben oder acht Anbieter offerieren. Dabei muss das Angebot mit der technischen Entwicklung Schritt halten. Denn die bereits in hohem Maße verbreitete Digitalisierung in der Landwirtschaft erfordert immer höhere Investitionen, die dann natürlich auch abgesichert werden müssen. Dabei weisen die abzusichernden Risiken eine hohe Komplexität auf. Ein zunehmend wichtiges Thema in der Agrarversicherung ist die Ernteversicherung. Hier fordert Lichtmannegger eine staatliche Förderung der Versicherungsprämien, wie sie in anderen Ländern längst Usus ist. Red.

Foto: AdobeStock_Hoda Bogdan

Wie sieht der Markt für Agrarversicherungen in Deutschland aus? Wer sind die großen Player? Wie stark ist die Marktkonzentration?

Der landwirtschaftliche Markt ist von seiner Wirtschaftsleistung her ein bedeutender. Und er ist regional verteilt. Aufgrund der Technisierung und der vielen Herausforderungen, etwa in Richtung Umweltschutz und Klimawandel, bedienen den landwirtschaftlichen Markt aus Versicherungssicht nur noch wenige Gesellschaften. Denn dafür braucht es das erforderliche Know-how und die Fähigkeit, Risiken adäquat eindecken zu können.

Das können bis zu sieben oder acht landwirtschaftliche Versicherer in der Bundesrepublik sein. Die Versicherungskammer Bayern gehört dabei zu den traditionellen. Vor über 200 Jahren gegründet, hat sie die Kompetenz und das Kundenklientel Landwirtschaft bis heute im Fokus behalten.

Wie würden Sie in etwa Ihren Marktanteil beziffern?

Marktanteile zu benennen ist deshalb schwierig, weil sich das Geschäftsgebiet der Versicherungskammer Bayern traditionell auf Bayern und die ehemalig bayerische Kurpfalz, als Pfalz heute Teil von Rheinland-Pfalz, begrenzte und wir erst in den vergangenen Jahren sukzessive deutschlandweit anbieten.

Der Marktanteil in Bayern ist spartenabhängig relativ hoch. In der landwirtschaftlichen Gebäudeversicherung beispielsweise sind über 80 Prozent aller landwirtschaftlichen Gebäude bei uns versichert. Je nach weiterer Versicherungssparte, zum Beispiel landwirtschaftliche Kraftfahrzeuge, landwirtschaftliche Inhaltsversicherungen, Ernte- und Tierversicherungen, variieren diese Bestandsanteile. In der Regel kommen wir auf Marktanteile zwischen 30 und 50 Prozent.

Die Versicherungskammer Bayern bezeichnet sich als "Hidden Champion" der Agrarversicherung. Wie ist das zu verstehen?

"Hidden Champion" sind wir deshalb, weil wir nach Beitragseinnahmen der größte landwirtschaftliche Gebäudeversicherer Deutschlands sind, was nur wenige wissen. Die Versicherungskammer Bayern ist auch der drittgrößte Ernteversicherer Deutschlands und rund 11 Prozent aller unserer Beitragseinnahmen in der Schadenversicherung des Konzerns entfallen auf das landwirtschaftliche Segment.

Erst seit einiger Zeit bieten wir im landwirtschaftlichen Segment auch über unsere Konzernunternehmen im Saarland und in Berlin Brandenburg deutschlandweit an. Deshalb ist unser Bekanntheitsgrad noch nicht der, der unseren Leistungen entspricht. Aber das kommt noch. Auch der "Hidden Champion" ist ein Champion und in der Regel sind seine Gewinnchancen die besten.

Was für Risiken deckt ein Landwirt typischerweise mit den verschiedenen Versicherungssparten ab?

Das lässt sich pauschal schwer sagen, weil die Betriebe und ihre Versicherungsbedürfnisse höchst individuell sind. Generell ist die Haftpflichtversicherung - wie bei Privatleuten auch - eine der wichtigeren Versicherungen. Natürlich ist es für den Landwirt dringend erforderlich, eine Feuerversicherung für seine Betriebsgebäude (wie zum Beispiel Stallungen, Futterlager oder Halle für den Maschinenpark und natürlich sein Wohnhaus) abzuschließen.

