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Bundesbank-Statistik für das Kartengeschäft: mit Vorsichtzu genießen

Das sogenannte "Blue Book" der EZB und das "Red Book" der Bank für internationalen Zahlungsausgleich melden jährlich die Zahlungsverkehrsdaten für Deutschland und andere Länder in Europa. Diese Daten werden von den jeweiligen Zentralbanken erhoben und von vielen Marktteilnehmern als zuverlässige Statistik geschätzt.

Die ausführlichen Statistiken verleiten zu vergleichenden Analysen zwischen den Ländern, die aber mit sehr viel Vorsicht zu genießen sind, da bislang in den einzelnen Ländern unter dem gleichen Begriff oft Unterschiedliches subsumiert wird. So werden zum Beispiel in Italien unter "cards with e-money function" die Prepaidcards von Mastercard und Visa gezählt, während in Deutschland nur die Geldkarten subsumiert werden. Das führt in diesem Fall zum völlig realitätsfernen Ergebnis, dass Italien 65 Prozent des E-Geld-Umsatzes in der EU auf sich vereint. Für eine separate Analyse der Zahlungsverkehrsdaten einzelner europäischer Länder ist die Blue Book-Statistik der EZB aber oft die einzige verfügbare Quelle.

Seit November 2008 liegen nun die von der Bundesbank erhobenen Zahlen des deutschen Kartengeschäfts für 2007 vor. Das Ergebnis ist katastrophal. Es scheint, als ob die Weltwirtschaftskrise bereits in 2007 (! ) das Kartengeschäft völlig ruiniert habe. Der PoS-Umsatz mit Zahlungskarten (Debit- und Kreditkarten inklusive Handelskundenkarten) ist mit einem Minus von 16,4 Prozent auf der Issuing-Seite (Umsatz deutscher Karten im In- und Ausland) regelrecht eingebrochen (2006: 163,2 Milliarden Euro; 2007: 136,4 Milliarden Euro). Die Acquiring-Seite des Kartengeschäfts verzeichnet ein noch schlimmeres Ergebnis: minus 26 Prozent (2006: 163,3 Milliarden Euro; 2007: 120,9 Milliarden Euro). Die Anzahl ausgegebener Zahlungskarten ist dagegen um 800 000 Karten leicht gestiegen auf 108,7 Millionen Karten (plus 0,7 Prozent).

In einer Fußnote verweist die Bundesbank auf eine Umstellung der Erhebungsmethodik für die Daten 2007, wodurch ein Bruch in den Zahlenreihen entstehen könne. Bislang wurden die Daten auf Makro-Ebene durch Addition aggregierter Daten der Bankenverbände, ZKA, Kreditkartensysteme und so weiter erhoben. Ab 2007 basieren die Transaktions- und Umsatzdaten auf einer Aggregation der Angaben einzelner Kreditinstitute (die Terminaldaten werden weiterhin auf Makro-Ebene erhoben). Für 2007 war die Datenabgabe noch freiwillig, für 2008 gilt eine Meldepflicht.

Kartengeschäft 2007 nicht rückläufig

Diese Umstellung von Makro- auf Mikro-Ebene ist das Ergebnis einer Harmonisierung der Erhebungsmethodik im Euro-System. Wenn man aber weiterhin inhaltlich das Gleiche erhebt, müsste die neue Methode zum gleichen Ergebnis wie die alte führen. Nun gibt es kaum Anhaltspunkte, dass die Statistik im Kartenbereich auf neuen Definitionen beruht. Es gibt zwar neue Abgrenzungskriterien und eine weitere Detaillierung (zum Beispiel separate Erfassung der Kreditkarten mit Revolving Credit und eine Erfassung der Debitkarten der internationalen Brands unter Debitkarten), aber in der Summe aller Kar tentypen sind die erfassten Daten (Kartenzahl, Umsatz und Transaktionen) inhaltlich weitgehend identisch und vergleichbar mit den bisherigen Zahlen 2006.

Da die Meldung durch die Kreditinstitute für 2007 noch auf freiwilliger Basis erfolgte, haben sich nicht alle Kartenissuer beteiligt. In einer Fußnote im Red Book erwähnt die Bundesbank, dass zirka 25 Prozent der Institute keine Daten abgegeben haben. Diese Lücke wurde nun von den Bundesbankstatistikern hinzugeschätzt. Für den statistischen Einbruch des Kartengeschäfts 2007 gibt es demnach folgende hypothetische Erklärungen:

1. Die bisherigen Makro-Zahlen der Ver bände, ZKA und Kreditkartenorganisationen waren bis 2006 falsch oder

2. die Mikro-Angaben der Kreditinstitute für 2007 und/oder deren Aggregation sind falsch oder

3. die Hochrechnung der Bundesbank von 75 Prozent auf 100 Prozent ist fehler haft oder

4. alle im Blue Book veröffentlichten Daten sind richtig und es gibt tatsächlich einen katastrophalen Rückgang des Kartengeschäfts oder

5. der inhaltliche Gegenstand der Erhebung hat sich maßgeblich geändert, zum Beispiel eine Neudefinition des Begriffs "PoS Payment".