Aufgrund der großen Investitionen, die landwirtschaftliche Betriebe heutzutage aufwenden, ja aufwenden müssen, ist es auch ratsam, die Inhalte, die in den Gebäuden stehen oder gelagert werden, also Fuhrpark, Melktechnikanlagen, Mähdrescher und ähnliches abzusichern. Hierfür ist die Inhaltsversicherung die richtige Versicherung. Insofern gibt es eine Fülle von Versicherungen, die der Landwirt abschließen kann.

Seit geraumer Zeit gewinnt die Versicherung der Ernte und der Ernteausfälle gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels zunehmend an Bedeutung. Denn etwa 50 Prozent des Ertrages einer Landwirtschaft kommen aus dem Ertrag der Feldfrüchte.

Welche Treiber für die Veränderung der Nachfrage gibt es neben dem Klimawandel noch?

Ein Treiber ist neben dem Klimawandel die Entwicklung der Landwirtschaft per se. Es gibt keinen mir bekannten Gewerbebereich, der ähnlich fulminante Fortschritte technischer Natur hinter sich hat wie die Landwirtschaft. Wir sprechen immer gern von "Industrie 4.0" oder von sonstigen digitalen Errungenschaften. Die Landwirtschaft an sich ist da längst weiter. Viele Arbeitsmaschinen werden heute bereits GPS-gesteuert. Landwirte fliegen schon seit Jahren mit Drohnen über ihre Anbauflächen. Es wird mit Satellitenaufnahmen gearbeitet. In der Tiermast oder -zucht wird Fütterungstechnik mit hochwissenschaftlichem Hintergrund vorgehalten.

Und all diese Neuerungen brauchen natürlich Geld für die notwendigen Investitionen. Das hat den Anteil der Fremdmittel in landwirtschaftlichen Betrieben deutlich erhöht. Und das wiederum generiert Absicherungsbedarf.

Ein Stallneubau für frei laufende Rinder kostet bei normalem Zuschnitt von etwa 100 bis 180 Kühen weit über 700 000 Euro. Investiert der Landwirt darüber hinaus in Technik wie einen automatischen Melkstand, ein Melkkarussell oder einen Fütterungscomputer oder anderes, sind wir schnell bei einem Investitionsvolumen von über eine Million Euro. Dieses Investment gilt es abzusichern - gegen Feuer und gegen Elementarschäden, um nicht in der Zeit der Kreditrückzahlung in eine Situation zu kommen, in der der landwirtschaftlichen Familie die Existenzgrundlage entzogen wird.

Hält man sich vor Augen, dass allein die Genossenschaftsbanken in Bayern 2019 über 6,3 Milliarden Euro Kredit an die Landwirtschaft ausgereicht haben, dann zeigt dies, dass das Thema Versicherung eine wachsende Rolle spielen muss.

Verändern sich im Zuge der angesprochenen Neuerungen auch die Versicherungsprodukte oder wird die neue Nachfrage durch das klassische Angebot abgedeckt?

Es ist natürlich erforderlich, und da ist die Versicherungskammer Bayern Vorreiter aus innovativer und technischer Sicht, dass die Assekuranz dem landwirtschaftlichen Fortschritt folgt. Zwei Beispiele aus der in Bayern besonders ausgeprägten "grünen Energie" sind Photovoltaik und Biogasanlagen sowie die Stromerzeugung hieraus.

Diese Techniken waren noch vor 20 Jahren völlig unbekannt. Sie sind dann aber rasch, auch aufgrund entsprechender staatlicher Förderungen infolge der Energiewende, wie Pilze aus dem Boden geschossen. Und plötzlich bestand Versicherungsbedarf. So eine komplexe Anlage wie eine Biogasanlage bringt eine Fülle von Risiken mit sich. Beispielsweise werden dort im großen Umfang Gülle und Gärstoffe gelagert. Wenn sie auslaufen, verunreinigen sie das Grundwasser erheblich. Immer wieder kommt es auch aufgrund geringer Versäumnisse, zum Beispiel bei der Reinigung von Gärbehältern, zu Explosionen und Verpuffungen, die auch Menschenleben kosten können. Diese Risiken in den Griff zu bekommen und gut abzusichern ist Herausforderung und Ansporn für uns gewesen.

Das erforderte eine Weiterentwicklung der entsprechenden Produkte. Es genügt eben nicht, eine Biogasanlage nur gegen Feuer zu versichern, sondern auch gegen diese Explosionsrisiken. Es gilt, die teuren Maschinen, die das Gas in Strom umwandeln und einer hohen Belastung ausgesetzt sind, beispielsweise durch eine Maschinenbruchversicherung abzusichern. Es gilt, die empfindlichen Solarmodule mit einer Elektronikversicherung abzusichern. Das sind alles Dinge, die sich im Versicherungsbereich im Einklang mit der landwirtschaftlichen technischen Entwicklung entsprechend weiterentwickeln.

Neuestes Beispiel ist die sogenannte Cyber-Versicherung, die noch sehr verhalten nachgefragt wird, weil die potenziellen Schäden noch nicht im Bewusstsein der Landwirte angekommen sind. Es finden jedoch gerade im nördlichen Deutschland immer wieder Cyber-Attacken auf große viehhaltende Betriebe statt. Fütterungsanlagen werden gehackt und stellen den Betrieb vor enorme Herausforderungen. So kann es sein, dass letztlich die Befütterung der Tiere plötzlich blockiert ist und nur gegen die Zahlung von Lösegeld wieder freigegeben wird. Auch das ist ein Beispiel für neue Bedarfe. Sie entstehen durch den Wandel der Landwirtschaft und der Gesellschaft.

Was bedeutet diese Komplexität für die Preissensitivität und Loyalität der Kunden? Sind Landwirte weniger als andere Kunden geneigt, den Versicherer zu wechseln, um Einsparungen zu erzielen?

Sie sprechen einen Punkt an, der die landwirtschaftlichen Kunden auszeichnet. Sie sind sehr loyal. Sie schätzen, und das zeigen unsere Umfragen immer wieder, eine Beratung auf Augenhöhe und auf fachlich hohem Niveau. Und möglichst durch ein und dieselbe Person. Das kann die Versicherungskammer Bayern gewährleisten, weil wir mit über 20 Agraringenieuren in den Regionen arbeiten, die sowohl die Spezialitäten der jeweiligen Regionen kennen als auch die dort besonders ausgeprägten Produktionsweisen wie beim Obstanbau, bei der Tierzucht, in Spargel- oder Hopfengebieten.

Preissensitivität besteht bei den Landwirten durchaus auch. Sie findet ihre Grenze jedoch in den Schadenaufwendungen und den sich daraus berechnenden Preisen. Aktuell beschäftigt mich zum Beispiel das Frostgeschehen in der Ernteversicherung im Bodenseeraum, aber auch im fränkischen Weinanbaugebiet Bayerns. In Rheinland-Pfalz sind die Winzer dieses Jahr nur knapp einer Frostkatastrophe entgangen. Da ging es nur um eine minimale Temperaturabweichung von ein bis zwei Grad Celsius - und es entstehen fulminante Schäden. Wir sind zurzeit dabei, diese Schäden am Obst im Bodenseeraum zu regulieren und werden dafür mehr als zweistellige Millionenbeträge aufwenden müssen.

Es braucht also einen Versicherer, der solide ist, eine gewisse Größe hat und - das ist das Wichtigste - auch die notwendige Kompetenz hat, diese Schäden sauber zu taxieren. Insofern schränkt sich der Kreis der möglichen Anbieter deutlich ein. Das kann keinesfalls mit dem Wechselverhalten im Privatkundengeschäft beispielsweise in der Kfz-Versicherung verglichen werden.

Wie hat sich generell die Schadenentwicklung in der Landwirtschaft entwickelt?