Kreditkarten verzeichneten deutliches Wachstum

Zuerst die gute Nachricht: Option 4 trifft nicht zu. Es gibt überhaupt keine Anzeichen dafür, dass das Kartengeschäft im Jahr 2007 rückgängig war. Im Gegenteil weisen alle verfügbaren Zahlen für das Jahr 2007 auf Makro-Ebene (ZKA, Kar tenorganisationen, Verbände), aber auch auf Mikro-Ebene (Issuer, Acquirer, Netzbetreiber, Prozessoren und so weiter), ein kräftiges Wachstum (zum Teil zweistellig! ) auf.

Auf der Issuing-Seite stieg der PoS-Umsatz mit Debit-, Kredit- und Handelskarten um elf Milliarden Euro auf 195,8 Milliarden Euro (plus 6,1 Prozent). Insbesondere die Kreditkarten (Mastercard, Visa und Amex) verzeichneten (wie in den Vorjahren) ein hohes Wachstum (plus 11,5 Prozent). Diese Zahlen der Paysys-Kartenmarktstatistik basieren auf Makro-Zahlen unter Hinzunahme einer Vielzahl dezentraler Daten (Prozessoren, Netzbetreiber, Einzelhandelsdaten und so weiter) und eigener Erhebungen (siehe Tabelle).

Da die Bundesbank die Anzahl der Bankkundenkarten, die fast alle Debitkarten sind, (laut Bankenstatistik Ende 2007 zirka 92,6 Millionen) seit vielen Jahren selbst erhebt, ist es unerklärlich, warum die Statistiker darüber hinaus nur noch rund 16,1 Millionen weitere (Kredit-)Kar ten zählen. Die Zahl der Karten mit einem Visa-, Mastercard-, Amex- oder Diners Club-Logo beträgt etwa 25,5 Millionen! Im Blue Book fehlen beim Kartenumsatz 2007 zirka 60 Milliarden Euro, aber auch 2006 gibt es bei der "alten" Methodik bereits eine Lücke von über 20 Milliarden Euro. Die Abweichungen lassen sich also nicht nur durch die Methodikumstellung begründen.

Ungenaue Begrifflichkeiten ...

Die Option 1 ist unwahrscheinlich und für die Option 5 gibt es in den Erklärungen zur Bundesbank-Statistik keine Hinweise. Eine wahrscheinliche Fehlerquelle ist die Qualität der Angaben der Kreditinstitute. Erstens sind die Vorgaben der Statistiker (zum Beispiel beim Begriff "Debitkarte") ungenau. Zweitens sind die Kreditinstitute auf eigene Kartendaten angewiesen, die intern oder bei einem externen Dienstleister (Rechenzentrum, Kopfstelle oder Prozessor) vorhanden sein sollten. Die Erfahrung zeigt, dass es im Datenbestand der Institute große Qualitätsunterschiede gibt. Es zeigt sich auch, dass die Daten aus dem Processing oft erheblich abweichen von den Issuer-Daten, die die Kartenorganisationen registrieren. Viele Issuer sind vermutlich beim Ausfüllen des Datenblatts überfordert.

Über mögliche Fehler bei der Hochrechnung von 75 auf 100 Prozent kann man mutmaßen. Geben 75 Prozent der teilnehmenden Banken auch 75 Prozent der Karten heraus, die 75 Prozent des Kartenumsatzes generieren? Was heißt 75 Prozent der inländischen Kreditinstitute? Gezählt auf Basis der Bankleitzahl, Zweigstellen oder der Bilanzsumme? Was hätten diese Parameter gegebenenfalls mit dem Kartengeschäft zu tun?

... begünstigen falsche Markteinschätzung

Die katastrophalen Blue Book-Daten für 2007 sind vermutlich durch ein Zusammenspiel von fehlerhaften Daten der Kreditinstitute und einer nicht marktadäquaten Hochrechnung entstanden. Man hätte das Ergebnis mit den weiterhin vorhandenen Makro-Daten abgleichen müssen. Bis dahin sind die Daten - auch mit Vorsicht nicht zu genießen!

Für ausländische Marktbeobachter, aber auch für Investoren führen die neuen Blue Book-Zahlen zu einer völlig falschen Markteinschätzung des deutschen Kartengeschäft, das mit einer Wachstumsrate von rund sechs Prozent auf der Issuing- und Acquiring-Seite keineswegs gesättigt ist, wobei die Kreditkarte weiterhin der stärkste Wachstumsmotor ist.

Dr. Hugo Godschalk , Koordinator der AG Regulation, Prepaid Verband Deutschland e. V. (PVD), Berlin
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