Die Schadenaufwendungen steigen deutlich. Und auch das begründet sich zum Großteil durch die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe. Wenn ein Betrieb hochtechnisiert ist, eine Vielzahl von Gebäuden und gegebenenfalls sogar mehrere Betriebszweige an einem Standort unterhält, neben dem Betrieb eines Rinderstalls auch aus der Gülle mit einer Biogasanlage Strom erzeugt, mit der Abwärme noch einen Hühnerstall erwärmt und eine Eierproduktion hat, dann ist bei dieser Vielzahl von Werten und Gebäuden der Schaden natürlich deutlich größer als das noch vor fünf oder zehn Jahren der Fall war.

Die Landwirtschaft, die es vor 30 oder 40 Jahren gab und die die Bevölkerung und vor allem auch die Politik noch immer als Wunschbild vor Augen hat, die gibt es nicht mehr. Deren Schäden waren natürlich deutlich geringer.

Der Klimawandel treibt die Schäden ebenfalls - vor allem in der Ernteversicherung, wo wir aufgrund der Prognosen der Klimaforscher und -modelle zum Beispiel mit solchen Frostschäden im Schnitt alle drei Jahre rechnen. Auch deshalb ist zu befürchten und zu erwarten, dass die Schadenentwicklung weiter zunehmen wird. Vor diesem Hintergrund ist es eine zunehmende Herausforderung, die Vielfalt an landwirtschaftlichen Betrieben gut und adäquat zu versichern.

Gibt es auch Risiken, die Landwirte gerne versichern würden, die sich aber nicht zu bezahlbaren Konditionen versichern lassen?

Sie sprechen da etwas an, das uns momentan sehr beschäftigt: eben die Ernteversicherung. Diese hat eine lange Tradition. Im Konzern Versicherungskammer ist sie die zweitälteste Sparte, also weit über 140 Jahre alt. Traditionell war es in der ganzen Bundesrepublik Usus, die Ernte gegen Hagelereignisse zu versichern. Mit der Versicherung gegen weitere Naturgefahren wie Frost, Sturm und vor allem Trockenheit, die jetzt auf die Landwirte zukommen, hat man sich hingegen lange schwer getan. Aber gerade in den vergangenen zehn Jahren beobachten wir, dass sich diese Ereignisse in engeren Abständen wiederholen.

So gab es in dieser Periode allein drei starke Frostereignisse. Oder nehmen wir die Trockenheit, die nicht erst vor zwei Jahren extrem war. Auch während des sogenannten Sommermärchens, dem WM-Sommer 2006, war sie stark zu spüren. Bereits damals wurde die Herausforderung an die Versicherungswirtschaft herangetragen, diese Ereignisse zu versichern.

Aufgrund der hohen Prämien, die - bedingt durch das extreme Schadenausmaß - hier aufgerufen werden müssen, ist es für die meisten Betriebe jedoch nicht realisierbar, sich einen solchen Versicherungsschutz einzukaufen, ohne dass staatliche Unterstützung erfolgt. Die ausgeprägte Trockenheit 2018 hatte beispielsweisen Schäden und Ernteeinbußen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro bundesweit zur Folge. So etwas abzusichern lässt sich über ein normales Modell nicht gewährleisten. Denn die Prämien sind so exorbitant hoch und belaufen sich auf teilweise über 100 Euro je Hektar, abhängig von der Frucht, die dort angebaut wird.

Aus diesem Grund ist die Politik in Deutschland dabei, die bisherige Position zu überdenken und will womöglich nun doch den Abschluss von Ernteversicherungen staatlich fördern. Aktuell nimmt Deutschland bei dieser Thematik aber in Europa einen ziemlich traurigen Platz auf der Rangliste ein. Rundum bei den Nachbarn in Italien, Frankreich, Spanien oder Österreich ist es längst Usus, Versicherungen mit bis zu 80 Prozent der Prämien zu fördern. Und insofern haben die heimischen Landwirte hier einen ganz empfindlichen Wettbewerbsnachteil wettzumachen, weil Landwirtschaft natürlich längst nicht mehr nur im eigenen Land vermarktet wird, sondern auch europa- und weltweit.

Momentan gibt es erste Zeichen, die hoffen lassen. Ein Pilot lief in diesem Jahr in Baden-Württemberg für Obst und Wein. Bayern und Rheinland-Pfalz tragen sich mit dem Gedanken, für 2020/21, also für die neue Saison, gegebenenfalls eine Förderung ihrer Landwirte auf den Weg zu bringen. Von daher ist dieses Thema mit den teuren Prämien für exorbitant hohe Risiken möglicherweise in Griff zu bekommen.

Inwieweit können sich Landwirte gegen Dürre versichern?

Die Versicherung von Ernteerträgen bei ausbleibendem Niederschlag - wir sprechen von Trockenheitsversicherung - ist eine neue, gewaltige Herausforderung für alle Beteiligten. Unter dem Aspekt des Katastrophenschutzes ist der Staat gefordert; die landwirtschaftlichen Betriebe, landwirtschaftliche Forschung, Saatguthersteller wie Versicherer sind gefordert, sich dieser dynamischen Entwicklung im Zuge des Klimawandels zu stellen. Die Versicherungskammer Bayern hat als erster Versicherer seit 2015 eine Versicherung bei Trockenheit angeboten. Im Endeffekt geht es darum, eine Versicherungsleistung an verlässliche wie messbare Parameter zu knüpfen und nicht an den üblicherweise schwankenden Feldertrag.

Es ist völlig normal, dass der Ertrag auf einem Feld oder in einer Obstanlage jährlich um bis zu 20 Prozent und mehr schwanken kann. Kritisch wird es für den Betrieb dann, wenn drastische Ertragsverluste zu beklagen sind. Unsere Trockenheitsversicherung ist klar definiert: Sie wird quadratkilometergenau an den Niederschlag geknüpft, der auf dem Feld fällt. Gleichzeitig ist die Niederschlagsmenge, die die Versicherungsleistung auslöst, abhängig von der jeweiligen Frucht, die auf dem Feld steht: weil selbstverständlich Mais einen anderen Wasserbedarf hat als beispielsweise Getreide und natürlich auch zu anderen Zeitpunkten.

Hier ist sehr viel Spezial-Know-how notwendig. Es braucht aber auch klare Parameter, die es ermöglichen, eindeutig abzuleiten, wann eine Versicherungsleistung zu zahlen oder zu erwarten ist und wann eben noch nicht.

Über welche Kanäle schließen Landwirte ihre Versicherungen ab? Gibt es auch in der Agrarversicherung den Trend Richtung Online-Abschluss oder geht das noch stark über den persönlichen Ansprechpartner?

Beides. Wobei der Schwerpunkt schon auf der persönlichen Beratung liegt und auf dem fachlichen Verständnis des jeweilig zu versichernden Betriebs. Letztlich gleicht aber kein Betrieb dem anderen, weshalb sich auch die Ver- und Absicherungsbedürfnisse deutlich unterscheiden können. Insofern ist es nach unserer Überzeugung und Erfahrung nicht möglich, den Online-Abschluss massiv zu forcieren.

Dennoch sind die Landwirte extrem internet- und technikaffin. In der Ernteversicherung beispielsweise melden sie den Anbau auf ihren Feldern - also ob in diesem Jahr auf dem Feld Raps oder Weizen steht, der abzusichern ist - über ein Online-Portal und können dort auch ihre Versicherungssummen, mögliche Eigenbehalte und dergleichen digital eingeben. Auch die Schadenregulierung und Schadenmeldung erfolgt über dieses Portal.

Doch der persönliche Austausch auf fachlich hohem Niveau ist nach wie vor ein wesentliches Momentum und wird das auch künftig bleiben. In der Schadenregulierung der Ernteversicherung könnte man gut darüber diskutieren, ob man mit Satellitenaufnahmen, Drohnen oder mit parametrischen Versicherungen Entschädigungen bezahlt.

Ausschlaggebend ist jedoch hier die Beratungsleistung im Schadenfall. Bei einem Hagelschaden betrifft das beispielsweise die Frage, ob es sich noch lohnt, das verbliebene Erntegut auf dem Feld weiterzuführen, oder ob es ratsamer ist, umzuackern und eine neue Frucht zu pflanzen. All diese Vorgänge lassen sich online nicht bedarfsgerecht abdecken.

Gibt es auch in der Agrarversicherung Assistance-Leistungen, wie man es aus anderen Bereichen kennt?

Die Assistance-Leistungen für Landwirte sind nicht so ausgeprägt wie in der Versicherungswelt für Privatkunden. Gleichwohl gehört es zum Standard unserer Schadenregulierung, dem Landwirt selbstverständlich entsprechende Angebote zu unterbreiten. Fällt beispielsweise während der Getreideernte ein Mähdrescher aus, bedeutet das für uns, einen Ersatzmähdrescher zu organisieren, weil natürlich auch die Dauer der Betriebsunterbrechung in gewissen Fällen versichert ist. Aus unserem Eigeninteresse heraus sind wir also bemüht, den Schaden des Kunden möglichst gering zu halten.

Oder nehmen Sie zum Beispiel Messsonden für Heu- und Strohballen, die sich selbst entzünden können. Wir unterstützen die Anschaffung dieser Messsonden für unsere Kunden mit bis zu 50 Prozent des Kaufpreises.

Hängt die vergleichsweise geringe Relevanz von Assistance-Leistungen auch damit zusammen, dass die Betriebe so unterschiedlich sind?

Das ist ein Grund. Ein zweiter Grund ist, dass Landwirte in der Regel die Ärmel hochkrempeln, sich mit der Unbill des Lebens arrangieren und das Beste daraus machen. Von daher ist die Nachfrage nach Assistance-Leistungen nicht ganz so groß.

Mit welchen anderen Faktoren lässt sich in der Agrarversicherung im Wettbewerb punkten?

Die Versicherungskammer Bayern punktet mit Kundennähe, viel Manpower und extrem hohem Sachverstand. So sind wir "Landwirteversteher", beraten und besprechen die Dinge mit unseren Kunden auf Augenhöhe und mit höchstem landwirtschaftlichen Know-how. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Zudem haben wir Berater in den Regionen, die die dortigen spezifischen lokalen Besonderheiten kennen. Viele Berater sind selbst noch praktizierende Landwirte. Das macht unseren Markenkern aus.

Gibt es wie in anderen Bereichen der gewerblichen Sachversicherung Pauschalpakete für kleinere Betriebe? Oder ist der Bedarf der einzelnen Betriebe dafür zu unterschiedlich?

Die Betriebsgröße macht natürlich einen Unterschied beim Versicherungsbedarf, weil sich auch die Art des Betriebes mit der Größe verändert oder mit der Kleinheit anders gestaltet. Kleinere Betriebe sind oft familiengeführt. Insofern hilft man sich hier aus, es wird noch viel mit Arbeitskraft und von Hand erledigt. Hier bleibt auch das Versicherungsbedürfnis ein kleineres als in einem größeren Betrieb mit mehreren Betriebszweigen. Ein tierhaltender Betrieb, der mästet, zugleich schlachten lässt und auf einem eigenen Hofladen seine Produkte vermarktet, braucht gänzlich andere Versicherungsprodukte als derjenige, der seine Kühe hält, melkt und die Milch an die Molkerei abliefert.

Auch die Technik, die auf dem Hof vorgehalten wird, macht einen enormen Unterschied: Ein moderner Stall mit technischen Finessen und mit Ausstattungen, die auch dem Tierwohl besonders Rechnung tragen, hat eine ganz andere Dimension an Versicherungsbedarf als ein kleiner "idyllischer" Familienbetrieb.

Es ist aber auch regional sehr unterschiedlich, was mit vielerlei historischen Gegebenheiten zu tun hat. Die Betriebsgrößen in Bayern und Baden-Württemberg unterscheiden sich fundamental von denen im Osten Deutschlands. Der durchschnittliche Betrieb in Bayern hat etwa um die 40 Hektar. Aufgrund der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), die bis zum Fall der Mauer in Ostdeutschland vorzufinden waren, waren die Betriebsgrößen mit mehreren tausend Hektar per se andere. Oft sind die Betriebe dort heute Kapitalgesellschaften in Form einer AG oder zumindest einer GmbH, während in den kleiner dimensionierten Regionen Familien- oder Nebenerwerbsbetriebe dominieren. Dieser Regionalität muss ein guter Landwirtschaftsversicherer gerecht werden.

Welchen Stellenwert hat das Thema Absicherung für Nebenerwerbslandwirte, die doch vielleicht etwas weniger von dem Einkommen aus der Landwirtschaft abhängig sind?

Das Thema Nebenerwerbslandwirtschaft ist in der Gesellschaft missverständlich angekommen. Nebenerwerb heißt schlicht und ergreifend, dass der Landwirt, der Betriebsführer, noch einer weiteren Beschäftigung nachgeht. Die Versicherung hängt nicht so sehr von Nebenerwerb oder Vollerwerbsbetrieb ab, sondern eher von der individuellen Risikobereitschaft des Betriebsleiters. Auch Nebenerwerbsbetriebe werden professionell geführt und können erstaunliche Betriebsgrößen aufweisen.

Inwieweit ist die Abhängigkeit der Landwirtschaft von den Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, ein Thema für Versicherer?

Die Abhängigkeit von politischen Entscheidungen fordert zunächst den Betrieb und hat nicht so sehr viel mit dem Risikomanagement zu tun. Es sei denn, es ist so wie in der Ernteversicherung, dass die Prämien durch das abzudeckende enorme Risiko extrem hoch sind und nur schwer erwirtschaftet werden können. Hier ist die Unterstützung des Staates für die Landwirte unabdingbar. Zudem darf diese Unterstützung sich nicht auf ausgewählte Extremrisiken wie zum Bespiel den Obstbau begrenzen, weil jede Versicherungslösung ein Versichertenkollektiv zum Ausgleich benötigt.

Macht es aus Versicherungssicht einen Unterschied, ob ein Landwirt konventionelle oder Bio-Landwirtschaft betreibt?

Ja, an einer Stelle ist es ein sogar prägnanter Unterschied, nämlich wiederum im Bereich der Ernteversicherung. Biologische Anbaumethode beim Ackerbau heißt, weder zu düngen noch zu spritzen. Ein Beispiel: Geht ein Hagelzug über ein Zuckerrübenfeld, schlägt das Hagelkorn die Pflanze natürlich an. Während der konventionelle Landwirt in der Lage ist, mit Pflanzenschutz darauf zu reagieren, darf der biologisch erzeugende Landwirt das nicht oder nur extrem eingeschränkt. Das kann dazu führen, dass er einen deutlich größeren Teil seiner Ernte verlieren wird. Insofern unterscheiden sich zum Beispiel die Versicherungsprämien für konventionelle und biologisch arbeitende Landwirte.

An dieser Stelle müsste also die Politik, möchte sie den Ausbau der biologischen Landwirtschaft fördern, auch besonders die Förderung der Versicherungsprämien unterstützen?

Wir fordern in der Versicherungsbranche generell, dass aus Gleichbehandlungsgründen im Wettbewerb die deutschen Landwirte im Risikomanagement unterstützt werden sollten. Anders als die derzeitigen Pilot-Förderungen es vorsehen, sollte diese Förderung nicht auf besonders teure oder risikoreiche Sorten wie Wein oder Obst begrenzt werden.

Denn letztlich hat der Ackerbauer, der seine Zuckerrüben oder den Mais als Futtergrundlage verliert, die gleichen existenziellen Sorgen wie der Obsterzeuger, der wegen des Frostes nur 30 Prozent des gewünschten Ertrages hat. Deswegen ist unsere Forderung hier, das Kollektiv zu erweitern, eine Breite in der Förderung zuzulassen und diese nicht nur punktuell anzusetzen.

Raimund Lichtmannegger, Direktion Landwirtschaft, Versicherungskammer Bayern, München

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